Veräußerung von Bezugsrechten, KSt: Gemäß § 8 b Abs. 2 KStG 2002 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG 2002 führen, außer Ansatz, nicht aber Gewinne aus der Veräußerung eines durch Kapitalerhöhung entstandenen Bezugsrechts an einem entsprechenden Anteil (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 28.4.2003, BStBl 2003 I S. 292, 295 = SIS 03 22 94; Abgrenzung von dem BFH-Urteil vom 27.10.2005 IX R 15/05, BFHE 211 S. 273, BStBl 2006 II S. 171 = SIS 06 01 82). - Urt.; BFH 23.1.2008, I R 101/06; SIS 08 17 99
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), nunmehr eine Aktiengesellschaft, hatte im
Streitjahr 2002 die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG),
deren Gesellschafter (Komplementär und Kommanditisten)
ausschließlich Aktiengesellschaften waren. Sie hielt im
Kalenderjahr 2002 in ihrem Anlagevermögen die Beteiligung an
der G-AG. Bei dieser wurde im März 2002 eine
Kapitalerhöhung beschlossen. Die Klägerin nahm an dieser
Kapitalerhöhung nicht teil, sondern veräußerte die
ausgegebenen Bezugsrechte. Den dabei erzielten Gewinn behandelte
sie nach § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 des
Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) als steuerfrei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
folgte dem unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums
der Finanzen (BMF) vom 28.4.2003 (BStBl I 2003, 292, 295 = SIS 03 22 94) nicht und stellte die Besteuerungsgrundlagen hiernach
einheitlich und gesondert fest.
Die anschließende Klage war
erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom
31.8.2006 15 K 444/05, das im Wesentlichen mit dem zu § 3 Nr.
40 Satz 1 Buchst. j des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002)
ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.10.2005 IX R
15/05 (BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171 = SIS 06 01 82)
begründet wurde, ist in EFG 2007, 214 = SIS 06 43 83
abgedruckt.
Seine Revision stützt das FA auf
Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Klageabweisung. Das FG hat die in Rede stehenden Bezugsrechte zu
Unrecht als Anteile i.S. von § 8b Abs. 2 KStG 2002
angesehen.
1. Nach § 8b Abs. 2 KStG 2002 bleiben bei
der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der
Veräußerung u.a. eines Anteils an einer
Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim
Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9
und 10 Buchst. a EStG 2002 führen, außer Ansatz. Die
Vorschrift wurde in ihrer das Streitjahr betreffenden Fassung im
Zuge der Umstellung des früheren
körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens auf das
nunmehrige sog. Halbeinkünfteverfahren durch das Gesetz zur
Fortentwicklung der Unternehmenssteuerreform (UntStFG) vom
20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) in das Gesetz
eingefügt.
2. Erfasst werden hiernach von der
Steuerfreistellung (nur) Anteile an einer Körperschaft, Rechte
zum Bezug entsprechender Anteile hingegen nicht (überwiegende
Auffassung, vgl. z.B. Rödder/Schumacher, DStR 2003, 909;
Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8b KStG Rz
43; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die
Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz 25a; Gosch, KStG, §
8b Rz 162; Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2431, 2433; Kröner
in Ernst & Young, KStG, § 8b Rz 84, 86; Herlinghaus, EFG
2005, 1754; Intemann, DStR 2006, 1447; Wagner, Der Konzern 2006,
668; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 26. Aufl., § 23 Rz 25:
„gesetzgeberische Fehlleistung“; anders z.B.
Dinkelbach, Besteuerung des Anteilsbesitzes an
Kapitalgesellschaften im Halbeinkünfteverfahren, 2006, S. 204
ff., und DB 2006, 1642; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG,
§ 8b KStG Rz 41c, und Die Information für Steuer und
Wirtschaft 2003, 457; Mihm, BB 2005, 2780; Heuermann, DB 2005,
2708).
a) Das Gesetz gewährt die
Steuerfreistellung in § 8b Abs. 2 KStG 2002 (nur) für
„Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an
einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen
beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1,
2, 9 und 10 Buchst. a EStG gehören“; Bezugsrechte an
solchen Anteilen gehören bereits nach dem Regelungswortlaut
nicht dazu.
b) Der Regelungssinn des § 8b Abs. 2 KStG
2002 gebietet nichts anderes. Denn die Rechtfertigung für die
(uneingeschränkte und typisierende) Freistellung des
Veräußerungsgewinns im sog. Halbeinkünftesystem
liegt darin, dass der Gewinn im wirtschaftlichen Ergebnis
gewissermaßen aufgesummt an die Stelle der anderweitig
verdienten oder zukünftig „verdienbaren“
Dividenden tritt (vgl. dazu Gosch, a.a.O., § 8b Rz 1, m.w.N.).
