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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind verheiratet und werden zusammen veranlagt. Der
1936 geborene Kläger war Arzt; er bezieht seit dem 1.11.2001
eine Altersrente von der Nordrheinischen Ärzteversorgung (N),
einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Im
Streitjahr 2006 betrugen seine Renteneinnahmen 35.222 EUR. In
diesem Betrag sind die Kinderzuschüsse für die beiden
minderjährigen Kinder in Höhe von jeweils 244,60 EUR
monatlich enthalten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) besteuerte die Kinderzuschüsse
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr
gültigen Fassung mit dem Besteuerungsanteil von 50 %.
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Nach Auffassung der Kläger
verstößt die unterschiedliche Behandlung von
Kinderzuschüssen zu einer Rente aus einem
berufsständischen Versorgungswerk und von
Kinderzuschüssen zu einer Rente aus gesetzlichen
Rentenversicherungen, die nach § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG als
steuerfreie Einnahmen behandelt werden, gegen Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG). Ein sachlicher Grund für diese
Ungleichbehandlung sei nicht erkennbar. Deshalb habe die
Finanzverwaltung vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes
(AltEinkG) vom 5.7.2004 (BGBl I 2004, 1427) auch
Kinderzuschüsse zu einer Rente aus einem
berufsständischen Versorgungswerk nach § 3 Nr. 1 Buchst.
b EStG als steuerfrei behandelt (Schreiben des Bundesministeriums
der Finanzen - BMF - vom 12.12.1990, DB 1991, 136). Nach
Inkrafttreten des AltEinkG habe die Finanzverwaltung an dieser
Auffassung aber nicht mehr festgehalten (BMF-Schreiben vom
24.2.2005, BStBl I 2005, 429 = SIS 05 13 43, Rz 89).
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Das Finanzgericht (FG) wies die nach
erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit dem in EFG 2010, 1325 =
SIS 10 24 34 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
Die Kinderzuschüsse aus dem berufsständischen
Versorgungswerk seien zu Recht nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst.
a Doppelbuchst. aa EStG besteuert worden. Darin liege kein
Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1
GG; es gebe für die unterschiedliche steuerliche Behandlung
von Kinderzuschüssen aus der gesetzlichen Rentenversicherung
einerseits und aus einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung andererseits sachliche Gründe. Ein
Steuerpflichtiger habe keinen Anspruch auf Kindergeld, wenn er
Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung
beziehe (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Demgegenüber
bleibe der Steuerpflichtige kindergeldberechtigt, wenn er einen
Kinderzuschuss aus einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung erhalte.
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Im Rahmen ihrer Revisionsbegründung
ergänzen die Kläger ihr Vorbringen und weisen darauf hin,
dass Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung
bzw. Kinderzuschüsse aus einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung zwar auf unterschiedlichen Grundlagen
beruhten, eine Vergleichbarkeit aber dennoch gegeben sei, da die
versicherten Risiken der gesetzlichen Rentenversicherung und der
berufsständischen Versorgungswerke gleich seien. Beide
sicherten das Alters-, Invaliditäts- und Todesfallrisiko ohne
vorherige Gesundheitsprüfung für Frauen und Männer
zu gleichen Bedingungen ab. Das FG stelle auf § 65 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 EStG als sachlichen Differenzierungsgrund ab, verkenne
jedoch, dass der Gesetzgeber sowohl in § 3 Nr. 1 Buchst. b
EStG als auch in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG die Problematik
der Kinderzuschüsse berufsständischer Versorgungswerke
offensichtlich übersehen habe. Der im Rahmen des
finanzgerichtlichen Verfahrens angeschriebene Finanzausschuss des
Deutschen Bundestages habe darauf hingewiesen, dass den
vorliegenden Materialien zum Gesetzgebungsverfahren des AltEinkG
eine Begründung und explizite Erörterung dieser Frage
nicht zu entnehmen sei. Soweit der Finanzausschuss darauf verweise,
dass die unterschiedliche Behandlung der Kinderzuschüsse mit
deren Behandlung im Rahmen des Kindergeldes zusammenhänge,
handele es sich um eine schlichte Behauptung.
