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I. Streitig ist, ob Aufwendungen des
Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für den
Unterhalt seiner in Serbien lebenden Schwiegereltern als
außergewöhnliche Belastungen nach § 33a des
Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung
(EStG) zu berücksichtigen sind.
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Der Kläger wurde im Streitjahr (2004)
zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. In der
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die
Eheleute Unterhaltsleistungen in Höhe von 4.990 EUR
beschränkt auf den Höchstbetrag nach der sog.
Ländergruppeneinteilung für Serbien von insgesamt 3.840
EUR an die in Serbien lebenden Schwiegereltern des Klägers als
außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG
geltend.
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Nach den vom Kläger vorgelegten
Unterhaltsbescheinigungen vom 3. März und 29.7.2005 waren der
1951 geborene Schwiegervater und die 1953 geborene Schwiegermutter
nicht berufstätig, bezogen keine Einkünfte,
verfügten über kein Vermögen, erhielten keine
Unterstützung von anderen Personen und wurden seit 2002 vom
Kläger unterstützt. In einer Unterhaltsbescheinigung vom
25.8.2006 wurden für den Schwiegervater jährliche
Einkünfte aus Landwirtschaft in Höhe von 64,81 Din.
angegeben. Dieser Betrag deckt sich mit Bescheinigungen des
serbischen Katasteramtes vom 8. Mai und 17.7.2006, wonach der
Schwiegervater über Grundbesitz von 1,9096 Hektar mit einem
Ertrag von 64,81 Din. (=0,78 bis 0,90 EUR) verfügt.
Während des Klageverfahrens wurde zudem bekannt, dass die
Schwiegereltern mit dem Schwager des Klägers in einem
gemeinsamen Haushalt leben.
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Zum Nachweis der Zahlungen an die
Schwiegereltern legte der Kläger Kopien seines
Geldmarkt-Sparbuchs bei der Sparkasse X vor, in denen Auszahlungen
am 14.5.2004 (1.000 EUR) und am 29.6.2004 (3.000 EUR und 500 EUR)
ersichtlich sind. Ausweislich der Kopie des Reisepasses des
Klägers war er am 3.7.2004 in Serbien ein- und am 31.7.2004
wieder ausgereist. Eine Geldübergabe in Höhe von 4.000
EUR am 5.7.2004 durch den Kläger an die Schwiegereltern wird
durch eine Empfangsbestätigung der Schwiegereltern vom
3.3.2005 dargetan. Durch eine weitere Empfangsbestätigung vom
18.7.2005 wird eine Geldübergabe des Schwagers des
Klägers an den Schwiegervater in Höhe von 990 EUR
dargelegt. Ein Zahlungsauftrag im Außenwirtschaftsverkehr vom
14.9.2004 und ein entsprechender Auszug des Kontos des Klägers
bei der Sparkasse X belegen für den 15.9.2004 eine Zahlung des
Klägers von 1.000 EUR auf das Konto des Schwagers des
Klägers bei einer Bank in Y, da die Schwiegereltern nicht
über ein eigenes Bankkonto verfügten.
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Ausweislich mehrerer Bescheinigungen der
serbischen Arbeitsverwaltung ist der Schwiegervater des
Klägers seit 2002 arbeitslos gemeldet. Der Schwiegermutter
wird von der Gemeindeverwaltung bescheinigt, nicht in einem
Arbeitsverhältnis zu stehen und auch nicht über eigene
Einkünfte zu verfügen.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) erkannte die Unterhaltsleistungen nicht an, da
insbesondere der Zahlungsnachweis nicht erbracht sowie die
Bedürftigkeit der unterstützten Personen nicht
nachgewiesen sei. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wandte sich
der Kläger dagegen mit der Klage.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit
den in EFG 2009, 1948 = SIS 09 31 92 veröffentlichten
Gründen teilweise statt.
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Mit der Revision rügt das FA die
unzutreffende Anwendung von § 33a EStG.
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DasFA beantragt, das Urteil des FG
Köln vom 19.6.2008 6 K 838/06 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger hat keinen Antrag
gestellt.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die bisherigen Feststellungen des
FG tragen nicht dessen Entscheidung, dass die Zahlungen des
Klägers an seine in Serbien lebenden Schwiegereltern als
Unterhaltszahlungen i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG zu
berücksichtigen sind. Das FG wird nach Maßgabe der
nachstehenden teilweise neuen Rechtsgrundsätze des Senats die
entsprechenden Feststellungen nachzuholen und erneut zu entscheiden
haben.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen
Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen
oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich
unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die
Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen
bis zu 7.680 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der
Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Bei Unterhaltszahlungen an Empfänger im Ausland bestimmt
§ 33a Abs. 1 Satz 5 2. Halbsatz EStG zusätzlich, dass
nach inländischen Maßstäben zu beurteilen ist, ob
der Steuerpflichtige zum Unterhalt gesetzlich verpflichtet ist.