Bei Bezugsrechten fehlt es daran aber, weil diese keine
entsprechenden Einnahmen gemäß § 20 EStG beim
Anteilseigner auszulösen vermögen. Zwar handelt es sich
bei Bezugsrechten um Substanzabspaltungen der Altaktien. Sie
repräsentieren folglich aus wirtschaftlicher Sicht anteilig in
den Altaktien enthaltene offene und stille Reserven oder einen
Geschäftswert und damit auch zukünftige Dividenden der
Gesellschaft; Anteil einerseits und Bezugsrecht andererseits sind
aus wirtschaftlicher Sicht somit teilweise identisch (vgl.
BFH-Urteil vom 22.5.2003 IX R 9/00, BFHE 202, 309, BStBl II 2003,
712 = SIS 03 32 19, m.w.N.). Gleichwohl bleibt das konkrete
Bezugsrecht ein originär entstandenes, selbständiges
Wirtschaftsgut (s. auch BFH, ebenda) und hat der Gesetzgeber sich
dafür entschieden, durch den Verkauf dieses Wirtschaftsgutes
ausgelöste Gewinne zu besteuern. Diese Entscheidung mag nicht
zwingend sein. Sie erscheint indes nicht zuletzt deswegen als
gerechtfertigt, weil Bezugsrechte vor ihrer Wahrnehmung durch den
Bezugsrechtsberechtigten lediglich die Anwartschaft auf jene
wirtschaftliche Beteiligung verkörpern. Erst bei einer
steuerlichen Erfassung der (kumulierten) Gewinne aus den Anteilen
kann es auch zu jenen körperschaftsteuerlichen Doppel- und
Mehrfachbelastungen (sog. Kaskadeneffekten) kommen, welche
andernfalls bei Kapitalbeteiligungen von Körperschaften drohen
und welche die systembedingte - und ausnahmsweise - Durchbrechung
des steuerlichen Subjektprinzips tragen (vgl. dazu Gosch, ebenda,
m.w.N.). Aus letztlich gleichem Grund unterblieb die Einbeziehung
von Anteilsbezugsrechten in die Bemessungsgrundlagen in der
Vergangenheit auch bei ähnlichen Schachtelprivilegierungen,
wie beispielsweise für die Vermögensteuer in dem
zwischenzeitlich abgeschafften § 102 der früheren Fassung
des Bewertungsgesetzes oder für die Gewerbekapitalsteuer in
dem ebenfalls abgeschafften § 12 Abs. 3 Nr. 4 und 5 der
früheren Fassung des Gewerbesteuergesetzes und ebenso bei
abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (vgl. zu Letzterem z.B.
Grotherr in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 23A/23B OECD-MA Rz
296 ff.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung,
Art. 23A MA Rz 70 f.).
Schließlich erklärt sich die
Beschränkung auf Kapitalanteile auch aus den (weiteren)
Systemzusammenhängen, in die § 8b KStG 2002 gestellt ist.
So gibt es beispielsweise nur
„einbringungsgeborene“ Anteile i.S. des §
21 des Umwandlungssteuergesetzes, jedoch keine entsprechenden
Bezugsrechte, was es wiederum ausschließt, die Ausnahmen und
Rückausnahmen des § 8b Abs. 4 KStG 2002 auf Bezugsrechte
zu erstrecken. Dass junge Anteile, die auf solche Bezugsrechte
zurückgehen, ihrerseits solche i.S. des § 21 Abs. 1
UmwStG 1995 sind (vgl. Senatsurteile vom 8.4.1992 I R 128/88, BFHE
167, 424, BStBl II 1992, 761 = SIS 92 13 29; I R 160/90, BFHE 167,
429, BStBl II 1992, 753 = SIS 92 13 31; I R 162/90, BFHE 167, 432,
BStBl II 1992, 764 = SIS 92 13 30), widerspricht dem nicht.
c) Die ausdrückliche Erfassung auch von
Anwartschaften auf solche „Beteiligungen“ und
damit nach gängigem Verständnis auch von Bezugsrechten
seit der Gesetzesergänzung durch das
Steueränderungsgesetz 1965 vom 14.5.1965 (BGBl I 1965, 377,
BStBl I 1965, 217) in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 für
die dort geregelte Einbeziehung von Gewinnen aus der
Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in
die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bedingt nichts Abweichendes,
und zwar unabhängig davon, ob diese Erfassung bezogen auf den
Regelungsbereich des § 17 EStG und dessen
Vorgängervorschrift in § 53 Abs. 1 der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1961 (und davor in
§ 30 EStG 1925) nur klarstellender Natur sein mag (vgl. dazu
BFH-Urteil vom 20.2.1975 IV R 15/71, BFHE 115, 223, BStBl II 1975,
505 = SIS 75 03 00). Denn die dort bestimmte Regelung ist in erster
Linie auf den spezifischen Normzusammenhang des § 17 EStG 2002
zu verengen. Soweit sie darüber hinaus zu verallgemeinern ist
(vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 30.11.2005 I R 3/04, BFHE 211, 339
= SIS 06 06 89), betrifft dies aus den genannten Erwägungen
jedenfalls nicht das körperschaftsteuerrechtliche
Halbeinkünfteverfahren. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002
trägt vielmehr den Umkehrschluss, dass es einer entsprechenden
ausdrücklichen Bestimmung bedarf, um Bezugsrechte Anteilen
gleichbehandeln zu können (wie dies beispielsweise auch in
§ 2 Abs. 3 Nr. 1 des Investmentsteuergesetzes - InvStG -
i.d.F. bis zur Änderung durch Art. 8 Nr. 11 des
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 - UntStRefG - vom 14.8.2007,
BGBl I 2007, 1912, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG
[vgl. auch § 18 Abs. 1 InvStG i.d.F. des UntStRefG, § 19
Abs. 1 Satz 1 InvStG] für Gewinne aus der
Veräußerung von Wertpapieren und Bezugsrechten auf
Anteile an Kapitalgesellschaften geschehen ist). Für eine von
der Klägerin erwogene Analogie bleibt sonach kein Raum.
