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Keine Steuerfreiheit für Gefahrenzulagen

Keine Steuerfreiheit für Gefahrenzulagen: Es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, die Steuerbefreiung für Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden, auf Gefahrenzulagen und Zulagen im Kampfmittelräumdienst auszudehnen. - Urt.; BFH 15.9.2011, VI R 6/09; SIS 11 34 44

Kapitel:
Lohnsteuer für Arbeitnehmer > Steuerfreie Bezüge, Vermögensbildung
Fundstellen
  1. BFH 15.09.2011, VI R 6/09
    BStBl 2012 II S. 144
    LEXinform 0179853

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 11.1.2012
    jh in StuB 22/2011 S. 885
    T.L. in BB 47/2011 S. 2919
    St.Sch. in BFH/PR 1/2012 S. 1
    St.Sch. in HFR 12/2011 S. 1287
    W.Be. in FR 3/2012 S. 139
    KAM in Stbg 4/2012 S. M 15
    St.G. in DStR 14/2012 Beihefter S. 61
Normen
[EStG] § 3 b Abs. 1
[GG] Art. 3 Abs. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Köln, 16.04.2008, SIS 09 35 05, Steuerfreiheit, Gefahrenzulage, Verfassungsmäßigkeit
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 10.8.2023, SIS 23 17 37, Berechnung des Grundlohns bei steuerfreien Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit: 1. Der ...
  • BFH 16.12.2021, SIS 22 00 94, Steuerfreie Zuschläge für tatsächlich an Sonn-, Feiertagen oder zur Nachtzeit geleistete Arbeit: 1. Tatsä...
  • BFH 1.9.2021, SIS 21 17 78, Anwendung des § 33 Abs. 3 EStG auf sogenannte beihilfefähige Aufwendungen im Krankheitsfall verfassungsge...
  • FG Baden-Württemberg 19.4.2021, SIS 22 08 28, Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit: Der Begriff des laufenden Arbeitslohns in § 3 b Abs....
  • BFH 15.2.2017, SIS 17 06 71, Keine Steuerfreiheit einer Zulage für Dienst zu wechselnden Zeiten: Die einem Polizeibeamten gezahlte Zul...
  • BFH 15.2.2017, SIS 17 14 01, Keine Steuerfreiheit einer Zulage für Dienst zu wechselnden Zeiten: Die einem Polizeibeamten gezahlte Zul...
  • BFH 5.7.2012, SIS 12 25 65, Verfassungsmäßigkeit des Abzugs von Kinderbetreuungskosten: 1. Es ist verfassungsgemäß, den Abzug von Kin...
  • BSG 5.4.2012, SIS 12 30 81, Elterngeld: Steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bleiben bei der Bemessung de...
Fachaufsätze
  • LIT 02 29 48 St. Geserich, NWB 45/2011 S. 3745: Keine Steuerfreiheit für Gefahrenzulagen - Kommentar zum BFH-Urteil vom 15.9.2011, VI R 6/09 = SIS 11 34 ...
Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

 

1

I. Streitig ist, ob Zuschläge zum Lohn, die für das Auffinden, Entfernen und Beseitigen von Minen, Bomben und sonstigen Kampfmitteln gezahlt wurden, von Verfassungs wegen wie Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit von der Einkommensteuer zu befreien sind.

 

 

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute im Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist im Kampfmittelbeseitigungsdienst tätig. Seine Tätigkeit besteht im Auffinden, Entfernen und Beseitigen von Kampfmitteln jeder Art einschließlich Minen. Der Kläger erhielt im Streitjahr neben seinem Grundgehalt eine Zulage „Kampfmittelräumdienst“ von insgesamt 10.675,92 EUR sowie zusätzlich eine Gefahrenzulage für die tatsächliche Räumung einer Bombe in Höhe von einmalig 567,53 EUR.

 

 

3

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) sämtliche Zulagen der Einkommensteuer. Mit Einspruch machten die Kläger dagegen im Ergebnis erfolglos geltend, dass die Steuerbefreiung für Sonntags-, Nacht- und Feiertagszuschläge in verfassungskonformer Auslegung des § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Gefahrenzuschläge der vorliegenden Art zu erstrecken sei. Die besondere Erschwernis, mit der die Steuerbefreiung für Sonntags-, Nacht- und Feiertagszuschläge begründet werde, sei auch bei Tätigkeiten im Kampfmittelräumdienst gegeben. Es sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) willkürlich, solche Zulagen nicht in den Bereich der Steuerbefreiung einzubeziehen.

