Arbeitskleidung, USt-Bemessungsgrundlage: Die verbilligte Überlassung von Arbeitskleidung unterliegt nicht der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1999, wenn sie durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 27.2.2008 XI R 50/07, BFH/NV 2008, 1086 = SIS 08 18 24). - Urt.; BFH 29.5.2008, V R 12/07; SIS 08 31 26
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) betreibt ein Unternehmen für Maschinen- und
Metallbau. In den Streitjahren 2001 bis 2003 überließ
sie mit einem Schriftzug versehene Berufskleidung an ihre
Arbeitnehmer und ordnete an, diese während der Arbeitszeit zu
tragen, um ein gleichmäßiges Erscheinungsbild bei den
Kunden zu erreichen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts
(FG) war die private Nutzung der Arbeitskleidung
ausgeschlossen.
Um die Arbeitnehmer zum sorgsamen Umgang
mit der Arbeitskleidung anzuhalten und wegen der ersparten
Bekleidungsaufwendungen wurden sie monatlich mit 40 EUR an den
Gesamtkosten für das Leasing und die Reinigung der
Arbeitskleidung beteiligt. Die tatsächlichen Kosten waren
wesentlich höher.
Im Anschluss an eine
Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) unter Berufung auf
§ 10 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) die
Auffassung, dass die Überlassung der Arbeitskleidung mit den
tatsächlichen Gesamtkosten zu besteuern sei.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit
der Klage und führte zur Begründung aus, § 10 Abs. 5
UStG sei nur in Fällen einer Steuerumgehung anwendbar. Diese
liege jedoch nicht vor, da auch bei unentgeltlicher
Überlassung von Arbeitskleidung kein steuerbarer Vorgang zu
sehen sei.
Das FG gab der Klage, mit der die
Klägerin die Herabsetzung der Bemessungsgrundlage für die
Besteuerung der Arbeitskleidung auf die Höhe der
tatsächlich von den Arbeitnehmern geleisteten Zahlungen
begehrte, statt (vgl. SIS 07 08 52) und führte zur
Begründung aus: Die teilentgeltliche Überlassung der
Arbeitskleidung sei nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und
daher mit den tatsächlich erhaltenen Zahlungen zu besteuern.
Eine Erhöhung um die Differenz zu den Selbstkosten nach §
10 Abs. 5 Nr. 2 UStG i.V.m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG komme nach
Sinn und Zweck der Vorschrift nicht in Betracht, weil keine
Steuerumgehung vorliege. Wegen der betrieblichen Zwecksetzung der
Überlassung der Arbeitskleidung sei auch eine unentgeltliche
Überlassung nicht steuerbar. Dies entspreche der
Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) im Urteil vom 16.10.1997 Rs. C-258/95,
Fillibeck (Slg. 1997, I-5577, UR 1998, 61 = SIS 97 23 47).
Mit der Revision bringt das FA vor, das FG
habe unzutreffend aufgrund einer teleologischen Reduktion die
Anwendung von § 10 Abs. 5 UStG versagt. Bei der von den
Arbeitnehmern gezahlten Kostenbeteiligung handele es sich nicht um
das marktübliche Entgelt im Sinne des EuGH-Urteils vom
29.5.1997 Rs. C-63/96, Skripalle (Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997,
841 = SIS 97 15 23). Die Arbeitnehmer hätten das gezahlte
Entgelt nicht ausgehandelt, weil ihnen der Betrag vorgegeben worden
sei. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, die
Arbeitskleidung unentgeltlich bereitzustellen, weil es sich nicht
um Schutzkleidung gehandelt habe. Das tatsächlich gezahlte
Entgelt sei auch nicht aus lohnsteuerrechtlichen Überlegungen
als marktüblich anzusehen. Ertragsteuerrechtlich werde die
verbilligte Überlassung typischer Berufskleidung als
vermögenswerter Vorteil angesehen, der nach § 3 Nr. 31
des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gestellt werde. § 10
Abs. 5 UStG sei auch nicht wegen Fehlens der Gefahr einer
Steuerumgehung unanwendbar, weil es sich um eine gesetzgeberische
Typisierung handele. Wenn dies zu einem Wertungswiderspruch im
Hinblick auf die fehlende Steuerbarkeit der unentgeltlichen
Überlassung von Arbeitskleidung führe, sei das
hinzunehmen.
