Vertrieb, selbstständiger Mitarbeiter, Losgewinn: Der Gewinn aus Losen, die Vertriebsmitarbeiter für die Erzielung bestimmter Umsätze erhalten, ist betrieblich veranlasst. - Urt.; BFH 2.9.2008, X R 25/07; SIS 08 41 86
I.
Streitig ist, ob der im Streitjahr ausgezahlte Teilbetrag eines
Gewinnes aus einer Verlosung in Höhe von 177.130 DM den
Gewerbeertrag erhöht.
Die Klägerin
und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb seit dem
1.9.2000 eine Handelsvertretung mit Kosmetik des
Kosmetikherstellers X. X verloste im Kalenderjahr 2001 ein
Einfamilienhaus. Teilnahmeberechtigt an dem Wettbewerb waren alle
selbständig tätigen Vertriebsmitarbeiter der X. Die
Höchstzahl der Lose war begrenzt auf acht Stück je
Teilnehmer. Jeweils ein Los erhielt, wer in den beiden Monaten
Januar und Februar 2001 Umsätze mit X in Höhe von jeweils
250 DM erzielte. X garantierte jedem Teilnehmer einen Gewinn. Am
25.8.2001 gewann die Klägerin das als Hauptgewinn ausgelobte
„Traumhaus“ im Wert von 500.000 DM.
Nach dem Erwerb
eines geeigneten Baugrundstücks im Jahr 2001 leistete X -
entsprechend dem Fortgang des Bauvorhabens - zweckgebundene
Zahlungen bzw. Verrechnungen in Höhe von insgesamt 500.000 DM
zuzüglich Umsatzsteuer. X berichtete in einer Zeitschrift, die
an X-Mitarbeiter und potentielle neue Vertriebsmitarbeiter
kostenlos verteilt wurde, zu Werbezwecken fortlaufend über die
Realisierung des Bauvorhabens.
Am 26.10.2001
übergab X der Klägerin einen Scheck über 140.000 DM
für den Erwerb des Grundstücks. Die darauf entfallende
Umsatzsteuer, 22.400 DM, wurde mit Scheck vom 15.11.2001 gezahlt.
Am 27.12.2001 wurde ein betriebliches Darlehen, das X der
Klägerin gewährt hatte, im Wege der Verrechnung um
37.130,21 DM gemindert. Hierbei habe es sich nach Aussage der
Klägerin um den einzigen Teilbetrag der 500.000 DM gehandelt,
der nicht dem Erwerb des „Traumhauses“ gedient habe.
Den Scheck über die dazugehörige Umsatzsteuer in
Höhe von 5.940,83 DM erhielt sie am 10.1.2002. Nach
Fertigstellung habe das „Traumhaus“ zu 15 %
eigenbetrieblichen Zwecken gedient.
Die Klägerin
erfasste in ihren Umsatzsteuererklärungen 2001 und 2002 die
Auszahlungen des Hauptgewinns als umsatzsteuerpflichtige
Umsatzerlöse; ihre Gewinne aus Gewerbebetrieb, die sie durch
Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte, erhöhte sie dagegen
nicht um die erhaltenen Auszahlungen.
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) führte die
Veranlagungen erklärungsgemäß durch. Bei einer
Außenprüfung kam der Betriebsprüfer zu der
Auffassung, dass die Auszahlungen des Gewinnes als betriebliche
Einnahmen zu erfassen seien, da der Losgewinn durch den
Gewerbebetrieb veranlasst sei. Die Betriebseinnahmen seien 2001 um
177.130 DM zu erhöhen. Es erging ein geänderter Bescheid
über den Gewerbesteuermessbetrag für 2001. Der Einspruch
blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die
Entscheidung ist in EFG 2007, 1462 = SIS 07 29 91
veröffentlicht.
Mit der Revision
rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Das FG
habe den Betriebseinnahmebegriff zu weit ausgelegt.
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Im Vordergrund
der Preisverleihung stehe nicht ihre berufliche Leistung, sondern
der Werbeeffekt für X. - Sie habe nur einen Anspruch auf
entsprechende Klebepunkte erworben. Die Gewinnchance habe
außerhalb des Einkünftebereichs gelegen.
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Der Gewinn sei
ihr, der Klägerin, nicht in ihrer Eigenschaft als
Betriebsinhaberin, sondern ihrem privaten Bereich zuteil geworden,
und habe dem betrieblichen Vertriebsinteresse von X
gedient.
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Die Klägerin
beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben
und in dem angefochtenen Bescheid einen um 177.130 DM niedrigeren
Gewinn anzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Motivation
von X sei unerheblich und hebe den inneren Zusammenhang zwischen
der Tätigkeit als Handelsvertreterin für X und ihrer
Teilnahme an dem von X ausgelobten Wettbewerb nicht auf. Die
Verlosung gehöre zur betrieblichen Sphäre.
II. Die Revision
wird gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) als unbegründet zurückgewiesen. Das angefochtene
Urteil ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Gewerbeertrag ist
gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der
nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnde und um die in
§§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge korrigierte
Gewinn aus Gewerbebetrieb, der in dem Erhebungszeitraum zu
berücksichtigen ist. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ergibt sich
im Fall der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG durch
eine Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der
Betriebsausgaben.
