1
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I. Zum Sachverhalt
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine Bank, erbrachte im Streitjahr 2008 selbst
sowie über Tochtergesellschaften, die nach § 2 Abs. 2 Nr.
2 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) Teil ihres Unternehmens
sind, Leistungen an Privatkunden (Anleger). Die Anleger
beauftragten die Klägerin, Wertpapiere unter
Berücksichtigung der vom Kunden ausgewählten
Strategievariante nach eigenem Ermessen und ohne vorherige
Einholung einer Weisung des Anlegers zu verwalten sowie alle
Maßnahmen zu treffen, die bei der Verwaltung des
Wertpapiervermögens zweckmäßig erscheinen. Die
Klägerin war berechtigt, über die Vermögenswerte
(Wertpapiere) im Namen und für Rechnung des Anlegers zu
verfügen.
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Als Vergütung hatte der Anleger pro
Jahr eine sog. Teilpauschalvergütung in Höhe von
insgesamt 1,8 % des Werts des verwalteten Vermögens zu zahlen.
Die Teilpauschalvergütung setzte sich aus einem Anteil
für die Vermögensverwaltung in Höhe von 1,2 % des
Werts des verwalteten Vermögens und einem Anteil für den
An- und Verkauf von Wertpapieren in Höhe von 0,6 % des
Vermögenswerts zusammen. Diese Vergütung umfasste auch
die Konto- und Depotführung sowie die Ausgabeaufschläge
für den Erwerb von Investmentanteilen einschließlich der
Investmentanteile an Fonds, die durch Unternehmen der Klägerin
verwaltet wurden.
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Jeweils zum Ende eines
Kalendervierteljahres sowie zum Jahresende erhielt der Kunde einen
Bericht über den Verlauf der Vermögensverwaltung. Der
Kunde hatte das Recht, den Auftrag jederzeit mit sofortiger Wirkung
zu beenden.
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Bei Abgabe ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung
für den Voranmeldungszeitraum Mai 2008 wies die Klägerin
den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) darauf
hin, dass sie unter Berufung auf das Senatsurteil vom 11.10.2007 V
R 22/04 (BFHE 219, 257, BStBl II 2008, 993 = SIS 08 08 55) davon
ausgehe, dass ihre Leistungen bei der Vermögensverwaltung mit
Wertpapieren nach § 4 Nr. 8 UStG bei Leistungen an Anleger im
Inland und im übrigen Gemeinschaftsgebiet steuerfrei und bei
Leistungen an Anleger im Drittlandsgebiet als nach § 3a Abs. 4
Nr. 6 Buchst. a UStG nicht steuerbar seien. Das FA folgte dem nicht
und erließ am 29.4.2009 einen
Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für den
Voranmeldungszeitraum Mai 2008, in dem es die Umsätze der
Vermögensverwaltung mit Wertpapieren für Privatkunden als
steuerbar und steuerpflichtig behandelte.
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6
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Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte
keinen Erfolg. Demgegenüber gab das Finanzgericht der Klage
mit den in EFG 2010, 1364 = SIS 10 19 52 veröffentlichten
Gründen statt. Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die
es auf die Verletzung materiellen Rechts und das Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 9.12.2008 (BStBl I 2008,
1086 = SIS 08 43 28) stützt.
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II. Entscheidungsgründe
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Der Senat legt dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) die im Tenor bezeichneten Fragen zur
Auslegung der Richtlinie
2006/112/EG vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung
des EuGH aus.
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1. Rechtlicher Rahmen
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a) Unionsrecht
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Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie
2006/112/EG hatte im Streitjahr 2008 folgenden Wortlaut:
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„Als Ort der folgenden
Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft
ansässige Dienstleistungsempfänger oder an
Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch
außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers
ansässig sind, erbracht werden, gilt der Ort, an dem der
Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen
Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche
die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines
solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder
sein gewöhnlicher Aufenthaltsort: ...e) Bank-, Finanz- und
Versicherungsumsätze, einschließlich
Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von
Schließfächern; ...“
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Art. 135 Abs. 1 Buchst. f und g der Richtlinie
2006/112/EG lauten:
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„Die Mitgliedstaaten befreien
folgende Umsätze von der Steuer: ...f) Umsätze –
einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung
und der Verwaltung –, die sich auf Aktien, Anteile an
Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder
sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und
der in Artikel 15 Absatz 2 genannten Rechte und Wertpapiere; g) die
Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten
Sondervermögen; ...“
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b) Nationales Recht
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§ 3a Abs. 3 UStG hatte im Streitjahr 2008
folgenden Wortlaut:
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„Ist der Empfänger einer der in
Absatz 4 bezeichneten sonstigen Leistungen ein Unternehmer, so wird
die sonstige Leistung abweichend von Absatz 1 dort ausgeführt,
wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige
Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers
ausgeführt, so ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte
maßgebend. Ist der Empfänger einer der in Absatz 4
bezeichneten sonstigen Leistungen kein Unternehmer und hat er
seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige
Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz
ausgeführt.“
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§ 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG hatte im
Streitjahr 2008 folgenden Wortlaut:
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„Sonstige Leistungen im Sinne des
Absatzes 3 sind: ... Nr. 6 Buchst. a die sonstigen Leistungen der
in § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h und Nr. 10 bezeichneten Art
sowie die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten,
...“.