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Für ihre - der Kläger -
Auffassung spreche im Übrigen auch die Regelung des § 3
Nr. 3 Buchst. c EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 - JStG
2007 - vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878), wonach Leistungen aus
berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den Leistungen
nach den Buchst. a und b des § 3 Nr. 3 EStG entsprechen, aus
Gründen der Gleichbehandlung steuerfrei gestellt würden.
Das BMF-Schreiben in DB 1991, 136 sei im Übrigen trotz der
Regelung des § 65 Abs. 1 EStG weiter angewandt worden. Es
liege im Hinblick auf die in § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG und
§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht geregelten
Kinderzuschüsse aus einem berufsständischen
Versorgungswerk eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch
eine analoge Anwendung beider Vorschriften zu schließen
sei.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Einkommensteuer 2006 unter Abänderung des
Einkommensteueränderungsbescheids vom 21.9.2009 auf 61.710 EUR
festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision der Kläger ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Kinderzuschüsse, die
der Kläger im Jahr 2006 von N bezogen hat, sind zu Recht
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
EStG mit einem Besteuerungsanteil von 50 % der Besteuerung
unterworfen worden.
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Bedenken gegen die Einbeziehung der
Kinderzuschüsse in die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bestehen nicht (unten 1.). Das FG
hat es zu Recht abgelehnt, die von N gezahlten Kinderzuschüsse
aufgrund einer teleologischen Extension des § 3 Nr. 1 Buchst.
b EStG als steuerfrei zu behandeln (unten 2.). Es liegt kein
Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG
darin, dass die von einer berufsständischen
Versorgungseinrichtung gezahlten Kinderzuschüsse im Gegensatz
zu den Kinderzuschüssen aus den gesetzlichen
Rentenversicherungen nicht steuerbefreit sind (unten 3.).
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1. Kinderzuschüsse, die eine
berufsständische Versorgungseinrichtung ihren Mitgliedern
zahlt, gehören zu den anderen Leistungen, die gemäß
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern
sind. Daher bestimmt sich der Besteuerungsanteil der
Kinderzuschüsse nach der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG.
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a) Die Erweiterung der Vorschrift des §
22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG auch auf andere Leistungen als
Leibrenten erfolgte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des
AltEinkG auf Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen
Bundestages, um vor allem die Besteuerung von Teilkapitalisierungen
zu ermöglichen (vgl. Bericht des Finanzausschusses vom
29.4.2004, BTDrucks 15/3004, 19). Durch die weite Formulierung
„andere Leistungen“ sind Kinderzuschüsse,
die eine berufsständische Versorgungseinrichtung ihren
Mitgliedern satzungsgemäß gewährt, von der
Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG umfasst (vgl. auch BMF-Schreiben vom
13.9.2010, BStBl I 2010, 681 = SIS 10 26 24, Rz 142; Schmidt/
Weber-Grellet, EStG, 30. Aufl., § 22 Rz 101).
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b) Die Einbeziehung der Kinderzuschüsse
als Teil der Basisversorgung in die Besteuerung gemäß
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist
systemgerecht. Die Besteuerung der Basisversorgung beruht auf dem
Konzept der nachgelagerten Besteuerung: Die Altersrenten sind als
solche steuerbar; zu berücksichtigen sind - wenn auch zeitlich
versetzt - Aufwendungen und Erträge, die sich aus den
Beiträgen und Rentenzahlungen ergeben (vgl. Senatsurteil vom
26.11.2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 = SIS 08 44 40). Dieser Befund gilt gleichermaßen für
berufsständische Kinderzuschüsse wie auch für
Kinderzuschüsse, die von der gesetzlichen Rentenversicherung
gezahlt werden. Die Leistungen beruhen auf den Beiträgen, die
der Steuerpflichtige in das Versorgungswerk bzw. die gesetzliche
Rentenversicherung als Basisversorgung eingezahlt hat und die -
wenn auch bis 2025 nur teilweise - von ihm steuermindernd geltend
gemacht werden konnten und können (vgl. zu der ähnlichen
Problematik der Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen
Rentenversicherung Senatsurteil vom 13.4.2011 X R 54/09, BFHE 233,
487, BStBl II 2011, 910 = SIS 11 24 23).
