Unterhaltszahlungen als ag. Belastung, zivilrechtliche Verpflichtung: Der Steuerpflichtige kann Unterhaltsaufwendungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 33 a EStG als außergewöhnliche Belastung abziehen, wenn der Unterhaltsempfänger dem Grunde nach gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Auf das Bestehen einer konkreten zivilrechtlichen Unterhaltsberechtigung bzw. die Höhe des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs kommt es nicht an. - Urt.; BFH 18.5.2006, III R 26/05; SIS 06 37 80
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt werden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus
Vermietung und Verpachtung in Höhe von insgesamt 107.326 DM
(1996) bzw. 42.944 DM (1998).
Er hatte im Jahre 1992 seinem
volljährigen, verheirateten Sohn (S) den hälftigen
Miteigentumsanteil an einem Mehrfamilienhaus übertragen, in
dem S und seine Familie auch wohnten. Nach § 4 des zwischen
dem Kläger und S geschlossenen Kaufvertrages hatte S für
die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung keine Miete oder
Nutzungsentschädigung zu zahlen, jedoch die auf seine Wohnung
entfallenden Kosten und Abgaben in voller Höhe selbst zu
tragen. In den Streitjahren 1996 und 1998 zahlte der Kläger
auch die für die Wohnung des S und dessen Familie anfallenden
Kosten und Abgaben in Höhe von 7.476 DM im Jahre 1996 und
13.150 DM im Jahre 1998.
S und seine Ehefrau erzielten in den
Streitjahren folgende Einkünfte:
|
1996
|
1998
|
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
(S)
|
./.
42.454 DM
|
./.
166.071 DM
|
Einkünfte aus nicht-selbständiger
Tätigkeit(Ehefrau)
|
3.690 DM
|
1.600 DM
|
Einkünfte aus Vermietungund
Verpachtung (S)
|
./.
25.348 DM
|
./.
5.631 DM
|
|
./.
64.112 DM
|
./.
170.102 DM
|
Das Betriebsvermögen des S war
überschuldet.
Nachdem der Kläger zunächst
vergeblich im Rahmen der Feststellung der
Grundstücksgemeinschaft versucht hatte, die von ihm
getragenen, auf die Wohnung des S entfallenden Aufwendungen als
Sonderwerbungskosten geltend zu machen, beantragten die Kläger
mit Schreiben vom 28.11.2001 ebenfalls ohne Erfolg, die
Einkommensteuerveranlagungen u.a. für 1996 und 1998 zu
ändern und die Aufwendungen gemäß § 33a Abs. 1
des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Unterhaltsleistungen zu
berücksichtigen.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach
erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt. Das Urteil ist in
EFG 2005, 1203 = SIS 05 26 82 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Verletzung des
§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Frage der gesetzlichen
Unterhaltsberechtigung sei durch Rückgriff auf das Zivilrecht
zu entscheiden. Gesetzlich unterhaltsberechtigt seien zunächst
nur die Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unterhaltsverpflichtet sei.
Das seien nach § 1601 BGB insbesondere Verwandte in gerader
Linie wie z.B. Kinder und Eltern. Der gesetzlichen
Unterhaltsverpflichtung der Verwandten in gerader Linie
gemäß § 1601 BGB stehe die gesetzliche
Unterhaltsberechtigung i.S. des § 1602 BGB gegenüber.
Nach § 1602 Abs. 1 BGB sei unterhaltsberechtigt nur, wer
außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Die
Unterhaltsberechtigung im Sinne dieser Vorschrift setze somit eine
Bedürftigkeit voraus. Von dieser sei auszugehen, wenn der
Betroffene weder aus zumutbarer Arbeit, aus
Vermögenseinkünften, aus der zumutbaren Verwertung seines
Vermögensstamms noch aus sonstigen Einkünften seinen
Lebensbedarf hinreichend bestreiten könne. Es bestehe -
insbesondere für volljährige Kinder - eine
„generelle Erwerbsobliegenheit“, es sei denn, aufgrund
besonderer Umstände wie z.B. Krankheit oder Behinderung
könne eine Beschäftigung nicht ausgeübt werden.
