Lebensversicherungsverträge, Übertragung, USt, EU-Recht: Dem EuGH werden nach Art. 234 EG folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG vorgelegt: - 1. Sind Art. 9 Abs. 2 Buchst. e fünfter Gedankenstrich und Art. 13 Teil B Buchst. a, Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass die gegen einen vom Erwerber zu entrichtenden Kaufpreis erfolgende Übernahme eines Lebensrückversicherungsvertrages, auf dessen Grundlage der Erwerber des Vertrages die durch den bisherigen Versicherer ausgeübte steuerfreie Rückversicherungstätigkeit mit Zustimmung des Versicherungsnehmers übernimmt und nunmehr anstelle des bisherigen Versicherers steuerfreie Rückversicherungsleistungen gegenüber dem Versicherungsnehmer erbringt, - a) als Versicherungs- oder Bankumsatz i.S. von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG oder - b) als Rückversicherungsumsatz nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG oder - c) als Umsatz, der im Wesentlichen aus der steuerfreien Übernahme einer Verbindlichkeit einerseits und aus einem steuerfreien Umsatz im Geschäft mit Forderungen andererseits besteht, nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG - anzusehen ist? - 2. Ändert sich die Antwort auf die Frage 1, wenn nicht der Erwerber, sondern der bisherige Versicherer ein Entgelt für die Übertragung entrichtet? - 3. Falls die Frage 1 Buchst. a, b und c zu verneinen ist: Ist Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass - die entgeltliche Übertragung von Lebensrückversicherungsverträgen eine Lieferung ist und - dass bei Anwendung von Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG nicht danach zu differenzieren ist, ob sich der Ort der von der Steuer befreiten Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Lieferung oder in einem anderen Mitgliedstaat befindet? - Urt.; BFH 16.4.2008, XI R 54/06; SIS 08 24 12
A. Sachverhalt
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist Organträgerin einer
Aktiengesellschaft (AG), die als Versicherung u.a. im
Lebensrückversicherungsgeschäft tätig ist. Aufgrund
eines am 10. und 21.1.2002 unterzeichneten
Bestandsübernahmevertrages übertrug die AG im Streitjahr
2002 die in der Anlage 1 zu diesem Vertrag aufgelisteten
Lebensrückversicherungsverträge auf das in der Schweiz
ansässige Versicherungsunternehmen S. Die AG und S
gehören derselben Konzerngruppe an. Gegenstand der
Bestandsübertragung waren 195
Rückversicherungsverträge. Bei den Versicherungsnehmern
der Rückversicherungsverträge handelte es sich
ausschließlich um Unternehmen, die entweder im übrigen
Gemeinschaftsgebiet oder im Drittlandsgebiet ansässig
waren.
Die Bestandsübernahme erfolgte mit
Wirkung zum 1.1.2002. S hatte hierfür einen Kaufpreis zu
entrichten, durch den nach § 2 des Vertrages der Ertragswert
des gegenwärtigen als auch des zukünftigen
Lebensrückversicherungsgeschäfts abgegolten wurde.
Für die Übertragung von 18 der insgesamt 195
Verträge wurde nach dem Vertrag ein negativer Wert angesetzt,
der den Gesamtkaufpreis für die Übernahme der 195
Verträge minderte.
Nach § 3 des Vertrages trat S in die
in der Anlage 1 aufgelisteten
Lebensrückversicherungsverträge ein. S übernahm alle
Rechte und Pflichten aus diesen
Lebensrückversicherungsverträgen. Dem S oblag es nach
§ 4 des Vertrages, die für den Eintritt in die
Lebensrückversicherungsverträge erforderliche Zustimmung
des Versicherungsnehmers (Zedenten) einzuholen. Die AG hatte dem
Erwerber S alle zu den Verträgen gehörenden Unterlagen,
wie z.B. Schadensakten zu übergeben. S übernahm weiter
nach § 7 des Vertrages im Verhältnis zu den Zedenten die
zum Stichtag bestehenden Rückstellungen und Verbindlichkeiten
aus den Lebensrückversicherungsverträgen, insbesondere
versicherungstechnische Rückstellungen und
Abrechnungsverbindlichkeiten.
