Personalgestellung durch Krankenhaus, USt-Freiheit: 1. Die Personalgestellung durch ein Krankenhaus an eine Arztpraxis kann ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundener, nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1993 steuerfreier Umsatz sein, z.B. wenn das Krankenhaus medizinische Großgeräte der Arztpraxis durch eigenes Personal nutzen darf und im Gegenzug sein Personal zur Bedienung der Geräte auch für die Nutzung durch die Arztpraxis gegen Kostenerstattung überlässt. - 2. Ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng verbundener Umsatz kann danach ausnahmsweise auch dann vorliegen, wenn die Arztpraxis nicht nur die Krankenhauspatienten, sondern auch andere Patienten versorgt. Ob ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, kann nur unter Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 18.1.2005 V R 35/02, BFHE 208 S. 486, BStBl 2005 II S. 507 = SIS 05 15 26). - Urt.; BFH 25.1.2006, V R 46/04; SIS 06 16 47
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger), ein eingetragener Verein, ist u.a. Träger eines
Krankenhauses, welches die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO 1977) erfüllt. Zwischen den Beteiligten ist
streitig, ob die aus der Personalgestellung an eine radiologische
Gemeinschaftspraxis erzielten Umsätze des Klägers nach
§ 4 Nr. 16 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993)
steuerfrei sind.
Das Krankenhaus des Klägers hat eine
eigene Abteilung für Röntgendiagnostik und
Röntgentherapie, die sowohl für die stationäre
Behandlung der Patienten als auch für die ambulanten Patienten
des Krankenhauses zur Verfügung steht. Außerdem besteht
in den Räumen des Krankenhauses eine private
Gemeinschaftspraxis, die seit dem 1.4.1984 eine Praxis für
Röntgendiagnostik und Röntgentherapie betreibt. Die
Geräte und das Personal des Krankenhauses stehen auch für
die Behandlung der ambulanten Patienten der Gemeinschaftspraxis zur
Verfügung. Daneben verfügte die Gemeinschaftspraxis in
den Streitjahren 1995 und 1996 über einen Computertomograph
(CT) und einen Kernspintomograph (MR). Sie hatte diese
Großgeräte in Absprache mit dem Krankenhaus des
Klägers angeschafft. Für die Bedienung dieser Geräte
wurde das Personal des Klägers eingesetzt, dessen Kosten der
Kläger dann der Gemeinschaftspraxis in Rechnung stellte. Die
Gemeinschaftspraxis hatte in den Streitjahren kein eigenes
Personal.
Bezüglich der Nutzung der
medizinischen Großgeräte liegen nach den Feststellungen
des Finanzgerichts (FG) zwischen dem Kläger und der
Gemeinschaftspraxis folgende Vereinbarungen vor:
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„1. Großgeräte, die dem
Krankenhaus gehören (Kobaltanlage und DSA), kann die
Praxisgemeinschaft einschließlich des Hilfspersonals gegen
Entgelt mitnutzen.
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2. Computertomograph - CT - (1990/1994) und
Kernspintomograph - MR - (1995): Das CT-Gerät kann das
Krankenhaus für eigene Zwecke gegen Entgelt selbst nutzen. Das
MR-Gerät wird bei den stationären Patienten des
Krankenhauses über die Praxisgemeinschaft gegen Entgelt
eingesetzt.“
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Im Rahmen einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2000 wegen der
steuerpflichtigen Umsätze in den Jahren 1995 und 1996 stellte
der Prüfer u.a. Folgendes fest:
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„Ferner wird das Personal (gemeint
ist das Personal des Krankenhauses) auch für die Bedienung der
Großgeräte der Praxisgemeinschaft - Computertomograph
(CT) und Kernspintomograph (MR) - usw. überlassen. Die
Personalkosten werden jährlich abgerechnet (monatliche
Vorauszahlungen werden geleistet). Die Praxisgemeinschaft
verfügt im Prüfungszeitraum über kein eigenes
Personal. Diese Personalgestellung gehört nicht zu den eng mit
dem Betrieb eines Krankenhauses verbundenen Umsätzen. Nach
Abschnitt 100 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1992/1996 (UStR)
sind nur solche Umsätze mit dem Betrieb eines Krankenhauses
eng verbunden, die für diese Einrichtungen nach der
Verkehrsauffassung typisch und unerlässlich sind,
regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb
vorkommen und damit unmittelbar oder mittelbar
zusammenhängen.
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Die Personalgestellung unterliegt dem
allgemeinen Steuersatz.
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1995:
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Personalkosten lt. Abrechnung -
Bruttobetrag 362.054,49 DM - Nettobetrag 314.830, - DM.