Dabei seien auch Tätigkeiten außerhalb des erlernten
Berufs und der bisherigen Lebensstellung zumutbar.
Im Streitfall sei S nach dem bisherigen
Sachvortrag nicht durch Krankheit oder Behinderung an einer seinen
Lebensunterhalt sicherstellenden Erwerbstätigkeit gehindert
gewesen. Es sei auch nicht sachgerecht, Unterhaltsaufwendungen
steuermindernd anzuerkennen, ohne Rücksicht darauf, inwieweit
die unterstützte Person durch die Aufnahme einer
andersgearteten Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt selbst
hätte sichern können.
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Nach im Ergebnis zutreffender Entscheidung des
FG kommt es für die Annahme einer gesetzlichen
Unterhaltsberechtigung i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht
auf das Bestehen einer konkreten zivilrechtlichen Unterhaltspflicht
bzw. auf die Höhe eines zivilrechtlich konkret geschuldeten
Unterhalts an, sondern auf eine potenzielle
Unterhaltsverpflichtung, sofern die übrigen Voraussetzungen
des § 33a Abs. 1 EStG vorliegen.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen
Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige
Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten
gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird
auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass
die Aufwendungen bis zu (in den Streitjahren 1996 und 1998) 12.000
DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen
werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Gemäß § 33a
Abs. 1 Satz 3 EStG ist Voraussetzung, dass weder der
Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen
Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld für die unterhaltene
Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes
Vermögen besitzt. Hat die unterhaltene Person andere
Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts
bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich der Betrag von
12.000 DM um den Betrag, um den diese Einkünfte und
Bezüge den Betrag von 1.200 DM im Kalenderjahr
übersteigen, sowie um die von der unterhaltenen Person als
Ausbildungshilfe aus öffentlichen Mitteln oder von
Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche
Mittel erhalten, bezogenen Zuschüsse (§ 33a Abs. 1 Satz 4
EStG).
2. Ob eine Person „gesetzlich
unterhaltsberechtigt“ ist, richtet sich nach
bürgerlichem Recht. Nach § 1601 BGB sind Verwandte in
gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.
Unterhaltsberechtigt ist aber nach § 1602 Abs. 1 BGB nur, wer
außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die
Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers i.S. des §
1602 BGB ist daher nach bislang wohl herrschender Auffassung
Voraussetzung für die Annahme einer Unterhaltsberechtigung
i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG (sog. konkrete
Betrachtungsweise, z.B. Urteile des FG Rheinland-Pfalz vom
27.6.2001 1 K 2924/00, DStRE 2002, 11 = SIS 02 57 84; des FG
Köln vom 28.3.2003 7 K 4897/02, EFG 2003, 1167 = SIS 03 34 85,
und vom 23.11.2004 8 K 5329/03, EFG 2005, 363 = SIS 05 13 89; des
FG Berlin vom 9.7.2004 9 K 9256/01, EFG 2005, 363 = SIS 05 13 89;
des FG Niedersachsen vom 24.8.2004 15 K 325/01, StE 2005, 639 = SIS 06 04 71, sowie des Hessischen FG vom 14.12.2004 11 K 3359/02,
Praxis der internationalen Steuerberatung - PIStB - 2005, 194 = SIS 05 14 39; Schmieszek in Bordewin/ Brandt, § 33a EStG Rz. 43,
77; Mellinghoff in Kirchhof, 6. Aufl., § 33a EStG Rz. 16;
Fuhrmann in Korn, § 33a EStG Rz. 25; Müller, FR 1997,
705; Plenker, DB 1997, 247; Morsbach, EFG 2005, 365).
Ein Verwandter, der Unterhalt beansprucht, ist
nach bürgerlichem Recht verpflichtet, zunächst seine
Arbeitskraft zu verwerten (sog. Erwerbsobliegenheit, vgl.
Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl.,
§ 1602 Rn. 12 ff.). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach,
ist er nicht bedürftig und damit nicht unterhaltsberechtigt.
Wäre die Bedürftigkeit i.S. des § 1602 BGB
Voraussetzung für die Annahme einer Unterhaltsberechtigung,
könnte im Streitfall der Abzug der Unterhaltsleistungen als
außergewöhnliche Belastung abzulehnen sein, weil der
Sohn des Klägers keine andere Erwerbstätigkeit
aufgenommen hat.
Nach anderer Ansicht ist lediglich darauf
abzustellen, ob der Unterstützte zu den potenziell gesetzlich
unterhaltsberechtigten Personen gehört (Urteile des FG
Münster vom 20.2.2002 10 K 7470/00 E, EFG 2002, 911 = SIS 02 71 47; vom 30.4.2002 13 K 4375/99 E, EFG 2002, 1306 = SIS 02 95 58
- allerdings verneinend für Zweitausbildung i.S. des §
1610 Abs. 2 BGB -, und vom 18.3.2003 13 K 7123/99 E, EFG 2003, 1010
= SIS 03 35 59; wohl auch Hartz/Meeßen/ Wolf, ABC-Führer
Lohnsteuer, Stichwort „Unterhaltsleistungen“ Rz.
78).
Zum gleichen Ergebnis, aber mit etwas
abweichender Begründung kommt eine vermittelnde Meinung: Eine
gesetzliche Unterhaltspflicht setze zwar grundsätzlich voraus,
dass der potenziell Unterhaltsberechtigte auch außerstande
sei, sich selbst zu unterhalten (vgl. § 1602 Abs. 1 BGB); im
Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise sei aber -
abhängig vom eigenen Vermögen und eigenen
tatsächlich erzielten Einnahmen und Bezügen - die
Bedürftigkeit der unterstützten Person dem Grunde nach zu
unterstellen (Stöcker in Lademann, EStG, § 33a EStG Rz.
264 a.E.; wohl auch FG München, Urteil vom 20.11.2002 1 K
4864/01, EFG 2003, 464 = SIS 03 14 90; vgl. ferner
Schmidt/Glanegger, 25. Aufl., § 33a Rz. 19; Pust in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33a
Rz. 145; Görke in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998
ff., § 33a EStG Rz. 23 f.; im Ergebnis wohl ebenso R 33a.1
Abs. 1 Sätze 1, 3 und 4 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR
- 2005).
3. Der Senat ist ebenfalls der Auffassung,
dass die Bedürftigkeit zwar Voraussetzung für die
gesetzliche Unterhaltsberechtigung ist, aber bei Vorliegen der
übrigen Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG typisierend
zu unterstellen ist.
a) Hierfür spricht bereits der Wortlaut
der Vorschrift, der auf die gesetzliche Unterhaltsberechtigung
abstellt, die sich nur aus dem Zivilrecht ergeben kann (vgl.
Senatsurteil vom 4.7.2002 III R 8/01, BFHE 199, 407, BStBl II 2002,
760 = SIS 02 95 22). Gemäß § 1601 BGB sind
Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu
gewähren (für Ehegatten s. § 1360 ff. BGB, bei nicht
verheirateten Eltern s. § 1615l BGB, für geschiedene
Ehegatten s. § 1569 ff. BGB). Nach § 1602 Abs. 1 BGB ist
aber unterhaltsberechtigt nur, wer außerstande ist, sich
selbst zu unterhalten. Die Bedürftigkeit des
Unterhaltsempfängers ist somit Voraussetzung für seine
Unterhaltsberechtigung, welche nach dem Wortlaut des § 33a
Abs. 1 Satz 1 EStG wiederum Voraussetzung für den Abzug der
Aufwendungen beim Leistenden ist (so noch zutreffend z.B. FG Hessen
in PIStB 2005, 194 = SIS 05 14 39, und FG Köln in EFG 2005,
363 = SIS 05 13 89; a.A. insoweit FG München in EFG 2003, 464
= SIS 03 14 90).
b) Auch die Begründung zum
Jahressteuergesetz (JStG) 1996 vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250,
BStBl I 1995, 438), durch das § 33a Abs. 1 EStG geändert
worden ist, weist darauf hin, dass Unterhaltsleistungen nur dann
nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sind, wenn der
Unterhaltsempfänger bedürftig i.S. des § 1602 BGB
ist.