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a) Nach der neuen Rechtsprechung des Senats
ist die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers i.S. des
§ 1602 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Voraussetzung
für die Annahme einer gesetzlichen Unterhaltsberechtigung i.S.
des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG. Der Senat folgt damit der sog.
konkreten Betrachtungsweise, nach der die Bedürftigkeit des
Unterhaltsempfängers nicht typisierend unterstellt werden kann
(so aber Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.5.2006 III R
26/05, BFHE 214, 129, BStBl II 2007, 108 = SIS 06 37 80). Zur
weiteren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom
5.5.2010 VI R 29/09 = SIS 10 23 01 (zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof. de). Im
Ergebnis bedeutet dies, dass es zwar auf die Höhe der
Unterhaltsverpflichtung nicht ankommt, die zivilrechtlichen
Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs - Anspruchsgrundlage,
Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit (§§ 1601
bis 1603 BGB) - aber vorliegen müssen und auch zu beachten
sind.
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b) Die bisherigen Feststellungen des FG
gestatten keine Entscheidung darüber, ob die von dem
Kläger unterstützten Schwiegereltern tatsächlich
bedürftig sind. Nach den Feststellungen des FG bewirtschaftet
der Schwiegervater des Klägers 1,9096 Hektar Land. Nach der
Rechtsprechung des BFH greift für den Fall, dass der
unterstützte Angehörige einen landwirtschaftlichen
Betrieb in einem nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates
üblichen Umfang und Rahmen betreibt, eine widerlegbare
Vermutung, dass die im Heimatstaat als Landwirt erwerbstätigen
Angehörigen nicht unterhaltsbedürftig sind (BFH-Urteil
vom 13.3.1987 III R 206/82, BFHE 149, 532, BStBl II 1987, 599 = SIS 87 15 03, m.w.N.). Dabei kann grundsätzlich auch davon
ausgegangen werden, dass die Einkünfte aus dem
landwirtschaftlichen Betrieb den anderen, dem Haushalt des
Schwiegervaters angehörenden Familienmitgliedern - also auch
der Schwiegermutter - zu Gute kommen und deren
Unterhaltsbedürftigkeit entfallen lassen. Ist der Umfang der
Erwerbstätigkeit allerdings zu gering, um den Lebensunterhalt
der Familienangehörigen abzudecken, ist die Vermutung
widerlegt und die Bedürftigkeit der Unterhaltsempfänger
im Einzelfall zu prüfen.
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2. Soweit die Revision darauf hinweist, dass
der Nachweis der Zahlungen im Streitfall nicht erbracht worden sei,
ist die tatrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich
nur eingeschränkt überprüfbar. Vorliegend ist nicht
erkennbar - und auch nicht vorgetragen -, dass die Tatsachen,
aufgrund derer das FG seine Überzeugung gebildet hat,
widersprüchlich sind oder die Folgerung aus den festgestellten
Tatsachen nicht nachvollziehbar ist. Ein Verstoß gegen
Denkgesetze und Erfahrungssätze ist daher nicht erkennbar.
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3. Die Vorentscheidung beruht auf einer
anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann
jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist.
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a) Das FG hat im weiteren Rechtsgang
festzustellen, ob die widerlegbare Vermutung, dass die im
Heimatstaat landwirtschaftlich tätigen Angehörigen nicht
unterhaltsbedürftig sind, vorliegend greift. Insbesondere wird
es darauf ankommen, ob der landwirtschaftliche Betrieb in einem
nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates üblichen
Umfang und Rahmen betrieben wird. Ist dies nicht der Fall oder
decken die Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb
nicht den Bedarf der Schwiegereltern des Klägers, wird es die
Bedürftigkeit der Unterhaltsempfänger im Einzelfall
festzustellen haben.
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b) In diesem Fall wird das FG weiter
festzustellen haben, ob die Schwiegereltern des Klägers
relevantes Vermögen besitzen. Ob der jeweilige
Unterhaltsempfänger über kein oder nur geringes
Vermögen i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verfügt,
ist unabhängig von der Anlageart nach dem Verkehrswert zu
entscheiden; ein Vermögen von bis zu 15.500 EUR ist in der
Regel gering (BFH-Urteil vom 12.12.2002 III R 41/01, BFHE 201, 192,
BStBl II 2003, 655 = SIS 03 14 77). Der Wert von 15.500 EUR ist
entsprechend der sog. Ländergruppeneinteilung im Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 17.11.2003 IV C 4 - S 2285 -
54/03 (BStBl I 2003, 637 = SIS 03 50 27) im Streitfall um 3/4 auf
3.875 EUR je unterhaltener Person zu mindern, da nur so das
Vermögen der Unterhaltsempfänger typisierend nach den
Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person
angemessen abgebildet werden kann (BFH-Urteil vom 2.12.2004 III R
50/03, BFH/NV 2005, 1009 = SIS 05 25 55).
