1
|
I. Die Beteiligten streiten um den
Vorsteuerabzug aus den Gebäudeerrichtungskosten eines
Einfamilienhauses, das auf dem Betriebsgrundstück des
Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als Anbau an
eine Werkshalle errichtet wurde.
|
|
|
2
|
Der Kläger ist Inhaber eines
Buchbinderbetriebs. Im Jahr 1998 errichtete er auf seinem
Grundstück eine Werkshalle. Anschließend stellte er eine
Bauvoranfrage zur Errichtung eines Einfamilienhauses. Der
Kläger wollte ständig kurzfristig für Kunden und
Lieferanten erreichbar sein, weil insbesondere
Materialanlieferungen zeitlich nicht genau terminiert werden
konnten. Die Bauordnungsbehörde genehmigte die Errichtung
einer sog. Betriebsleiterwohnung, die zum 30.11.2003 in Gestalt
eines Einfamilienhauses fertig gestellt wurde und seither vom
Kläger zu privaten Wohnzwecken genutzt wird.
|
|
|
3
|
Die Errichtung erfolgte bautechnisch in der
Weise, dass die Werkshalle teilweise durch den Anbau des
Einfamilienhauses austragend überdacht wurde. Sämtliche
Versorgungs- sowie Entsorgungsleitungen des Neubaus verlaufen
über die Werkshalle. Der Anbau wurde auf die Eckfundamente der
Werkshalle aufgesetzt. Die zwischen der Betriebsleiterwohnung und
der Werkshalle liegende Wand ist hinsichtlich dieses Teiles
dünn und nicht als Außenwand geeignet.
|
|
|
4
|
In seiner Umsatzsteuererklärung 2003
machte der Kläger die bei der Herstellung des
Einfamilienhauses entstandenen Vorsteuerbeträge von 149,18 EUR
(Nettoherstellungskosten 932,42 EUR) für die
Außenanlagen sowie 19.257,79 EUR für das
Wohngebäude (Nettoherstellungskosten 120.361,21 EUR) geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) stimmte
dem lt. Mitteilung vom 6.8.2004 zunächst zu.
|
|
|
5
|
Infolge einer bei dem Kläger in 2004
durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung gelangte das FA
zu der Auffassung, dass es sich bei dem Investitionsgut
„Einfamilienhaus“ um ein ausschließlich
nichtunternehmerisch genutztes Investitionsgut handele, für
das ein Wahlrecht zur Zuordnung zum Unternehmensvermögen nicht
bestehe. Ein Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten für die
Errichtung des Einfamilienhauses nach § 15 Abs. 1 des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) komme daher nicht in Betracht. Das
FA änderte den Umsatzsteuerbescheid 2003 dahingehend, dass es
hinsichtlich der Herstellungskosten für das Einfamilienhaus
den Vorsteuerabzug versagte. Der hiergegen eingelegte Einspruch des
Klägers blieb ohne Erfolg.
|
|
|
6
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als
unbegründet ab. Das Urteil ist in EFG 2008, 901 = SIS 08 18 32
veröffentlicht.
|
|
|
7
|
Das FG führt zur Begründung
seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, der Kläger habe das
zu privaten Wohnzwecken genutzte Einfamilienhaus nicht seinem
Unternehmensvermögen zuordnen dürfen. Denn ein
entsprechendes Zuordnungswahlrecht setze voraus, dass das
Investitionsgut gemischtgenutzt, d.h. sowohl für
unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet werde.
Im Streitfall werde das Einfamilienhaus des Klägers jedoch
ausschließlich für private Wohnzwecke genutzt. Da das
Einfamilienhaus mangels Zuordnungswahlrecht des Klägers zu
seinem Privatvermögen und nicht zu seinem
Unternehmensvermögen gehöre, stehe ihm hinsichtlich der
Herstellungskosten kein Vorsteuerabzugsrecht nach § 15 Abs. 1
UStG zu.
|
|
|
8
|
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
9
|
Im Streitfall sei das fragliche
Grundstück mit den aufstehenden Gebäudeteilen insgesamt
als ein einheitlicher Gegenstand im Sinne des UStG und auch nach
der der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern zu beurteilen. Denn in bautechnischer Hinsicht
liege eine Mehrzahl von baulichen Verbindungen zwischen den
Gebäudeteilen vor, was für eine Verschachtelung im Sinne
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und damit für
das Entstehen eines einzigen Gebäudes spreche.