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§ 4 Nr. 8 Buchst. e und h UStG
lauten:
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„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1
fallenden Umsätzen sind steuerfrei: ... Nr. 8 Buchst. e die
Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung
dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und die Verwaltung
von Wertpapieren, ...Nr. 8 Buchst. h die Verwaltung von
Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz und die
Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des
Versicherungsaufsichtsgesetzes; ...“
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Nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 1086 =
SIS 08 43 28, einer norminterpretierenden Verwaltungsanweisung, die
für die Gerichte nicht bindend ist, gilt Folgendes:
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„§ 3a Abs. 3 und 4 Nr. 6 Buchst.
a UStG ist für die Ortsbestimmung bei einer
Vermögensverwaltung nicht anzuwenden. Auch eine unmittelbare
Berufung auf Art. 56 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL, wonach sich der
Leistungsort in bestimmten Fällen bei „Bank-, Finanz-
und Versicherungsumsätzen“ nach dem Sitz oder der
Betriebsstätte des Leistungsempfängers bestimmt, ist
nicht möglich. „Bank-, Finanz- und
Versicherungsumsätze“ sind Begriffe des
Gemeinschaftsrechts und als solche auszulegen. Die MwStSystRL -und
bis 31.12.2006 auch die 6. EG-Richtlinie- definieren zwar nicht,
was darunter im Einzelnen zu verstehen ist. Jedoch enthält die
MwStSystRL in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis f (...) dezidierte
Aussagen zur Auslegung dieser Begriffe. Die
Vermögensverwaltung ist in diesen genannten Vorschriften nicht
aufgeführt. Aus Art. 56 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL (...)
ergibt sich auch nicht, dass die Vorschrift darüber hinaus
weitere Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze umfassen soll.
Die einheitliche Leistung
„Vermögensverwaltung“ ist steuerpflichtig.
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG kommt nicht
in Betracht, weil die Vermögensverwaltung
(Portfolioverwaltung) nicht zu den nach den genannten Vorschriften
begünstigten Umsätzen gehört. ... Soweit das
BFH-Urteil vom 11.10.2007, V R 22/04 - (BStBl 2008 II S. 993), den
vorstehenden Grundsätzen entgegensteht, ist es über den
entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.“
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2. Zur ersten Vorlagefrage
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a) Bei der Vermögensverwaltung mit
Wertpapieren (Portfolioverwaltung) handelt es sich um eine
Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger als solcher nach Art. 2
Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG gegen Entgelt erbringt.
Die Leistung beschränkt sich nicht auf das bloße Halten
und Verwalten von Wertpapieren, sondern wird durch die
Klägerin als Bank gegen Entgelt für einen Anleger, der
Eigentümer der Wertpapiere wird, erbracht.
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b) Der Senat ist in seinem Urteil in BFHE 219,
257, BStBl II 2008, 993 = SIS 08 08 55 davon ausgegangen, dass
Leistungen einer Bank, die im Namen und für Rechnung der von
ihr betreuten Anleger Wertpapiere kauft oder verkauft und dabei als
Portfoliomanager aufgrund eigener Entscheidungsbefugnis und einer
ihr eingeräumten Abschlussvollmacht handelt, steuerfrei
sind.