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Das FG wird daher sowohl das eigengenutzte
Haus als auch den Grundbesitz von 1,9096 Hektar beim jeweiligen
Unterhaltsempfänger, dem das Vermögen zuzurechnen ist,
mit dem Verkehrswert anzusetzen haben (BFH-Urteil in BFHE 201, 192,
BStBl II 2003, 655 = SIS 03 14 77). Hinsichtlich des
Bewertungsmaßstabes wird auf die Entscheidung des erkennenden
Senats vom 11.2.2010 VI R 65/08 (BFH/NV 2010, 1026 = SIS 10 08 18)
verwiesen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass den
Kläger nach § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung erhöhte
Mitwirkungspflichten zur Aufklärung des Sachverhalts und
für die Vorsorge sowie Beschaffung von Beweismitteln treffen,
wenn er Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige
steuermindernd geltend macht.
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c) Ist auch kein relevantes Vermögen
feststellbar, wird das FG die Einkünfte aus dem
landwirtschaftlichen Betrieb zu ermitteln haben. Die in der
Bescheinigung des serbischen Katasteramtes ausgewiesenen
Erträge von 0,78 bis 0,90 EUR jährlich können dabei
nicht zugrunde gelegt werden. Die in der Bescheinigung
ausgewiesenen Erträge sind - wie die Revision zutreffend
ausführt - nicht aussagekräftig, da angesichts der
angegebenen geringfügigen Beträge offensichtlich nicht
der tatsächliche Ertrag ausgewiesen wird. Gleiches gilt
für die vom FG vorgenommene Überprüfung des
Ertragsausweises der Bescheinigung anhand einer
überschlägigen Durchschnittssatzermittlung nach §
13a EStG. Das FG hat dabei nicht berücksichtigt, dass die
Durchschnittssätze nach § 13a EStG in der Regel nur einen
Teil des tatsächlichen Gewinns ausweisen (BFH-Urteil vom
5.12.2002 IV R 28/02, BFHE 201, 175, BStBl II 2003, 345 = SIS 03 19 26) und damit als Verschonungsregelung ungeeignet sind, um die in
der Bescheinigung des serbischen Katasteramtes ausgewiesenen
Erträge zu verproben (vgl. auch Urteil des Amtsgerichts
Backnang vom 23.2.1996 1 F 192/95, Der Amtsvormund 1996, 403). Die
Erträge aus diesen landwirtschaftlich genutzten Flächen
sind dann im Rahmen von § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG zu ermitteln
und anzusetzen. Dabei wird es auch darauf ankommen, ob der
Schwiegervater des Klägers so leistungsfähig ist, dass er
seiner vorrangigen Unterhaltsverpflichtung gegenüber der
Schwiegermutter des Klägers nach § 1608 BGB nachkommen
kann.
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d) Zudem wird das FG den
Unterhaltshöchstbetrag zeitanteilig zu kürzen haben, denn
nach den Feststellungen des FG erfolgten die Unterhaltszahlungen am
5. Juli und am 14.9.2004. Das FG hat zu Unrecht keine zeitanteilige
Kürzung des Höchstbetrags nach § 33a Abs. 1 i.V.m.
Abs. 4 Satz 1 EStG vorgenommen. Unterhaltsleistungen können
nach der Rechtsprechung des BFH nur insoweit abgezogen werden, als
hierdurch der Lebensbedarf des Empfängers im Kalenderjahr der
Zahlung sichergestellt werden soll (BFH-Urteil vom 22.5.1981 VI R
140/80, BFHE 133, 521, BStBl II 1981, 713 = SIS 81 24 54). Daher
können Unterhaltsleistungen nicht auf Monate vor ihrer Zahlung
zurückbezogen werden. Es besteht eine - im Einzelfall
widerlegbare - tatsächliche Vermutung dafür, dass der
Unterhaltsverpflichtete seine Zahlungen so einrichtet, dass sie zur
Deckung des Lebensbedarfs des Empfängers bis zum Erhalt der
nächsten Unterhaltszahlung ausreichen. Anhaltspunkte, dass die
Vermutung im Streitfall als widerlegt anzusehen ist, sind nach den
bisherigen Feststellungen des FG nicht ersichtlich.
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