Bankinternes Aufwandskonto, Bankgeheimnis, Kontrollmitteilung: 1. Kontrollmitteilungen aus Anlass von Bankenprüfungen sind, wenn keine legitimationsgeprüften Konten oder Depots betroffen sind, nach § 194 Abs. 3 AO grundsätzlich ohne besonderen Anlass zulässig. Aus § 30a Abs. 1 AO ergibt sich keine weitergehende Auswertungsbeschränkung "im Bankenbereich". - 2. Ein bankinternes Aufwandskonto ist kein legitimationsgeprüftes Konto i.S. des § 154 Abs. 2 AO. Buchungsbelege zu diesem Konto, die ein legitimationsgeprüftes Konto oder Depot betreffen, fallen gleichwohl unter den Schutz des § 30a Abs. 3 Satz 2 AO, weil sie notwendigerweise auch zu diesem Kundenkonto gehören. - 3. § 30 a Abs. 3 AO entfaltet auch im Rahmen nicht strafrechtlich veranlasster, typisch steuerrechtlicher Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung keine "Sperrwirkung", wenn ein hinreichender Anlass für die Kontrollmitteilung besteht (Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 28.10.1997 VII B 40/97, BFH/NV 1998 S. 424 = SIS 98 02 79). - 4. "Hinreichend veranlasst" ist eine Kontrollmitteilung dann, wenn das zu prüfende Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben oder eine für Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung erkennen lassen, die - mehr als es bei Kapitaleinkünften aus bei Banken geführten Konten und Depots stets zu besorgen ist - dazu verlockt, solche Einkünfte dem FA zu verschweigen, wenn also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Entdeckung unbekannter Steuerfälle besteht. - 5. Der hinreichende Anlass für die "Nachprüfung der steuerlichen Verhältnisse" muss sich anhand der konkreten Ermittlungen im Einzelfall und der in vergleichbaren Prüfsituationen gewonnenen verallgemeinerungsfähigen Erkenntnisse nachvollziehbar ergeben. - Urt.; BFH 9.12.2008, VII R 47/07; SIS 09 09 55
I. Bei der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), einem Kreditinstitut,
führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
- ) eine Außenprüfung durch, die nach der
Prüfungsanordnung unter anderem die Körperschaft-,
Gewerbe- und Umsatzsteuer 2001 umfasste. Gegenstand der
Prüfung war auch ein Aufwandskonto
„Wertpapier-Fehlgeschäfte“. Auf diesem Konto
wurden Schadensersatzzahlungen gebucht, die die Klägerin z.B.
wegen fehlerhaft ausgeführter Wertpapieraufträge an ihre
Kunden geleistet hatte. Die Klägerin legte dem FA zu diesem
Konto Belege vor, unter denen sich auch Schriftwechsel mit ihren
Kunden sowie Auszüge über die gemäß § 154
Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) legitimationsgeprüften Depots
der Kunden befanden. Nach Auswertung der Unterlagen kündigte
das FA an, zu den Steuerakten von 34 Kunden Kontrollmitteilungen
anzufertigen und an die Wohnsitzfinanzämter der Kunden
weiterzuleiten. Diese 34 Fälle seien aus der Gesamtheit der
das Aufwandskonto „Wertpapier-Fehlgeschäfte“
betreffenden Geschäftsvorfälle selektiert worden, weil
der Umfang der vorgefundenen Unterlagen und die Höhe der
erstatteten Gebühren Schlussfolgerungen auf die Höhe der
Einkünfte aus Kapitalvermögen und ggf. auf vermeintliche
Veräußerungsgewinne zugelassen habe. Die
Kontrollmitteilungen sollten folgenden Inhalt haben:
|
„Der (die) Obengenannte ist Kunde
[des namentlich bezeichneten Kreditinstituts] und hat im Jahr 2001
Schadensersatz aus einem fehlerhaft ausgeführten
Wertpapiergeschäft erhalten. Aus dieser Information sind
für die Finanzverwaltung/Wohnsitzfinanzamt folgende
Überprüfungsmöglichkeiten gegeben:
|
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a)
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Höhe der
Kapitaleinkünfte,
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b)
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Gewinne aus
Veräußerungsgeschäften von Wertpapieren innerhalb
der Spekulationsfrist,
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c)
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Mittelherkunft für den Erwerb von
Wertpapieren,
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d)
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Kalkulation über frei verfügbare
Mittel.