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aa) Die deutsche Finanzverwaltung ist
demgegenüber der Auffassung, dass Banken bei der
Vermögensverwaltung (Portfolioverwaltung) aus der
maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers eine
einheitliche, auf Renditeerzielung angelegte Tätigkeit
erbringen. Diese Tätigkeit sei entsprechend den zuvor
getroffenen Anlagerichtlinien oder -strategien nach eigenem
Ermessen der Bank durchzuführen. Dabei komme es dem Anleger
darauf an, von der Bank nicht in jede einzelne Verwaltungsleistung
involviert zu werden und nicht vor jeder einzelnen Transaktion nach
seinem Einverständnis mit der getroffenen Anlageentscheidung
befragt zu werden. Die jeweilige Transaktion werde nicht um ihrer
selbst willen, sondern als Mittel zum Zweck der Verwaltung des
Vermögens durchgeführt. Aus Sicht des durchschnittlichen
Empfängers einer Portfolioleistung komme es auf das von der
Bank erzielte Ergebnis der Verwaltungstätigkeit, die
eingetretene Vermögensmehrung, an. Dies sei auch daraus
ersichtlich, dass sich die Management-Gebühren für die
Bank nach der Höhe der verwalteten Vermögenswerte, nicht
aber nach Anzahl oder Volumen der einzelnen Transaktionen bestimme
(BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 1086 = SIS 08 43 28).
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bb) Der Senat hat Zweifel, ob sich die von ihm
angenommene Steuerfreiheit der Vermögensverwaltung mit
Wertpapieren (Portfolioverwaltung) als Umsatz, der sich auf
Wertpapiere bezieht, mit hinreichender Klarheit aus der Richtlinie
ergibt.
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(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH
definieren sich die steuerfreien Finanzdienstleistungen nach der
Art der Leistung (EuGH-Urteil vom 19.4.2007 C-455/05, Velvet &
Steel, Slg. 2007, I-3225 = SIS 07 14 92 Rdnrn. 21 f.). Die Leistung
muss ihrer Art nach zu einer Änderung der rechtlichen und
finanziellen Situation führen. Derartige Änderungen
treten z.B. im steuerfreien Überweisungsverkehr durch die
Übertragung von Geldbeträgen zwischen verschiedenen
Bankkonten ein (EuGH-Urteil vom 5.6.1997 C-2/95, SDC, Slg. 1997,
I-3017 = SIS 97 15 26 Rdnr. 53). Umsätze, die sich auf
Wertpapiere beziehen, sind dementsprechend steuerfrei, wenn sie
Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere
begründen, ändern oder zum Erlöschen bringen
können (EuGH-Urteil vom 13.12.2001 C-235/00, CSC, Slg. 2001,
I-10237 = SIS 02 02 60 Rdnr. 33), da sich im Wertpapierhandel
ähnlich dem Überweisungs- oder Zahlungsverkehr die
rechtliche und finanzielle Lage zwischen den Parteien ändert
(EuGH-Urteile SDC in Slg. 1997, I-3017 Rdnr. 73, und CSC in Slg.
2001, I-10237 Rdnr. 28).
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Die für die Steuerfreiheit als
Finanzdienstleistung erforderliche rechtliche und finanzielle
Änderung kann bei der Vermögensverwaltung mit
Wertpapieren darauf beruhen, dass die Bank durch die Entscheidung
über den Kauf und Verkauf der Wertpapiere und den Vollzug
dieser Entscheidung durch den sich hieran anschließenden
Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren im Namen
und für Rechnung der Anleger unmittelbar Rechte und Pflichten
in Bezug auf die gekauften/verkauften Wertpapiere begründet,
ändert oder zum Erlöschen bringt und diese Rechtsfolgen
beim Anleger eintreten. Anknüpfungspunkt für die
Steuerfreiheit der Vermögensverwaltung ist dabei nicht die
Verwaltungstätigkeit selbst, die z.B. bei der Verwaltung von
Grundstücken steuerpflichtig sein kann, sondern der
spezifische Bezug der Verwaltungshandlung auf Wertpapiere. Da im
Streitfall Gegenstand der Vermögensverwaltung nur Wertpapiere
sind, ist die Beurteilung einer Verwaltungstätigkeit, die
nicht nur Wertpapiere, sondern auch Grundstücke umfasst, nicht
entscheidungserheblich.
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31
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(2) Bei der Beantwortung der ersten
Vorlagefrage ist neben dem Grundsatz, dass die Begriffe, mit denen
die Steuerbefreiungen nach Art. 135 Abs. 1 der Richtlinie
2006/112/EG umschrieben sind, eng auszulegen sind (EuGH-Urteil vom
10.6.2010 C-58/09, Leo-Libera GmbH, BFH/NV 2010, 1590 = SIS 10 14 98 Rdnr. 22), auch zu berücksichtigen, dass die Auslegung der
in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe mit den mit den
Befreiungen verfolgten Zielen im Einklang stehen und dem Grundsatz
der steuerlichen Neutralität entsprechen muss (EuGH-Urteil
Leo-Libera GmbH in BFH/NV 2010, 1590 = SIS 10 14 98 Rdnr. 23). Nach
diesem Grundsatz dürfen gleichartige und deshalb miteinander
im Wettbewerb stehende Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer
nicht unterschiedlich behandelt werden (EuGH-Urteil Leo-Libera GmbH
in BFH/NV 2010, 1590 = SIS 10 14 98 Rdnr. 34).
