Geländewagen über 2,8 t, Kfz-Steuer ab 1.5.2005: 1. Nach Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO gilt ab 1.5.2005 auch für Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t der von der Rechtsprechung des BFH entwickelte Grundsatz, dass anhand von Bauart und Einrichtung des Kfz zu beurteilen ist, ob ein PKW oder ein LKW vorliegt. Soweit danach § 2 Abs. 2 a KraftStG die Rechtslage lediglich rückwirkend klarstellt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. - 2. Ergibt sich in Folge der Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO eine Änderung der Bemessungsgrundlage, ist die Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG neu festzusetzen. - Urt.; BFH 9.4.2008, II R 62/07; SIS 08 27 43
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Eigentümer eines Toyota Landcruiser (Typ
J8). Das Fahrzeug hat einen Dieselmotor mit einem Hubraum von 4.164
ccm, ein zulässiges Gesamtgewicht von 2.960 kg und
einschließlich des Führerplatzes fünf
Sitzplätze. Es ist seit dem 30.11.1990 mit der Fahrzeug- und
Aufbauart „Personenkraftwagen geschlossen“ auf den
Kläger zugelassen. Umbauten an dem Fahrzeug hat der
Kläger nicht vorgenommen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) stufte das Fahrzeug des Klägers mit
Bescheid vom 14.2.2000 als „anderes Fahrzeug“ i.S.
§ 8 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) ein,
unterwarf es der Gewichtsbesteuerung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3
KraftStG und setzte die Steuer ab dem 30.11.1997 auf jährlich
337 DM (= 172,31 EUR) fest.
Mit dem auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG
gestützten Änderungsbescheid vom 21.10.2005 setzte das FA
die Steuer für die Zeit vom 1.5.2005 bis 29.11.2005 auf 921
EUR und für die Zeit ab 30.11.2005 auf jährlich 1.578 EUR
neu fest. Dabei ging das FA aufgrund der durch die
Siebenundzwanzigste Verordnung zur Änderung der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 2.11.2004 (BGBl I
2004, 2772) mit Wirkung ab 1.5.2005 vorgenommenen Aufhebung des
§ 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung
(StVZO) davon aus, dass das Fahrzeug des Klägers ab diesem
Zeitpunkt als PKW gemäß § 8 Nr. 1 i.V.m. § 9
Abs. 1 Nr. 2 KraftStG zu besteuern sei.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das
Finanzgericht (FG) sah in seinem in EFG 2007, 1368 = SIS 07 21 65
veröffentlichten Urteil nicht die
Änderungsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG,
sondern diejenigen des § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG als
erfüllt an und vertrat die Auffassung, das Kfz sei ab 1.5.2005
aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit nach Bauart und
Einrichtung unabhängig von der durch das Dritte Gesetz zur
Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 21.12.2006 (BGBl
I 2006, 3344) rückwirkend zum 1.5.2005 eingefügten
Vorschrift des § 2 Abs. 2a KraftStG gemäß § 8
Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG als PKW zu
besteuern.
Mit der Revision wendet sich der
Kläger gegen die Beurteilung des Fahrzeugs als PKW. Die
Aufhebung des früheren § 23 Abs. 6a StVZO könne
diese Beurteilung nicht rechtfertigen. Die rückwirkende
Einführung des § 2 Abs. 2a KraftStG sei nicht
zulässig gewesen.
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung und den Steuerbescheid vom 21.10.2005
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Zwar
ergeben die Entscheidungsgründe eine Verletzung des
bestehenden Rechts, doch stellt sich die Entscheidung selbst aus
anderen Gründen als richtig dar. Die Revision war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, die
Rechtsgrundlage für die Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer
durch Bescheid vom 21.10.2005 ergebe sich aus § 12 Abs. 2 Nr.
4 KraftStG. Diese Vorschrift ist nicht anwendbar, weil die
ursprüngliche Steuerfestsetzung nicht von Anfang an fehlerhaft
war. Vielmehr sind ab 1.5.2005 in Folge der Aufhebung des § 23
Abs. 6a StVZO Kfz (sog. Kombinationskraftwagen) mit einem
zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t - wie im
Streitfall - nicht mehr ohne Rücksicht auf Typ und
Erscheinungsbild als LKW zu besteuern, sondern es ist neu zu
entscheiden, ob ein PKW oder ein LKW vorliegt (s. unten 2.b);
ergibt sich danach eine Änderung der Bemessungsgrundlage,
folgt die Änderungsbefugnis aus § 12 Abs. 2 Nr. 1
KraftStG (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.3.2008 II B
102/07, juris = SIS 08 25 28; ebenso zur Erhöhung des
zulässigen Gesamtgewichts BFH-Urteil vom 31.3.1998 VII R
116/97, BFHE 185, 511, BStBl II 1998, 487 = SIS 98 16 58).