 

 

4

Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) stützte sich zur Begründung im Wesentlichen darauf, dass zwar § 3b EStG die Steuerfreiheit von Zuschlägen erfasse, aber nicht die Zuschläge für die Tätigkeit im Bombenentschärf- und Kampfmittelräumdienst einbeziehe und auf diese auch nicht in verfassungskonformer Auslegung auszudehnen sei. § 3b EStG begegne auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn bei der Besteuerung der Zuschläge handele es sich um eine jener Massenerscheinungen, bei deren Bewältigung sich der Gesetzgeber generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen dürfe. Der Gesetzgeber sei daher frei, lediglich die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wegen ihrer besonderen Belastung für den Arbeitnehmer und deren Familien steuerfrei zu belassen, ohne andere Zuschläge in die Steuerbefreiung einzubeziehen.

 

 

5

Die Kläger rügen mit der Revision die Verletzung materiellen Verfassungsrechts. § 3b EStG sei verfassungswidrig, die in der Literatur geltend gemachten schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken seien berechtigt. Ohne zwingenden Grund würden bestimmte Teile des Arbeitslohns begünstigt, andere damit vergleichbare nicht.

 

 

6

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG Köln aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger durch die derzeitige Fassung des § 3b EStG in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist.

 

 

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

8

II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Gefahrenzuschläge nicht in den Anwendungsbereich des § 3b EStG einzubeziehen sind.

 

 

9

1. Nach § 3b Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Angesichts dessen begründet § 3b Abs. 1 EStG selbst keinen Rechtsanspruch zu Gunsten des Klägers dahingehend, dass die vom Kläger bezogenen Zuschläge für dessen Tätigkeit im Bombenentschärf- und Kampfmittelräumdienst steuerfrei zu belassen sind.

 

 

10

2. Es ist entgegen der Auffassung der Kläger aber auch nicht von Verfassungs wegen geboten, angesichts der Steuerbefreiung für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit auch Zuschläge der hier vorliegenden Art auf Grundlage des Art. 3 Abs. 1 GG steuerfrei zu stellen. Daher ist im Streitfall auch nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht dazu eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.

 

 

11

a) Zutreffend hat das FG entschieden, dass § 3b EStG auch in verfassungskonformer Auslegung keine Steuerbefreiung zu Gunsten des Klägers begründet. Denn nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm erfasst die Begünstigung ausschließlich Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit oder Nachtarbeit. Der Senat hatte bereits früher entschieden, dass § 3b EStG nicht über den Wortlaut hinaus auszulegen ist (vgl. Senatsurteil vom 17.6.2010 VI R 50/09, BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43 = SIS 10 23 35, m.w.N.). Die tatbestandliche Begrenzung auf Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit oder Nachtarbeit lässt auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der verfassungskonformen Auslegung keinen Raum für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 3b EStG auf überwiegend pauschale Zuschläge für andere Tätigkeiten, auch wenn sie aus sonstigen Gründen subventionswürdig sein könnten. Eine solche Auslegung lässt sich im Sinne dieser Auslegungsgrundsätze aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck nicht entnehmen (BVerfG-Beschluss vom 9.1.1991 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 201 <214 f.>).

 

 

