Kunstmaler, Betriebsvermögen, ErbSt: 1. Die Eigenschaft als Betriebsvermögen i.S. des § 13 a Abs. 1 und 4 ErbStG a.F. geht nicht allein deshalb verloren, weil die künstlerische Tätigkeit aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur von den Erben nicht fortgesetzt werden kann. - 2. Ist bei einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Versagung des Freibetrags nach § 13 a Abs. 1 ErbStG a.F. das FG der Ansicht, die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags seien zunächst erfüllt gewesen, hat es bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte zu prüfen, ob der Freibetrag gemäß § 13 a Abs. 5 ErbStG a.F. ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist. - Urt.; BFH 27.5.2009, II R 53/07; SIS 09 29 04
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist Alleinerbin ihres am 12.3.2004 verstorbenen
Vaters (V), eines freiberuflich tätigen Kunstmalers. Der
Nachlass des V umfasste u.a. sein Betriebsvermögen, zu dem
nach der Schlussbilanz zum 12.3.2004 neben einem PKW und
Geschäftsausstattung u.a. von V angefertigte Ölbilder,
Arbeiten auf Papier und Radierungen gehörten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) setzte gegen die Klägerin durch
geänderten Bescheid vom 6.7.2005 Erbschaftsteuer in Höhe
von 11.143 EUR fest; im steuerpflichtigen Erwerb war das
Betriebsvermögen des V mit 27.329 EUR berücksichtigt. Dem
Antrag der Klägerin auf Gewährung des Freibetrags
gemäß § 13a Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung
(ErbStG), den sie mit der Fortführung des Verkaufs der
Kunstwerke des V begründete, folgte das FA nicht. Es vertrat
die Auffassung, mit dem Tode des V sei eine weitere Erschaffung von
Kunstwerken und somit auch eine zukünftige Fortführung
der freiberuflichen Tätigkeit des V durch die Klägerin
unmöglich geworden. Der Verkauf der noch von V erschaffenen
Kunstwerke durch die Klägerin sei eine eigenständige
gewerbliche Tätigkeit, die zwangsweise zur
Veräußerung des Betriebsvermögens des Erblassers
und damit zur Betriebsaufgabe führe. Demgemäß
könne die Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG
von der Klägerin nicht eingehalten werden.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit
seinem in EFG 2008, 398 = SIS 08 08 97 veröffentlichten Urteil
stattgegeben. Durch den Tod des V hätten weder seine Bilder
ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen verloren noch sei es zu
einer Betriebsaufgabe gekommen. Der Verkauf von Kunstwerken des V
sei noch dessen künstlerischer Betätigung zuzurechnen.
Den von V geschaffenen Werken werde ihre Eigenschaft als
Betriebsvermögen auch nicht dadurch entzogen, dass die
Klägerin diese durch Ausstellungen der Öffentlichkeit
zugänglich mache.
Mit seiner Revision rügt das FA
Verletzung des § 13a ErbStG.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass der Tod des V nicht
zwangsweise zu einer Betriebsaufgabe geführt hat. Das FG hat
aber zu Unrecht nicht geprüft, ob der Freibetrag nach §
13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG gemäß § 13a Abs. 5
Nr. 1 ErbStG ganz oder teilweise mit Wirkung für die
Vergangenheit weggefallen ist.
1. Der Freibetrag des § 13a Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 ErbStG wird u.a. gewährt, wenn inländisches
Betriebsvermögen (§ 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG) beim Erwerb
von Todes wegen auf den Erwerber übergeht. Begünstigt ist
nur solches Betriebsvermögen, das diese Eigenschaft
durchgehend sowohl beim bisherigen Rechtsträger als auch beim
neuen Rechtsträger (Erwerber) aufweist. Dies ergibt sich
für die Erwerberseite bereits aus dem Begünstigungszweck
dieser Vorschrift sowie den Behaltensregeln des § 13a Abs. 5
ErbStG; für die Seite des Erblassers bzw. Schenkers folgt dies
aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes. Die
verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Milderung des
Steuerzugriffs bei dem Erwerb von Betriebsvermögen hängt
u.a. von der Aufrechterhaltung und Weiterführung des Betriebs
des Erblassers bzw. Schenkers ab (Urteile des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 14.2.2007 II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443 =
SIS 07 11 14; vom 10.12.2008 II R 34/07, BFHE 224, 144, BStBl II
2009, 312 = SIS 09 05 64).
