Schulungsveranstaltung, Bewirtung von Nicht-Arbeitnehmern: Bewirtet ein Unternehmen im Rahmen einer Schulungsveranstaltung an dieser Veranstaltung teilnehmende Personen, die nicht seine Arbeitnehmer sind, so unterliegt der Bewirtungsaufwand der Abzugsbeschränkung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. - Urt.; BFH 18.9.2007, I R 75/06; SIS 08 05 41
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH, stellt Metallwaren her. Im Streitjahr
(1993) veranstaltete sie eintägige Schulungen für
Fachberater und Handelsvertreter, die nicht als Arbeitnehmer,
sondern als freie Mitarbeiter für sie tätig waren. Bei
diesen Gelegenheiten wurden die Teilnehmer mit Speisen und
Getränken versorgt. Die Kosten für die
Schulungsveranstaltungen trug die Klägerin; die entsprechenden
Aufwendungen zog sie in vollem Umfang als Betriebsausgaben
ab.
Demgegenüber ging der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) davon aus, dass der
Bewirtungsaufwand gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des
im Streitfall maßgeblichen Einkommensteuergesetzes 1990 (EStG
1990) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes zu
20 % nicht abziehbar sei. Er erließ einen
Körperschaftsteuerbescheid, in dem er die Steuer auf dieser
Basis festsetzte. Der hiergegen gerichteten Klage hat das
Finanzgericht (FG) stattgegeben; sein Urteil (FG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 15.2.2006 1 K 1962/05) ist in EFG 2007, 18 = SIS 06 46 99 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine
Verletzung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG 1990. Es
beantragt, das Urteil das FG aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Abweisung der Klage. Das FA hat in dem angefochtenen
Bescheid die streitigen Bewirtungskosten zu Recht nur in
eingeschränktem Umfang berücksichtigt.
1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1
EStG 1990 dürfen Aufwendungen für die Bewirtung von
Personen aus geschäftlichem Anlass, die 80 % des nach der
Verkehrsauffassung angemessenen Betrags übersteigen, den
Gewinn nicht mindern. „Bewirtung“ im Sinne
dieser Regelung ist jede unentgeltliche Überlassung oder
Verschaffung von Speisen, Getränken oder sonstigen
Genussmitteln zum sofortigen Verzehr (Crezelius in Kirchhof,
Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 4 Rz 177; ähnlich R
4.10 Abs. 5 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 2005 - EStR 2005
- ). Eine solche liegt nach den Feststellungen des FG, die nicht
mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen
angegriffen wurden und deshalb revisionsrechtlich bindend sind
(§ 118 Abs. 2 FGO), im Streitfall vor.
Ohne Erfolg bleibt der Hinweis der
Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH),
nach der eine „Bewirtung“ nur dann vorliegt,
wenn die Darreichung von Speisen und/oder Getränken eindeutig
im Vordergrund steht (BFH-Urteil vom 16.2.1990 III R 21/86, BFHE
160, 166, BStBl II 1990, 575 = SIS 90 13 10). Denn diese
Formulierung ist nicht dahin zu verstehen, dass eine Anwendung des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1990 stets ausscheidet,
wenn die Verköstigung in einen anderen betrieblichen Vorgang
eingebunden und diesem gegenüber untergeordnet ist. Vielmehr
besagt sie nur, dass ein über § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2
Satz 1 EStG 1990 hinausgehendes Abzugsverbot eingreifen kann, wenn
neben der Bewirtung im engeren Sinne zusätzliche Leistungen
geselliger oder unterhaltender Art geboten werden (Senatsurteil vom
3.2.1993 I R 57/92, BFH/NV 1993, 530; Senatsbeschluss vom
19.11.1999 I B 4/99, BFH/NV 2000, 698 = SIS 00 55 21; Wied in
Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz,
Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz 719). Eine solche
Sachverhaltsgestaltung steht im Streitfall nicht in Rede, weshalb
es um eine „Bewirtung“ i.S. des § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1990 geht.
2. Die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1
EStG 1990 vorgesehene Abzugsbeschränkung umfasst alle
Bewirtungen „aus geschäftlichem Anlass“.
Dieser Begriff ist gesetzlich nicht definiert. Wie sich schon aus
der unterschiedlichen Wortwahl ergibt, ist er nicht mit demjenigen
der „Veranlassung durch den Betrieb“ i.S. des
§ 4 Abs. 4 EStG 1990 identisch.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist der
„geschäftliche Anlass“ ein Unterfall der
„betrieblichen Veranlassung“; der Begriff
umfasst hiernach insbesondere die Bewirtung von Personen, zu denen
Geschäftsbeziehungen bestehen oder angebahnt werden sollen (R
4.10 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStR 2005). Eine
„geschäftliche“ Veranlassung i.S. des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1990 fehlt nach der
Verwaltungsauffassung nur dann, wenn ein Unternehmen seine eigenen
Arbeitnehmer bewirtet (R 4.10 Abs. 7 Satz 1 EStR 2005); nur
derjenige Bewirtungsaufwand, der einerseits betrieblich veranlasst
ist und andererseits auf die Bewirtung jener Arbeitnehmer
entfällt, kann deshalb unbeschränkt abgezogen werden (R
4.10 Abs. 7 Satz 3 EStR 2005). Diese Abgrenzung hält die im
Schrifttum vorherrschende Ansicht für zutreffend (Wied in
Blümich, a.a.O., § 4 EStG Rz 722; Bahlau in
Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und
Körperschaftsteuergesetz, § 4 EStG Rz 1215; Söhn in
Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz
32 ff.; Zimmermann, EFG 2007, 18, m.w.N.; a.A. FG Düsseldorf,
Urteil vom 29.9.1999 2 K 8431/97 F, DStRE 2000, 113; Seifert in
Korn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz 939, m.w.N.). Dem
schließt sich der Senat an.