Ausdrücklich werde insoweit noch einmal auf die gemeinsamen
tragenden Außenwände, die keine Brandmauern seien, auf
gemeinsame Eckfundamente und Versorgungsleitungen hingewiesen. Eine
bautechnische Trennung der Objekte scheine schon angesichts der
statisch bedeutenden gemeinsamen Bauelemente nicht möglich.
Aus der eingehenden Würdigung dieser Umstände sei zu
schließen, dass es sich bei dem Anbau nicht um ein
selbständiges Wirtschaftsgut handele, sondern um den Teil
eines einheitlichen Gebäudes als ein Wirtschaftsgut. Ihm stehe
daher auch ein entsprechendes Zuordnungswahlrecht zu.
|
|
|
10
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung der Entscheidung der
Vorinstanz den Umsatzsteuerbescheid 2003 in Gestalt der hierzu
ergangenen Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass
weitere Vorsteuerabzugsbeträge in Höhe von 19.406,97 EUR
berücksichtigt werden.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
|
|
|
13
|
Das FG hat zu Recht entschieden, dass dem
Kläger hinsichtlich der Herstellungskosten für das an die
Werkshalle angebaute Einfamilienhaus kein Vorsteuerabzugsrecht
zusteht.
|
|
|
14
|
1. Der Unternehmer kann gemäß
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG die in Rechnungen i.S. des
§ 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen
oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für
sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen.
|
|
|
15
|
a) Ein Unternehmer, der ein Gebäude
errichtet, das er teilweise unternehmerisch und teilweise
nichtunternehmerisch (zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, darf das
Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das
gesamte Gebäude - einschließlich des
nichtunternehmerisch genutzten Teils - entfallenden
Vorsteuerbeträge abziehen (vgl. Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 8.5.2003 Rs. C-269/00
- Seeling -, Slg. 2003, I-4101 = SIS 03 27 13, BStBl II 2004, 378 =
SIS 03 27 13, Randnr. 40 bis 43; BFH-Urteil vom 24.7.2003 V R
39/99, BFHE 203, 206, BStBl II 2004, 371 = SIS 03 42 94, und vom
17.12.2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798 = SIS 09 12 87, jeweils
m.w.N.; vgl. zum Zuordnungswahlrecht allgemein auch EuGH-Urteil vom
12.2.2009 Rs. C-515/07 - Vereniging Noordelijke Land -, UR 2009,
199 = SIS 09 08 65, Randnr. 32).
|
|
|
16
|
b) Da der Kläger sein Einfamilienhaus
ausschließlich für private Wohnzwecke und damit
nichtunternehmerisch nutzt, stünde ihm ein derartiges
Zuordnungswahlrecht nur zu, wenn der Anbau als Bestandteil
gemeinsam mit der schon bisher vorhandenen Werkshalle als ein
einheitliches - nunmehr gemischtgenutztes - Gebäude anzusehen
wäre.
|
|
|
17
|
Dies hat das FG zu Recht verneint. Denn der
Kläger hat mit der Errichtung des Einfamilienhauses ein von
der Werkshalle getrenntes Wirtschaftsgut im umsatzsteuerrechtlichen
Sinne neu hergestellt, sodass im Hinblick auf die
ausschließliche private Nutzung des Einfamilienhauses von
vornherein kein Zuordnungswahlrecht bestand.
|
|
|
18
|
aa) Dem FG ist zunächst darin zu folgen,
dass die zivilrechtliche Beurteilung der Verhältnisse in
diesem Zusammenhang unerheblich ist. Danach gilt das
Einfamilienhaus zwar als wesentlicher Bestandteil des
Grundstücks i.S. von § 94 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die nationale
zivilrechtliche Rechtslage aber nicht maßgeblich für die
Frage, ob ein Teil des Grundstücks ein selbständiger
Gegenstand im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein kann (vgl. z.B.