Gemäß § 8 des Vertrages
trat die AG alle gegen die Zedenten zum Stichtag bestehenden
Forderungen aus den übertragenen
Lebensrückversicherungsverträgen an S ab. Neben den
Verträgen und den zu ihnen gehörenden Unterlagen gingen
keine weiteren Wirtschaftsgüter und auch keine
Arbeitsverhältnisse auf S über.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ging davon aus, dass die Leistung der AG im
Inland als Lieferung eines Gegenstandes umsatzsteuerpflichtig sei
und erließ einen entsprechenden
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid. Den hiergegen eingelegten
Einspruch wies er als unbegründet zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg (EFG
2006, 1202 = SIS 06 24 30).
Hiergegen richtet sich die Revision der
Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts
rügt. Die Bestandsübertragung sei steuerfrei.
Hierfür beruft sie sich insbesondere auf das
Gemeinschaftsrecht.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die
während des Revisionsverfahrens ergangene
Umsatzsteuerjahresfestsetzung vom 3.8.2007 dahingehend zu
ändern, dass die Leistungen aufgrund der
Bestandsübertragung steuerfrei behandelt werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
B. Zur Rechtslage nach nationalem Recht
Bei seiner rechtlichen Beurteilung geht der
Senat davon aus, dass die Übertragung eines
Lebensrückversicherungsvertrages nicht bereits
gemäß § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes 1999 vom
9.6.1999 (BGBl I 1999, 1270) in der im Streitjahr geltenden Fassung
(UStG) vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgenommen ist.
Diese Vorschrift beruht gemeinschaftsrechtlich auf Art. 5 Abs. 8
und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG). Die nach diesen Bestimmungen erforderliche
Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens liegt nicht
vor, da es sich bei der Übernahme eines Bestandes von
insgesamt 195 Rückversicherungsverträgen nach der
Auffassung des Senats nicht entsprechend dem Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom
27.11.2003 Rs. C-497/01 - Zita Modes - (Slg. 2003, I-14393 = SIS 04 01 39, Randnr. 40) um die Übertragung eines selbständigen
Unternehmensteils handelt, der materielle und gegebenenfalls
immaterielle Bestandteile umfasst, die zusammen genommen einen
Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige
wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann.
Der Senat ist weiter der Ansicht, dass es sich
bei der Übertragung eines
Lebensrückversicherungsvertrages gegen eine vom
Übernehmer zu erbringende Zahlung um eine sonstige Leistung
nach § 3 Abs. 9 UStG und nicht um eine Lieferung nach § 3
Abs. 1 UStG handelt. Gegenstand der Leistung ist die
Übertragung eines Vertrages und der damit verbundenen Rechte
und Pflichten. Es handelt sich nicht um die Übertragung eines
körperlichen Gegenstandes und auch nicht um die
Übertragung eines Gegenstandes, der wie eine körperliche
Sache zu behandeln ist.
Liegt eine sonstige Leistung vor, kann die
Steuerfestsetzung des FA nur rechtmäßig sein, wenn sich
der Ort dieser Leistung im Inland befindet. § 3a UStG
bestimmte hierzu Folgendes:
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„(1) Eine sonstige Leistung wird
vorbehaltlich der §§ 3b und 3f an dem Ort
ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen
betreibt. ...
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(3) Ist der Empfänger einer der in Absatz
4 bezeichneten sonstigen Leistungen ein Unternehmer, so wird die
sonstige Leistung abweichend von Absatz 1 dort ausgeführt, wo
der Empfänger sein Unternehmen betreibt. ...
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(4) Sonstige Leistungen im Sinne des Absatzes
3 sind:
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...
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6.a) die sonstigen Leistungen der in § 4
Nr. 8 Buchstabe a bis g und Nr. 10 bezeichneten Art sowie die
Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten,
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...“.
