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Zulassung zum Vertragsarzt im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung als wertbildender Faktor des Praxiswerts

Zulassung zum Vertragsarzt im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung als wertbildender Faktor des Praxiswerts: Orientiert sich der für eine Arztpraxis mit Vertragsarztsitz zu zahlende Kaufpreis ausschließlich am Verkehrswert, so ist in dem damit abgegoltenen Praxiswert der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar enthalten. - Urt.; BFH 9.8.2011, VIII R 13/08; SIS 11 30 20

Kapitel:
Unternehmensbereich > Gewinnermittlung > Gewinnermittlung, Schätzung
Fundstellen
  1. BFH 09.08.2011, VIII R 13/08
    BStBl 2011 II S. 875
    DStR 2011 S. 1799
    NJW 2012 S. 960
    LEXinform 0179087

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 26.10.2011
    M.B. in BB 40/2011 S. 2482
    jh in StuB 19/2011 S. 762
    H.J.K. in FR 23/2011 S. 1097
    H.J.P. in BFH/PR 12/2011 S. 442
    H.J.P. in StC 12/2011 S. 10
    A.St. in FR 23/2011 S. 1097
    H.W.G. in BB 1/2012 S. 44
Normen
[GüKG] § 3, § 10 Abs. 4
[EStG] § 4 Abs. 3, § 4 6 Abs. 1 Nr. 2
[SGB V] § 95, § 103 Abs. 4
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Rheinland-Pfalz, 09.04.2008, SIS 08 22 93, Wirtschaftsgut, Arztpraxis, Praxiswert, Absetzung für Abnutzung
Zitiert in... / geändert durch...
  • LfSt Niedersachsen 21.2.2022, SIS 22 08 74, Ertragsteuerliche Behandlung einer "erworbenen" Vertragsarztzulassung/kassenärztlichen Zulassung: Die Fin...
  • BFH 19.4.2021, SIS 21 13 44, Steuerliche Behandlung eines zeitlich nicht begrenzten Leitungsrechts bei der Gewinnermittlung nach Durch...
  • BFH 12.3.2020, SIS 20 07 02, Wärmeenergie als Wirtschaftsgut, Sachentnahme durch Beheizen des Wohnhauses mit selbst erzeugter Wärmeene...
  • FinMin Schleswig-Holstein 11.12.2017, SIS 17 22 84, Vertragsarztzulassung, immaterielles Wirtschaftsgut, Bewertung: Im Hinblick auf die BFH-Urteile vom 21.2....
  • FG Baden-Württemberg 3.5.2017, SIS 17 13 10, Im Rahmen der Bewerbung um eine Fernsehlizenz geleistete Aufwendungen sind nicht zu aktivieren: 1. Zwar i...
  • BFH 21.2.2017, SIS 17 10 34, Zuordnung der Anschaffungskosten für den wirtschaftlichen Vorteil aus einer Vertragsarztzulassung: 1. Trä...
  • BFH 21.2.2017, SIS 17 08 45, Zur Abschreibbarkeit des immateriellen Wirtschaftsgutes "wirtschaftlicher Vorteil aus einer Vertragsarztz...
  • BFH 21.2.2017, SIS 17 08 46, Abgrenzung des Erwerbs einer Vertragsarztpraxis vom Erwerb nur des wirtschaftlichen Vorteils aus einer Ve...
  • FG Bremen 24.8.2016, SIS 16 27 12, Von Gemeinschaftspraxis erworbene Vertragsarztzulassungen als gesonderte, nicht abnutzbare bzw. nicht abs...
  • FG Köln 10.3.2016, SIS 16 16 13, Abstandszahlung zur vorzeitigen Aufhebung eines Vermittlungsvertrages, keine Anwendung von § 160 AO bei d...
  • OFD Nordrhein-Westfalen 29.10.2015, SIS 15 25 68, Zulassung als Vertragsarzt im Rahmen GKV, erworbene Vertragsarztzulassung: Im Hinblick auf die Urteile de...
  • FG Nürnberg 23.9.2014, SIS 15 02 75, AfA, Gewinnmindernde Berücksichtigung von Zahlungen im Zusammenhang mit einer Praxisübernahme und einer K...
  • FG Düsseldorf 27.5.2014, SIS 15 17 40, AfA für erworbenen Praxiswert, Ausnahmefall des alleinigen Erwerbs einer kassenärztlichen Zulassung, Gewi...
  • FG Nürnberg 12.12.2013, SIS 14 15 29, Abschreibungsfähigkeit der Aufwendungen für die Übernahme einer medizinischen Einzelpraxis: Absetzungen w...
  • OFD Magdeburg 29.2.2012, SIS 12 34 50, Kauf kassenärztlicher Zulassungen, Vertragsarztzulassung als immaterielles Wirtschaftsgut: Die Finanzverw...
  • FG Köln 26.1.2012, SIS 12 12 02, Vertragsarztpraxis, Kein weiteres immaterielles Wirtschaftsgut neben Praxiswert: Beim Erwerb einer Vertra...
  • OFD Rheinland 14.12.2011, SIS 12 04 47, Zulassung als Vertragsarzt im Rahmen der GKV, Vertragsarztzulassung als immaterielles Wirtschaftsgut: Ein...
Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