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32
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(3) Im Hinblick auf den Grundsatz der
steuerlichen Neutralität ist bei der Beantwortung der ersten
Vorlagefrage auch zu berücksichtigen, dass die Verwaltung von
durch die Mitgliedstaaten als solche definierten
Sondervermögen nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
2006/112/EG (im Inland: § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG) steuerfrei
ist. Diese Steuerbefreiung soll Kleinanlegern die Geldanlage in
Investmentfonds erleichtern und die steuerliche Neutralität
des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Bezug auf die Wahl
zwischen unmittelbarer Geldanlage in Wertpapieren und derjenigen
gewährleisten, die durch Einschaltung von Organismen für
gemeinsame Anlagen erfolgt (EuGH-Urteil vom 4.5.2006 C-169/04,
Abbey National u.a., Slg. 2006, I-4027 = SIS 06 24 63 Rdnr.
62).
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33
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Ist danach die Vermögensverwaltung mit
Wertpapieren als Verwaltung eines Sondervermögens steuerfrei
(vgl. zur sog. „Portefeuilleverwaltung“
EuGH-Urteil Abbey National u.a. in Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 64),
kann dies unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
steuerlichen Neutralität auch eine Steuerfreiheit der
individuellen Vermögensverwaltung mit Wertpapieren für
einzelne Anleger erfordern. Denn wäre die Wertpapierauswahl
als Teil einer entgeltlichen Leistung nur im Rahmen der
„Geldanlage in Investmentfonds“, nicht aber auch
bei der individuellen Portfolioverwaltung für einzelne Anleger
steuerfrei, käme es zu einer steuerlichen Privilegierung der
„Geldanlage in Investmentfonds“ gegenüber
der individuellen Portfolioverwaltung, obwohl beide Anlageformen
miteinander in Wettbewerb stehen und das entscheidende Merkmal in
beiden Fällen in der fachkundigen Wertpapierauswahl
besteht.
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34
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Hierfür spricht insbesondere, dass es bei
der individuellen Portfolioverwaltung für einzelne Anleger und
bei der „Geldanlage in Investmentfonds“ durch
Fondsanleger aus Sicht des jeweiligen Anlegers gleichermaßen
auf das Ergebnis der Verwaltungstätigkeit, die eingetretene
Vermögensmehrung, ankommt und sich dementsprechend die
Verwaltungsgebühren in beiden Fällen nach der Höhe
der verwalteten Vermögenswerte richtet.
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c) Sollte die individuelle
Vermögensverwaltung für einzelne Anleger nicht als
steuerfreier Umsatz im Geschäft mit Wertpapieren anzusehen
sein, stellt sich weiter die Frage, ob der Begriff der steuerfreien
Vermittlung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
2006/112/EG im Rahmen einer Nachweistätigkeit auch eine
Mitwirkung an der Ausführung des nachgewiesenen Geschäfts
umfasst.
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36
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aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt
es sich bei der Vermittlung von Wertpapierumsätzen nach Art.
135 Abs. 1 Buchst. b und f der Richtlinie 2006/112/EG um die
Tätigkeit einer Mittelsperson, die nicht Partei des der
Finanzdienstleistung zugrunde liegenden Vertrages ist, und deren
Tätigkeit sich von den durch die Vertragsparteien zu
erbringenden Leistungen unterscheidet. Die
Vermittlungstätigkeit wird von einer Vertragspartei erbracht
und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit
vergütet. Zweck der Tätigkeit ist es, das Erforderliche
zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne
dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages hat.
Sie kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum
Vertragsschluss nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt
aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden
über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu
verhandeln (EuGH-Urteile CSC in Slg. 2001, I-10237 Rdnr. 39 zur
Vermittlung von Wertpapieren, und vom 21.6.2007 C-453/05, Ludwig,
Slg. 2007, I-5083 = SIS 07 23 31 Rdnrn. 23 und 28 zur Vermittlung
von Krediten).
