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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Landwirt. In den Wirtschaftsjahren 1995/96 und
1997/98 hatte er einen Teil seiner Milchlieferrechte (Milchquote
bzw. Milchreferenzmenge) veräußert. Den daraus erzielten
Gewinn hatte er nicht um den anteiligen Buchwert der
veräußerten Milchlieferrechte vermindert, der sich
aufgrund der Abspaltung vom Buchwert des Grund und Bodens
ergibt.
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Zusammen mit der Steuererklärung
für das Streitjahr (2001) reichte der Kläger am 19.9.2003
eine berichtigte Bilanz für das Wirtschaftsjahr 2000/01 ein,
in der er einen um 48.455,67 DM geminderten Gewinn auswies. Die
Bilanzberichtigung erläuterte er mit den
Milchquotenverkäufen, für die noch keine Buchwerte
gemäß der Abspaltungsberechnung gewinnmindernd
berücksichtigt worden seien.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) folgte dem nicht.
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Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, es seien lediglich die
noch vorhandenen Milchlieferrechte vom Grund und Boden abzuspalten
und mit dem verbleibenden Buchwert in der ersten offenen
Schlussbilanz anzusetzen, wenn zuvor bereits Milchlieferrechte ohne
Berücksichtigung eines entsprechenden Buchwerts
veräußert und die entsprechenden
Einkommensteuerbescheide bestandskräftig geworden seien. Eine
gewinnmindernde Änderung des Bilanzansatzes „Grund und
Boden“ komme nicht in Betracht. Das Urteil ist in EFG 2008,
1689 = SIS 08 27 06 veröffentlicht.
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Mit der dagegen gerichteten Revision
rügt der Kläger die Verletzung materiellen
Rechts.
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Der Kläger beantragt, das angefochtene
Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2001 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.8.2005 zu ändern,
die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft
um eine hälftig zu berücksichtigende Bilanzberichtigung
in Höhe von 24.228 DM zu mindern und die Einkommensteuer 2001
entsprechend niedriger festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des Klägers ist
teilweise begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben
und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zu Recht
entschieden, dass der Kläger von dem pauschal nach § 55
Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesetzten Buchwert des
Grund und Bodens einen anteiligen Buchwert für in der
Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte nicht mehr
abspalten darf. Das gilt jedoch nicht für den nach dem
30.6.1970 erworbenen Grund und Boden.
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1. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des
Senats von dem zum 1.7.1970 ermittelten pauschalen Buchwert des
Grund und Bodens (§ 55 Abs. 1 EStG) nach Verfestigung der
Milchlieferrechte zu einem selbstständigen Wirtschaftsgut
grundsätzlich ein anteiliger Buchwert abzuspalten (vgl. u.a.
Urteil vom 24.8.2000 IV R 11/00, BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64 =
SIS 01 01 30, unter 1.b und 4. der Gründe, m.w.N.). Die
Finanzverwaltung ist dem nach anfänglichen Bedenken gefolgt
(Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
14.1.2003 IV A 6 - S 2134 - 52/02, BStBl I 2003, 78 = SIS 03 10 78).
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a) Der Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung
liegt die Ansicht zu Grunde, dass die Möglichkeit, Milch zu
erzeugen und zu vermarkten, als Teil der natürlichen
Ertragsbedingungen des Bodens durch die Bezugnahme auf die
Ertragsmesszahlen in dem mit dem Zweifachen des Ausgangswerts
angesetzten Wirtschaftsgut Grund und Boden (§ 55 Abs. 2 Satz 2
Nr. 1 Satz 1 EStG) mitbewertet worden sei (Senatsurteile vom
5.3.1998 IV R 23/96, BFHE 185, 435, BStBl II 2003, 56 = SIS 98 13 26, unter 3. der Gründe; vom 24.6.1999 IV R 33/98, BFHE 189,
132, BStBl II 2003, 58 = SIS 99 18 36, unter 4.a der Gründe
unter Hinweis auf § 2 des Bodenschätzungsgesetzes -
BodSchätzG - vom 16.10.1934, RGBl I 1934, 1050, § 4 der
Durchführungsbestimmungen zum Bodenschätzungsgesetz vom
12.2.1935, RGBl I 1935, 198). Diese Möglichkeit habe sich dann
aber durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom 25.5.1984
(BGBl I 1984, 720) als Milchreferenzmenge (Milchlieferrecht) zu
einem immateriellen Wirtschaftsgut verselbstständigt
(Senatsurteil vom 25.11.1999 IV R 64/98, BFHE 190, 214, BStBl II
2003, 61 = SIS 00 01 39, unter 1.b der Gründe).
