Bewirtung von Arbeitskollegen: Bewirtet ein leitender Arbeitnehmer mit variablen Bezügen seine Arbeitskollegen, insbesondere ihm unterstellte Mitarbeiter, so unterliegen die Bewirtungsaufwendungen nicht der Abzugsbeschränkung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG. - Urt.; BFH 19.6.2008, VI R 33/07; SIS 08 36 22
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer des
Streitjahres (2000) zusammen veranlagt werden. Der Kläger war
als Chemiker bei einem Joint Venture Unternehmen der X AG mit
anderen Firmen angestellt. Bis September 2000 war er
„Gruppenleiter Verfahrensentwicklung“ mit 24
Mitarbeitern; das Haushaltsvolumen der Gruppe betrug 6 Mio. DM. Ab
Oktober 2000 nach seiner Beförderung zum Forschungsleiter
unterstanden dem Kläger 217 Mitarbeiter; das Haushaltsvolumen
dieser Abteilung betrug 60 Mio. DM.
Die Gesamtvergütung des Klägers
setzte sich aus einem festen Bestandteil und einer variablen
Vergütung zusammen, deren Grundlage eine Vereinbarung
„Vertragsstufen und Bonussystem“ war. Die variablen
Bezüge orientierten sich am Unternehmenserfolg sowie am
Erreichen persönlich vereinbarter Ziele. Die jährlichen
Gesamtbezüge des Klägers betrugen in den Jahren 1998 bis
2001 zwischen 256.000 DM und 318.000 DM. Die darin enthaltenen,
nachschüssig bezahlten Bonuszahlungen schwankten zwischen
27.000 DM und 63.000 DM und machten demnach rd. 10 % bis 20 % der
Gesamtvergütung aus. Mit der Beförderung vom
Gruppenleiter zum Forschungsleiter erhöhten sich die variablen
Bezüge auf rd. 89.000 DM pro Jahr.
In der Einkommensteuer-Erklärung
für 2000 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für verschiedene
Bewirtungen als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) versagte den
Abzug.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage,
gerichtet auf eine Anerkennung von Bewirtungsaufwendungen in
Höhe von 1.634 DM, mit den in EFG 2008, 111 = SIS 08 09 15
veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und § 12
Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das angefochtene Urteil
hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1
Satz 1 EStG). Hierzu können nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m.
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG auch Bewirtungsaufwendungen eines
Arbeitnehmers zählen. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten dann vor, wenn
zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein
Veranlassungszusammenhang besteht. Eine berufliche Veranlassung ist
gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf
zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung erbracht
werden (z.B. BFH-Urteil vom 1.2.2007 VI R 25/03, BFHE 216, 522,
BStBl II 2007, 459 = SIS 07 10 42, m.w.N.). Ob der Steuerpflichtige
Aufwendungen aus beruflichem Anlass erbringt oder ob es sich um
Aufwendungen für die Lebensführung i.S. von § 12 Nr.
1 Satz 2 EStG handelt, muss anhand einer Würdigung aller
Umstände des Einzelfalls, die in erster Linie dem FG als
Tatsacheninstanz obliegt, entschieden werden (ständige
Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile in BFHE 216, 522, BStBl II 2007,
459 = SIS 07 10 42; vom 12.4.2007 VI R 77/04, BFH/NV 2007, 1643 =
SIS 07 27 47; vom 24.5.2007 VI R 78/04, BFHE 218, 177, BStBl II
2007, 721 = SIS 07 23 56, jeweils m.w.N.).
Für die Beurteilung, ob Aufwendungen
für eine Feier beruflich oder privat veranlasst sind, ist nach
ständiger Rechtsprechung des BFH in erster Linie auf den
Anlass der Feier abzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 522,
BStBl II 2007, 459 = SIS 07 10 42, m.w.N.). Indes ist der Anlass
einer Feier nur ein erhebliches Indiz, nicht aber das allein
entscheidende Kriterium für die Beurteilung der beruflichen
oder privaten Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen. Ein
gewichtiges Indiz für die Zuordnung von Aufwendungen zum
beruflichen Bereich kann auch der Umstand bilden, dass der
Steuerpflichtige variable, vom Erfolg seiner Arbeit abhängige
Entlohnung erhält (vgl. BFH-Urteile vom 18.10.2007 VI R 43/04,
BFH/NV 2008, 357 = SIS 08 11 16, und in BFHE 218, 177, BStBl II
2007, 721 = SIS 07 23 56). Denn in einem solchen Fall hat es ein
Arbeitnehmer in größerem Umfang selbst in der Hand, die
Höhe seiner Bezüge zu beeinflussen. Ob eine Bewirtung
ausdrücklich als Belohnung für diejenigen Mitarbeiter in
Aussicht gestellt wird, die sich nachweisbar durch besondere
Leistungen ausgezeichnet haben, ist dabei nicht entscheidend.
Entgegen der Auffassung des FA ergibt sich eine solche
Einschränkung des Werbungskostenabzugs auch nicht aus der
neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 216, 522, BStBl II 2007, 459 = SIS 07 10 42).