|
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Über das Ergebnis der KM bitte ich um
Nachricht.“
|
Die Klage gegen die Ankündigung des FA
blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, dass
das Konto „Wertpapier-Fehlgeschäfte“ nicht unter
den Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO falle und das FA schon
deshalb nicht gehindert gewesen sei, daraus gewonnene Erkenntnisse
durch Kontrollmitteilungen zu verwerten. Im Übrigen sei selbst
in Fällen des § 30a Abs. 3 AO das Anfertigen von
Kontrollmitteilungen bei hinreichendem Anlass für ein
Tätigwerden im Steuerverfahren zulässig. Ein solcher sei
im Streitfall gegeben, da hohe Schadensersatzzahlungen für
Wertpapierfehlkäufe den Schluss auf nicht unerhebliches
Kapitalvermögen und höhere Kapitaleinkünfte
zuließen und gerade in diesem Bereich das
Erklärungsverhalten vieler Steuerpflichtiger alles andere als
vorbildlich sei. Diese Einschätzung werde dadurch
bestätigt, dass nach den Ermittlungen des FA einige Bankkunden
steuerlich nicht geführt zu sein schienen, obwohl sie
höhere Kapitaleinkünfte erzielt zu haben schienen und -
falls diese Annahme zutreffe - zur Abgabe von
Steuererklärungen verpflichtet gewesen wären. Das Urteil
ist in EFG 2007, 970 = SIS 07 17 54 veröffentlicht.
Die Klägerin rügt mit ihrer
Revision die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt
sinngemäß vor, dass - anders als in den bisher vom
Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fällen - das Aufwandskonto
mit den ihm zugeordneten Unterlagen in unmittelbarem Zusammenhang
mit den legitimationsgeprüften Konten der Kunden und damit
unter dem Schutz des § 30a Abs. 3 AO stehe und ein
„hinreichender Anlass für ein Tätigwerden im
Steuerverfahren“, falls er überhaupt im Rahmen des
§ 30a Abs. 3 AO berücksichtigt werden könnte, sich
jedenfalls im Streitfall aus den Feststellungen des FG nicht
ergebe.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und dem FA zu verbieten, die
angekündigten Kontrollmitteilungen auszufertigen und
weiterzuleiten.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Es hebt im Wesentlichen hervor, dass die
Vorschrift des § 30a Abs. 3 AO selbst bei Vorliegen
legitimationsgeprüfter Konten kein striktes Verbot entfalte,
Kontrollmitteilungen zu erstellen, und der Verwertung von
Zufallsfunden wie im Streitfall nicht entgegenstehe. Im
Übrigen habe in den ausgewählten 34 Fällen schon
wegen des Umfangs der dazu vorgefundenen Unterlagen und der
Höhe der erstatteten Gebühren hinreichender Anlass
für weitere Ermittlungen bestanden. Darüber hinaus sei
stichprobenartig über die landesweite Fallauskunft (eine
behördliche Datensammlung zu Steuerpflichtigen, denen eine
Steuernummer erteilt wurde) geprüft worden, ob die in dem
geprüften Konto erfassten Schadensersatzempfänger
steuerlich geführt worden seien; da dies nicht immer der Fall
gewesen sei, habe die Vermutung nahegelegen, dass Einkünfte
aus Kapitalvermögen hinterzogen worden sein
könnten.