 

1

I. Streitig ist, ob beim Erwerb einer Arztpraxis, die nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) betrieben wird, neben dem Praxiswert ein weiteres immaterielles Wirtschaftsgut „Wirtschaftlicher Vorteil einer Vertragsarztzulassung“ angeschafft wird.

 

 

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Facharzt für Orthopädie. Im April 1998 erwarb er eine Facharztpraxis mit dem Patientenstamm der gesetzlich Versicherten. Der Gesamtkaufpreis betrug 498.000 DM. Der Praxis-Übernahmevertrag bestimmte, dass auf die Einrichtung 58.000 DM und auf den ideellen Wert der Praxis 440.000 DM entfielen. Dieser Praxiswert war anhand des vom Veräußerer in der Praxis erzielten und auf die gesetzlich versicherten Patienten entfallenden Umsatzes und Gewinns ermittelt worden. Die Privatpraxis führte der Verkäufer fort; sie war vom Vertrag ausgenommen. Die Geschäftsgrundlage des Übernahmevertrages sollte entfallen, wenn der Kläger aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Zulassung als Vertragsarzt nicht erhalten sollte.

 

 

3

Nachdem der Kläger die Zulassung erhalten hatte, gründete er mit einem Facharzt für Anästhesie eine Praxisgemeinschaft. Der Anästhesist entrichtete an den Kläger 200.000 DM als Gegenleistung für den von ihm erworbenen Anteil am Praxiswert. Der Kläger ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er setzte im Hinblick auf den ihm verbleibenden Teil des Praxiswerts von 240.000 DM für die Streitjahre 2002 und 2003 jeweils entsprechende Beträge als Betriebsausgabe (Absetzung für Abnutzung - AfA - ) an.

 

 

4

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Auffassung, dass die Hälfte des vom Kläger entrichteten Betrags für den Praxiswert auf den „wirtschaftlichen Vorteil einer Vertragsarztzulassung“ entfalle, der als ein nicht abnutzbares immaterielles - vom Praxiswert zu trennendes eigenes - Wirtschaftsgut anzusehen sei. Da die vom Kläger jährlich vorgenommene AfA die abschreibbare Hälfte bereits überschritten habe, sei für weitere AfA in den Jahren 2002 und 2003 kein Raum mehr.

 

 

5

Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil des Finanzgerichts - FG - Rheinland-Pfalz vom 9.4.2008 2 K 2649/07, EFG 2008, 1107 = SIS 08 22 93).

 

 

6

Dagegen richtet sich die Revision des FA, das die Verletzung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG rügt. Das FA ist der Auffassung, die Vorschrift des § 103 Abs. 4 SGB V eröffne für den ausscheidenden Arzt die Möglichkeit, den wirtschaftlichen Wert der Vertragsarztpraxis in Form eines entsprechenden Nachfolgervorschlags zu verwerten. Dieser wirtschaftliche Vorteil, nicht die öffentlich-rechtliche Zulassung selbst, sei ein eigenständiges Wirtschaftsgut. Dieses unterliege - vergleichbar mit einer Güterfernverkehrsgenehmigung - keinem Wertverzehr beim Erwerber. Die wirtschaftliche Bedeutung der Vertragsarztzulassung sei verselbständigt und gehe über die des Geschäftswerts einer übernommenen Praxis hinaus. Die Zulassung als Vertragsarzt beeinflusse den Geschäftswert auch aufgrund des mit ihr verbundenen Konkurrenzschutzes.

