Gebäudeteile, Baumaßnahmen, Herstellungsaufwand: 1. Bei der Prüfung, ob eine Baumaßnahme nach § 255 Abs. 2 HGB zu Herstellungsaufwand führt, darf nicht auf das gesamte Gebäude, sondern nur auf den entsprechenden Gebäudeteil abgestellt werden, wenn das Gebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird und deshalb mehrere Wirtschaftsgüter umfasst. - 2. Ob eine wesentliche Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB des Wirtschaftsguts erreicht wird, richtet sich danach, ob die durch die Baumaßnahme bewirkten Veränderungen vor dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung zu einer höherwertigeren (verbesserten) Nutzbarkeit des Vermögensgegenstandes führen. - Urt.; BFH 25.9.2007, IX R 28/07; SIS 08 07 24
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) erzielte im Streitjahr (1999) u.a. Einkünfte aus
Vermietung eines Zweifamilienhauses, das von der Mieterin teils zu
eigenen Wohnzwecken, teils zum Betrieb einer psychotherapeutischen
Praxis genutzt wird. Die Wohnräume befinden sich im Erd- und
Obergeschoss, die Praxisräume im Untergeschoss. Veranlasst
durch einen Wasserschaden nahm der Kläger in den
Praxisräumen im Untergeschoss Baumaßnahmen vor, um deren
steuerrechtliche Qualifizierung es hier geht.
Neben weiteren Arbeiten auch zur Sanierung
von Wasserschäden wurden eine kleine Zwischenwand abgebrochen,
Türen verlegt und eine Tür durch eine größere
Fensteranlage ersetzt. Ferner wurde eine Heizungsanlage für
die Praxis eingebaut. Die Aufwendungen (Gesamtkosten insgesamt
101.239,51 DM) machte der Kläger vergeblich als
Erhaltungsaufwand geltend. Der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die Aufwendungen als
nachträgliche Herstellungskosten.
Die Klage war erfolgreich (vgl. SIS 07 33 06). Das Finanzgericht (FG) beurteilte die Aufwendungen als sofort
abziehbare Erhaltungsaufwendungen. Die über die
Schadensbeseitigung hinausgehenden Baumaßnahmen seien nicht
so wesentlich gewesen, dass sie zu einer Wesensänderung des
Mietobjekts geführt hätten. Der Abbruch der kleinen
Zwischenwand sei eine unwesentliche Baumaßnahme. Die einzige
wesentliche bauliche Veränderung habe darin bestanden, dass
die Tür herausgenommen und durch eine größere
Fensteranlage ersetzt worden sei. Diese Baumaßnahmen
führten allein nicht zu einer über den bisherigen Zustand
hinausgehenden wesentlichen Verbesserung des gesamten Objekts,
wobei besonders zu berücksichtigen sei, dass es sich um eine
Baumaßnahme lediglich im Untergeschoss des Objekts gehandelt
habe und die übrigen Räumlichkeiten unverändert
geblieben seien. Die Verlegung der Praxis allein in den rechten
Teil des Hauses führe nicht zu nachträglichen
Herstellungskosten.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA:
Die Baumaßnahme sei durchgeführt worden, um die
subjektive Betriebsbereitschaft der für den Betrieb einer
psychotherapeutischen Praxis vorgesehenen Räumlichkeiten
herzustellen. Es seien nicht vorhandene Bestandteile in das
Gebäude eingefügt worden (Substanzmehrung) und dies habe
die Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes erweitert. Der
Umstand, dass die Baumaßnahmen lediglich das Untergeschoss
beträfen, sei nicht entscheidungserheblich, weil es
fremdbetrieblich genutzt werde und deshalb ein vom übrigen
Gebäude gesondertes Wirtschaftsgut bilde.
Das FA beantragt, die angefochtene
Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
1. Das FG hat bei seiner Beurteilung der hier
geltend gemachten Kosten als Erhaltungsaufwand unzutreffend auf das
gesamte Objekt (Zweifamilienhaus) abgestellt und deshalb § 9
Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 255 Abs. 2 des
Handelsgesetzbuches (HGB) verletzt.
Aufwendungen, die durch die Absicht veranlasst
sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen
(§ 21 Abs. 1 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten (§
9 Abs. 1 EStG) sofort abziehbar, wenn es sich um Herstellungskosten
handelt. Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen,
bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung nach § 255 Abs. 2 HGB (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.9.2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74,
BStBl II 2003, 569 = SIS 02 09 29, unter II. 1.). Danach sind
Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von
Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die
Herstellung eines Vermögensgegenstandes (Wirtschaftsguts),
seine Erweiterung oder für eine über seinen
ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung
entstehen.