II. Die Revision ist begründet; das
angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache an das FG
zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die vom FG getroffenen
Feststellungen reichen unter Berücksichtigung des § 30a
Abs. 3 AO nicht aus, einen hinreichenden Anlass für die
Ausfertigung der beabsichtigten Kontrollmitteilungen zu
bejahen.
1. Nach § 194 Abs. 3 AO sind
Kontrollmitteilungen grundsätzlich - und damit auch aus Anlass
von Bankenprüfungen - zulässig (Urteil des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 9.3.2004 2 BvL 17/02,
BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59). Nach dieser
Vorschrift ist die Auswertung anlässlich einer
Außenprüfung festgestellter Verhältnisse anderer
als der unmittelbar geprüften Personen unter anderem
zulässig, soweit ihre Kenntnis für die Besteuerung dieser
anderen Personen von Bedeutung ist.
a) Eine generelle Auswertungsbeschränkung
„im Bankenbereich“ besteht nicht. Sie ergibt
sich insbesondere nicht aus § 30a Abs. 1 AO, wonach die
Finanzbehörden bei der Ermittlung des Sachverhalts
(§ 88 AO) „auf das
Vertrauensverhältnis zwischen den Kreditinstituten und deren
Kunden besonders Rücksicht zu nehmen“ haben. Durch
diese Norm wird der Ermessensspielraum der Finanzbehörden bei
der Sachverhaltsermittlung nicht über die bei allen
Ermittlungsmaßnahmen zu beachtenden Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit hinaus
beschränkt (BFH-Beschluss vom 2.8.2001 VII B 290/99, BFHE 196,
4, BStBl II 2001, 665 = SIS 01 12 21; BFH-Urteil vom 18.2.1997 VIII
R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499 = SIS 97 13 01; auch im
Beschluss vom 28.10.1997 VII B 40/97, BFH/NV 1998, 424 = SIS 98 02 79 hat der Senat eine mögliche Einschränkung des §
194 Abs. 3 AO nur hinsichtlich der in § 30a Abs. 3 AO
bezeichneten Kontenbeziehungen in Betracht gezogen; offengelassen
im BFH-Urteil vom 29.6.2005 II R 3/04, BFH/NV 2006, 1 = SIS 06 02 18). Einer darüber hinausgehenden Beschränkung des
Ermessens steht bereits die Beurteilung des BVerfG entgegen, wonach
die durch die gleichlautende Formulierung in Nr. 1 des
Bankenerlasses (BStBl I 1979, 590) veranlassten Beschränkungen
der Steuerermittlung die zuverlässige Ermittlung der
Kapitaleinkünfte prinzipiell verhindert hätten, ohne dass
dies etwa verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre (vgl.
BVerfG-Urteil vom 27.6.2001 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl
II 1991, 654 = SIS 91 14 01, unter C.II.2.b und c).
b) Die Voraussetzungen des § 194 Abs. 3
AO liegen für die im Streitfall beabsichtigten
Kontrollmitteilungen vor. Die Erkenntnisse, die der Prüfer
anlässlich der Prüfung des bankinternen Kontos
„Wertpapier-Fehlgeschäfte“ über
Wertpapiergeschäfte von Bankkunden erlangt hat, können
für die Besteuerung eines Bankkunden hinsichtlich der
Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. aus privaten
Veräußerungsgeschäften relevant sein. Die
Informationen, die das FA im Wege der Kontrollmitteilungen
verwerten möchte, sind diesem auch „anlässlich
einer Außenprüfung“ bekannt geworden. Das FA
hat nicht gezielt nach Besteuerungsgrundlagen Dritter gesucht und
damit die Prüfung faktisch zu anderen Zwecken
„missbraucht“ (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom
4.4.2005 VII B 305/04, BFH/NV 2005, 1226 = SIS 05 31 45; BFH-Urteil
vom 4.10.2006 VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190 = SIS 07 03 42).