a) Die Verknüpfung der Abzugsbegrenzung
mit der Bewirtung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des
Bewirtenden sind, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem
Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1990. Eine
dahin gehende Auslegung der Vorschrift wird aber vor allem durch
deren Entstehungsgeschichte gestützt:
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1990
ist durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I 1988,
1093, BStBl I 1988, 224) in das Gesetz eingefügt worden. Die
Vorschrift ersetzte den bis dahin geltenden § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 2 Satz 1 EStG 1987, der einer vergleichbaren
Abzugsbeschränkung „Aufwendungen für die
Bewirtung von Personen“ unterwarf, „die nicht
Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind“. Vor dem
Inkrafttreten der Neufassung konnten mithin zweifelsfrei
Bewirtungsaufwendungen nur insoweit unbegrenzt abgezogen werden,
als es um die Bewirtung von Arbeitnehmern des Bewirtenden ging;
alle anderen unterfielen unabhängig von Anlass und Umfang der
Bewirtung dem Anwendungsbereich der Abzugsbeschränkung.
Durch die Änderung des Gesetzeswortlauts
wollte der Gesetzgeber erklärtermaßen zum einen
diejenigen Aufwendungen in die Abzugsbeschränkung einbeziehen,
die im Zusammenhang mit einer Bewirtung von Geschäftsfreunden
auf an der Veranstaltung teilnehmende Arbeitnehmer entfallen
(Begründung des Finanzausschusses, BTDrucks 11/2536, S. 46 und
76). Zum anderen wollte er mit der Formulierung „aus
geschäftlichem Anlass“ klarstellen, dass im Hinblick
auf die „reine Arbeitnehmerbewirtung“ keine
Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage eintreten
sollte (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 11/2536, S. 76).
Schließlich heißt es in der Gesetzesbegründung,
dass die Neufassung auch dann eingreife, wenn ein Unternehmen im
Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit „bloße
Besucher“ bewirte (Bericht des Finanzausschusses,
BTDrucks 11/2536, S. 76). Die seinerzeit vorgenommene
Gesetzesänderung zielte mithin ausschließlich auf eine
Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift ab; für die
Annahme, dass bei bestimmten Gestaltungen bislang nur
eingeschränkt abziehbare Aufwendungen nunmehr unbegrenzt
abziehbar sein sollten, bietet die Gesetzesgeschichte keinen
Anhaltspunkt. Daher wäre es mit dem Willen des historischen
Gesetzgebers nicht vereinbar, den Gesetzeswortlaut in einer Weise
auszulegen, die abweichend von der früheren Rechtslage die
Möglichkeit des unbeschränkten Abzugs über den
Bereich der Arbeitnehmerbewirtung hinaus ausdehnt.
b) Zudem würde ein solches
Verständnis die Handhabbarkeit der gesetzlichen Regelung ohne
Not beeinträchtigen. Denn dann müsste der Begriff
„geschäftlicher Anlass“ in anderer Weise
von demjenigen der „betrieblichen Veranlassung“
abgegrenzt werden, und dies könnte sinnvoll nur durch eine
wertende Betrachtung der Gesamtumstände der Bewirtung
geschehen. Daraus würden zwangsläufig zusätzliche
Schwierigkeiten erwachsen, die sich durch die Anknüpfung an
den arbeitsrechtlichen Status des Bewirteten vermeiden lassen
(ebenso Zimmermann, EFG 2007, 18, 19). Insbesondere erscheint in
diesem Zusammenhang die Überlegung der Klägerin, dass
zwischen unmittelbar kundenbezogenen Bewirtungen und
„betriebsinternen Vorbereitungsaktivitäten“
zu unterscheiden sei und nur erstere als
„geschäftlich veranlasst“ anzusehen seien
(ähnlich FG Düsseldorf in DStRE 2000, 113), nicht
zielführend; denn damit würde beispielsweise jede
Bewirtung eines betriebsexternen Beraters dem Anwendungsbereich des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1990 entzogen, was weder
mit dem allgemeinen Verständnis des Begriffs
„geschäftlicher Anlass“ noch mit dem Zweck
der Vorschrift vereinbar wäre. Auch unter diesem Gesichtspunkt
erscheint es sachgerecht, den Begriff „geschäftlicher
Anlass“ zumindest auf alle diejenigen Gestaltungen zu
erstrecken, bei denen der Bewirtete ein selbständiger
Unternehmer und in dieser Eigenschaft ein Geschäftspartner des
Bewirtenden ist. Ein solcher Sachverhalt liegt aber auch dann vor,
wenn die Bewirtung der genannten Personen - wie im Streitfall - im
Rahmen einer Schulungsveranstaltung erfolgt.
3. Im Ergebnis hat das FA deshalb im
Streitfall § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1990 zu Recht
für einschlägig erachtet. Die Berechnung des nach dieser
Vorschrift nicht abziehbaren Aufwands wird von der Klägerin
nicht beanstandet; die Feststellungen des FG geben ebenfalls keinen
Anlass, dazu weitere Feststellungen für notwendig zu erachten.
Damit erweist sich der angefochtene Bescheid als
rechtmäßig, weshalb die gegen ihn gerichtete Klage
abzuweisen ist.