2. Der Erwerb des Betriebsvermögens des V
durch die Klägerin von Todes wegen erfüllt die
Begünstigungsvoraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Das Betriebsvermögen des V ist
nicht aufgrund dessen Tod Privatvermögen geworden.
a) Inländisches Betriebsvermögen
i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG ist, wie sich aus dem
Verweis dieser Vorschrift auf § 12 Abs. 5 ErbStG ergibt, auch
das einem freien Beruf dienende Vermögen (§ 12 Abs. 5
Satz 2 ErbStG i.V.m. § 96 des Bewertungsgesetzes - BewG - ).
Das Betriebsvermögen bei freiberuflicher Tätigkeit i.S.
des § 96 BewG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) umfasst die Wirtschaftsgüter,
die der Ausübung des freien Berufs dienen.
Im Streitfall bildete danach das in die
Schlussbilanz aufgenommene Anlage- und Umlaufvermögen das
freiberufliche Betriebsvermögen des V. b) Zutreffend hat das
FG erkannt, dass das Betriebsvermögen des V diese Eigenschaft
nicht durch den Tod des V verloren hat.
aa) Ertragsteuerlich wird beim Tod eines
selbständig tätigen Künstlers dessen Betrieb nicht -
wie das FA unter Berufung auf Moench/Weinmann (Erbschaft- und
Schenkungsteuer, § 13a Rz 111) meint -
„zwangsweise“ aufgegeben, sondern geht trotz der
höchstpersönlichen Natur der künstlerischen
Tätigkeit als freiberuflicher Betrieb auf die Erben über
(BFH-Urteile vom 29.4.1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II
1993, 716 = SIS 93 18 34; vom 15.11.2006 XI R 6/06, BFH/NV 2007,
436 = SIS 07 06 85, m.w.N.; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 18 EStG Rz 332, 388). Das Betriebsvermögen wird daher
nicht zwangsläufig notwendiges Privatvermögen
(BFH-Urteile vom 12.3.1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II
1993, 36 = SIS 92 19 14, und in BFH/NV 2007, 436 = SIS 07 06 85,
m.w.N.). Die mit dem Tod des freiberuflichen Künstlers
verbundene Betriebseinstellung ist noch keine Betriebsaufgabe
(BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 436 = SIS 07 06 85).
bb) Diese Beurteilung ist auch für die
Betriebsvermögenseigenschaft i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1
ErbStG maßgebend. Entgegen der Auffassung des FA hängt
der Fortbestand der Qualität als Betriebsvermögen bei
dessen Erwerb von einem Freiberufler nicht - tätigkeitsbezogen
- davon ab, dass der Erbe auch die freiberufliche Tätigkeit
des Erblassers fortsetzt. § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m.
Abs. 4 Nr. 1 ErbStG stellt wegen der Anknüpfung an den Erwerb
von Betriebsvermögen allein - betriebsbezogen - auf die
Aufrechterhaltung und Weiterführung des Betriebs des
Erblassers ab.
3. Das FG hat zu Unrecht nicht geprüft,
ob die Behaltensregelung des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG der
Gewährung des Freibetrags nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ErbStG ganz oder teilweise entgegensteht.
a) Gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1
ErbStG fallen der Freibetrag oder Freibetragsanteil nach § 13a
Abs. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit u.a. weg,
soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb
den Gewerbebetrieb veräußert; als Veräußerung
gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs. Gleiches gilt
gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG u.a. auch
dann, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs
veräußert oder in das Privatvermögen
überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken
zugeführt werden. Diese Regelungen finden auch auf den Erwerb
des Betriebs eines i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
selbständig Tätigen Anwendung.
b) Aufgrund des in § 13a Abs. 5
(Eingangssatz) ErbStG unter bestimmten Voraussetzungen angeordneten
Wegfalls des Freibetrags oder des Freibetragsanteils „mit
Wirkung für die Vergangenheit“ führt die
Gewährung des Freibetrags zunächst nur zu einer
(materiell) vorläufigen Begünstigung (Moench/ Weinmann,
Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 13a Rz 100). Die
Verwirklichung eines der in § 13a Abs. 5 ErbStG geregelten
Tatbestände ist verfahrensrechtlich ein rückwirkendes
Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1
der Abgabenordnung, das bei einem bereits bestandskräftigen
Erbschaftsteuerbescheid durch Erlass eines Änderungsbescheids
zu berücksichtigen ist.