 

 

7

Das FA beantragt, das Urteil des FG Rheinland-Pfalz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

8

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

9

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Recht hat das FG den Vorteil aus der Zulassung des Klägers als Vertragsarzt nicht als selbständiges Wirtschaftsgut beurteilt.

 

 

10

1. a) Wirtschaftsgüter sind Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.8.1992 I R 24/91, BFHE 169, 163, BStBl II 1992, 977 = SIS 92 21 20, m.w.N.; vom 19.10.2006 III R 6/05, BFHE 215, 222, BStBl II 2007, 301 = SIS 07 06 39; vom 30.9.2010 IV R 28/08, BFHE 231, 144, BStBl II 2011, 406 = SIS 10 36 64).

 

 

11

b) Auch der Geschäftswert eines Unternehmens ist ein Wirtschaftsgut. Er ist Ausdruck für die Gewinnchancen, soweit sie nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert, sondern durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im Ganzen aufgrund besonderer dem Unternehmen eigener Vorteile höher oder gesicherter erscheinen als bei einem anderen vergleichbaren Unternehmen (vgl. BFH-Urteile vom 25.1.1979 IV R 21/75, BFHE 127, 180, BStBl II 1979, 369 = SIS 79 01 79; vom 27.3.1996 I R 60/95, BFHE 180, 548, BStBl II 1996, 576 = SIS 96 24 46).

 

 

12

Den derivativ erworbenen Praxiswert beurteilt die Rechtsprechung als abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut, weil der Wert einer freiberuflichen Praxis im Wesentlichen auf dem persönlichen Vertrauensverhältnis zum Praxisinhaber beruht, das nach dessen Ausscheiden endet (Urteil des Reichsfinanzhofs vom 30.1.1929 VI A 369/28, RStBl 1929, 326; BFH-Urteile vom 15.4.1958 I 61/57 U, BFHE 67, 151, BStBl III 1958, 330 = SIS 58 01 95; vom 1.4.1982 IV R 2-3/79, BFHE 136, 83, BStBl II 1982, 620 = SIS 82 16 09).

 

 

13

Ferner gehören zu den Wirtschaftsgütern etwa ein Wettbewerbsverbot, für das Zahlungen geleistet werden (BFH-Urteil vom 23.6.1981 VIII R 43/79, BFHE 134, 255, BStBl II 1982, 56 = SIS 82 06 15), sowie Milchlieferungsrechte und das betriebsgebundene Zuckerrübenlieferrecht(vgl. BFH-Urteile vom 5.3.1998 IV R 23/96, BFHE 185, 435, BStBl II 2003, 56 = SIS 98 13 26; vom 24.6.1999 IV R 33/98, BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58 = SIS 99 18 36; vom 10.6.2010 IV R 32/08, BFHE 230, 332 = SIS 10 31 61; vom 9.9.2010 IV R 2/10, BFHE 230, 453, BStBl II 2011, 171 = SIS 10 33 15).

 

 

14

Auch der wirtschaftliche Vorteil aus einer Güterfernverkehrsgenehmigung ist ein selbständiges Wirtschaftsgut, weil es für die steuerliche Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht auf die Verkehrsfähigkeit (Einzelveräußerbarkeit) ankommt. Es reicht aus, dass der Vermögenswert zusammen mit dem Betrieb übertragen werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 22.3.1989 II R 15/86, BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644 = SIS 89 16 25, m.w.N.; vom 10.8.1989 X R 176-177/87, BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15 = SIS 89 23 22; vom 4.12.1991 I R 148/90, BFHE 166, 472, BStBl II 1992, 383 = SIS 92 08 09).

 

 

15

c) Von den selbständigen Wirtschaftsgütern abzugrenzen sind deren unselbständige Teile, die wertbildenden Faktoren, wie z.B. geschäftswertbildende Rechtsreflexe oder Nutzungsvorteile eines Wirtschaftsguts (vgl. BFH-Urteile vom 20.3.2003 IV R 27/01, BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878 = SIS 03 38 21, m.w.N.; in BFHE 231, 144, BStBl II 2011, 406 = SIS 10 36 64). So sind Lieferrechte für Leseringe keine selbständigen Wirtschaftsgüter, sondern wertbildende Faktoren des allgemeinen Geschäftswerts (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.1987 II R 224/82, BFHE 151, 198, BStBl II 1988, 50 = SIS 88 02 18). Dasselbe gilt für Gewinnchancen aus schwebenden Verträgen (BFH-Urteil vom 7.11.1985 IV R 7/83, BFHE 145, 194, BStBl II 1986, 176 = SIS 86 04 11). Die Möglichkeit, ein Grundstück in bestimmter Weise zu nutzen, ist kein besonderes Wirtschaftsgut neben dem Grund und Boden (BFH-Urteil vom 9.7.2002 IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21 = SIS 03 06 39).