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Für die Anwendung des
Empfängerortprinzips verweist § 3a Abs. 3 und Abs. 4 Nr.
6 Buchst. a UStG auf eine Reihe von Steuerbefreiungen. Lägen
die Voraussetzungen dieser Vorschriften vor, hätte die
Klägerin ihre Leistung in der Schweiz erbracht, so dass
entgegen der Steuerfestsetzung des FA kein inländischer
Steueranspruch besteht. In der vorliegenden Streitsache kommt dabei
die Anwendung von § 3a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a
i.V.m. § 4 Nr. 10 Buchst. a und Nr. 8 Buchst. c und g UStG in
Betracht.
Steuerfrei waren im Streitjahr nach
§ 4 Nr. 10 Buchst. a UStG „die
Leistungen auf Grund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne
des Versicherungsteuergesetzes“ und damit die Umsätze,
die dem nationalen Versicherungsteuergesetz (BGBl I 1996, 22)
unterliegen, nach
§ 4 Nr. 8 Buchst. c UStG „die
Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen
Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze,
ausgenommen die Einziehung von Forderungen,“ und nach
§ 4 Nr. 8 Buchst. g UStG „die
Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und
anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser
Umsätze“.
Die Anwendung des § 4 Nr. 10 Buchst. a
UStG scheidet nach nationalem Recht aus, da die Übertragung
eines Lebensrückversicherungsvertrages nicht unter das
Versicherungsteuergesetz fällt. Gegen die Anwendung von §
4 Nr. 8 Buchst. c und g UStG spricht, dass die Übertragung
eines Lebensrückversicherungsvertrages nur bei kumulativer
Anwendung beider Vorschriften steuerfrei ist, was im Hinblick auf
den Grundsatz der engen Auslegung von Steuerbefreiungen zweifelhaft
erscheint.
Liegt danach eine inländische Leistung
vor, ist diese nicht nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei, da diese
Vorschrift eine Lieferung voraussetzt, nach Auffassung des Senats
demgegenüber aber von einer sonstigen Leistung auszugehen ist.
§ 4 Nr. 28 UStG befreite im Streitjahr „die Lieferungen
von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug nach §
15 Abs. 1a Nr. 1 ausgeschlossen ist oder wenn der Unternehmer die
gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine
nach den Nummern 8 bis 27 steuerfreie Tätigkeit verwendet
hat“.
C. Entscheidungserhebliche Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts
Die gemeinschaftsrechtliche Grundlage von
§ 3a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG war im Streitjahr
Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. e fünfter Gedankenstrich der
Richtlinie 77/388/EWG. Diese Bestimmung hatte folgenden
Wortlaut:
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„(1) Als Ort einer Dienstleistung gilt
der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner
wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat,
von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung
eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein
Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.
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(2) Es gilt jedoch
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...
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e) als Ort der folgenden Dienstleistungen, die
an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger
oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des
Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige
erbracht werden, der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner
wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat,
für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in
Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung
sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort:
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...
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- Bank-, Finanz- und
Versicherungsumsätze, einschließlich
Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von
Schließfächern,
|
|
...“.
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Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG als gemeinschaftsrechtliche Grundlage von § 4 Nr.
10 Buchst. a UStG sah im Streitjahr vor, dass die Mitgliedstaaten
„Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze
einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die
von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden,“
von der Steuer befreien.
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Nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG als gemeinschaftsrechtliche Grundlage von
§ 4 Nr. 8 Buchst. g UStG waren im Streitjahr „die
Vermittlung und die Übernahme von Verbindlichkeiten,
Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die
Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber“
steuerfrei.
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Steuerfrei waren darüber hinaus nach Art.