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2. Der von den Klägern begehrten
Gesetzesauslegung, die von N geleisteten Kinderzuschüsse -
ebenso wie die Kinderzuschüsse der gesetzlichen
Rentenversicherung - als steuerfrei zu behandeln, steht der
eindeutige Wortlaut des § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG entgegen,
nach dem lediglich die Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen
Rentenversicherungen steuerfrei sind. Für eine teleologische
Extension der Vorschrift auf Kinderzuschüsse aus
berufsständischen Versorgungseinrichtungen ist kein Raum (so
auch Jansen/Myßen/Killat-Risthaus, Renten, Raten, Dauernde
Lasten, 14. Aufl., Rz 1268; Niemann/Risthaus, DB 2008, Beilage Nr.
4/2008, 25).
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a) Eine teleologische Extension zielt darauf
ab, den zu engen Wortlaut eines Gesetzes auf dessen weiter gehenden
Zweck auszudehnen. Sie ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn
die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch
fehlerhaft erscheint. Vielmehr muss die auf den Wortlaut
abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis, zu einem
wirtschaftlich nicht vertretbaren, unsinnigen Ergebnis, zu einem
der wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis oder zu
einem so unsinnigen Ergebnis führen, dass es vom Gesetzgeber
nicht gewollt sein kann (Senatsurteil vom 23.3.2011 X R 28/09, BFHE
233, 404, BStBl II 2011, 753 = SIS 11 23 89, m.w.N.).
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b) Während die gesetzliche
Rentenversicherung wesentlich durch das Solidarprinzip geprägt
ist, folgt die berufsständische Altersversorgung vor allem dem
Äquivalenzprinzip. Aus diesem Grunde lassen nominal gleiche
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und zu
einem Versorgungswerk andererseits selbst bei typisierender
Betrachtung keinen Rückschluss auf ein gleiches
Versorgungsniveau zu (Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009,
710 = SIS 08 44 40). Bereits vor diesem Hintergrund wäre es
nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber bewusst nur die
Kinderzuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung als
steuerfrei behandeln wollte.
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Auch andere Regelungen in § 3 EStG
belegen, dass kindbezogene Leistungen unterschiedlich besteuert
werden können. So sind nach § 3 Nr. 24 EStG Leistungen
steuerfrei, die aufgrund des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG)
gewährt werden, während gemäß § 3 Nr. 11
Satz 2 EStG Kinderzuschläge und –beihilfen
grundsätzlich steuerpflichtig sind, die aufgrund der
Besoldungsgesetze, besonderer Tarife oder ähnlicher
Vorschriften gezahlt werden. Sie teilen das steuerrechtliche
Schicksal der Vergütung, als deren Bestandteil oder Zusatz sie
geleistet werden (vgl. Blümich/Erhard, § 3 EStG Rz
563).
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Dass der Gesetzgeber demgegenüber in
bestimmten Fällen die Leistungen sowohl der
berufsständischen Versorgungswerke als auch der gesetzlichen
Rentenversicherung von der Steuer freistellt und damit gleich
behandelt, zeigt § 3 Nr. 3 Buchst. c EStG i.d.F. des JStG
2007. Diese Vorschrift ordnet ausdrücklich die Steuerfreiheit
der Leistungen der berufsständischen Versorgungseinrichtungen
an, die den in Buchst. a und b dieser Vorschrift genannten
Leistungen, wie z.B. Rentenabfindungen und Beitragserstattungen der
gesetzlichen Rentenversicherungen, entsprechen.
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3. Es liegt keine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung der Kläger darin, dass nur die
Kinderzuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung und nicht
auch die der berufsständischen Versorgungseinrichtungen
gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG steuerfrei sind.
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a) Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach
Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche
Grenzen für den Gesetzgeber. Bei gesetzlichen
Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem
Maß sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung
grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere
Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen
Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt,
lassen sich nur in Bezug auf die jeweils betroffenen
unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen
(ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG -, siehe z.B. Beschluss vom 26.7.2010 2 BvR 2227, 2228/08,
BFH/NV 2010, 1983, m.w.N. = SIS 10 22 41).