EuGH-Urteil vom 4.10.1995 Rs. C-291/92 - Armbrecht -, Slg. 1995,
I-2775 = SIS 96 01 22, BStBl II 1996, 392 = SIS 96 01 22;
BFH-Urteil vom 8.11.1995 XI R 63/94, BFHE 179, 189, BStBl II 1996,
114 = SIS 96 06 51, unter II.2.a).
|
|
|
19
|
bb) Der BFH hatte in einem Urteil vom 5.6.2003
V R 32/02 (BFHE 203, 200, BStBl II 2004, 28 = SIS 03 41 40)
darüber zu entscheiden, ob der Umbau eines Altbaus zur
Herstellung eines neuen Gebäudes und damit zur Herstellung
eines Wirtschaftsguts i.S. des § 15a UStG geführt hat
oder ob es sich um nachträgliche Herstellungskosten des
bereits bestehenden Gebäudes handelt. Er hat einen
grundlegenden Umbau nur dann als Errichtung eines Neubaus und damit
als Herstellung eines Wirtschaftsguts angesehen, wenn die neu
eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das
bautechnische Gepräge geben; von einem Neubau könne nicht
gesprochen werden, wenn wesentliche Elemente wie z.B. Fundamente,
tragende Außen- und Innenwände, Geschossdecken und die
Dachkonstruktion erhalten blieben (unter II.5.a der
Gründe).
|
|
|
20
|
Darüber hinaus komme die Errichtung eines
Neubaus durch einen grundlegenden Umbau eines Altbaus auch dann in
Betracht, wenn der Altbau durch den Umbau eine wesentliche
Funktions- und Zweckänderung erfahre, wie z.B. beim Umbau
einer Mühle zu einem Wohnhaus (vgl. unter II.5.b der
Gründe).
|
|
|
21
|
Überträgt man diese Grundsätze
sinngemäß auf die Errichtung eines Anbaus an ein
bestehendes Gebäude, dann ist der Anbau jedenfalls dann ein
selbständiges Wirtschaftsgut, wenn er von dem bereits
bestehenden Gebäude hinreichend abgrenzbar ist und zwischen
den Bauten kein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang
besteht (vgl. zur Qualifizierung eines Anbaus als
selbständiges Wirtschaftsgut auch Heinrichshofen, Der
Umsatz-Steuerberater 2008, 252; Lange, UR 2008, 23, unter II.1.,
m.w.N.; Lippross, Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 398; Verfügung
der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 29.4.2005 S 7300, DStR 2005,
1140, Nr. 3 = SIS 05 30 50). Denn in einem solchen Fall wird das
bereits vorhandene Gebäude durch den Anbau nicht bautechnisch
„geprägt“. Außerdem erfährt das
bereits vorhandene Gebäude durch einen derartigen Anbau keine
wesentliche Funktions- und Nutzungsänderung.
|
|
|
22
|
Im Streitfall ist das neu errichtete
Einfamilienhaus von der vorhandenen Werkshalle abgrenzbar.
|
|
|
23
|
Die bautechnischen Verflechtungen zwischen der
Betriebshalle und dem Anbau sind nach den den Senat bindenden
Feststellungen des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht
dergestalt, dass keine hinreichend klare Trennung zwischen dem
Einfamilienhaus und der Werkshalle mehr erkennbar wäre. So
existiert nach den Feststellungen des FG kein Durchgang zwischen
dem Einfamilienhaus und der Betriebshalle. Ein getrennter Zugang zu
den Bauten bedeutet, dass auch nach dem erkennbaren Willen des
Klägers insoweit eine klare Trennung gewünscht war.
Gemeinsame Versorgungsleitungen und teilweise gemeinsame
Eckfundamente sowie das Fehlen einer eigenen Außenwand bei
dem Einfamilienhaus reichen nicht aus, um ein einheitliches
Gebäude anzunehmen.
|
|
|
24
|
Das Einfamilienhaus steht außerdem wegen
der ausschließlich privaten Nutzung in keinem einheitlichen
Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit der Werkshalle.
|
|
|
25
|
Soweit der Kläger sich auf die nunmehr
hergestellte räumliche Nähe zu seinem Unternehmen beruft,
genügt dies allein nicht, um den für die Annahme eines
einheitlichen Gebäudes erforderlichen Nutzungs- und
Funktionszusammenhang zwischen dem Anbau und der Werkshalle
herzustellen (vgl. z.B. für den unternehmerisch genutzten
Anbau an eine Produktionshalle BFH-Urteil vom 25.1.2007 III R
49/06, BFHE 215, 459, BStBl II 2007, 586 = SIS 07 16 96).
|