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht die
Anwendbarkeit der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5
UStG verneint.
1. Gemäß § 10 Abs. 5 UStG
unterliegen „Leistungen, die ein Unternehmer an sein
Personal aufgrund des Dienstverhältnisses
ausführt“, der Mindestbemessungsgrundlage, wenn das
vom Arbeitnehmer tatsächlich entrichtete Entgelt hinter den
Ausgaben des Arbeitgebers (§ 10 Abs. 4 UStG)
zurückbleibt. Die Anwendung dieser Regelung entspricht im
Streitfall nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
§ 10 Abs. 5 UStG bezweckt als abweichende
Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG), Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen durch
ungerechtfertigte Minderung der Bemessungsgrundlage zu vermeiden.
Wie der Senat bereits mit Urteil vom 15.11.2007 V R 15/06 (BFH/NV
2008, 1070 = SIS 08 17 94, Sammelbeförderung) im Anschluss an
das EuGH-Urteil Skripalle in Slg. 1997, I-2847 Randnr. 22, BStBl II
1997, 841 = SIS 97 15 23 entschieden hat, sind derartige
abweichende nationale Maßnahmen eng auszulegen und nur
insoweit anzuerkennen, als dies für die Erreichung dieses
Zieles unbedingt erforderlich ist. Daher ist die
Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG nur auf
solche Leistungen anzuwenden, die auch bei unentgeltlicher Leistung
nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2, Abs. 9a UStG steuerbar sind.
Danach sind unentgeltliche Lieferungen oder sonstige Leistungen des
Unternehmers an sein Personal nur dann steuerbar, wenn diese
„dem privaten Bedarf“ des Arbeitnehmers dienen
und „keine Aufmerksamkeiten“ vorliegen (§ 3
Abs. 1b Nr. 2 UStG). Liegt keine Leistung für den privaten
Bedarf des Personals vor, weil sie nicht zur Befriedigung
persönlicher Bedürfnisse des Arbeitnehmers erfolgt,
sondern durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist, handelt es
sich nicht um eine Leistung „aufgrund des
Dienstverhältnisses“ i.S. des § 10 Abs. 5 UStG.
Ansonsten käme es zu einem Wertungswiderspruch, wenn eine
unentgeltliche, ausschließlich aus betrieblichen Gründen
erfolgte Leistung des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer mangels
Eigenverbrauchs nicht steuerbar wäre, jedoch bei
teilentgeltlicher Überlassung aufgrund des § 10 Abs. 5
UStG die Bemessungsgrundlage mit den gesamten Kosten angesetzt
werden müsste. Dementsprechend hat auch der XI. Senat des
Bundesfinanzhofs durch Urteil vom 27.2.2008 XI R 50/07 (BFH/NV
2008, 1086 = SIS 08 18 24) entschieden, dass die verbilligte
Überlassung von Arbeitskitteln und -jacken nicht der
Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG unterliegt,
wenn sie durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist.
2. Danach hat das FG zu Recht die Anwendung
der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG
abgelehnt, weil nach den revisionsrechtlich bindenden
Feststellungen des FG im Streitfall die persönlichen
Bedürfnisse der Arbeitnehmer am Tragen von Bekleidung durch
die betrieblichen Belange des Arbeitgebers verdrängt wurden.
Dieser hatte das Tragen der mit einem Firmenschriftzug versehenen
Arbeitskleidung angeordnet, um ein einheitliches Erscheinungsbild
für die Kunden zu gewährleisten. Zudem war eine private
Nutzung der Arbeitskleidung ausgeschlossen. Ob es sich um
Schutzkleidung i.S. des § 618 des Bürgerlichen
Gesetzbuches handelt (vgl. Abschn. 12 Abs. 4 Nr. 4 der
Umsatzsteuer-Richtlinien 2008), ist unerheblich.