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b) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits
früher entschieden, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet
gewesen sei, die Kinderzuschläge, die Beamte nach dem
Besoldungsrecht erhalten, in bestimmtem Umfang von der
Einkommensteuer freizustellen, nachdem die Steuerfreiheit für
das Kindergeld nach dem BKGG eingeführt worden war. Diese
Frage gehöre in den Bereich der Steuer- und Besoldungspolitik;
der Gesetzgeber habe im Rahmen seines politischen Ermessens,
nachdem er die Steuerfreiheit für das Kindergeld
eingeführt hatte, ohne Willkür die Einkommensteuerpflicht
der Kinderzuschläge wie bisher aufrechterhalten können
(Urteil vom 28.8.1959 VI 111/58 U, BFHE 69, 507, BStBl III 1959,
449 = SIS 59 02 76).
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c) § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG ist durch das
Steueränderungsgesetz 1977 (StÄndG 1977) vom 16.8.1977
(BStBl I 1977, 1586) auf Kinderzuschüsse der gesetzlichen
Rentenversicherung ausgedehnt worden. In der
Gesetzesbegründung zum StÄndG 1977 wurde die
Steuerfreiheit der Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen
Rentenversicherung vor dem Hintergrund, dass diese Leistungen auf
dem damaligen Stand von monatlich 152,90 DM bzw. 154,50 DM bei der
knappschaftlichen Rentenversicherung begrenzt werden sollten, damit
begründet, dass es unter diesen Umständen angemessen sei,
den Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung von der
Einkommensteuer zu befreien (BTDrucks 8/292, 21). Einer solchen
betragsmäßigen Einschränkung unterlagen die
Kinderzuschüsse der berufsständischen
Versorgungseinrichtungen demgegenüber nicht.
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d) Ein weiterer Grund für die
unterschiedliche Besteuerung der Kinderzuschüsse liegt - wie
vom FG dargelegt - in der unterschiedlichen Behandlung der
Kinderzuschüsse im Rahmen des § 65 EStG. Nach § 65
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist der Anspruch auf Kindergeld für
ein Kind ausgeschlossen, für das u.a. Kinderzuschüsse aus
den gesetzlichen Rentenversicherungen gezahlt werden bzw. bei
entsprechender Antragstellung gezahlt würden. Der Katalog der
Ausschlusstatbestände in § 65 Abs. 1 Satz 1 EStG kann
nicht durch analoge Anwendung auf andere kindbezogene Leistungen
erweitert werden (ebenso Bundeszentralamt für Steuern,
Dienstanweisung zur Durchführung des
Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des
Einkommensteuergesetzes 65.1.1. Abs. 2, vom 30.9.2009, BStBl I
2009, 1030 = SIS 09 30 63, zuletzt geändert am 12.7.2011,
BStBl I 2011, 716 = SIS 11 22 74; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 65 EStG Rz 7; Felix, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff -
KSM -, EStG, § 65 Rz B 54). Das bedeutet, dass der Anspruch
auf Kindergeld nicht ausgeschlossen ist, wenn einem Elternteil
entsprechende Leistungen für Kinder aus einer
berufsständischen Versorgungseinrichtung zustehen (so bereits
Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.4.1992 10 RKg 2/99, BSGE 70,
257 zu der insoweit wortgleichen Vorgängervorschrift des
§ 8 Abs. 1 Nr. 1 des BKGG in der im damaligen Streitjahr 1988
geltenden Fassung; Felix, in: KSM, EStG, § 65 Rz B 18).
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Die berufsständischen
Kinderzuschüsse können zusätzlich zum
steuerrechtlich geregelten Familienleistungsausgleich (Kindergeld
oder Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG)
gewährt werden. Demgegenüber verdrängt der
Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung den
Kindergeldanspruch und fließt zudem in die
Günstigerprüfung des § 31 Satz 4 EStG ein, da es
sich um eine mit dem Kindergeld vergleichbare Leistung nach §
65 EStG handelt (§ 31 Satz 5 EStG i.V.m. § 65 Abs. 1 Satz
2 EStG; vgl. auch Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 31 Rz 18).
Diese unterschiedlichen Rechtsfolgen führen dazu, dass die
Bezieher von berufsständischen Kinderzuschüssen im
Ergebnis regelmäßig eine bessere Behandlung erfahren,
auch wenn die Zuschüsse selbst nicht steuerfrei sind. Eine
weitere steuerliche Privilegierung ist gleichheitsrechtlich nicht
geboten.