13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG als
gemeinschaftsrechtliche Grundlage von § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG
auch „die Umsätze - einschließlich der Vermittlung
- im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs-
und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen,
Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einbeziehung
von Forderungen“.
|
Steuerfrei waren nach Art. 13 Teil B Buchst. c
der Richtlinie 77/388/EWG als gemeinschaftsrechtliche Grundlage von
§ 4 Nr. 28 UStG auch „die Lieferungen von
Gegenständen, die ausschließlich für eine auf Grund
dieses Artikels oder des Artikels 28 Absatz 3 Buchstabe b) von der
Steuer befreite Tätigkeit bestimmt waren, wenn für diese
Gegenstände kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden konnte,
sowie die Lieferungen von Gegenständen, deren Anschaffung oder
Zuordnung nach Artikel 17 Absatz 6 vom Vorsteuerabzug
ausgeschlossen war“.
D. Zur Anrufung des EuGH
Die vom FA angenommene Steuerpflicht
entfällt, wenn es sich entweder um eine Leistung handelt, die
am Ort des Erwerbers in der Schweiz als erbracht gilt, oder wenn
die Leistung im Inland steuerfrei ist. Der Senat geht bei der
Auslegung des nationalen Rechts davon aus, dass die Leistung der AG
im Inland erbracht wurde und im Inland steuerpflichtig ist.
Es bestehen aber Zweifel, ob diese Anwendung
des nationalen Rechts den Vorgaben der höherrangigen
Richtlinie 77/388/EWG entspricht. Diese Auslegungszweifel betreffen
den Leistungsort bei Versicherungs- und Finanzumsätzen nach
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e fünfter Gedankenstich der Richtlinie
77/388/EWG sowie die Steuerbefreiung für
Versicherungsumsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG, die Steuerbefreiungen für die
Übernahme von Verbindlichkeiten nach Art. 13 Teil B Buchst. d
Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG und für Forderungsumsätze
nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG sowie
die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie
77/388/EWG für die Lieferungen von Gegenständen, die
ausschließlich für eine von der Steuer befreite
Tätigkeit bestimmt waren, wenn für diese Gegenstände
kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden konnte.
I. Erste Frage
1. Bestimmung des Leistungsorts
Ist der Leistungsempfänger im
Drittlandsgebiet ansässig, werden Bank-, Finanz- und
Versicherungsumsätze nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e fünfter
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG an dem Ort erbracht, an
dem der Leistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen
Tätigkeit hat.
Klärungsbedürftig ist dabei die
Auslegung der Begriffe der Bank-, Finanz- und
Versicherungsumsätze. Diese könnten so zu verstehen sein,
dass es sich um Umsätze handelt, die dem Anwendungsbereich von
Art. 13 Teil B Buchst. a und d der Richtlinie 77/388/EWG
unterliegen. Die insoweit nach Auffassung des vorlegenden Senats
bestehenden Zweifel entfallen nicht aufgrund der bisherigen
Rechtsprechung des EuGH. Denn zur Auslegung von Art. 9 Abs. 2
Buchst. e fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG hat
sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.10.2004 Rs. C-8/03 - BBL -
(Slg. 2004, I-10157 = SIS 05 02 21) nur allgemein
geäußert, ohne dabei aber zu den von der Richtlinie
77/388/EWG in Zusammenhang mit dieser Bestimmung nicht selbst
definierten Begriffen der Versicherungs- und Finanzumsätze
Stellung zu nehmen.
2. Steuerfreie Versicherungsumsätze
Wird die Übertragung von
Lebensrückversicherungsverträgen nicht von Art. 9 Abs. 2
Buchst. e fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG
erfasst, stellt sich die Frage, ob diese Übertragung nach Art.
13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist. Diese
Bestimmung gilt für Versicherungs- und
Rückversicherungsumsätze einschließlich der
dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern
und -vertretern erbracht werden.