Darüber hinaus verlangt die Regelung keinen besonderen Anlass
für eine Kontrollmitteilung. Vielmehr genügt es, wenn die
vom Prüfer einzusehenden Geschäftsunterlagen des
Steuerpflichtigen Hinweise auf die Verhältnisse dritter
Personen zu geben vermögen, die bei objektiver Betrachtung
für deren Besteuerung von Bedeutung sein können
(Senatsurteil vom 4.11.2003 VII R
28/01, BFHE 204, 15, BStBl II 2004, 1032 = SIS 04 09 32;
BFH-Beschlussin BFHE 196, 4, BStBl II
2001, 665 = SIS 01 12 21). Ein Anlass in diesem Sinne bestand
für die Auswertung der im Streitfall vom FA „bei
Gelegenheit“ der Prüfung der
Klägerin gewonnenen Erkenntnisse über das Innehaben eines
(legitimationsgeprüften) Depots zweifellos (sog. Zufallsfund
in Anlehnung an § 108 Abs. 1 Satz 1 der
Strafprozessordnung).
2. Bei der beabsichtigten Versendung der
vorformulierten Kontrollmitteilungen ist im Streitfall aber §
30a Abs. 3 Satz 2 AO zu beachten. § 30a Abs. 3 AO wirkt
insoweit als Einschränkung zu § 194 Abs. 3 AO (z.B.
BFH-Beschluss vom 4.9.2000 I B 17/00, BFHE 192, 260, BStBl II 2000,
648 = SIS 00 13 46; s.a. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II
2005, 56 = SIS 04 13 59). Danach sind bezüglich
legitimationsgeprüfter Guthabenkonten und Depots
Kontrollmitteilungen nur rechtmäßig, sofern im
Einzelfall ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht,
dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher
Tatsachen führen können.
a) Guthabenkonten oder Depots, bei deren
Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO
vorgenommen worden ist, dürfen anlässlich einer
Außenprüfung bei einem Kreditinstitut nicht zwecks
Nachprüfung der ordnungsgemäßen Versteuerung
festgestellt oder abgeschrieben werden (§ 30a Abs. 3 Satz 1
AO). Die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen soll insoweit
unterbleiben (§ 30a Abs. 3 Satz 2 AO).
b) Das bei der Klägerin geprüfte
Aufwandskonto ist allerdings kein Konto i.S. des § 154 Abs. 2
AO. Der Überprüfung des Kontos stand auch nicht entgegen,
dass die Buchungen auf diesem Konto eine Verbindung zu
legitimationsgeprüften Konten (Depots) aufweisen konnten.
Im Beschluss in BFH/NV 2005, 1226 = SIS 05 31 45 hat der Senat die Pflicht zur Vorlage eines bankinternen
Wertpapierprovisionskontos bejaht, weil es nicht im unmittelbaren
Zusammenhang mit legitimationsgeprüften Konten stehe und
deshalb nicht in den Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO falle.
In ein solches Erfolgskonto, das einschließlich der
dazugehörenden Belege Erkenntnisse über nicht
anonymisierte Gegenbuchungen zu Geschäftsvorfällen auf
legitimationsgeprüften Kundenkonten vermittle, könne die
Finanzbehörde Einsicht nehmen, weil die mit der Einsichtnahme
gewonnenen Informationen über legitimationsgeprüfte
Konten lediglich eine von dem Kreditinstitut und dessen Kunden
hinzunehmende Reflexwirkung darstellten.
Diese Erwägungen lassen sich entgegen der
Auffassung der Klägerin auf das hier streitige Aufwandskonto
„Wertpapier-Fehlgeschäfte“ übertragen.