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bb) Zur Vermittlung gehört neben der
Nachweistätigkeit auch die Beratung (EuGH-Urteil Ludwig in
Slg. 2007, I-5083 Rdnr. 19). Daher könnte neben dem Nachweis
bestimmter Wertpapiere und der Beratung bei der Auswahl von
Wertpapieren als Gewährung einer Entscheidungshilfe auch die
Entscheidung über den Erwerb im Rahmen der
Vermögensverwaltung mit Wertpapieren als Vermittlung von
Wertpapierumsätzen steuerfrei sein, wie es das Urteil der
Vorinstanz angenommen hat.
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cc) Zu beachten ist aber auch, dass
Leistungen, bei denen der Leistende den Platz des Anbieters des
Finanzprodukts einnimmt, nicht als Vermittlung einer
Finanzdienstleistung steuerfrei sind, da der Leistende dann nicht
als Mittelsperson handelt (EuGH-Urteile CSC in Slg. 2001, I-10237
Rdnr. 40, und Ludwig in Slg. 2007, I-5083 Rdnr. 23). Dies
könnte gegen die Steuerfreiheit der Vermögensverwaltung
mit Wertpapieren als steuerfreie Vermittlungsleistung sprechen, da
es Sache des Erwerbers des Finanzprodukts (Wertpapiers), des
Anlegers, sein könnte, sich für den Kauf oder Verkauf
spezifischer Wertpapiere zu bestimmten Zeitpunkten zu entscheiden,
und deshalb An- und Verkauf der Wertpapiere für Namen und
für Rechnung des Anlegers nicht als Tätigkeit einer
Mittelsperson beurteilt werden kann.
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39
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Weiter ist auch zu berücksichtigen, dass
sich das Entgelt für die Leistungen der Klägerin nach der
Höhe des von ihr verwalteten Vermögens richtete, so dass
die Klägerin an den Wertsteigerungen des von ihr verwalteten
Wertpapiervermögens partizipierte, bei Wertverlusten aber auch
geringere Vergütungen bezog. Dies könnte die Annahme
eines Eigeninteresses des Vermittlers am Inhalt des vermittelten
Vertrages (Wertpapiergeschäfts) rechtfertigen, das dem
Vorliegen einer steuerfreien Vermittlung entgegensteht.
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3. Zur zweiten Vorlagefrage
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In dem beim erkennenden Senat anhängigen
Rechtstreit stellt sich weiter die Frage nach dem Umfang der
Steuerpflicht. Nach den im Streitfall getroffenen Vereinbarungen
teilte sich die Teilpauschalvergütung von 1,8 % in zwei Teile
auf, einen Anteil von 1,2 % für die eigentliche
Vermögensverwaltung und einen Anteil von 0,6 % für den
An- und Verkauf von Wertpapieren.
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a) Zur Frage, ob mehrere Tätigkeiten
steuerrechtlich zu nur einem Umsatz oder mehreren
eigenständigen Umsätzen führen, gilt nach der
Rechtsprechung des EuGH Folgendes:
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aa) Zunächst ist in der Regel jede
Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige
Leistung zu betrachten (EuGH-Urteile vom 25.2.1999 C-349/96, CPP,
Slg. 1999, I-973 = SIS 99 10 25 Rdnr. 29; vom 27.10.2005 C-41/04,
Levob Verzekeringen und OV Bank, Slg. 2005, I-9433 = SIS 06 02 01
Rdnr. 20; Ludwig in Slg. 2007, I-5083 Rdnr. 18; vom 21.2.2008
C-425/06, Part Service, Slg. 2008, I-897 = SIS 08 16 66 Rdnr. 50;
vom 11.6.2009 C-572/07, RLRE Tellmer Property, Slg. 2009, I-4983 =
SIS 09 21 09 Rdnr. 17; vom 19.11.2009 C-461/08, Don Bosco, UR 2010,
25 = SIS 10 02 39 Rdnr. 35).
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44
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bb) Bei einem Umsatz, der ein Bündel von
Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer
Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte
Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz (EuGH-Urteile
vom 2.5.1996 C-231/94, Faaborg-Gelting Linien, Slg. 1996, I-2395 =
SIS 96 15 24 Rdnr. 12; CPP in Slg. 1999, I-973 Rdnr. 28; Levob in
Slg. 2005, I-9433 Rdnr. 19; vom 29.3.2007 C-111/05, Aktiebolaget
NN, Slg. 2007, I-2697 = SIS 07 14 87 Rdnr. 21, und Don Bosco in UR
2010, 25 = SIS 10 02 39 Rdnr. 38). Dabei sind unter
Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die
charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln (EuGH-Urteile
CPP in Slg. 1999, I-973 Rdnr. 29; Levob in Slg. 2005, I-9433 Rdnr.