 

 

16

d) Ein unselbständiger werterhöhender Faktor eines Wirtschaftsguts kann zum Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs gemacht und dadurch zu einem selbständigen immateriellen Wirtschaftsgut konkretisiert werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine „Veräußerung des Kundenkreises“ zur Bereinigung von Liefergebieten oder bei Änderung des Warenangebots stattfindet (vgl. BFH-Urteil vom 16.9.1970 I R 196/67, BFHE 101, 76, BStBl II 1971, 175 = SIS 71 01 00). Eine gemeinschaftsrechtliche Ackerprämienberechtigung (Ackerquote) verselbständigt sich dann als Wirtschaftsgut, wenn sie in den Verkehr gebracht, insbesondere zum Gegenstand eines Kaufvertrages gemacht worden ist. Erst zu diesem Zeitpunkt wird sie einer selbständigen Bewertung zugänglich und löst sich als immaterielles Wirtschaftsgut von dem Grund und Boden (BFH-Urteil in BFHE 231, 144, BStBl II 2011, 406 = SIS 10 36 64).

 

 

17

2. Nach diesen Maßstäben ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass bei dem Erwerb einer Vertragsarztpraxis im Regelfall neben dem erworbenen Praxiswert kein weiteres selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut in Form des „mit einer Vertragsarztzulassung verbundenen wirtschaftlichen Vorteils“ vorhanden ist (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 29. Aufl., § 5 Rz 228; Michels/Ketteler-Eising, DStR 2008, 314, sowie in DStR 2006, 961; Errestink, Neue Wirtschaftsbriefe 23/2008, Fach 3, 15079; Steinbrück, Praxisabgabe und Praxisübernahme, 2. Aufl., S. 50 Rz 130; a.A. Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Rz 1700; Handzik in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 7 Rz 100; Verfügungen der Oberfinanzdirektion - OFD - Koblenz vom 12.12.2005 S 2134 a A-St 31 4, DStR 2006, 610 = SIS 06 04 16; der OFD Rheinland vom 11.2.2009 S 2170-St 157 - 01/2008 -, juris; der OFD Münster vom 11.2.2009 S 2172-152-St 12-33, DStR 2009, 798 = SIS 09 08 73).

 

 

18

Der Kaufpreis für eine Vertragsarztpraxis lässt sich grundsätzlich nicht - auch nicht teilweise - dem wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung zuordnen.

 

 

19

a) Der Erwerb einer eingeführten Arztpraxis schafft für den Praxiserwerber die Grundlage der freiberuflichen Tätigkeit. Das erworbene Chancenpaket bildet den Praxiswert, der sich aus den verschiedenen wertbildenden Einzelbestandteilen zusammensetzt (Patientenstamm, Standort, Umsatz, Facharztgruppe, etc.). Wie bei Gewerbetreibenden handelt es sich um einen Inbegriff einer Anzahl von im Einzelnen nicht messbaren Faktoren (vgl. Bundesärztekammer, Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen, Stand 9.9.2008, Deutsches Ärzteblatt 2008, A4; Frielingsdorf, Praxis Freiberufler-Beratung 3/2008, 68). Wenn sich der Kaufpreis einer Praxis - wie im Streitfall - nach dem Verkehrswert richtet, lässt sich von dem Praxiswert kein gesondertes Wirtschaftsgut „Vorteil aus der Vertragsarztzulassung“ abspalten. Der die Praxis übergebende Vertragsarzt kann den Vorteil aus der Zulassung grundsätzlich nicht selbständig verwerten. Er kann nur gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag auf Fortführung der bestehenden Praxis durch einen Nachfolger (§ 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V) stellen. Dieser Antrag löst dann ein neues Zulassungsverfahren aus, wobei die Zulassung des Erwerbers vom Vorliegen persönlicher Eigenschaften abhängt und im Ermessen des Zulassungsausschusses steht. In der Praxis soll ein Erwerber allerdings nur dann die ausgeschriebene Zulassung erhalten, wenn der Zulassungsausschuss die Zahlungsfähigkeit und den Zahlungswillen des Kandidaten feststellt (vgl. Kaltenborn in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl., § 103 Rz 14, m.w.N.), d.h. der Zulassungsausschuss berücksichtigt die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben. Dies gilt allerdings nur, soweit der Kaufpreis den Verkehrswert der Praxis nicht übersteigt (§ 103 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Diese Begrenzung soll das eigentumsrechtlich geschützte Recht des bisherigen Praxisinhabers an der eingerichteten und ausgeübten Arztpraxis mit dem Grundrecht der Bewerber auf freie Berufswahl in Einklang bringen (Seer, DStR 1995, 377) und verhindern, dass sich durch die erhöhte Nachfrage nach Kassenpraxen der Kaufpreis für die Praxis ungerechtfertigt erhöht (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 99). Orientiert sich daher der zu zahlende Kaufpreis ausschließlich am Verkehrswert der fortgeführten Praxis, so ist in dem damit abgegoltenen Praxiswert der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar enthalten.