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Dadurch habe der Grund und Boden an Wert
verloren (Senatsurteile vom 5.3.1998 IV R 8/95, BFHE 185, 434,
BStBl II 2003, 54 = SIS 98 15 22, unter 1. der Gründe; in BFHE
192, 547, BStBl II 2003, 64 = SIS 01 01 30, unter 1.b der
Gründe). Das entnommene oder veräußerte
Wirtschaftsgut „Grund und Boden“ sei nicht
identisch mit dem Wirtschaftsgut, das mit dem Zweifachen des
Ausgangswerts (§ 55 Abs. 1 Satz 1 EStG, entsprechend dem
Achtfachen der Ertragsmesszahl, vgl. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
Satz 1 EStG) angesetzt worden sei; denn dieser Wert sei nur
teilweise auf den „nackten“ Grund und Boden
entfallen (Senatsurteil in BFHE 190, 214, BStBl II 2003, 61 = SIS 00 01 39, unter 2. der Gründe).
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b) Der Senat ist deshalb zu der Auffassung
gelangt, dass nur die Einbeziehung des auf die Milchreferenzmengen
entfallenden Teils des Veräußerungspreises in die
Ermittlung des nicht abziehbaren Verlusts gemäß §
55 Abs. 6 Satz 1 EStG dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift
entspreche. Soweit dies nicht gewährleistet sei, enthalte
§ 55 Abs. 6 EStG eine verdeckte Regelungslücke
(Senatsurteil in BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54 = SIS 98 15 22,
unter 3. der Gründe). Denn § 55 Abs. 6 EStG sei lediglich
eine konsequente Ergänzung zur pauschalen Wertermittlung des
Grund und Bodens nach § 55 Abs. 1 EStG und solle verhindern,
dass es zur Berücksichtigung von Verlusten komme, die sich
allein deshalb ergäben, weil der Teilwert des Grund und Bodens
nicht konkret, sondern pauschal ermittelt und deshalb zu hoch
angesetzt worden sei (Senatsurteil in BFHE 190, 214, BStBl II 2003,
61 = SIS 00 01 39, unter 1.c der Gründe).
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Wertminderungen des Grund und Bodens, die
eindeutig auf die rechtliche Verselbstständigung
bodengebundener Befugnisse wie der Milchreferenzmengen
zurückzuführen seien, seien daher bei Anwendung des
§ 55 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen (Senatsurteil in BFHE
192, 547, BStBl II 2003, 64 = SIS 01 01 30, unter 2.b der
Gründe). Dazu sei der zum 1.7.1970 festgestellte Wert des
Grund und Bodens im selben Verhältnis aufzuteilen, in dem sich
die Marktpreise für die Milchreferenzmengen einerseits und den
„nackten“ Grund und Boden andererseits nach
Entstehung des Wirtschaftsguts Milchreferenzmenge
gegenüberstünden (Senatsurteil in BFHE 192, 547, BStBl II
2003, 64 = SIS 01 01 30, unter 4. der Gründe; BMF-Schreiben in
BStBl I 2003, 78 = SIS 03 10 78, Rz 8).
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2. Diese Rechtsprechung ist auf erhebliche
Kritik gestoßen (vgl. u.a. Felsmann, Einkommensbesteuerung
der Land- und Forstwirte, A Rz 1477 ff.).
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Gleichwohl sieht der Senat von einer
Änderung der Rechtsprechung ab.
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a) Ausschlaggebend dafür ist, dass diese
Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum bestanden hat
und sich die beteiligten Kreise - einschließlich der
Finanzverwaltung (vgl. das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 78 = SIS 03 10 78) - darauf eingestellt haben. Sie bezieht sich auf
Grundstücksflächen, die am 1.4.1984 der Milcherzeugung
dienten. Die Bindung an den Betrieb und damit die
Flächenbindung besteht bereits seit dem 30.9.1993 nicht mehr
(29. Verordnung zur Änderung der
Milch-Garantiemengen-Verordnung vom 24.9.1993, BGBl I 1993, 1659).
Die Rechtsprechung betrifft daher - von Folgefragen abgesehen -
weit zurückliegende, in der Vergangenheit abgeschlossene
Sachverhalte. Zwischenzeitlich hat die Finanzverwaltung mit den
Milcherzeugern in einer aufwändigen Verwaltungsaktion die
Buchwertabspaltung durchgeführt (Märkle/Hiller, Die
Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 10. Aufl., Rz 88b).
Hinzu kommt, dass die MGV nach derzeitigem Stand zum 31.3.2015
auslaufen wird (vgl. Verordnung [EG] Nr. 1788/2003 des Rates vom
29.9.2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor,
Amtsblatt der Europäischen Union 2003, Nr. L 270, 123,
125).