Auch hier ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit
legitimationsgeprüften Konten nicht gegeben, eine Verbindung
ergibt sich lediglich über bankinterne Bearbeitungsvermerke
und Buchungsvorgänge - hier zur Abwicklung des
Schadensersatzes wegen Wertpapierfehlkäufen -, die zu ihrer
Identifizierung notwendigerweise die Bezeichnung des jeweils
betroffenen legitimationsgeprüften Kontos enthalten. Ebenso
wenig wie bei einem Erlöskonto rechtfertigt diese allein
buchungsbedingte Verbindung die Einbeziehung des Aufwandskontos in
den Schutzbereich des § 30a Abs. 3 AO, da sie die
Betriebsprüfung bei Kreditinstituten erschweren oder gar
unmöglich machen würde.
c) In jener Entscheidung, in der es allein um
die Rechtmäßigkeit des die Kontounterlagen betreffenden
Vorlageverlangens ging, hat der Senat allerdings ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass der Betriebsprüfer auch bei
berechtigtem Verlangen auf Einsicht in das betriebsinterne Konto
nicht von der (weiteren) Prüfung entbunden ist, ob eine
Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse anhand von
Kontrollmitteilungen zulässig ist. Dem liegt die Erwägung
zugrunde, dass auch bankinterne Buchungsvorgänge einen
direkten Bezug zu Kundenkonten haben können, z.B. zur
Abwicklung eines Geschäftsvorfalls - hier der Überweisung
des dem Kunden zustehenden Schadensersatzes vom Aufwandskonto auf
das jeweilige Kundenkonto. Die derartige Vorgänge
dokumentierenden Belege gehören - nach dem funktionalen
Kontenbegriff (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1998, 424 = SIS 98 02 79) - notwendigerweise sowohl zum bankinternen als auch zum
Kundenkonto. Handelt es sich bei Letzterem um ein
legitimationsgeprüftes Konto, so fallen diese Belege unter den
Schutz des § 30a Abs. 3 Satz 2 AO.
d) Nach § 30a Abs. 3 Satz 2 AO soll die
Ausschreibung von Kontrollmitteilungen
„insoweit“ unterbleiben, als nach Satz 1
legitimationsgeprüfte Depots „nicht zwecks
Nachprüfung der ordnungsmäßigen Versteuerung
festgestellt oder abgeschrieben werden“ dürfen.
Im Streitfall enthalten die beabsichtigten
Kontrollmitteilungen zwar weder Depotnummern noch konkrete
Informationen zu getätigten Wertpapiergeschäften. Mit dem
Hinweis, dass der betreffende Steuerpflichtige Kunde des
Kreditinstituts ist und aufgrund eines Wertpapiergeschäfts
Schadensersatz erhalten hat, wird auch nicht ausdrücklich ein
Depot „festgestellt“. Das Handeln mit
Wertpapieren setzt nicht notwendig voraus, dass der Kunde bei dem
Kreditinstitut ein Depot unterhält; Bankkunde ist auch
derjenige, der „nur“ ein Girokonto
unterhält. Da aber über eine Bank vermittelte
Wertpapiergeschäfte in aller Regel über ein Depot
abgewickelt werden, würde die Kontrollmitteilung ohne weiteres
Ermittlungen zur Feststellung eines Depots auslösen. Es
wäre angesichts der unverkennbaren Zweckrichtung der
Kontrollmitteilung lebensfremd, den Schutz des § 30a Abs. 3
Satz 2 AO allein wegen ihrer neutralen Formulierung zu
versagen.
e) § 30a Abs. 3 Satz 2 AO verbietet aber
nicht generell und ausnahmslos die Ausschreibung von
Kontrollmitteilungen anlässlich einer Bankenprüfung.
aa) Unstrittig ist in der Rechtsprechung des
BFH, dass Zufallserkenntnisse, die den Verdacht einer
Steuerverkürzung im Einzelfall begründen, auch
hinsichtlich solcher Guthabenkonten oder Depots, bei deren
Errichtung eine Identitätsprüfung vorgenommen worden ist,
dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt werden können (vgl.
BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 424 = SIS 98 02 79; BFH-Urteil in
BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499 = SIS 97 13 01; BFH-Beschluss in
BFHE 196, 4, BStBl II 2001, 665 = SIS 01 12 21). Auf einen solchen
Sachverhalt beruft sich das FA jedoch nicht.
bb) Auch im Rahmen nicht strafrechtlich
veranlasster, typisch steuerrechtlicher Ermittlungen zur Gewinnung
von Prüfmaterial für die Veranlagung entfaltet § 30a
Abs. 3 AO dann keine „Sperrwirkung“, wenn ein
hinreichender Anlass für die Kontrollmitteilung besteht. Die
vom Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in seinem
Beschluss in BFH/NV 1998, 424 = SIS 98 02 79 in summarischer
Beurteilung der Rechtsfrage geäußerten Einwände
gegen das Abstellen auf das Erfordernis eines
„hinreichenden Anlasses“ sind wie folgt zu
präzisieren (so tendenziell schon Senatsbeschluss vom
25.7.2000 VII B 28/99, BFHE 192, 44, BStBl II 2000, 643 = SIS 00 11 54):
aaa) Zwar hat der Senat seinerzeit § 30a
Abs. 3 AO als bewusste und zielgerichtete Einschränkung des
§ 194 Abs. 3 AO durch den Gesetzgeber für Prüfungen
im Bankenbereich angesehen und daraus gefolgert, dass wenigstens
ein Kernbestand des Bankgeheimnisses bewahrt bleiben müsse.
Daraus folgt aber nicht notwendig, dass Kontrollmitteilungen
anlässlich einer Bankenprüfung außerhalb
strafrechtlicher Ermittlungen schlechthin verboten wären. Es
ging dem Senat hauptsächlich darum zu vermeiden, dass die Norm
durch eine Auslegung, die dem Prüfer keine stärkeren
Beschränkungen auferlegt als die allgemeine Vorschrift des
§ 194 Abs. 3 AO, jegliche eigenständige Bedeutung
verliert (vgl. Beschluss in BFH/NV 1998, 424 = SIS 98 02 79, unter
II.2.f, 5. Abs.). Mit dem Erfordernis eines unter
Berücksichtigung des gesetzlichen Schutzes des sog.
Bankgeheimnisses zu bestimmenden hinreichenden Anlasses für
Kontrollmitteilungen aus legitimationsgeprüften Konten ist
diesem Anliegen aber Rechnung getragen. Die allgemeine Befugnis zur
Verwertung von Prüfungserkenntnissen durch
Kontrollmitteilungen nach § 194 Abs. 3 AO ist nur durch die
bei allen Ermittlungsmaßnahmen zu beachtenden Grundsätze
der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit
beschränkt (s.o. II.1.a). Wenn das Erstellen von
Kontrollmitteilungen bezüglich legitimationsgeprüfter
Guthabenkonten oder Depots demgegenüber einen hinreichenden
Anlass voraussetzt, so ist damit eine engere Ermittlungsschranke
definiert, die zur Wahrung des Kernbestandes des Bankgeheimnisses
erforderlich, aber auch ausreichend ist.
Die derart eingeschränkte Befugnis zur
Fertigung von Kontrollmitteilungen anlässlich einer
Außenprüfung muss aber auch bestehen bleiben. Insoweit
schließt sich der Senat den Ausführungen des VIII.
Senats (in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499 = SIS 97 13 01) an,
dass das aus Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes herzuleitende Gebot zur Gleichbehandlung im
Belastungserfolg in Bezug auf sämtliche Kapitaleinkünfte
auch gegenüber dem Schutzanspruch der Bankkunden vor
unverhältnismäßigen staatlichen Eingriffen durch
unbegrenzte Datenerhebung (Urteil des BVerfG in BVerfGE 84, 239,
279 f. = SIS 91 14 01, BStBl II 1991, 654 = SIS 91 14 01) nicht
völlig außer Betracht bleiben darf (so auch BFH-Urteil
in BFH/NV 2006, 1 = SIS 06 02 18). Das erfordert eine Auslegung des
§ 30a Abs. 3 AO, die dem Fiskus auch im Bankenbereich
Kontrollmitteilungen nicht nur bei Verdacht einer Steuerstraftat
erlaubt, sondern darüber hinaus diese als eines der
wirksamsten Mittel zur Aufklärung steuerlich erheblicher
Sachverhalte (vgl. Urteil des BVerfG in BVerfGE 110, 94, BStBl II
2005, 56 = SIS 04 13 59) jedenfalls nicht generell verbietet.