a) Nach dem EuGH-Urteil vom 25.2.1999 Rs. C-349/96 - CPP - (Slg. 1999, I-973 = SIS 99 10 25,
Randnr. 16 bis 19) ist es das Wesen eines
Versicherungsumsatzes, dass sich der Versicherer verpflichtet, dem
Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim
Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte
Leistung zu erbringen. Weiter ergibt sich aus dem EuGH-Urteil in
Slg. 1999, I-973, Randnr. 22 f., dass der Ausdruck
„Versicherungsumsätze“ in Art. 13 Teil B Buchst. a
der Richtlinie 77/388/EWG weit genug ist, um neben dem Umsatz des
Versicherers, der die Deckung des versicherten Risikos
übernommen hat, auch die Gewährung von
Versicherungsschutz durch einen Steuerpflichtigen zu umfassen, der
nicht selbst der Versicherer ist, der aber im Rahmen einer
Gruppenversicherung seinen Kunden einen solchen Schutz durch
Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers, der das
versicherte Risiko übernimmt, verschafft. Der Ausdruck
„Versicherungsumsätze“ erfasse daher nicht nur
Umsätze der Versicherer selbst.
b) In seinem Urteil vom 8.3.2001 Rs. C-240/99
- Skandia - (Slg. 2001, I-1951 = SIS 01 06 69) hat der EuGH
entschieden, dass es sich steuerlich nicht bei allen von einer
Versicherung getätigten Geschäften um
Versicherungsumsätze i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG handelt (Randnr. 34). Diese Bestimmung
erfasse nur Versicherungsumsätze im eigentlichen Sinne.
Hieraus ergebe sich, dass es für die Befreiung von
Versicherungsumsätzen darauf ankomme, dass der Umsatz von
einem Unternehmen getätigt werde, das zu dem Endkunden, d.h.
dem Versicherten, in einer rechtlichen Beziehung stehe. Danach
setze ein Versicherungsumsatz seinem Wesen nach eine
Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der
Versicherungsdienstleistung und der Person, deren Risiken von der
Versicherung gedeckt werden, d.h. dem Versicherten, voraus.
In der Rechtssache in Slg. 2001, I-1951 = SIS 01 06 69 (Skandia) lag eine derartige Rechtsbeziehung zwischen der
Klägerin des Ausgangsverfahrens und den Versicherungsnehmern
nicht vor. Die Klägerin unterhielt keine Vertragsbeziehung zu
den Versicherungsnehmern und übernahm kein Risiko im
Zusammenhang mit der Versicherungstätigkeit, da alle Risiken
im vollen Umfang bei dem Versicherungsunternehmen verblieben, das
weiterhin als Versicherer im Sinne des schwedischen Zivilrechts
handelte (Randnr. 40 f.). Daher stelle eine Zusammenarbeit, bei der
ein Versicherungsunternehmen gegen eine marktübliche
Vergütung die Tätigkeit eines anderen
Versicherungsunternehmens, nicht aber dessen Risiken
übernimmt, wobei das letztgenannte Unternehmen die
Versicherungsverträge im eigenen Namen abschließt,
keinen Versicherungsumsatz i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG dar (Randnr. 43).
c) Unter Berücksichtigung dieser
Rechtsprechung des EuGH ist bei der Auslegung von Art. 13 Teil B
Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG zweifelhaft, ob der Begriff des
Versicherungsumsatzes stets nur Leistungen gegenüber einem
Versicherungsnehmer von der Steuer befreit oder ob nicht auch die
Übertragung eines Bestandes an Versicherungsverträgen als
Leistung zwischen zwei Versicherungsunternehmen als
Versicherungsumsatz steuerfrei sein kann. Der EuGH hat insoweit
einerseits entschieden, dass der Versicherungsumsatz auf einem
Leistungsverhältnis zum Versicherungsnehmer beruht und daher
gegenüber dem Versicherungsnehmer erbrachte Leistungen
steuerfrei sind. Andererseits versteht der Senat das EuGH-Urteil in
Slg. 2001, I-1951 = SIS 01 06 69 (Skandia) dahingehend, dass die
Ablehnung eines Versicherungsumsatzes in dieser Rechtssache
maßgeblich darauf beruhte, dass die Leistungsbeziehung
zwischen zwei Versicherungsunternehmen nicht zu einer
Übernahme des mit Versicherungsverträgen verbundenen