 

 

20

Eine gesonderte Bewertung des Vorteils aus der Zulassung kommt im Übrigen auch aus Gründen der Praktikabilität nicht in Betracht, weil ein sachlich begründbarer Aufteilungs- und Bewertungsmaßstab nicht ersichtlich ist.

 

 

21

b) Eine andere Beurteilung folgt nicht aus der Rechtsprechung, derzufolge eine Güterfernverkehrsgenehmigung ein selbständiges Wirtschaftsgut ist. Allerdings ist der wirtschaftliche Vorteil einer Vertragsarztzulassung insoweit mit einer Güterfernverkehrsgenehmigung vergleichbar, als der Inhaber in einem reglementierten Markt auftreten und die Marktchancen nutzen darf. Die Zulassung als Vertragsarzt ist aber von persönlichen Voraussetzungen abhängig, die nicht Gegenstand einer Veräußerung sein können, insbesondere von der beruflichen Qualifikation als Arzt. Außerdem begründet die Zulassung eine Behandlungspflicht gegenüber den gesetzlich versicherten Patienten und damit einhergehend einen öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V, § 72 Abs. 2 SGB V).

 

 

22

Die Rechtsprechung zur Wirtschaftsgutseigenschaft von Güterfernverkehrsgenehmigungen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644 = SIS 89 16 25; in BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15 = SIS 89 23 22; in BFHE 166, 472, BStBl II 1992, 383 = SIS 92 08 09) beruht zudem auf § 10 Abs. 4 des Güterkraftverkehrsgesetzes in der damaligen Fassung, wonach die Güterfernverkehrskonzession in einem vereinfachten Verfahren auf einen etwaigen Betriebserwerber überging, ohne dass ein neues Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden musste. Bei der Veräußerung eines Speditionsunternehmens hing die Höhe des Kaufpreises entscheidend vom Vorhandensein einer oder mehrerer Güterfernverkehrsgenehmigungen ab (vgl. BFH-Urteil in BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644 = SIS 89 16 25). Diese konnten mit dem Unternehmen entgeltlich übertragen und einzeln bewertet werden und erfüllten damit die Merkmale eines Wirtschaftsguts.

 

 

23

Demgegenüber kann die Zulassung als Vertragsarzt gerade nicht zusammen mit der Praxis entgeltlich übertragen werden. Vielmehr sind das Nachbesetzungsverfahren und der Praxiserwerb voneinander unabhängige Rechtsakte (Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.8.1992 6 RKa 36/90, NJW 1993, 1547).

 

 

24

Die Regelungen des § 103 Abs. 4 SGB V über die Praxisnachfolge in zulassungsbeschränkten Bereichen finden Anwendung, wenn die Zulassung des Vertragsarztes durch Erreichen der Altersgrenze, Tod, Verzicht oder Entziehung endet. Ein Antrag des Verzichtenden löst gemäß § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V das Nachbesetzungsverfahren aus; dann entscheidet der Zulassungsausschuss über den Nachfolger nach Ausschreibung der Praxis nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Kaufpreis für die Praxis ist, wie dargelegt, auf den aus sämtlichen wertbildenden Faktoren zusammengesetzten Verkehrswert begrenzt. Ein Kaufpreisanteil für den Vorteil aus der Vertragsarztzulassung ist gemäß § 103 Abs. 4 Satz 7 SGB V nicht vorgesehen.