2. Nach diesen Grundsätzen hält die
Entscheidung des FG revisionsrechtlicher Überprüfung
nicht stand. Die Vorentscheidung wird einer umfassenden
Prüfung aller wesentlichen Umstände des Streitfalles
nicht gerecht. Das FG hat seine Entscheidung im Wesentlichen nur
damit begründet, der Kläger habe (auch) variable
Bezüge erzielt; seine Bezüge seien zu einem nicht
unwesentlichen Teil von den Leistungen seiner Mitarbeiter
abhängig gewesen. Zu den sonstigen Umständen der
verschiedenen Bewirtungen (wie Anlass der Feier, Ort der
Veranstaltung, Teilnehmer, sonstige Begleitumstände) hat das
FG keine hinreichenden Feststellungen getroffen.
3. Mangels Spruchreife geht die Sache an das
FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Das FG
erhält hierdurch Gelegenheit, die den Streitfall
prägenden Umstände umfassend zu beurteilen.
Sollte das FG im zweiten Rechtsgang erneut den
beruflichen Bezug der streitbefangenen Bewirtungsaufwendungen
bejahen, wird es zu beachten haben, dass die Vorschrift des §
4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG nach der Verweisungsnorm des § 9
Abs. 5 EStG für Werbungskosten sinngemäß gilt.
Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Nach der für Betriebsausgaben
maßgeblichen Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG
(in der im Streitjahr geltenden Fassung) dürfen Aufwendungen
für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass
den Gewinn nicht mindern, soweit sie 80 vom Hundert der
Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen
Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und
betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.
Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile
vom 18.9.2007 I R 75/06, BFHE 219, 78, BStBl II 2008, 116 = SIS 08 05 41, und vom 19.8.1999 IV R 20/99, BFHE 190, 158, BStBl II 2000,
203 = SIS 00 03 69) ist der Begriff des
„geschäftlichen Anlasses“ nicht identisch
mit demjenigen der „Veranlassung durch den
Betrieb“ (§ 4 Abs. 4 EStG) bzw. der
„betrieblichen Veranlassung“, sondern ein
spezifizierter Unterfall. Der BFH hat sich damit der Ansicht der
Verwaltung und Literatur (siehe hierzu BFH-Urteil in BFHE 219, 78,
BStBl II 2008, 116 = SIS 08 05 41, m.w.N.) angeschlossen, dass -
entsprechend der schon vor Inkrafttreten der Vorschrift durch das
Steuerreformgesetz 1990 bestehenden Rechtslage - nur die rein
betriebsinterne Arbeitnehmerbewirtung keiner
Abzugsbeschränkung unterliegt (vgl. hierzu auch
Schmidt/Heinicke, EStG, 27. Aufl., § 4 Rz 542, m.w.N.); die
Möglichkeit des unbeschränkten Abzugs über den
Bereich der Arbeitnehmerbewirtung hinaus besteht bei der jetzigen
Rechtslage nicht.
b) Für die in § 9 Abs. 5 EStG
angeordnete sinngemäße Anwendung des § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG auf Werbungskosten bei den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit geht der erkennende Senat davon
aus, dass der Begriff des „geschäftlichen
Anlasses“ auch nicht mit dem in ständiger
Rechtsprechung des BFH zur Definition der Werbungskosten (§ 9
Abs. 1 Satz 1 EStG) verwendeten Begriff der „beruflichen
Veranlassung“ identisch ist. Dies hat für
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit zur Folge, dass die Abzugsbeschränkung des § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (auch) nicht greift, wenn ein Arbeitnehmer
aus beruflichem Anlass Aufwendungen für die Bewirtung von
Arbeitskollegen trägt. Dies gilt insbesondere für solche
Mitarbeiter, die ihm unterstellt sind und die durch ihre Zu- und
Mitarbeit Einfluss auf die Höhe der variablen Bezüge des
Bewirtenden nehmen. Derartige Umstände führen nach
Auffassung des erkennenden Senats nicht dazu, dass bei
sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2
EStG die Bewirtung aus der Sicht des (leitenden) Arbeitnehmers
„geschäftlich veranlasst“ ist. Denn ein
solcher Arbeitnehmer verhält sich insoweit wie ein bewirtender
Arbeitgeber. Ein Arbeitgeber will seine Arbeitnehmer, die durch
ihre Arbeitsleistung zum wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs
beitragen, durch eine Bewirtung zu nachhaltiger und engagierter
Mitarbeit motivieren. Nicht anders verhält sich ein
Arbeitnehmer, der insbesondere ihm untergeordnete, beim gleichen
Arbeitgeber beschäftigte Arbeitnehmer bewirtet, um den
wirtschaftlichen Erfolg der von ihm geleiteten Abteilung zu sichern
und damit jedenfalls mittelbar seine variablen Bezüge zu
erhalten oder zu steigern. Deshalb ist auch bei
sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2
EStG auf Werbungskosten die Abzugsbeschränkung auf die
Bewirtung von Personen bezogen, die nicht Arbeitnehmer des gleichen
Arbeitgebers sind.
c) Die sinngemäße Anwendung des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG erstreckt sich auch darauf, ob
die in den Sätzen 2 und 3 EStG geforderten Angaben über
die näheren Umstände der Bewirtung vorliegen und die
gesetzlichen Aufzeichnungspflichten erfüllt sind (vgl. hierzu
BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1643 = SIS 07 27 47). Das FG wird
deshalb auch die einzelnen Belege der verschiedenen Bewirtungen in
seine Prüfung einzubeziehen haben.