Ist das FG in einem auf Gewährung des vom
FA versagten Freibetrags nach § 13a Abs. 1 ErbStG gerichteten
Verfahren der Ansicht, die Voraussetzungen für dessen
Berücksichtigung seien (zunächst) erfüllt gewesen,
hat es bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte zu prüfen,
ob der Freibetrag gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG ganz
oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen
ist. Trifft dies zu, ist die ursprünglich rechtswidrige
Ablehnung des Freibetrags ganz oder teilweise rückwirkend
rechtmäßig geworden. Dies hat das FG bei seiner
Entscheidung zu berücksichtigen; denn nach § 100 Abs. 1
Satz 1 FGO muss die Rechtswidrigkeit eines angefochtenen
Verwaltungsakts im Zeitpunkt der Entscheidung des FG bestehen
(BFH-Urteil vom 28.7.2005 III R 68/04, BFHE 211, 107, BStBl II
2008, 350 = SIS 06 00 20; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
§ 100 FGO Rz 39, m.w.N.).
Da das FG im Streitfall bei seiner
Entscheidung allein auf den Zeitpunkt des Übergangs des
Betriebsvermögens auf die Klägerin abgestellt hat, war
die Vorentscheidung aufzuheben.
4. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das FG hat nicht geprüft, ob die
Klägerin durch einen Verkauf von Bildern des V den Tatbestand
des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG verwirklicht hat. Sollten die
vom FG noch nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen
ergeben, dass die Klägerin innerhalb der Behaltensfrist des
§ 13a Abs. 5 ErbStG Bilder des V verkauft hat, liegt eine
Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen i.S. des
§ 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG vor. Nach der insoweit
maßgeblichen ertragsteuerlichen Betrachtung gehören zu
den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs im Allgemeinen die
Betriebsräume, der (bisherige) betriebliche Wirkungskreis
(Betätigungsfeld und Kundschaft) und auch der Warenbestand,
soweit er nicht in seiner konkreten Zusammensetzung jederzeit
wieder kurzfristig beschaffbar ist (BFH-Urteile vom 24.6.1976 IV R
200/72, BFHE 119, 430, BStBl II 1976, 672 = SIS 76 03 73; vom
29.11.1988 VIII R 316/82, BFHE 156, 408, BStBl II 1989, 602 = SIS 89 13 22). Diese Voraussetzungen sind für die von einem
freiberuflichen Kunstmaler geschaffenen und zu seinem Nachlass
gehörenden Kunstwerke zu bejahen.
Hat die Klägerin innerhalb von fünf
Jahren nach dem Erwerb im Nachlass des V befindliche Kunstwerke
veräußert, ist der Freibetrag nur in Höhe der Werte
rückwirkend weggefallen, mit denen die Werke in die
Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer eingegangen sind. Dies
ergibt sich aus der Verwendung des Wortes
„soweit“ in der Einleitung des § 13a Abs. 5
ErbStG. Eine innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren nicht
verwirklichte Veräußerungsabsicht spielt keine
Rolle.
b) Das FG hat zu Recht keine
tatsächlichen Feststellungen zu dem Vorbringen des FA
getroffen, die Klägerin habe die Atelierräume des V an
dessen 1. Todestag als Museum und Galerie eröffnet. Ein
etwaiger Übergang eines bisher freiberuflichen
Betriebsvermögens in gewerbliches Betriebsvermögen und
eine entsprechende Umqualifizierung der aus dem Betrieb erzielten
Einkünfte führen nämlich als sog. Strukturwandel
nicht zu einer Betriebsaufgabe (vgl. BFH-Urteile vom 19.5.1981 VIII
R 143/78, BFHE 133, 396, BStBl II 1981, 665 = SIS 81 21 23, und in
BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36 = SIS 92 19 14; Jülicher in
Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz 275).