Ursprünglich waren - unter den weiteren
Voraussetzungen des § 33a EStG - Aufwendungen für den
Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer Person abziehbar,
wenn sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig i.S. des § 33
Abs. 2 EStG erwachsen waren. Seit der Änderung durch Art. 1
JStG 1996 werden nur noch Aufwendungen für den Unterhalt und
eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder
seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten
Person berücksichtigt. Der Begriff der Zwangsläufigkeit
(§ 33 Abs. 2 EStG) sollte insoweit eingeschränkt werden.
Es sollte an die zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung
angeknüpft und damit auch der Einheitlichkeit der
Rechtsordnung Rechnung getragen werden (BTDrucks 13/1686, S.
42).
c) Mit der Änderung des § 33a Abs. 1
EStG durch das JStG 1996 ist das Tatbestandsmerkmal der
Zwangsläufigkeit durch den Begriff der gesetzlichen
Unterhaltsberechtigung ersetzt worden (vgl. Schmidt/Glanegger,
a.a.O., § 33a Rz. 19). Es gibt daher kein eigenständiges
steuerrechtliches Merkmal mehr, nach dem die Bedürftigkeit der
unterstützten Person zu prüfen ist (Stöcker in
Lademann, a.a.O., § 33a EStG Rz. 264). Nur wenn die
unterstützte Person nicht unbeschränkt steuerpflichtig
ist, kommt es für die Abziehbarkeit der Unterhaltsleistungen
noch darauf an, ob sie notwendig und angemessen sind (§ 33a
Abs. 1 Satz 5 EStG). Im Übrigen wird die Abziehbarkeit der
Unterhaltsaufwendungen für eine gesetzlich
unterhaltsberechtigte Person innerhalb der Höchstbeträge
des § 33a EStG steuerrechtlich nur begrenzt durch die
Berücksichtigung des eigenen Vermögens der
unterstützten Person (§ 33a Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2
EStG), durch die Anrechnung ihrer eigenen Einkünfte und
Bezüge (§ 33a Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 EStG) und durch
die schon nach § 33a Abs. 1 EStG a.F. geltende sog.
Opfergrenze - angemessenes Verhältnis der Unterhaltsleistungen
zum Nettoeinkommen des Leistenden - (Stöcker in Lademann,
a.a.O., § 33a EStG Rz. 256; vgl. auch Schmidt/Glanegger,
a.a.O., § 33a Rz. 19). Liegen insoweit die Voraussetzungen des
§ 33a Abs. 1 EStG für die Abziehbarkeit von
Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung
vor, ist die Bedürftigkeit der unterstützten Person zu
unterstellen, wenn sie potenziell unterhaltsberechtigt ist und auch
tatsächlich Unterhalt erhält (FG München in EFG
2003, 464 = SIS 03 14 90).
d) Für diese Lösung sprechen auch
und vor allem Gründe der Verwaltungsvereinfachung. Wenn die
Steuerverwaltung jeweils die zivilrechtlichen
Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen für die Gewährung
von Unterhalt prüfen müsste, würde das
Steuerverfahren erheblich erschwert und außerdem ein
Eindringen in die persönlichen Verhältnisse der
unterhaltenen Person erforderlich sein (FG München in EFG
2003, 464 = SIS 03 14 90; vgl. FG Münster in EFG 2002, 911 =
SIS 02 71 47). Dies gilt insbesondere für die Klärung der
Fragen, ob der Unterhaltsempfänger in der Lage wäre,
durch Einsatz der eigenen Arbeitskraft selbst für seinen
Unterhalt zu sorgen (vgl. § 1602 Abs. 1 BGB), ob eine
Zweitausbildung angemessen ist (vgl. § 1610 Abs. 2 BGB) oder
ob ein geschiedener Ehegatte selbst für seinen Unterhalt zu
sorgen hat. Schon diese Beispiele zeigen, dass die Prüfung der
Unterhaltsberechtigung in jedem Einzelfall (die sich ja auch wieder
ändern kann) zu großen Problemen in der Praxis
führen würde (vgl. Görke in Frotscher, a.a.O.,
§ 33a Rz. 24).