Betriebseinnahmen
sind in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle
Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb
veranlasst sind. Ein Wertzuwachs ist betrieblich veranlasst, wenn
insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher,
wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Von den
Betriebseinnahmen zu unterscheiden sind Wertzugänge, deren
Zufluss durch private Umstände veranlasst worden ist. Für
die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs kommt es nicht auf
die zivilrechtliche Rechtsgrundlage der Leistung an. Als
betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten,
die aus der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt
für betriebliche Leistungen darstellen. Es ist weder
erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb
erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen
Rechtsanspruch auf die Einnahme hat. Betriebseinnahmen können
auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber
unentgeltliche Zuwendungen erhält, mit denen weder ein zuvor
begründeter Rechtsanspruch erfüllt, noch eine in der
Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll (Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.3.2006 VIII R 60/03, BFHE 212,
535, BStBl II 2006, 650 = SIS 06 31 23).
Führt ein
Arbeitgeber im Rahmen des betrieblichen Vorschlagwesens eine
Verlosung durch, an der alle Arbeitnehmer teilnehmen, die einen
Verbesserungsvorschlag eingereicht haben, so sind die verlosten
Sachpreise Arbeitslohn der jeweiligen Gewinner (BFH-Urteil vom
25.11.1993 VI R 45/93, BFHE 173, 65, BStBl II 1994, 254 = SIS 94 08 31). In ähnlicher Weise führt die Zuwendung einer sog.
Incentive-Reise zu Betriebseinnahmen (BFH-Urteil vom 6.10.2004 X R
36/03, BFH/NV 2005, 682 = SIS 05 18 22).
2. Nach
Maßgabe dieser Grundsätze hat das FG den Losgewinn zu
Recht als betrieblich veranlasst erfasst. Die Klägerin hat an
einer Verlosung des Kosmetikherstellers X teilgenommen;
teilnahmeberechtigt waren (nur) alle selbständig tätigen
Vertriebsmitarbeiter der X. Der Bezug der Lose war davon
abhängig, dass in den Monaten Januar und Februar 2001
Umsätze mit X in Höhe von jeweils 250 DM erzielt wurden.
Die Lose konnten daher (nur) die Vertriebsmitarbeiter in Anspruch
nehmen, die einen bestimmten Umsatz erzielt hatten. War der Umsatz
erzielt, wurde das Los quasi „unentgeltlich“
zugeteilt. Damit stellt sich die Zuwendung der Lose - und der damit
ggf. erzielte Gewinn - als Zusatzleistung für bestimmte
Umsätze dar, als betriebsbedingte, wenn auch von einem
Losverfahren abhängige bzw. in ein Losverfahren eingebundene
Prämie.
3. Dass X die
Verlosung nicht im Interesse der Klägerin durchgeführt
haben mag, steht der betrieblichen Veranlassung der Zuwendung aus
der Sicht der Klägerin nicht entgegen. Die Klägerin hat
die Zuwendung erhalten, weil sie bestimmte Umsätze erzielt
hatte, die zur Teilnahme an der Verlosung berechtigten. Der
Umstand, dass die Berechtigung zur Teilnahme an der Verlosung durch
den Anspruch auf entsprechende Klebepunkte begründet wurde,
ist nicht geeignet, die betriebliche Veranlassung der Verlosung zu
überlagern oder zu verdrängen. Der Gewinn ist der
Klägerin in ihrer Eigenschaft als Betriebsinhaberin zuteil
geworden; X erbrachte im Hinblick auf die besonderen Leistungen der
Klägerin dieser gegenüber eine Zusatzleistung, die zum
Gewinn des „Traumhauses“ führte. Der
Umstand, dass diese Zusatzleistung von dem
„zufälligen Losgewinn“ (also von einem
aleatorischen Moment) abhing, beseitigt den betrieblichen
Zusammenhang nicht. Durch die Realisierung des Losgewinns ist keine
neue Ursachenkette in Gang gesetzt worden. Insoweit unterscheidet
sich dieser Fall von der mit Urteil vom 2.9.2008 X R 8/06 (zur
Veröffentlichung bestimmt) entschiedenen Sache, in der ein
Losegewinn auf einer nachträglichen Einkommensverwendung
beruhte.
Dass die Höhe
von Einnahmen von nachfolgenden Ereignissen beeinflusst wird, ist
nicht ungewöhnlich. Wird einem Arbeitnehmer im Rahmen
seines Arbeitsverhältnisses ein nicht handelbares Optionsrecht
auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem bestimmten
Übernahmepreis gewährt, so fließt ein geldwerter
Vorteil dem Berechtigten erst zu, wenn dieser die Option
ausübt und der Kurswert der Aktien den Übernahmepreis
übersteigt (BFH-Urteil vom 24.1.2001 I R 119/98, BFHE 195,
110, BStBl II 2001, 512 = SIS 01 08 95).
4. Kein anderes
Ergebnis ergibt sich, wenn zwischen dem Erwerb des Loses und dem
Eintritt des Lotteriegewinnes unterschieden wird. Die (aufschiebend
bedingte) Gewinnchance (das Los) ist im betrieblichen Bereich
erwirtschaftet; die Verwirklichung dieser Chance führt zu
einer Betriebseinnahme. Eine Entnahme der Gewinnchance ist nicht
möglich. Die Realisierung von Erträgen, deren Entstehung
im betrieblichen Bereich angelegt ist, kann nicht (z.B. durch
Entnahme oder durch unentgeltliche Übertragung auf nahe
Angehörige) in den privaten Bereich verlagert werden. In
vergleichbarer Weise können z.B. auch bestrittene Forderungen
nicht entnommen werden (BFH-Urteil vom 10.4.1994 IV R 37/92,
BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564 = SIS 94 13 16).