Risikos führte und es durch die Leistung auch nicht zu einer
Übertragung von Versicherungsverträgen kam. Liegt
demgegenüber - wie in der vorliegenden Rechtssache - sowohl
ein Risiko- als auch ein Vertragsübergang vor, kann ein
steuerfreier Versicherungsumsatz gegeben sein. Der Streitfall weist
insoweit die Besonderheit auf, dass zwar eine Versicherung
Leistungsempfänger der Vertragsübernahme ist, der
Versicherungsnehmer aber an dieser Leistung insoweit beteiligt ist,
als die Vertragsübertragung nur mit seiner Zustimmung erfolgen
kann und er aufgrund der Vertragsübertragung die
Versicherungsleistung nunmehr von der den Vertrag erwerbenden
Versicherung bezieht. Der Versicherungsnehmer ist insoweit in den
Leistungsaustausch eingebunden. Zu berücksichtigen ist
schließlich auch, dass der EuGH eine nach Art. 13 Teil B
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Vermietung auch
darin gesehen hat, dass ein Mieter auf die Rechte aus seinem
Mietvertrag verzichtet (Urteil vom 15.12.1993 Rs. C-63/92 - Lubbock
Fine -, Slg. 1993, I-6665 = SIS 94 09 23). Über die Auslegung
des für die Beantwortung der Vorlagefrage
entscheidungserheblichen Begriffs des Versicherungsumsatzes kann im
Hinblick auf die dem EuGH vorbehaltene Auslegung des
Gemeinschaftsrechts nicht ohne Vorabentscheidung durch den EuGH
entschieden werden.
3. Steuerfreiheit aufgrund
Verbindlichkeitsübernahme und Forderungsumsatz
a) Sollte die entgeltliche Übernahme von
Versicherungsverträgen nicht nach Art. 13 Teil B Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein, kommt die Anwendung von Art.
13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG in
Betracht. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
befreit u.a. die Übernahme von Verbindlichkeiten. Art. 13 Teil
B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG befreit u.a.
Umsätze im Geschäft mit Forderungen. Zu Art. 13 Teil B
Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG stellt sich die
Frage, ob eine Leistung, für die kein eigenständiger
Befreiungstatbestand besteht, die aber im Wesentlichen durch die
Elemente der Übernahme von Verbindlichkeiten und des
Forderungsumsatzes geprägt wird, aufgrund einer kumulativen
Anwendung dieser Bestimmungen steuerfrei sein kann.
Der EuGH hat mit Urteil vom 19.4.2007 Rs.
C-455/05 - Velvet & Steel - (Slg. 2007, I-3225 = SIS 07 14 92)
entschieden, dass die Übernahme von Verbindlichkeiten nach
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG nur
steuerfrei ist, wenn sie sich auf eine Geldverbindlichkeit bezieht.
Entscheidend ist, dass der Verbindlichkeit, die übernommen
wird, Finanzcharakter zukommt (Randnr. 25).
Zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der
Richtlinie 77/388/EWG hat der EuGH in seinem Urteil vom 26.6.2003
Rs. C-305/01 - MKG - (Slg. 2003, I-6729 = SIS 03 29 36)
ausgeführt, der Begriff „Einziehung von
Forderungen“ beziehe sich auf klar umschriebene finanzielle
Transaktionen, die darauf gerichtet seien, die Erfüllung einer
Geldschuld zu erwirken, und die sich ihrer Natur nach von den im
ersten Teil von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie
77/388/EWG aufgezählten Steuerbefreiungstatbeständen
deutlich unterschieden (Randnr. 78).
b) Bei der Übernahme eines
Versicherungsvertrages handelt es sich zwar um eine einheitliche
Leistung. Diese weist jedoch ausschließlich Merkmale auf, die
für die Steuerfreiheit der Übernahme von
Verbindlichkeiten und des Forderungsumsatzes nach Art. 13 Teil B
Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG kennzeichnend sind.
Die Leistung wird geprägt durch die Übernahme des vom
bisherigen Rückversicherer getragenen finanziellen Risikos und
durch die Übertragung der auf dem
Rückversicherungsvertrag beruhenden Forderung auf
Prämienzahlung.