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b) Allerdings hält es der Senat nicht
für vertretbar, nachträglich für in der
Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte im Wege der
Bilanzberichtigung einen Buchwert von dem nach § 55 Abs. 1
EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens abzuspalten und
damit den Anwendungsbereich der Rechtsprechung zur
Buchwertabspaltung über die bisher entschiedenen Fallgruppen
hinaus weiter auszudehnen. Denn in diesen Fällen bietet das
Verlustabzugsverbot des § 55 Abs. 6 EStG keinen Anlass, wegen
der in der Vergangenheit realisierten Gewinne aus der
Veräußerung von Milchlieferrechten nachträglich
einen abgespaltenen Buchwert auszubuchen. Insoweit fehlt es an dem
für die Begründung der Rechtsprechung maßgeblichen
Zusammenhang der Veräußerung der Milchlieferrechte mit
der Anwendung des Verlustabzugsverbots des § 55 Abs. 6 EStG
auf den Pauschalwert des Grund und Bodens. Hinzu kommt, dass, wenn
- wie zu erwarten - die Kontingentierung der Milchlieferrechte aus
rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen (durch weitere
Erhöhung der Milchquoten) endet, der ursprüngliche
Zustand wieder eintritt. Zu einer Benachteiligung der
Grundstückseigentümer bei der Anwendung des § 55
Abs. 6 EStG infolge der Verfestigung der Milchlieferrechte zu
selbstständigen Wirtschaftsgütern kann es dann nicht mehr
kommen. Damit entfällt zugleich die Rechtfertigung für
die der Buchwertabspaltung zu Grunde liegenden Auslegung des §
55 Abs. 6 EStG durch die Senatsrechtsprechung.
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3. Die Gesichtspunkte, die der
nachträglichen Buchwertabspaltung von dem nach § 55 Abs.
1 EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens
entgegenstehen, gelten nicht für Grundstücke, die nach
dem 30.6.1970 angeschafft und mit den Anschaffungskosten bilanziert
wurden. In diesen Fällen ist daher im Wege der
Bilanzberichtigung ein anteiliger Buchwert für in der
Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte abzuspalten
und auszubuchen.
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a) Es bestehen - anders als bei den auf §
2 BodSchätzG beruhenden Pauschalwerten nach § 55 Abs. 1
EStG - keine Bedenken, dass sich die wirtschaftlichen
Ertragsbedingungen - einschließlich der Möglichkeit,
Milch zu erzeugen und zu vermarkten - auf die Anschaffungskosten
und damit auf den Bilanzansatz für nach dem 30.6.1970
angeschaffte Milcherzeugungsflächen ausgewirkt haben
können. Hinzu kommt, dass das Verlustabzugsverbot nach §
55 Abs. 6 EStG in diesen Fällen nicht anwendbar ist. Diese
Vorschrift steht daher einer Buchwertabspaltung für die zu
selbstständigen Wirtschaftsgütern verfestigten
Milchlieferrechte von dem nicht mit dem Pauschalwert angesetzten
Grund und Boden nicht entgegen.
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b) Ausgehend von der weiterhin zu beachtenden
Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung für Milchlieferrechte
(s. oben unter II. 2. a) war danach der Bilanzansatz der mit den
Anschaffungskosten bilanzierten Milcherzeugungsflächen
objektiv unzutreffend, soweit dabei nicht berücksichtigt
wurde, dass für in der Vergangenheit veräußerte
Milchlieferrechte ein anteiliger Buchwert abzuspalten war. Nach
Bekanntwerden dieser Rechtsprechung konnte der Kläger die
Bilanz für das Wirtschaftsjahr 2000/01 daher nach § 4
Abs. 2 Satz 1 EStG berichtigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs
vom 13.2.2008 I R 44/07, BFHE 220, 429, BStBl II 2008, 673 = SIS 08 24 14, unter II.1.d aa der Gründe; Senatsurteil vom 12.11.1992
IV R 59/91, BFHE 170, 217, BStBl II 1993, 392 = SIS 93 09 17, unter
3.a der Gründe).
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c) Die Bilanzberichtigung war erfolgswirksam
vorzunehmen. Denn maßgeblich für die Entscheidung dieser
Frage ist stets die Fehlerursache (Senatsurteil vom 6.8.1998 IV R
67/97, BFHE 186, 402, BStBl II 1999, 14 = SIS 98 22 18, unter 3.
der Gründe). Die Fehlerursache bestand vorliegend darin, dass
der Kläger zwar unstreitig den Verkauf der Milchlieferrechte
erfolgswirksam erfasst, das bilanzierte Betriebsvermögen
jedoch nicht um den anteiligen Buchwert vermindert und
dementsprechend einen zu hohen Gewinn ermittelt hatte. Soweit der
Senat in dem Urteil vom 16.12.2009 IV R 18/07 (BFH/NV 2010, 1419 =
SIS 10 21 09) eine andere Auffassung vertreten hat, hält er
daran nicht fest.
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4. Das FG ist von einer anderen zeitlichen
Beurteilung ausgegangen. Es hat zwar im Ergebnis zu Recht eine
gewinnwirksame Bilanzberichtigung versagt, soweit der Kläger
eine Buchwertabspaltung für die veräußerten
Milchlieferrechte von den mit dem Pauschalwert nach § 55 Abs.
1 EStG angesetzten Grundstücken vorgenommen hatte. Die
Revision hat jedoch Erfolg, soweit das FG eine erfolgswirksame
Bilanzberichtigung auch hinsichtlich der nach dem 30.6.1970
angeschafften, mit den Anschaffungskosten bilanzierten
Grundstücke abgelehnt hat. Der erkennende Senat kann jedoch
nicht abschließend entscheiden, weil das FG - von seinem
Standpunkt aus zu Recht - die dafür maßgeblichen Werte
nicht festgestellt hat. Das angefochtene Urteil war daher
aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
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