Rennpferd, Eigenverbrauch: 1. Aufwendungseigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG 1991/1993 setzt nicht voraus, dass die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Aufwendungen im Rahmen eines andere Zwecke verfolgenden Unternehmens getätigt werden. - 2. Das Halten von Rennpferden aus Repräsentationsgründen ist ein ähnlicher Zweck i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. - 3. Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG ist nur derjenige, der eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 77/388/EWG ausübt. - Urt.; BFH 2.7.2008, XI R 66/06; SIS 08 39 09
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine GbR mit vier Gesellschaftern, die im Jahr
1991 zum Kauf eines Rennpferdes gegründet wurde. Im September
1995 erwarb sie ein zweites Rennpferd. Die Rennpferde wurden in
einem Rennstall in D untergebracht, ausgebildet und trainiert.
Einkommensteuerrechtlich lag unstreitig eine sog. Liebhaberei
vor.
Durch die Beteiligung an Pferderennen
erhielt die Klägerin Rennpreise von mehreren Rennvereinen. Sie
sah das Halten der Rennpferde als eine unternehmerische
Tätigkeit an und gab für die Streitjahre 1991 bis 1995
Umsatzsteuererklärungen ab, in denen sie jeweils einen
Vorsteuerüberschuss auswies.
Im Anschluss an eine
Außenprüfung gelangte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) zu der Auffassung,
dass die Aufwendungen für die Ausbildung und Pflege der
Rennpferde sowie deren Teilnahme an Pferderennen unter das
Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) fielen und dementsprechend § 1
Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993
(UStG) erfüllt sei.
Die von der Klägerin u.a. unter Bezug
auf das nicht amtlich veröffentlichte Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 14.7.2000 IV D 1 - S 7303
a - 5/00 (DStR 2000, 1264 = SIS 00 09 99) erhobene Klage hatte
Erfolg (EFG 2007, 547 = SIS 07 14 65).
Mit seiner Revision rügt das FA
Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG i.V.m.
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung seien Aufwendungen für sportliche und
unterhaltende Zwecke - insbesondere für Reiten -
grundsätzlich unter § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG zu
subsumieren. Es komme nicht darauf an, ob der Freizeitgegenstand
oder die Freizeittätigkeit neben einen anderweitigen
Betriebsgegenstand trete (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
23.1.1992 V R 66/85, BFHE 167, 221 = SIS 92 11 37). Diese Auslegung
entspreche auch Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG
des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG). Im Übrigen wäre der Grundsatz der
steuerlichen Gleichbehandlung verletzt, wenn z.B.
Pferdezüchter, die die Zuchtverluste mit Gewinnen aus ihrem
Gewerbebetrieb finanzierten, dem Aufwendungseigenverbrauch
unterlägen, nicht aber solche Züchter, die eine
Pferdezucht in der Form einer GbR betrieben und nach Auffassung der
Vorinstanz in den vollen Genuss des Vorsteuerabzugs kämen. Auf
die Urteile des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 26.2.2003 5
K 201/95 U = SIS 05 42 38 und 5 K 2714/95 U = SIS 05 42 40 (juris)
werde Bezug genommen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
des FA aus den im FG-Urteil genannten Gründen als
unbegründet zurückzuweisen.
Der streitgegenständliche Sachverhalt
werde entgegen der Auffassung des FA vom BMF-Schreiben in DStR
2000, 1264 erfasst, das nur das Halten von Reitpferden als
„ähnlichen Zweck“ ansehe. Im Streitfall gehe es um
„Rennsportpferde“, die von ihren Gesellschaftern nicht
geritten würden. Sie dienten daher nicht der sportlichen
Betätigung, der Unterhaltung der Geschäftsfreunde oder
der Freizeitgestaltung. Weder das UStG noch das Gemeinschaftsrecht
kenne einen Liebhabereitatbestand. Den vom FA angeführten
Urteilen des FG Düsseldorf liege ein pragmatischer
Einigungsvorschlag des Gerichts, jedoch keine abweichende
Rechtsauffassung zugrunde. Der Hinweis des FA auf
Pferdezüchter liege neben der Sache, weil sie weder eine
Pferdezucht noch eine allgemeine Pferdehaltung betreibe. Sie sei
eine GbR, die losgelöst von der Einkommenssituation ihrer
Gesellschafter Rennpferde erworben und mit diesen Rennen bestritten
habe.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Sache ist an das FG
zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Auffassung des FG ist
die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG in
der in den Streitjahren geltenden Fassung i.V.m. § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 4 EStG nicht deswegen ausgeschlossen, weil sich die
Tätigkeit der Klägerin auf das Halten zunächst eines
und ab 1995 zweier Rennpferde und deren Beteiligung an Pferderennen
beschränkte.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c
UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung liegt
Eigenverbrauch u.a. vor, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines
Unternehmens Aufwendungen tätigt, die unter das Abzugsverbot
des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen. Diese
Vorschrift steht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang (vgl. z.B.
Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH
- vom 8.12.2005 Rs. C-280/04 - Jyske Finans -, Slg. 2005, I-10683;
BFH-Urteil vom 6.8.1998 V R 74/96, BFHE 186, 454, BStBl II 1999,
104 = SIS 98 20 39).
a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG
unterliegen dem Abzugsverbot Aufwendungen für Jagd oder
Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für
ähnliche Zwecke und für die hiermit
zusammenhängenden Bewirtungen (sog.
Repräsentationsaufwand). Das gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 2
EStG nicht, wenn diese Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht
ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind. Der
Ausnahmetatbestand greift im Streitfall nicht, weil die
Klägerin unstreitig keine Gewinnerzielungsabsicht hatte.
b) Der Aufwendungseigenverbrauch nach § 1
Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG setzt nicht voraus, dass die in
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Aufwendungen im Rahmen
eines andere Zwecke verfolgenden Unternehmens getätigt wurden.
Dies lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Es ist
dem FG zwar einzuräumen, dass die genannten Aufwendungen in
der Regel im Rahmen von Betrieben getätigt werden, die sich
nicht auf den Unterhalt von Jagden, Fischereigewässern,
Jachten oder ähnliche Zwecke beschränken und
einkommensteuerrechtlich bei sog. Liebhabereibetrieben für das
Abzugsverbot rechtssystematisch kein Raum mehr ist, weil die
Steuerpflichtigen keine Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1
EStG erzielen.
Für das umsatzsteuerrechtliche
Abzugsverbot ist die einkommensteuerliche Behandlung jedoch
irrelevant. Maßgeblich ist, ob der Aufwand seiner Art nach
von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG erfasst wird (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 167, 221 = SIS 92 11 37). In diesem Sinn hat der
BFH in ständiger Rechtsprechung unter der Voraussetzung, dass
der Steuerpflichtige „Unternehmer“ i.S. des
§ 2 Abs. 1 UStG war, § 4 Abs. 5 EStG auch dann für
anwendbar gehalten, wenn das streitige Unternehmen
ausschließlich Repräsentationsaufwand tätigte (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 167, 221 = SIS 92 11 37: Fachschullehrer
veranstaltete Segeltörns; vom 24.8.2000 V R 9/00, BFHE 193,
161, BStBl II 2001, 76 = SIS 01 01 46: Vermietung einer Segeljacht;
in BFHE 186, 454, BStBl II 1999, 104 = SIS 98 20 39:
organisatorisch eigenständige Bootsvermietung neben
Cafeteria). Es wäre zudem - worauf das FA zu Recht hinweist -
mit dem Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1
des Grundgesetzes) nicht vereinbar, denjenigen Steuerpflichtigen
mit einem Aufwendungseigenverbrauch zu belasten, der z.B. einen
Produktionsbetrieb betreibt und aus
Repräsentationsgründen ein Pferd anschafft, nicht aber
denjenigen, der mit dem Pferd einen organisatorisch
selbständigen Betrieb unterhält oder sich zusammen mit
anderen Unternehmern - wie im Streitfall - zum Erwerb eines
Rennpferdes in der Form einer GbR zusammenschließt (vgl.
ähnlich BFH-Urteil vom 3.11.1983 V R 4, 5/73, BFHE 140, 115,
BStBl II 1984, 169 = SIS 84 04 32; so auch Niedersächsisches
FG, Urteil vom 6.10.2005 5 K 538/02, juris). Umsatzsteuerrechtlich
umfasst das Unternehmen ohnehin die gesamte gewerbliche oder
berufliche Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Sollte den
Ausführungen im BMF-Schreiben in DStR 2000, 1264 = SIS 00 09 99 unter 2.b zur unternehmerischen Tätigkeit in der
Pferdezucht und der Teilnahme an Pferderennen etwas Anderes zu
entnehmen sein, könnte dem der Senat nicht folgen. Im
Übrigen betreibt die Klägerin, wie von ihr selbst
vorgetragen, weder eine Pferdezucht noch eine Pferdehaltung
(kritisch auch Walkenhorst, Der Umsatzsteuer-Berater 2000,
203).
2. Das Halten eines oder zweier Rennpferde
kann ein ähnlicher Zweck i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4
EStG sein.