20, und Aktiebolaget NN in Slg. 2007, I-2697 Rdnr. 22).
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Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich
einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden
(EuGH-Urteile CPP in Slg. 1999, I-973 Rdnr. 29; Levob in Slg. 2005,
I-9433 Rdnr. 20). Andererseits sind mehrere formal getrennt
erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen,
wenn sie nicht selbständig sind (EuGH-Urteile Part Service in
Slg. 2008, I-897 Rdnr. 51, und RLRE Tellmer Property in Slg. 2009,
I-4983 Rdnr. 18, und Don Bosco in UR 2010, 25 = SIS 10 02 39 Rdnr.
36).
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cc) Einen einheitlichen Umsatz hat der EuGH
für zwei Fallgruppen bejaht.
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(1) Zum einen liegt eine einheitliche Leistung
vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung
bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen
Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das
steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist
insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für
die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt,
um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen
Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH-Urteile CPP in Slg. 1999,
I-973 Rdnr. 30; vom 3.7.2001 C-380/99, Bertelsmann, Slg. 2001,
I-5163 = SIS 01 09 78 Rdnr. 20; vom 15.5.2001 C-34/99, Primback,
Slg. 2001, I-3833 = SIS 01 08 77 Rdnr. 45; Part Service in Slg.
2008, I-897 Rdnr. 52, und RLRE Tellmer Property in Slg. 2009,
I-4983 Rdnr. 18).
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Nebenleistung zu einer Hauptleistung ist
danach z.B. der Versand einer Sachprämie im Verhältnis
zur Lieferung der Prämie (EuGH-Urteil Bertelsmann in Slg.
2001, I-5163 Rdnr. 21) oder die Beratung im Verhältnis zur
Kreditvermittlung durch einen Vermögensberater (EuGH-Urteil
Ludwig in Slg. 2007, I-5083 Rdnr. 19).
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(2) Zum anderen kann sich eine einheitliche
Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehr Handlungen oder
Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng
miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen
untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung
wirklichkeitsfremd wäre (EuGH-Urteile Levob in Slg. 2005,
I-9433 Rdnr. 22; Aktiebolaget NN in Slg. 2007, I-2697 Rdnr. 23;
Part Service in Slg. 2008, I-897 Rdnr. 53; RLRE Tellmer Property in
Slg. 2009, I-4983 Rdnr. 19, und Don Bosco in UR 2010, 25 = SIS 10 02 39 Rdnr. 37).
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Der EuGH ist in seiner bisherigen
Rechtsprechung mehrfach beim Erwerb eines Gegenstandes und weiteren
mit dem Erwerb zusammenhängender Leistungshandlungen vom
Vorliegen eines einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgangs
ausgegangen, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dies
gilt z.B.
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für den Erwerb einer Software, die in
diesem Zustand für die wirtschaftliche Tätigkeit des
Leistungsempfängers nutzlos ist und nachfolgende Anpassungen,
die die Software erst nützlich werden lassen, wenn der
wirtschaftliche Zweck darin besteht, eine speziell an die
Bedürfnisse des Leistungsempfängers angepasste
einsatzfähige Software zu erhalten (EuGH-Urteil Levob in Slg.
2005, I-9433 Rdnr. 24),
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für den Erwerb eines Glasfaserkabels und
die mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden
Dienstleistungen, die zur Veräußerung eines verlegten
und funktionstüchtigen Kabels erforderlich und hiermit eng
miteinander verbunden sind (EuGH-Urteil Aktiebolaget NN in Slg.
2007, I-2697 Rdnr. 25) oder
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für den Erwerb eines alten Gebäudes
mit dem dazugehörigen Grund und Boden, der in diesem Zustand
ohne jeden Nutzen für die wirtschaftliche Tätigkeit des
Leistungsempfängers ist, und den Leistungen in Bezug auf den
Abriss der Gebäude, die allein geeignet sind, dem
Grundstück einen wirtschaftlichen Nutzen zu verleihen
(EuGH-Urteil Don Bosco in UR 2010, 25 = SIS 10 02 39 Rdnr. 38).
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dd) Bei der Würdigung der zwischen dem
Leistenden und dem Leistungsempfänger getroffenen
Preisvereinbarungen hat der EuGH dem Umstand, dass ein Gesamtpreis
in Rechnung gestellt wird, keine entscheidende Bedeutung zugemessen
und darauf hingewiesen, dass es zwar für eine einheitliche
Leistung sprechen kann, wenn der Leistende seinen Kunden eine aus
mehreren Teilen zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines
Gesamtpreises erbringt. Gleichwohl können auch dann trotz des
einheitlichen Preises zwei gesonderte Dienstleistungen vorliegen,
wobei der einheitliche Preis nach der einfachst möglichen
Berechnungs- oder Bewertungsmethode aufzuteilen ist (EuGH-Urteil
CPP in Slg. 1999, I-973 Rdnr. 31).