In diesen Fällen entspricht es dem Wesen
der Besteuerung als einem Massenverfahren, den Weg der leichteren
Abgrenzung zu beschreiten, die zugleich auch eine bessere
Gewähr für die gleichmäßige Anwendung der
Steuergesetze bietet (so Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
31.10.1969 VI R 60/68, BFHE 97, 303, BStBl II 1970, 115 = SIS 70 00 64, zur Auslegung des gleichen Begriffs in § 12 Nr. 2 EStG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist der
Steuergesetzgeber auch grundsätzlich zu einer gegenüber
dem bürgerlichen Recht vereinfachenden Regelung mit
Rücksicht auf verfahrensökonomische Belange und die
Einfachheit in der Bestimmung des steuerlichen Belastungsgrundes
berechtigt (BFH-Urteil vom 14.8.1997 III R 68/96, BFHE 184, 315,
BStBl II 1998, 241 = SIS 98 02 08).
Den Gesichtspunkt der Praktikabilität
erkennt auch die Finanzverwaltung an; nach deren jetziger
Auffassung reicht es aus, dass die unterhaltene Person dem Grunde
nach gesetzlich unterhaltsberechtigt (z.B. verwandt in gerader
Linie) und bedürftig ist; eine Prüfung, ob im Einzelfall
tatsächlich ein Unterhaltsanspruch besteht, hält die
Verwaltung nicht für erforderlich (s. R 33a.1 Abs. 1
Sätze 3 und 4 EStR 2005).
e) Der Begriff der unterhaltsberechtigten
Person i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG kann im Ergebnis auch
nicht anders ausgelegt werden als der gleiche Begriff in § 12
Nr. 2 EStG (ebenso FG Münster in EFG 2002, 911 = SIS 02 71 47;
Stöcker in Lademann, a.a.O., § 33a EStG Rz. 266; a.A. FG
Köln in EFG 2005, 363 = SIS 05 13 89), bei dem der BFH in
ständiger Rechtsprechung das Bestehen eines konkreten
Unterhaltsanspruchs nicht als Voraussetzung für die Anwendung
der Vorschrift ansieht, sondern es für ausreichend erachtet,
wenn der Empfänger der Zuwendung gegenüber dem
Zuwendenden potenziell unterhaltsberechtigt ist (z.B. BFH-Urteil
vom 18.10.1990 IV R 36/90, BFHE 162, 321, BStBl II 1991, 205 = SIS 91 03 09; Schmidt/ Drenseck, § 12 EStG Rz. 42, m.w.N.). Auch
hier kommt der BFH deshalb zu diesem Ergebnis, weil das Vorliegen
der Voraussetzungen der konkreten Unterhaltspflicht, das
heißt ob und in welcher Höhe nach den subjektiven
Verhältnissen der Beteiligten Unterhalt zu gewähren ist,
für Außenstehende kaum nachprüfbar ist (BFH-Urteil
in BFHE 97, 303, BStBl II 1970, 115 = SIS 70 00 64).
f) Der Senat knüpft mit dieser Auslegung
an seine früheren Entscheidungen zu § 33a Abs. 1 Satz 1
EStG a.F. i.V.m. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an. Hiernach ist es
mit dem typisierenden Charakter des § 33a Abs. 1 EStG a.F.
nicht vereinbar, wenn trotz Nichterreichens der Summe von
Unterhaltshöchstbetrag und Anrechnungsfreigrenze jeweils
geprüft werden müsste, ob die Unterhaltsaufwendungen des
potenziell Unterhaltsverpflichteten im Einzelfall doch nicht
zwangsläufig sind. Danach ist davon auszugehen, dass die
Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers innerhalb der
Grenzen des § 33a Abs. 1 EStG a.F. zu vermuten ist (BFH-Urteil
vom 11.11.1988 III R 305/84, BFHE 155, 316, BStBl II 1989, 233 =
SIS 89 07 04). Der in dieser Entscheidung in Bezug genommene VI.