Dabei ist zum einen die Übernahme der
für den bisherigen Versicherer bestehenden Verpflichtungen
gegenüber dem Versicherungsnehmer durch den neuen Versicherer
als Übernahme einer Verbindlichkeit anzusehen. Die
Verpflichtungen beruhen auf dem Versicherungsvertrag und dem sich
aus diesem Vertrag für den Versicherer ergebenden finanziellen
Risiko für den Zeitraum zwischen Übernahme des
Versicherungsvertrages und Beendigung des Versicherungsvertrages.
Es handelt sich somit um die Übernahme der für den
verbleibenden Erfüllungszeitraum bestehenden
Verbindlichkeiten. Den sich für den Versicherer aus dem
Versicherungsvertrag ergebenden Verpflichtungen kommt unter
Berücksichtigung des EuGH-Urteils in Slg. 2007, I-3225 = SIS 07 14 92 (Velvet & Steel) auch der erforderliche
Finanzcharakter zu, da die vom Versicherer beim Eintritt des
Versicherungsfalls zu erbringende Leistung in der Zahlung der nach
dem Versicherungsvertrag vorgesehenen Entschädigungssumme als
Geldbetrag besteht. Dies gilt zumindest für die in der
vorliegenden Rechtssache zu beurteilenden Übernahme von
Rückversicherungsverträgen.
Zum anderen weist die Übernahme der
Rückversicherungsverträge Elemente eines Umsatzes im
Geschäft mit Forderungen auf, da der gegen den
Versicherungsnehmer gerichtete Anspruch auf Prämienzahlung auf
den neuen Versicherer übergeht. Dies entspricht in seinen
Rechtsfolgen einem Verkauf der gegen den Versicherungsnehmer
gerichteten Prämienansprüche und damit typischerweise
einem Forderungsumsatz nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der
Richtlinie 77/388/EWG. Die Übertragung dieser Ansprüche
ist nicht als steuerpflichtige Einziehung von Forderungen im Sinne
dieser Bestimmung anzusehen. Denn durch die Übertragung soll
der Vermögenswert dieser Forderungen zugewendet werden, so
dass es sich nicht um eine Leistung handelt, die auf die Einziehung
und Beitreibung des Anspruchs auf Prämienzahlung gerichtet ist
(EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-6729 = SIS 03 29 36, Randnr. 77
f.).
Fraglich ist, ob eine Zusammenfassung der nach
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG
steuerfreien Merkmale im Rahmen einer Gesamtleistung, die
ausschließlich durch diese Merkmale geprägt wird, unter
Berücksichtigung des Grundsatzes enger Auslegung der
Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. z.B.
EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-6729 = SIS 03 29 36, Randnr. 71)
überhaupt möglich ist und zur Steuerfreiheit einer
Übernahme von Versicherungsverträgen führen
kann.
II. Zur zweiten Vorlagefrage
Bei der Mehrzahl der übernommenen
Versicherungsverträge handelt es sich um gewinnbringende
Verträge, für deren Übertragung der Erwerber
Zahlungen leistet. 18 der übertragenen
Versicherungsverträge waren demgegenüber wirtschaftlich
nachteilig. Die Übertragung erfolgte hier nur, weil der aus
dem Vertrag ausscheidende Versicherer den für die
Übernahme der 195 Verträge zu entrichtenden
Gesamtkaufpreis im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile, die
sich aus diesen 18 Verträgen ergaben, minderte. Im Hinblick
auf die Steuerbarkeit nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
liegt hier keine Leistung des aus dem Vertrag ausscheidenden
Versicherers, sondern eine Leistung des den Vertrag erwerbenden
Versicherers vor.
Würde es sich bei der Leistung des
Erwerbers gegenüber der aus dem Vertrag ausscheidenden
Versicherung um einen Versicherungs- oder Finanzumsatz
gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. e fünfter
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG handeln, der aber nicht
nach Art. 13 Teil B der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist,
läge eine am Ort des bisherigen Versicherers und damit eine im
Inland erbrachte Leistung vor, die steuerpflichtig ist.