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Der EuGH ist schließlich davon
ausgegangen, dass die Vermietung von Wohnungen und das Reinigen von
Gemeinschaftsräumen eines Gebäudes (eines Treppenhauses)
unter den Umständen des Ausgangsverfahrens, zu denen die
gesonderte Inrechnungstellung der Reinigungsleistung und die
Möglichkeit, diese Leistung auch durch Dritte zu erbringen,
gehörten, nicht als eine einheitliche Leistung anzusehen sind
(EuGH-Urteil RLRE Tellmer Property in Slg. 2009, I-4983 Rdnrn. 22
bis 24); er hat dabei betont, dass die Reinigungsleistungen im
Wirtschaftsleben auch getrennt (angeboten und bezogen) werden
können.
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b) Sollte die individuelle
Vermögensverwaltung mit Wertpapieren für einzelne Anleger
steuerpflichtig sein, stellt sich im Streitfall die Frage, ob sich
die Steuerpflicht auch auf den An- und Verkauf der Wertpapiere, der
nach den Verhältnissen des Streitfalls gesondert vergütet
wurde, erstreckt.
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aa) Das FA geht insoweit von einer
Einheitlichkeit aufgrund eines einzigen untrennbaren
wirtschaftlichen Vorgangs aus. Dies erscheint im Streitfall nicht
zwingend, da es nicht wirklichkeitsfremd ist, die
Vermögensverwaltungsleistung von einem Leistenden zu beziehen
und den Kauf und Verkauf der Wertpapiere über einen anderen
Leistenden abzuwickeln.
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bb) Fraglich ist aber, ob der An- und Verkauf
der Wertpapiere als Nebenleistung zur Vermögensverwaltung
anzusehen ist. Im Hinblick auf die Einheitlichkeit einer Leistung
aufgrund des Vorliegens von Haupt- und Nebenleistung stellt sich im
Streitfall die durch den EuGH zu beantwortende Frage, welche
Bedeutung den hierfür maßgeblichen Kriterien im
Verhältnis zueinander zukommt.
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(1) Soweit mit den EuGH-Urteilen CPP in Slg.
1999, I-973 Rdnr. 30, Bertelsmann in Slg. 2001, I-5163 Rdnr. 20,
Primback in Slg. 2001, I-3833 Rdnr. 45, Part Service in Slg. 2008,
I-897 Rdnr. 52 und RLRE Tellmer Property in Slg. 2009, I-4983 Rdnr.
18 darauf abzustellen ist, dass eine Nebenleistung für die
Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um
die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen
Bedingungen in Anspruch zu nehmen, wäre im Streitfall die
Steuerpflicht der beim Kauf und Verkauf der einzelnen Wertpapiere
erbrachten Leistungen zu bejahen, da dieser Leistungsteil die zuvor
getroffene Anlageentscheidung umsetzt und dazu dient, diese unter
optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
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(2) Nicht zu beurteilen vermag der Senat,
welche Bedeutung dem Kriterium, dass eine Nebenleistung für
die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt,
um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen
Bedingungen in Anspruch zu nehmen, im Hinblick auf das EuGH-Urteil
RLRE Tellmer Property in Slg. 2009, I-4983 zukommt. Danach ist das
Reinigen von Gemeinschaftsräumen eines Gebäudes (eines
Treppenhauses) eine eigenständige Leistung gegenüber der
Vermietung von Wohnungen in diesem Gebäude, da die Leistung
(Reinigung) gesondert in Rechnung gestellt wird und die Leistung
(Reinigung) auch durch einen Dritten erbracht werden kann.
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Im Hinblick auf die unionsrechtlichen
Grundsätze zur Frage, ob eine einheitliche Leistung vorliegt,
hält es der Senat für durch den EuGH
auslegungsbedürftig, ob sich aus seinem Urteil RLRE Tellmer
Property in Slg. 2009, I-4983 ergibt, dass, obwohl eine
Nebenleistung für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern
das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers
unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, aufgrund der
gesonderten Inrechnungstellung und der Erbringbarkeit der Leistung
durch Dritte keine einheitliche Leistung gegeben ist.