bbb) Bei der Beurteilung, was im Rahmen des
§ 30a Abs. 3 AO als hinreichender Anlass anzuerkennen ist,
sind die zum Auskunftsersuchen i.S. von § 93 Abs. 1 AO oder für ein
Tätigwerden der Steuerfahndungsbehörden zur
„Aufdeckung und Ermittlung unbekannter
Steuerfälle“ (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
AO) geltenden Grundsätze für einen
„hinreichenden Anlass“ - letztlich das Verbot
von Ermittlungen „ins Blaue hinein“ -
heranzuziehen (vgl. Senatsbeschluss vom 21.3.2002 VII B 152/01,
BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 = SIS 02 09 17, m.w.N).
Konkretisiert auf den Schutz
legitimationsgeprüfter Konten in § 30a Abs. 3 AO setzt
ein hinreichender Anlass für das Anfertigen von
Kontrollmitteilungen voraus, dass im konkreten Fall die
Abwägung zwischen der gesetzlichen Vorgabe, möglichst
keine Kontrollmitteilungen auszuschreiben oder jedenfalls schonend
damit umzugehen, und der allfälligen Möglichkeit,
unbekannte Steuerfälle zu entdecken, ein klares
Übergewicht der fiskalischen Belange gegenüber dem vom
Gesetz beabsichtigten Schutz des Bankkunden ergibt. Anlässlich
einer Betriebsprüfung bei Banken darf daher die Befugnis,
Kontrollmitteilungen zu fertigen, in den Fällen des § 30a
Abs. 3 AO nur zurückhaltend ausgeübt werden.
„Hinreichend veranlasst“ ist eine Kontrolle
insofern nur dann, wenn das zu prüfende Bankgeschäft
Auffälligkeiten aufweist, die es aus dem Kreis der
alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben
oder eine für Steuerhinterziehung besonders anfällige Art
der Geschäftsabwicklung erkennen lassen, die - mehr als es bei
Kapitaleinkünften aus bei Banken geführten Konten und
Depots stets zu besorgen ist - dazu verlockt, solche Einkünfte
dem FA zu verschweigen, wenn also eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit der Entdeckung unbekannter Steuerfälle
besteht.
Das FA muss die „allgemeine
Erfahrung“ oder die „konkreten Erfahrungen
für bestimmte Gebiete“, die die Kontrollmitteilung
rechtfertigen sollen (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 198, 42, BStBl
II 2002, 495 = SIS 02 09 17), im Einzelnen benennen und in Bezug zu
den aktuell gewonnenen Erkenntnissen setzen, so dass der
Rückschluss auf die Möglichkeit einer
Steuerverkürzung des Bankkunden plausibel ist. Ein
hinreichender Anlass für die „Nachprüfung der
steuerlichen Verhältnisse“ muss sich anhand der
konkreten Ermittlungen im Einzelfall und der in vergleichbaren
Prüfsituationen gewonnenen verallgemeinerungsfähigen
Erkenntnisse nachvollziehbar ergeben.