Steuerschuldner für diese Leistung wäre der bisherige
Versicherer als Leistungsempfänger, da es sich bei der vom
Erwerber erbrachten Leistung um die Leistung eines im Ausland
ansässigen Unternehmens handelt (Art. 21 Nr. 1 Buchst. a Satz
2 der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,
Abs. 2 Satz 1 UStG).
Der Senat hat Zweifel, ob der Umsatz i.S. von
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e fünfter Gedankenstrich der Richtlinie
77/388/EWG oder der Versicherungsumsatz i.S. von Art. 13 Teil B
Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG auch von der erwerbenden
gegenüber der aus dem Vertrag ausscheidenden Versicherung
erbracht werden kann. Im Hinblick auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr.
2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG ist zu beachten, dass bei der
Übernahme einer für den Versicherer wirtschaftlich
nachteiligen Versicherung der Charakter der Befreiung von einer
Verbindlichkeit besonders stark hervortritt.
III. Zur dritten Vorlagefrage
Nach Auffassung des Senats ist zweifelhaft, ob
Art. 13 Teil B Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG den Begriff der
Lieferung nach Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie verwendet oder ob
dieser Begriff für Zwecke des Art. 13 Teil B Buchst. c der
Richtlinie 77/388/EWG normspezifisch auszulegen ist.
Das FA und die Vorinstanz sind
übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Übertragung
der Lebensrückversicherungsverträge zu einer Lieferung
i.S. von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG führt.
Hierfür könnte sprechen, dass nach der zu Art. 13 der
Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Protokollerklärung des Rates
das Überlassen eines Kundenstamms in Zusammenhang mit einer
von der Steuer befreiten Tätigkeit unter Art. 13 Teil B
Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG fällt. Zu
berücksichtigen ist aber auch, dass es in der vorliegenden
Rechtssache um die Übertragung eines Vertrages und damit um
die Abtretung eines unkörperlichen Gegenstandes i.S. von Art.
6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG im Rahmen einer bereits
bestehenden Vertragsbeziehung, nicht aber um die Übertragung
von Kundendaten mit der damit verbundenen Möglichkeit zum
Abschluss weiterer Lieferverträge geht.
Sollte eine Lieferung vorliegen, ist
auslegungsbedürftig, ob die von Art. 13 Teil B Buchst. c der
Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Bedingung der Steuerfreiheit
voraussetzt, dass die mit dem gelieferten Gegenstand ausgeübte
Tätigkeit im Mitgliedstaat der Lieferung nach Art. 13 der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist. Läge eine Lieferung des
Vertragsbestandes vor, würde diese nach Art. 8 Abs. 1 Buchst.
b der Richtlinie 77/388/EWG als an dem Ort erbracht gelten, an dem
sich der „Gegenstand“ und somit der Vertrag im
Zeitpunkt der Lieferung befindet. Dies wäre der
Unternehmensort des bisherigen Versicherers in der Bundesrepublik
Deutschland. Aus Sicht des Mitgliedstaats der Lieferung handelt es
sich aber nicht um Umsätze, die in seinem Inland steuerfrei
sind, sondern um in diesem Inland nicht steuerbare Umsätze.
Denn der Versicherer erbrachte seine Leistungen bis zur
Vertragsübertragung nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e fünfter
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG am Ort des jeweiligen
Unternehmenskunden im übrigen Gemeinschaftsgebiet und im
Drittlandsgebiet, nicht aber im Mitgliedstaat der Lieferung.
E. Rechtsgrundlage der Vorlage
Rechtsgrundlage für die Vorlage an den
EuGH ist Art. 234 des Vertrages zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Der Senat sieht
sich zur Anrufung des EuGH verpflichtet und ersucht
um Vorabentscheidung
der im Tenor genannten Fragen. Die Aussetzung des Verfahrens beruht
auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der
Finanzgerichtsordnung.