12

b) Der Gesetzgeber ist auch nicht von Verfassungs wegen aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) mit Blick auf § 3b EStG verpflichtet, die vom Kläger bezogenen Zuschläge steuerfrei zu stellen. Denn trotz des unzureichend erkennbaren einkommensteuerrechtlichen Entlastungsgrundes des § 3b EStG gründet diese Norm ersichtlich nicht auf dem Subventionszweck, sämtliche gemeindienlichen, für die Gesellschaft nützlichen Tätigkeiten, die auf die Erzielung von Einkünften gerichtet sind, von der Einkommensteuer zu befreien. Daher mag zwar der Hinweis des Klägers zutreffen, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit der Kampfmittelräumung und Kampfmittelentschärfung im öffentlichen Interesse unverzichtbar sei. Daraus folgt aber nicht, dass der Gesetzgeber Zuschläge auch für diese Tätigkeit aus Gründen der Gleichbehandlung von der Einkommensteuer befreien müsste. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 21.6.2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 = SIS 06 33 60, m.w.N.) kommt dem Gesetzgeber für direkte und auch für indirekte (steuerliche) Subventionen hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie bei der Wahl sachgerechter Mittel und insbesondere auch hinsichtlich der sachgerechten Abgrenzung des Kreises der Begünstigten ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu, ohne dass es dabei insbesondere darauf ankommt, ob er die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. So begründet Art. 3 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG im Falle einer Steuervergünstigung für eine Gruppe keinen Anspruch einer anderen Gruppe auf eine vergleichbare steuerliche Entlastung (Urteil vom 20.4.2004 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 = SIS 04 28 99; BVerfG-Beschluss vom 20.4.2004 1 BvR 610/00, HFR 2004, 696 = SIS 04 29 02). Daher finden sich auch eine Reihe anderer Tätigkeiten, die ebenfalls gemeindienlich sind, ohne dass dafür geleistete Zuschläge von der Einkommensteuer befreit wären, wie auch umgekehrt bei Zuschlägen für an Sonntagen, Feiertagen oder nachts ausgeübte Tätigkeiten, die kaum als gemeindienlich zu bezeichnen sind, die Steuerbefreiung greift.

 

 

13

aa) Die rechtssystematische Bedeutung und das Subventionsziel der in der Literatur überwiegend als rechtspolitisch verfehlt bezeichneten Steuerbefreiungsvorschrift des § 3b EStG steht nicht eindeutig fest (vgl. Senatsurteil in BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43 = SIS 10 23 35, m.w.N.). Die Rechtsprechung sieht darin insbesondere einen - allerdings auf Arbeitnehmer beschränkten - finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen der mit Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit verbundenen Arbeitszeiten, die den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stören (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.10.2009 VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201 = SIS 10 01 41, m.w.N.; BVerfG-Beschluss vom 2.5.1978 1 BvR 174/78, HFR 1978, Nr. 449). Daneben werden auch wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Gründe als Motiv und Subventionszweck des § 3b EStG vermutet (vgl. Senatsurteil in BFHE 230, 150, BStBl II 2011, 43 = SIS 10 23 35, m.w.N.).

 

 

14

bb) Trotz dieses nicht hinreichend präzise umschriebenen einkommensteuerrechtlichen Entlastungsgrundes lässt sich aber nach Maßgabe vorgenannter verfassungsrechtlicher Grundsätze aus § 3b EStG jedenfalls nicht ableiten, dass der Gesetzgeber sämtliche allgemeindienlichen und für die Gesellschaft nützlichen Tätigkeiten, mit denen Einkünfte erzielt werden, einkommensteuerrechtlich durch Steuererleichterungen oder Steuerbefreiungen fördern müsste. Denn § 3b EStG begünstigt ersichtlich Lohnzuschläge für an Sonntagen, Feiertagen und nachts ausgeübte Tätigkeiten, ohne danach zu unterscheiden, ob diese Tätigkeiten gemeindienlich oder für die Allgemeinheit in besonderer Weise nützlich sind. Differenzierungskriterium für die einkommensteuerrechtliche Vergünstigung ist allein der Zeitpunkt, zu dem die Tätigkeit ausgeübt wird.

 

 

 

Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

Der BFH hebt hervor, dass die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 b EStG überwiegend als rechtspolitisch verfehlt bezeichnet wird und das Subventionsziel – neben dem finanziellen Ausgleich für den Arbeitnehmer auch arbeitsmarktpolitische Gründe – nicht klar zu erkennen ist. Trotz des unklaren Entlastungsgrundes steht jedenfalls der Gesetzeswortlaut einer ausdehnenden Anwendung entgegen. Der BFH hat daher davon abgesehen, eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Im Übrigen geht die rechtspolitische Diskussion bekanntlich nicht darum, die Befreiung auszudehnen, sondern eher dahin, sie einzuschränken oder ganz abzuschaffen.