2. Die Vorentscheidung ist gleichwohl nicht
aufzuheben, weil sie sich im Ergebnis als richtig erweist. Das FG
ist nämlich in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise zu dem Ergebnis gekommen, beim streitgegenständlichen
Kfz handele es sich um einen PKW i.S. des § 8 Nr. 1
KraftStG.
a) PKW sind solche Kfz, die nach ihrer Bauart
und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun
Personen (einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt sind
(§ 4 Abs. 4 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes).
Diese Definition ist maßgebend für die Einordnung eines
Kfz als PKW (BFH-Urteil vom 1.8.2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257,
BStBl II 2001, 72 = SIS 01 01 99; BFH-Beschluss vom 21.8.2006 VII B
333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721 = SIS 06 37 92). Auf die
Einwände des FG gegen diese Rechtsprechung braucht im
vorliegenden Zusammenhang nicht eingegangen zu werden. Denn das FG
folgt für die im Streitfall entscheidungserhebliche
Rechtsfrage, wie PKW gegen LKW abzugrenzen sind, der Rechtsprechung
des BFH.
b) Nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO
gilt auch für Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von
über 2,8 t der von der Rechtsprechung des BFH entwickelte
Grundsatz, dass anhand von Bauart und Einrichtung des Kfz zu
beurteilen ist, ob ein PKW oder ein LKW vorliegt (vgl. m.w.N.
BFH-Beschluss vom 13.4.2007 IX B 14/07, BFH/NV 2007, 1352 = SIS 07 20 53). Hierzu obliegt es dem FG als Tatsacheninstanz, unter
Berücksichtigung der Gesamtheit aller Merkmale die objektive
Beschaffenheit des jeweiligen Fahrzeugs zu bewerten. Als für
die Einstufung relevante Merkmale zu berücksichtigen sind z.B.
die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige
Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung
mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung
der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des
Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare
Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild
und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers. Kein
Merkmal von Bauart und Einrichtung des Kfz kann dabei als von
vornherein alleinentscheidend angesehen werden, mag auch einzelnen
Merkmalen ein besonderes Gewicht zukommen und eine Zuordnung als
PKW oder LKW nahelegen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007,
1352 = SIS 07 20 53; vom 22.2.2007 IX B 221/06, BFH/NV 2007, 1714 =
SIS 07 28 08; vom 30.11.2006 VII B 209/06, nicht
veröffentlicht; vom 7.11.2006 VII B 96/06, BFH/NV 2007, 783 =
SIS 07 09 99; vom 25.10.2006 VII B 263/06, BFH/NV 2007, 766 = SIS 07 09 91; vom 26.10.2006 VII B 136/06, BFH/NV 2007, 773 = SIS 07 09 94; in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721 = SIS 06 37 92). Die
Einstufung des Kfz durch die Verkehrsbehörde hat dagegen
kraftfahrzeugsteuerrechtlich keine Bindungswirkung
(BFH-Beschlüsse in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721 = SIS 06 37 92; in BFH/NV 2007, 773 = SIS 07 09 94, und in BFH/NV 2007, 783
= SIS 07 09 99).
c) Das FG hat seiner Würdigung, dass es
sich beim streitgegenständlichen Kfz um einen PKW handele, das
Gesamtbild der Verhältnisse zu Grunde gelegt. An diese
Tatsachenwürdigung ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO
gebunden; sie lässt im Revisionsverfahren beachtliche
Rechtsfehler, insbesondere Verstöße gegen Denkgesetze
oder Erfahrungssätze, nicht erkennen.