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1996:
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Personalkosten lt. Abrechnung -
Bruttobetrag 436.143,51 DM - Nettobetrag 379.255, -
DM.“
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Am 2.1.2001 erließ der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) für die
Streitjahre 1995 und 1996 entsprechend geänderte
Umsatzsteuerbescheide.
Dagegen legte der Kläger erfolglos
Einspruch ein.
In seiner Klage gegen die geänderten
Umsatzsteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung vom 6.7.2001
führte der Kläger insbesondere aus: Die Kooperation mit
der Praxisgemeinschaft sichere die Nutzung der
Großgeräte für das Krankenhaus insgesamt und
insbesondere des CT und des MR, die Eigentum der Praxisgemeinschaft
seien, auch außerhalb der Arbeitszeiten der
Praxisgemeinschaft. Das Krankenhaus hätte dadurch - auch in
der Vergangenheit - neben der allgemeinen Versorgung auch seinen
notärztlichen Versorgungsauftrag kompetent und umfassend
erfüllen können. Der Einsatz der Großgeräte
wirke sich damit zum einen über die Pflegesätze selbst
und zum anderen durch mehr Patienten aufgrund des Angebotes direkt
auf den krankenhauseigenen Umsatz aus. In der Darstellung nach
außen, d.h. gegenüber den Patienten, werde betreffend
des Einsatzes der Großgeräte keine Unterscheidung
zwischen der Ärztegemeinschaft und dem Krankenhaus getroffen.
Für die Bedienung der Großgeräte, unabhängig,
ob sie im Eigentum des Krankenhauses oder der
Ärztegemeinschaft ständen, sei das medizinisch-technische
Personal des Krankenhauses eingesetzt worden; dadurch habe auch die
Qualifizierung des eigenen Personals für die Bedienung der
modernen Großgeräte sichergestellt werden können.
Die eigene Röntgenabteilung sei nicht aufgegeben, sondern die
neuen Großgeräte der Praxisgemeinschaft seien durch den
Kooperationsvertrag in das Krankenhaus eingegliedert
worden.
Das FG gab der Klage statt und hob die
Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 vom
20.1.2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 6.7.2001 auf. Zur
Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass der Senat
nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die
Überzeugung gewonnen habe, dass die Überlassung von
medizinisch-technischen Hilfskräften durch das Krankenhaus an
die Gemeinschaftspraxis zur Bedienung des CT und des MR, die im
Eigentum der Gemeinschaftspraxis standen, als Dienstleistungen zu
beurteilen seien, die mit der Krankenhausbehandlung eng verbunden
sind und daher die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b
UStG 1993 eingreife. Ein unmittelbarer Wettbewerb mit anderen
Personalgestellungsunternehmen, die steuerpflichtige Umsätze
ausführten, habe nicht vorgelegen. Das Urteil des FG ist in
EFG 2004, 1799 = SIS 04 37 60 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision
rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Meinung,
es lägen keine mit den Krankenhausleistungen eng verbundene
Umsätze i.S. des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1993 vor,
schon weil diese Leistungen nicht an die Patienten, sondern an
einen anderen medizinischen Betrieb erbracht würden. Eine
Personalgestellung gehöre im Regelfall nicht zu den typischen,
regelmäßig und allgemein im laufenden Betrieb eines
Krankenhauses vorkommenden Umsätzen; eine Ausnahme i.S. des
Abschn. 100 Abs. 1 Satz 1 UStR liege nicht vor. Die bloße
Verschaffung zusätzlicher Einnahmen - im Wettbewerb zu
steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer
(Personalvermittlungsunternehmen, Leiharbeitsfirmen) - unterfalle
nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG
1993.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf mündliche
Verhandlung verzichtet.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist
daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
1. Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG 1993
sind die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken
und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung eng
verbundenen Umsätze steuerfrei, wenn bei Krankenhäusern
im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 AO
1977 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Vorschrift beruht - soweit hier von
Interesse - auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach dieser Bestimmung befreien
die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur
Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der
Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen,
Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der
Steuer:
„die Krankenhausbehandlung und die
ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen
Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts
oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese
Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von
Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung
und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten
Einrichtungen gleicher Art durchgeführt werden beziehungsweise
bewirkt werden.“
Nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG ist die in Abs. 1 Buchst. b vorgesehene
Steuerbefreiung ausgeschlossen, wenn
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sie zur Ausübung der Tätigkeiten,
für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht
unerlässlich sind;
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sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der
Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu
verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten
von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen
durchgeführt werden.