3. Im Streitfall ist nach den Feststellungen
des FG nicht erkennbar, welche Umstände den Prüfer im
Einzelnen veranlasst haben, die umstrittenen 34
Kontrollmitteilungen zu fertigen.
a) Das FG hat einen hinreichenden Anlass
für ein Tätigwerden des Prüfers bejaht, da hohe
Schadensersatzzahlungen für Wertpapierfehlkäufe den
Schluss zuließen, dass nicht unerhebliches
Kapitalvermögen vorhanden sein könnte und hieraus
höhere Kapitaleinnahmen erzielt worden sein könnten, und
zudem gerade im Bereich der Kapitaleinkünfte das
Erklärungsverhalten vieler Steuerpflichtiger alles andere als
vorbildlich sei. Diese Einschätzung werde nicht zuletzt auch
dadurch bestätigt, dass nach den Ermittlungen des FA einige
Bankkunden steuerlich nicht geführt seien, obwohl sie
höhere Kapitaleinkünfte erzielt haben könnten und -
falls diese Annahme zutreffe - zur Abgabe von
Steuererklärungen verpflichtet gewesen wären.
Mit diesen Ausführungen wird ein
hinreichender Anlass gerade für die streitigen
Kontrollmitteilungen nicht belegt. Die Höhe des im Einzelfall
gezahlten Schadensersatzes für Wertpapierfehlkäufe
rechtfertigt nicht die Annahme, dass Kapitaleinnahmen nicht
versteuert worden sein könnten; es ist kein Erfahrungssatz
ersichtlich, dass Einkünfte aus höheren
Kapitalvermögen eher verschwiegen werden als solche aus
geringeren. Die Feststellung, dass gerade im Bereich der
Kapitaleinkünfte das Erklärungsverhalten vieler
Steuerpflichtiger alles andere als vorbildlich sei, weist zudem
darauf hin, dass das FG einen „Generalverdacht“
der Steuerunehrlichkeit gegen Bezieher von Kapitaleinnahmen
anstelle des erforderlichen hinreichenden Anlasses hat ausreichen
lassen. Daran ändert auch die Erwägung des FG nichts,
dass einige Bankkunden steuerlich nicht geführt seien. Denn es
fehlt zum einen die Konkretisierung auf die beabsichtigten
Kontrollmitteilungen, zum anderen aber auch jegliche logische
Verknüpfung zwischen der Höhe der Schadensersatzleistung
und der Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen.
b) Der Senat kann aufgrund der vom FG in
seinem Urteil getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden,
ob die 34 Kontrollmitteilungen berechtigt sind. Allerdings ergeben
sich aus den den vorinstanzlichen Vortrag erläuternden
Ausführungen des FA in der mündlichen Verhandlung
Anhaltspunkte dafür, dass für die Fertigung der 34
Kontrollmitteilungen Gründe vorgelegen haben könnten, die
das FG im Urteil jedoch nicht im Einzelnen festgestellt hat. Diese
Feststellungen wird das FG nachzuholen und zu würdigen
haben.
Der Senat weist dazu auch auf folgende
denkbaren Gesichtspunkte hin:
·
|
Verhältnis der Zahl der ausgewählten
zur Anzahl der anlässlich der Prüfung des bankinternen
Kontos insgesamt festgestellten Konten (Hinweis auf bewusste
Auswahl),
|
·
|
wiederholte Schadensersatzleistungen (Hinweis
auf Transaktionsaktivität und damit
Fehleranfälligkeit),
|
·
|
Abgleich der Kunden, die erhebliche
Schadensersatzleistungen erhalten haben, mit der Fallauskunft
(voraussichtliches Überschreiten von Freibeträgen),
|
·
|
räumliche Distanz zwischen Wohnort und
Sitz des Kreditinstituts (Verschleierungsabsicht nicht
auszuschließen),
|
·
|
konkrete Hinweise im Rahmen des Zufallsfundes
(z.B. auf Auslandsüberweisungen aus dem Anlagekonto; Hinweis
auf weitere Depots;
„Strohmann“-Geschäfte).
|
Darüber hinaus wird dem FA die
Gelegenheit zu geben sein, sein diesbezügliches Vorbringen zu
ergänzen, insbesondere Kriterien aufzuzeigen, die einen
hinreichenden Anlass für weitere steuerliche Ermittlungen
bieten und im Streitfall von Bedeutung sind.