 

 

25

c) Auch wenn mithin der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein neben dem Geschäftswert der übernommenen Praxis stehendes oder ihn überlagerndes selbständiges Wirtschaftsgut ist, schließt dies nicht aus, dass in Sonderfällen die Zulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht und damit zu einem selbständigen Wirtschaftsgut konkretisiert werden kann. Dies kann der Fall sein, wenn ein Arzt an einen ausscheidenden Arzt eine Zahlung im Zusammenhang mit der Erlangung der Vertragsarztzulassung leistet, ohne jedoch dessen Praxis zu übernehmen, weil er den Vertragsarztsitz an einen anderen Ort verlegen will (vgl. dazu Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.9.2004 13 K 412/01, DStRE 2005, 427 = SIS 05 13 68). So liegt der Streitfall indessen nicht.

 

 

26

3. Im Streitfall hat das FG es mithin zu Recht abgelehnt, den vom Kläger geleisteten Kaufpreis teilweise dem wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung zuzuordnen. Das Entgelt für den Praxiswert (440.000 DM) hatten die Vertragsparteien ausschließlich am erzielten Umsatz/Gewinn der übernommenen Kassenpraxis orientiert. Daneben kommt dem wirtschaftlichen Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt aus den ausgeführten Gründen keine eigenständige Bedeutung zu.

 

 

 

Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

1. Nach Ansicht des BFH hätte der Kläger die streitige Rückstellung selbst dann bilden können, wenn man mit der Finanzverwaltung von der Notwendigkeit einer Wesentlichkeit der Verpflichtung ausginge, weil sich im Streitfall die Betreuungsverpflichtung für Lebensversicherungsverträge auf über 25 Jahre erstrecke und für die Wesentlichkeit nicht auf den einzelnen Vertrag, sondern auf die im Unternehmen des Klägers künftig insgesamt anfallenden Aufwendungen für die Betreuung abzustellen sei. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nicht der Aufwand für das einzelne Vertragsverhältnis, sondern die Bedeutung der Verpflichtung für das Unternehmen maßgebend (vgl. BFH v. 18.1.1995 I R 44/94, BStBl 1995 II S. 742 = SIS 95 13 07).

2. Für die Bemessung der Rückstellung ist der Ansatz eines Stundenlohns der zur Nachbetreuung eingesetzten Mitarbeiter mit 12 EUR/Std. „nicht zu beanstanden“.

3. Des Weiteren hat der BFH in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Abzinsung der Rückstellung hingewiesen.

2. Auch wenn mithin der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein neben dem Geschäftswert der übernommenen Praxis stehendes oder ihn überlagerndes selbständiges Wirtschaftsgut ist, schließt dies nicht aus, dass in Sonderfällen die Zulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht und damit zu einem selbständigen Wirtschaftsgut konkretisiert werden kann. Dies kann der Fall sein, wenn ein Arzt an einen ausscheidenden Arzt eine Zahlung im Zusammenhang mit der Erlangung der Vertragsarztzulassung leistet, ohne jedoch dessen Praxis zu übernehmen, weil er den Vertragsarztsitz an einen anderen Ort verlegen will (vgl. dazu Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.9.2004 13 K 412/01, DStR/E 2005 S. 427 = SIS 05 13 68).

3. Der derivative Praxiswert wird als immaterielles Wirtschaftsgut analog § 5 Abs. 2 EStG behandelt. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer ist im Einzelfall zu schätzen und wird in der Regel mit einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren angesetzt; wegen der weiteren Mitwirkung des bisherigen Praxisinhabers ist typisierend davon auszugehen, dass die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines derivativ erworbenen „Sozietätspraxiswertes“ doppelt so lang ist wie die Nutzungsdauer des Wertes einer Einzelpraxis. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des derivativ erworbenen „Sozietätspraxiswertes“ ist auf einen Zeitraum von sechs bis zehn Jahren zu schätzen (BFH-Urteil vom 24.2.1994 IV R 33/93, BStBl 1994 II S. 590, m.w.N. = SIS 94 15 45).