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2. Der Kläger betreibt ein Krankenhaus,
für das die Voraussetzungen des § 67 AO 1977 unstreitig
vorliegen.
a) Das FG ist auch ohne Rechtsverstoß
davon ausgegangen, dass die Personalgestellung durch ein
Krankenhaus an eine Arztpraxis (Gemeinschaftspraxis) ein mit dem
Betrieb des Krankenhauses eng verbundener Umsatz sein kann, wenn
die Personalgestellung für die ärztliche Versorgung der
Krankenhauspatienten unerlässlich ist. Dies wird auch
grundsätzlich von der Finanzverwaltung anerkannt (vgl. Abschn.
100 Abs. 2 UStR 2005). Ein mit dem Betrieb des Krankenhauses eng
verbundener Umsatz kann in Ausnahmefällen sogar dann
vorliegen, wenn die Arztpraxis nicht nur die Krankenhauspatienten,
sondern auch andere Patienten versorgt. Ob ein derartiger
Ausnahmefall vorliegt, kann nur unter Gesamtwürdigung aller
Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, die in erster Linie
dem FG obliegt (vgl. Senatsurteil vom 18.1.2005 V R 35/02, BFHE
208, 486, BStBl II 2005, 507 = SIS 05 15 26). Auf die Frage, ob die
Gemeinschaftspraxis nur die Krankenhauspatienten des Klägers
behandelt hat, kommt es demnach nicht an.
b) Im Streitfall ist das FG ohne
Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, dass die
Personalgestellung für die umfassende radiologische Behandlung
der Krankenhauspatienten unerlässlich war, weil anders eine
Nutzung von Computertomographie und Kernspintomographie für
die Krankenhauspatienten nicht möglich gewesen wäre. Dies
ist im Wesentlichen eine tatsächliche Würdigung des
streitigen Sachverhalts, an die der Senat gebunden ist (vgl. §
118 Abs. 2 FGO).
Dem FA ist zwar einzuräumen, dass
Steuerbefreiungsvorschriften grundsätzlich eng auszulegen
sind. Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) jedoch entschieden hat, verlangt der Begriff der mit der
Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng
verbundenen Umsätze in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG keine besonders enge Auslegung, da durch die
Befreiung der eng mit der Krankenhausbehandlung oder
ärztlichen Heilbehandlung verbundenen Umsätze
gewährleistet werden soll, dass der Zugang zu solchen
Behandlungen nicht durch höhere Kosten versperrt wird, die
entstünden, wenn die Behandlungen selbst oder die eng mit
ihnen verbundenen Umsätze der Mehrwertsteuer unterworfen
wären (EuGH-Urteil vom 11.1.2001 Rs. C-76/99,
Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-249, UR 2001, 62 = SIS 01 05 41
RandNr. 23). Dies muss auch für § 4 Nr. 16 UStG 1993
gelten. „Eng verbundene Umsätze“ liegen
allgemein dann vor, wenn die erbrachten Leistungen als
Nebenleistungen zu einer Krankenhausbehandlung anzusehen sind; dies
ist dann der Fall, wenn sie keinen eigenen Zweck erfüllen,
sondern das Mittel darstellen, um die Hauptleistung unter optimalen
Bedingungen in Anspruch nehmen zu können (EuGH-Urteil vom
1.12.2005 C-394/04 und C-395/05 Ygeia, UR 2006, 150 = SIS 06 06 83); wegen des Zweckes der Steuerbefreiung in Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG muss es sich dabei um
Leistungen handeln, die sich auf die Kosten der medizinischen
Behandlungen auswirken, wie dies hier der Fall ist. Das Krankenhaus
des Klägers behält seine eigene Röntgenabteilung,
„modernisiert“ diese nur unter Nutzung der
für sie zu teuren Geräte - CT und MR - der
Gemeinschaftspraxis und stellt dafür zur Bedienung der im
Eigentum der Gemeinschaftspraxis stehenden Geräte eigenes
Personal. Weil diese verschränkte Nutzung in vielfacher Weise
dem Krankenhaus selbst zugute kommt - den eigenen Patienten,
Anerkennung als Notfallkrankenhaus, Qualifikation des eigenen
Personals - sind die Personalgestellungsumsätze eng mit den
eigenen Krankenhausleistungen verbunden; jedenfalls ist diese
tatsächliche Würdigung des FG revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
c) Der Senat kann auch nicht erkennen, dass
die streitige Personalgestellung im Wesentlichen dazu bestimmt war,
dem Kläger zusätzliche Tätigkeiten zu verschaffen,
die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der
Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen
durchgeführt werden. Das FG hat einen schädlichen
Wettbewerb i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2.
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG mit der Begründung
verneint, dass in den Streitjahren ohnehin kaum
medizinisch-technisches Personal mit CT- oder MR-Schein auf dem
Arbeitsmarkt zu erhalten war. Diese tatsächliche Feststellung
ist mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden und daher
für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).