Ähnlich sind Zwecke, die in
vergleichbarer Weise wie die ausdrücklich in § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Gegenstände (Jagd, Fischerei,
Segel- oder Motorjacht) bei typisierender Betrachtung einer
überdurchschnittlichen Repräsentation, der Unterhaltung
von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der
sportlichen Betätigung dienen. Aufwendungen, die ersichtlich
nicht derartige Zwecke verfolgen, können vom Abzugsverbot
ausgenommen sein (vgl. BFH-Urteile vom 7.2.2007 I R 27-29/05, BFHE
216, 536 = SIS 07 15 02; vom 3.2.1993 I R 18/92, BFHE 170, 537,
BStBl II 1993, 367 = SIS 93 09 12; vom 10.5.2001 IV R 6/00, BFHE
195, 323, BStBl II 2001, 575 = SIS 01 10 91; Adamik in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1321).
„Ähnlichen Zwecken“
dient auch ein aus Repräsentationsgründen unterhaltenes
Rennpferd (vgl. BFH-Beschluss vom 11.8.1994 I B 235/93, BFH/NV
1995, 205, unter 3. a.E.; FG Düsseldorf, Urteil vom 26.2.2003
5 K 201/95 U, juris = SIS 05 42 38; FG Köln, Urteil vom
27.9.1993 13 K 2148-2150/92, EFG 1994, 265). Das Halten eines -
preisgekrönten - Rennpferdes entspricht typischerweise einem
persönlichen, ggf. betrieblichen
Repräsentationsbedürfnis (ähnlich BFH-Urteil vom
9.10.1963 I 189/61 U, BFHE 78, 199, BStBl III 1964, 79 = SIS 64 00 50, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich aus den
Urteilen des BFH in BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367 = SIS 93 09 12, in BFHE 195, 323, BStBl II 2001, 575 = SIS 01 10 91 und aus dem
Urteil vom 30.7.1980 I R 111/77 (BFHE 131, 469, BStBl II 1981, 58 =
SIS 81 03 59; kritisch Söhn, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz J 15; Gorski,
DStZ 1993, 613, unter II.3.c) nichts Anderes. Diese Urteile
betrafen Sachverhalte, in denen die Nutzung einer Motorjacht wegen
der Lage des Betriebes bzw. der Besichtigung von Hafenanlagen bei
einem auf dem Gebiet des Bunkerölgeschäftes, des
Schiffsbedarfshandels, des Umschlags und des Transports
tätigen Unternehmen notwendig war bzw. eine Sozialeinrichtung
ausschließlich den Arbeitnehmern zur Verfügung stand und
daher erkennbar nicht Repräsentationszwecken diente.
3. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das FG hat auf der Grundlage seiner
Rechtsauffassung bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob
die Klägerin überhaupt als Unternehmerin i.S. des §
2 Abs. 1 UStG tätig war. Sollte dies zu verneinen sein,
entfiele die Besteuerung der von der Klägerin erzielten
Einnahmen.
Nach § 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer
(nur), wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede
nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn
die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Bei richtlinienkonformer
Anwendung muss dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit (Art. 4
Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG) ausgeübt
werden (vgl. BFH-Urteile vom 12.12.1996 V R 23/93, BFHE 182, 388,
BStBl II 1997, 368 = SIS 97 10 37; vom 28.10.2004 V R 19/04, BFH/NV
2005, 725 = SIS 05 18 57).
Ob eine wirtschaftliche Tätigkeit
vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten zu
treffen, die für den Einzelfall charakteristisch sind. Dazu
gehört insbesondere die Art des betreffenden Gegenstandes.
Wird er üblicherweise ausschließlich wirtschaftlich
genutzt, so ist dies im Allgemeinen ein ausreichendes Indiz
dafür, dass der Eigentümer ihn für Zwecke
wirtschaftlicher Tätigkeiten und folglich zur nachhaltigen
Erzielung von Einahmen nutzt. Kann ein Gegenstand dagegen - wie
vorliegend - seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu
privaten, hier repräsentativen Zwecken verwendet werden, so
sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um
festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung
von Einnahmen verwendet wird. Dem entspricht es, dass nach der
Rechtsprechung des BFH im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der
Verhältnisse zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen einer
nachhaltigen Tätigkeit erfüllt sind. Dabei ist eine Reihe
verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu
würdigen, die je nach Einzelfall in unterschiedlicher
Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmen
sprechen können (vgl. EuGH-Urteil vom 26.9.1996 Rs. C-230/94 -
Enkler -, Slg. 1996, I-4517, Randnr. 24; BFH-Urteil in BFHE 182,
388, BStBl II 1997, 368 = SIS 97 10 37).
b) Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu der
Überzeugung gelangen, dass die Klägerin Unternehmerin
war, so bliebe zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass das
dem Bericht über die Außenprüfung vom 14.3.1997
zugrunde liegende Urteil des erkennenden Senats vom 16.2.1994 XI R
52/91 (BFHE 174, 65, BStBl II 1994, 468 = SIS 94 11 12)
überholt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 186, 454, BStBl II 1999,
104 = SIS 98 20 39).