aa) Der Einwand des Klägers, das FG habe
zu Unrecht nicht darauf abgestellt, dass durch bloßes
Umklappen der Rücksitzbank die Ladefläche
vergrößert werden könne, geht fehl. Das
Erscheinungsbild eines Kfz wird durch die Möglichkeit, die
Rücksitzbank umzuklappen, nicht entscheidend geprägt
(BFH-Beschluss vom 22.12.2003 VII B 65/03, BFH/NV 2004, 536 = SIS 04 11 62). Der Kläger verkennt zudem die Rechtslage, wenn er
meint, ein Ausbau der Sitzbank sei nicht erforderlich und es
genüge, die Sitzbank dauerhaft umgeklappt zu halten. Für
die Umrüstung und Umwidmung eines PKW in einen LKW ist es
vielmehr erforderlich, die Sitze auszubauen und
Sitzbefestigungspunkte und Gurthalterungen auf Dauer unbrauchbar zu
machen (vgl. m.w.N. BFH-Urteil vom 1.8.2000 VII R 37/99, BFH/NV
2001, 345 = SIS 01 54 60; BFH-Beschluss vom 26.10.2006 VII B
120/06, BFH/NV 2007, 503 = SIS 07 07 41). Soweit der Kläger
schließlich einwendet, das streitgegenständliche
Fahrzeug werde als Zugfahrzeug eingesetzt und könne
große Lasten ziehen und transportieren, verkennt er, dass es
auf die Eignung und Bestimmung des Fahrzeugs ankommt, nicht jedoch
auf dessen tatsächliche Verwendung (BFH-Urteil vom 5.5.1998
VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489 = SIS 98 16 57).
bb) Soweit der Kläger sich dagegen
wendet, das FG habe die Auskleidung des Gepäckraums mit
Teppich als Merkmal gewürdigt, das für die Bestimmung und
Eignung des Fahrzeugs zur Personenbeförderung spreche, so ist
diese Schlussfolgerung nicht nur möglich, sondern sogar nahe
liegend.
3. Der angefochtene Änderungsbescheid
verstößt auch nicht gegen die verfassungsrechtliche
Gewährleistung des Vertrauensschutzes.
a) Der Bescheid beruht, wie dargelegt, nicht
auf der durch das Gesetz vom 21.12.2006 rückwirkend zum
1.5.2005 in Kraft gesetzten Regelung des § 2 Abs. 2a KraftStG,
nach der bestimmte Fahrzeuge als PKW gelten. Dieser Vorschrift
kommt im Streitfall keine konstitutive, sondern allenfalls eine
klarstellende Bedeutung zu (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1352
= SIS 07 20 53). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine
bloße rückwirkende Klarstellung der Rechtslage bestehen
nicht (vgl. Urteile des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom
24.7.1968 1 BvR 537/65, BVerfGE 24, 75, 92, und des BFH vom
14.4.1986 IV R 260/84, BFHE 146, 411, BStBl II 1986, 518 = SIS 86 13 12).
Wie die Rückwirkung des § 2 Abs. 2a
KraftStG verfassungsrechtlich zu beurteilen ist, wenn sich im
Einzelfall die Eigenschaft eines Fahrzeugs als PKW anders als im
Streitfall nicht schon aus den bereits am 1.5.2005 bestehenden
Bestimmungen, sondern erst aus dieser Vorschrift ergeben sollte,
ist in der vorliegenden Streitsache nicht
entscheidungserheblich.
b) Auf Vertrauensschutz kann sich der
Kläger nicht berufen. Zwar beziehen sich die Aufhebung des
§ 23 Abs. 6a StVZO und die sich unmittelbar daraus ergebenden
Folgen für die Kraftfahrzeugsteuer auch auf bereits vor der
Verkündung der Änderungsverordnung vom 2.11.2004
zugelassene Fahrzeuge; dabei handelt es sich jedoch um eine
verfassungsrechtlich zulässige tatbestandliche
Rückanknüpfung („unechte“
Rückwirkung), die unter Berücksichtigung der
vergleichsweise geringen Intensität des in der
Steuererhöhung liegenden Eingriffs durch die Interessen des
Staates und des Gemeinwohls gerechtfertigt ist.
Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das
geltende Recht werde unverändert fortbestehen, ist
verfassungsrechtlich nicht geschützt (BVerfG-Beschluss vom
5.2.2002 2 BvR 305/93 u.a., BVerfGE 105, 17, 40 = SIS 02 09 34).
Das gilt auch für den Bereich der Kraftfahrzeugsteuer
(BFH-Beschluss vom 24.4.2001 VII S 6/01, BFH/NV 2001, 1303 = SIS 01 75 78). Zwischen der Verkündung der Verordnung vom 2.11.2004
und dem Wirksamwerden der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO
lagen zudem mehrere Monate, in denen sich die Steuerpflichtigen auf
die neue Rechtslage einstellen konnten.
c) Bedenken unter dem Gesichtspunkt der
Kontinuität der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl.
dazu BFH-Beschluss vom 17.12.2007 GrS 2/04, BFH/NV 2008, 651 = SIS 08 13 73, m.w.N.) bestehen schon deshalb nicht, weil eine
Änderung der maßgebenden Vorschriften einer solchen
Kontinuität entgegensteht.