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Insoweit könnte zu berücksichtigen
sein, dass Fälle, in denen eine Nebenleistung nicht durch
Dritte erbracht werden kann, eher selten sind. So hätte es
dieses Kriterium auch gerechtfertigt, den Versand einer
Sachprämie im Verhältnis zur Lieferung der Prämie
(EuGH-Urteil Bertelsmann in Slg. 2001, I-5163 Rdnr. 21) oder die
Beratung im Verhältnis zur Kreditvermittlung (EuGH-Urteil
Ludwig in Slg. 2007, I-5083 Rdnr. 19) entgegen diesen EuGH-Urteilen
nicht als Nebenleistung, sondern als selbständige Leistung
anzusehen, da sowohl Versand unabhängig von der Lieferung als
auch Beratung unabhängig von der Kreditvermittlung durch
Dritte erfolgen können. Weiter könnten eine gesonderte
Inrechnungstellung oder ein gesonderter Preisausweis zwar die
Eigenständigkeit der Leistung vermuten lassen, wobei derartige
Preisvereinbarungen aber als widerlegbar anzusehen sein
könnten, da sonst die Parteien der Leistung über die
steuerrechtlichen Rechtsfolgen disponieren könnten.
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c) Sollte die Vermögensverwaltung mit
Wertpapieren steuerfrei sein, ist klärungsbedürftig, ob
die von der Klägerin gegenüber dem Kunden erbrachten
Leistungen bei der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren, die
bei eigenständiger Betrachtung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f
der Richtlinie 2006/112/EG steuerpflichtig sind, als Nebenleistung
zu den dann im Übrigen steuerfreien Leistungen gleichfalls
steuerfrei sein kann oder ob dies im Hinblick auf die gesonderte
Erbringbarkeit der Verwaltung und Verwahrung oder im Hinblick auf
den ausdrücklichen Ausschluss dieser Leistungen in Art. 135
Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG nicht in Betracht
kommt.
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4. Zur dritten Vorlagefrage
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Auslegungsbedürftig ist, ob Art. 56 Abs.
1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112/EG nur für die in Art. 135
Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112/EG bezeichneten
Umsätze oder - falls die Vermögensverwaltung mit
Wertpapieren kein derartiger Umsatz ist - auch für die
Vermögensverwaltung mit Wertpapieren gilt.
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Dabei könnte auch zu berücksichtigen
sein, dass es sich bei der Vermögensverwaltung mit
Wertpapieren für einzelne Anleger - wie im Streitfall - nach
dem Wertpapierrecht der Union um eine Portfolioverwaltung handelt,
die nur aufgrund einer wertpapierrechtlichen Zulassung
ausgeübt werden darf. Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 9 der Richtlinie
2004/39/EG bezieht sich die Portfolioverwaltung auf die
„... Verwaltung von Portfolios auf Einzelkundenbasis mit
einem Ermessensspielraum im Rahmen eines Mandats des Kunden, sofern
diese Portfolios ein oder mehrere Finanzinstrumente
enthalten“. Zu diesen Finanzinstrumenten gehören
insbesondere nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 i.V.m. Anhang I Abschn. C
Nr. 1 der Richtlinie 2004/39/EG übertragbare Wertpapiere. Die
Portfolioverwaltung ist nach Anhang I Abschn. A Nr. 4 der
Richtlinie 2004/39/EG eine Wertpapierdienstleistung und
Anlagetätigkeit. Portfolioverwaltung darf daher nach Art. 5
der Richtlinie 2004/39/EG nur ausüben, wer über eine
wertpapierrechtliche Zulassung verfügt.
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Aus den EuGH-Urteilen vom 21.10.2004 C-8/03,
Banque Bruxelles Lambert SA - BBL - (Slg. 2004, I-10157 = SIS 05 02 21 Rdnrn. 46 und 47) und vom 22.10.2009 C-242/08, Swiss Re (Slg.
2009, I-10099 = SIS 09 37 69) ergibt sich keine Klärung
für die Beantwortung der dritten Auslegungsfrage.
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5. Entscheidungserheblichkeit
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Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich.
Sind die Leistungen ganz oder teilweise steuerfrei oder - bei einer
Leistungserbringung an im Drittlandsgebiet ansässige Personen
- nicht im Inland steuerbar, ist der Klage ganz oder teilweise
stattzugeben.
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6.
Rechtsgrundlage der Vorlage
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Rechtsgrundlage
für die Anrufung des EuGH ist Art. 267 Abs. 3 des Vertrages
über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
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7.
Verfahrensaussetzung
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Die Aussetzung des
Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der
Finanzgerichtsordnung.
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