3. Allerdings hat der IX. Senat des BFH im
Hinblick auf die - in dem hier in Rede stehenden Punkt mit §
8b Abs. 2 KStG 2002 wortlautentsprechende - Regelung in § 3
Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002 anders entschieden. Nach dieser
Vorschrift ist die Hälfte des Veräußerungspreises
i.S. des § 23 Abs. 3 EStG 2002 bei der privaten
Veräußerung von Anteilen an Körperschaften,
Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, deren Leistungen
beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1
EStG 2002 gehören, steuerfrei. Der IX. Senat hat dazu in
seinem Urteil vom 27.10.2005 IX R 15/05 (BFHE 211, 273, BStBl II
2006, 171 = SIS 06 01 82) die Rechtsauffassung vertreten, dass zu
den Anteilen an Körperschaften in diesem Sinne auch die
Veräußerung eines durch Kapitalerhöhung
entstandenen Bezugsrechts gehöre. Er stützt sich dabei
zum einen auf wirtschaftliche, auf dem beschriebenen
Abspaltungsgedanken gründende Erwägungen, welche
„folgerichtig“ die
„typisierte“ hälftige Steuerbefreiung beim
Anteilseigner im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens erfordere,
und zum anderen auf § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002, der es
gebiete, den auf § 23 EStG 2002 Bezug nehmenden § 3 Nr.
40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002 entsprechend auszulegen. Der IX.
Senat hat auf Anfrage durch den erkennenden Senat (Beschluss vom
24.4.2007) mitgeteilt, dass er an dieser Rechtsprechung
„jedenfalls für den Anwendungsbereich des § 3
Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002“ festhalte (Beschluss
vom 16.10.2007 IX - ER - S 7/07).
Der erkennende Senat folgt dem für die
körperschaftsteuerrechtliche Regelung des § 8b Abs. 2
KStG 2002 aus den dargestellten Gründen nicht, und zwar
entgegen seiner ursprünglichen Annahme ohne von der
Rechtsprechung des IX. Senats gemäß § 11 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweichen; einer Anrufung des
Großen Senats des BFH bedarf es deshalb nicht:
Zwar handelt es sich bei § 3 Nr. 40 Satz
1 Buchst. j EStG 2002 - nicht anders als bei § 8b Abs. 2 KStG
2002 - um eine im Zuge der Umstellung des früheren
körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens auf das
nachfolgende sog. Halbeinkünfteverfahren durch das Gesetz zur
Fortentwicklung der Unternehmenssteuerreform geschaffene
Neuregelung. Die Regelungslagen in § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j
EStG 2002 einerseits und § 8b Abs. 2 KStG 2002 andererseits
mögen auch ähnlich sein und auf einer vergleichbaren
„Idee“ und Systematik beruhen. Sie weisen indes
grundlegende Unterschiede auf, welche eine unterschiedliche
Beurteilung rechtfertigen. Denn anders als bei
Veräußerungsgeschäften zwischen Körperschaften
geht es bei den von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002
erfassten privaten Veräußerungsgeschäften (nur) um
die Vermeidung der „einfachen“ wirtschaftlichen
Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne, nicht jedoch um die
Vermeidung der (unter II.2.b) beschriebenen besonderen
Kaskadeneffekte. Überdies knüpft § 3 Nr. 40 Satz 1
Buchst. j EStG 2002 an § 23 EStG 2002 an, von dessen
Regelungsbereich wegen § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 und einer
daraus abgeleiteten „Einheitlichkeit des
Anschaffungskostenbegriffs“ „seit eh und
je“ (so BFH-Beschluss vom 16.10.2007 IX -ER– S
7/07) auch Bezugsrechte an Kapitalanteilen erfasst sein sollen
(vgl. BFH-Urteile vom 19.12.2000 IX R 100/97, BFHE 194, 182, BStBl
II 2001, 345 = SIS 01 06 25; in BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712 =
SIS 03 32 19; vom 21.9.2004 IX R 36/01, BFHE 207, 543, BStBl II
2006, 12 = SIS 05 04 83: kritisch z.B. Musil in
Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 23 Rz 145); für §
8b Abs. 2 KStG 2002 gilt das jedoch nicht und ist das ohne
Bedeutung.
4. Da die Vorinstanz ihrer Entscheidung eine
abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, war ihr Urteil
aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.