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e) Entgegen der Auffassung der Kläger war
es nicht notwendig, die Differenzierungsgründe im
Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich zu benennen. Die
Gründe für die Steuerfreiheit der Kinderzuschüsse
der gesetzlichen Rentenversicherung waren bereits im Rahmen des
StÄndG 1977 vom Gesetzgeber dargelegt worden. Zudem ist die
verfassungsrechtliche Forderung, Differenzierungsgründe im
Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich zu benennen, auf die
Berücksichtigung spezifischer außerfiskalischer
Lenkungs- und Förderungszwecke beschränkt (ständige
Verfassungsrechtsprechung; vgl. BVerfG-Beschluss vom 12.5.2009 2
BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 = SIS 09 21 10, unter B.I.2.c aa,
m.w.N.). Bei § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG handelt es sich indes
nicht um eine solche Lenkungsnorm. Vielmehr beruht die
Nichteinbeziehung des berufsständischen Kinderzuschusses auf
einem steuerlichen Grund, nämlich der gerade dargestellten
erhöhten Leistungsfähigkeit des Beziehers dieser
Kinderzuschüsse, da sie ihm - im Gegensatz zu den
Kinderzuschüssen der gesetzlichen Rentenversicherung -
zusätzlich zum Familienleistungsausgleich gewährt werden
können.
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4. Eine Steuerfreiheit der
Kinderzuschüsse ergibt sich auch nicht aus dem BMF-Schreiben
in DB 1991, 136, da Verwaltungsanweisungen im Allgemeinen weder
eine einer Rechtsverordnung vergleichbare Bindung aller
Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und
Glauben herbeiführen können. Eine von den Gerichten zu
beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht lediglich
ausnahmsweise in dem - im Streitfall nicht gegebenen - Bereich der
ihr vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im
Rahmen des Ermessens, der Billigkeit, der Typisierung oder
Pauschalierung (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl z.B. Urteil
vom 29.3.2007 IV R 14/05, BFHE 217, 525, BStBl II 2007, 816 = SIS 07 25 18, m.w.N.).
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Zudem hatte die Finanzverwaltung bereits mit
dem BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 429 = SIS 05 13 43 - und damit
vor dem Streitjahr 2006 - unter Tz 89 ausgeführt, dass in
Bezug auf Leistungen aus berufsständischen
Versorgungseinrichtungen unselbständige Bestandteile der Rente
(z.B. Kinderzuschüsse) zusammen mit der Rente nach § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu versteuern seien.
Dass das BMF-Schreiben in DB 1991, 136 erst durch das BMF-Schreiben
zur Eindämmung der Normenflut vom 29.3.2007 (BStBl I 2007, 369
= SIS 07 11 11) - also nach dem Streitjahr 2006 - formal aufgehoben
wurde, ist unerheblich. Das BMF hat in seinem Schreiben in BStBl I
2007, 369 = SIS 07 11 11 ausdrücklich darauf hingewiesen, die
Aufhebung habe deklaratorischen Charakter, soweit die aufgehobenen
BMF-Schreiben bereits aus anderen Gründen keine Rechtswirkung
mehr entfalteten. So war es auch im Streitfall: Durch das AltEinkG
sowie durch die eindeutigen Aussagen des BMF-Schreibens in BStBl I
2005, 429 = SIS 05 13 43 bestand kein Zweifel daran, dass die
erhaltenen Kinderzuschüsse als Leistungen der Basisversorgung
ab dem 1.1.2005 mit ihrem Besteuerungsanteil gemäß
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern
waren.
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5. Soweit die Kläger der Auffassung sind,
es liege im Hinblick auf die in § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG und
§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht geregelten
Kinderzuschüsse aus einem berufsständischen
Versorgungswerk eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch
eine analoge Anwendung beider Vorschriften zu schließen sei,
fehlt es bereits an einer planwidrigen Lücke in Bezug auf
§ 3 Nr. 1 Buchst. b EStG (vgl. dazu oben unter 2.). Vor allem
aber wird der Kläger als Bezieher von Kinderzuschüssen
aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen dadurch, dass
diese Zuschüsse nicht in den Anwendungsbereich des § 65
EStG fallen, im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nicht
benachteiligt, sondern günstiger behandelt (vgl. dazu oben
unter 3.d).
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