Senat des BFH weist in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass
bei einer Einzelfallprüfung der typisierende und damit der
Steuervereinfachung dienende Charakter der Vorschrift weitgehend
verloren ginge (BFH-Urteil vom 31.7.1981 VI R 67/78, BFHE 134, 273,
BStBl II 1981, 805 = SIS 82 02 02). Diese Rechtsausführungen
sind nach Auffassung des Senats ohne Einschränkung auf die mit
dem JStG 1996 geänderte Vorschrift des § 33a Abs. 1 Satz
1 EStG übertragbar.
Der Senat setzt sich mit dieser Auslegung auch
nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 4.12.2001 III R 47/00
(BFHE 197, 233, BStBl II 2002, 195 = SIS 02 03 85), in dem er auf
die konkrete Unterhaltspflicht im Rahmen des § 1610 Abs. 2 BGB
abgestellt hat; dieser Fall betraf die Auslegung des § 33a
Abs. 1 Satz 4 EStG, d.h. die Frage, ob und inwieweit der
Abzugsbetrag nach § 33a Abs. 1 EStG um Ausbildungshilfen
gemindert werden kann; eine Anrechnung ist hier aber nur dann
möglich, wenn die Ausbildungshilfe Leistungen abdeckt, zu
denen die Eltern gesetzlich verpflichtet sind; hiermit kann anders
als bei § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG insoweit nur die konkrete
gesetzliche Unterhaltspflicht gemeint sein.
Der Auslegung steht auch nicht die
Senatsentscheidung vom 19.5.2004 III R 30/02 (BFHE 206, 244, BStBl
II 2004, 943 = SIS 04 33 36) entgegen. In diesem Fall ging es um
die Unterhaltsverpflichtung des Kindesvaters gegenüber der
unverheirateten Mutter nach § 1615l BGB, die der Verpflichtung
der Eltern der Kindesmutter vorgeht (§ 1615l Abs. 3 Satz 2
BGB). Für die Entscheidung der Frage, ob und inwieweit in
einer solchen Konkurrenzsituation die gesetzliche Unterhaltspflicht
der Eltern gegenüber ihrer Tochter gemäß
§§ 1601 ff. BGB zurücktritt (und damit der Anspruch
auf Kinderfreibetrag/Kindergeld entfällt), ist anders als im
Streitfall ebenfalls auf die konkrete Unterhaltsverpflichtung
abzustellen.
4. Im Streitfall sind hiernach die
Voraussetzungen für die Abziehbarkeit der Unterhaltsleistungen
des Klägers an S als außergewöhnliche Belastung
nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG gegeben. Der Kläger ist S
gegenüber gemäß § 1601 BGB gesetzlich
unterhaltsverpflichtet. Die Bedürftigkeit des S (§ 1602
BGB) ist bei der hier gebotenen typisierenden Betrachtung
unwiderlegbar zu unterstellen, denn nach den Feststellungen des FG
liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG
vor: Keine eigenen Einkünfte und Bezüge des
Unterhaltsberechtigten von mehr als 1.200 DM, kein eigenes
Vermögen des Unterhaltsberechtigten und Einhaltung der
Opfergrenze. Für eine Aufteilung des jeweils abziehbaren
Höchstbetrags, weil andere Personen ebenfalls zum Unterhalt
des Klägers beigetragen haben könnten (§ 33a Abs. 1
Satz 6 EStG), ergeben sich keine Anhaltspunkte.