Bei der Prüfung, ob eine
Baumaßnahme nach § 255 Abs. 2 HGB zu Herstellungsaufwand
führt, darf nicht auf das gesamte Gebäude, sondern nur
auf den entsprechenden Gebäudeteil abgestellt werden, wenn das
Gebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird und deshalb
mehrere Wirtschaftsgüter umfasst. Wird ein Gebäude - wie
hier - teils fremdbetrieblich und teils zu Wohnzwecken durch
Vermietung genutzt, so sind die einzelnen Gebäudeteile
gesondert zu behandeln, weil diese Gebäudeteile in
verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen
(Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26.11.1973 GrS 5/71,
BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132 = SIS 74 00 73, unter C. II. 3.
d).
2. Das angefochtene Urteil widerspricht diesen
Maßstäben. Das FG hat bei seiner Beurteilung, ob die
Baumaßnahme zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber
dem ursprünglichen Zustand geführt hat, auf das gesamte
Gebäude abgestellt; es hat „insbesondere“
berücksichtigt, dass es sich um eine Baumaßnahme
lediglich im Untergeschoss des Objekts gehandelt hat.
3. Die angefochtene Entscheidung ist wegen
dieser Rechtsverletzung aufzuheben, weil sie sich nicht aus anderen
Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO). Die
Sache ist nicht spruchreif.
a) Die vom FG getroffenen Feststellungen, an
die der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO mangels entsprechender
Verfahrensrügen gebunden ist, rechtfertigen keine Entscheidung
in der Sache selbst.
aa) Allerdings ist dem FG im Ergebnis darin
beizupflichten, dass die baulichen Veränderungen nicht zur
Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts geführt haben. Die
Herstellung eines (neuen) Wirtschaftsguts (§ 255 Abs. 2, 1.
Variante HGB) ist zwar auch dann anzunehmen, wenn ein vorhandenes
Wirtschaftsgut aufgrund von Baumaßnahmen in seiner Funktion
bzw. seinem Wesen verändert wird, was der Fall sein kann, wenn
sich durch bauliche Maßnahmen seine Zweckbestimmung
ändert (eingehend dazu BFH-Urteil vom 23.11.2004 IX R 59/03,
BFH/NV 2005, 543 = SIS 05 15 88, m.w.N.). Indes liegen diese
Voraussetzungen im Streitfall ersichtlich nicht vor; denn vor und
nach dem Umbau des Untergeschosses betrieb die Mieterin dort ihre
psychotherapeutische Praxis.
bb) Demgegenüber kann nach den
Feststellungen des FG nicht ausgeschlossen werden, dass der von der
Praxis genutzte Gebäudeteil (das hier maßgebende
Wirtschaftsgut) erweitert oder gegenüber seinem
ursprünglichen Zustand wesentlich verbessert wurde (§ 255
Abs. 2, 2. und 3. Variante HGB). Unter dem Gesichtspunkt der
Erweiterung sind (nachträgliche) Herstellungskosten gegeben,
wenn nach Fertigstellung etwas Neues geschaffen wurde, also -
gemessen an ihrer Funktion - bisher nicht vorhandene Bestandteile
in das Gebäude eingefügt werden, deren Einbau neben der
Substanzmehrung auch eine „Erweiterung der
Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes“ zur Folge
haben (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 14.7.2004 IX R 52/02, BFHE
206, 441, BStBl II 2004, 949 = SIS 04 35 33, m.w.N.). Eine
wesentliche Verbesserung ist gegeben, wenn der Gebrauchswert des
Wirtschaftsguts (das Nutzungspotential) durch die
Baumaßnahmen gehoben wird. Dabei kommt es weniger auf
Kernbereiche der Ausstattung an, auf die der erkennende Senat bei
der Prüfung, ob ein Wohngebäude gegenüber
seinem ursprünglichen Zustand wesentlich verbessert wurde,
maßgebend abgestellt hat (ständige Rechtsprechung, vgl.
Urteile vom 9.5.1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632
= SIS 95 19 06, und in BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569 = SIS 02 09 29, m.w.N.) als vielmehr darauf, ob bauliche Veränderungen vor
dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung zu einer
höherwertigeren (verbesserten) Nutzbarkeit des
Vermögensgegenstandes führen (vgl. BFH-Urteil vom
25.1.2006 I R 58/04, BFHE 213, 291, BStBl II 2006, 707 = SIS 06 34 98).
Im Streitfall wurden nach den Feststellungen
im angefochtenen Urteil in die Praxisräume
Stützträger, Gipskartonständer- und
Vorsatzwände, eine neue Heizungsanlage sowie eine neue
Fensteranlage eingebaut. Soweit diese Maßnahmen nicht
lediglich die Wasserschäden sanieren, kann aufgrund der
festgestellten Tatsachen nicht ausgeschlossen werden, dass sie das
Nutzungspotential des Wirtschaftsguts erweitert haben. Ebenso ist
es nach dem Sachverhalt möglich, dass der fremdbetrieblich
genutzte Gebäudeteil nach der Baumaßnahme und dem mehr
auf die Praxisbedürfnisse zugeschnittenen geänderten
Grundriss eine verbesserte Nutzbarkeit aufweist und deshalb
gegenüber seinem ursprünglichen Zustand wesentlich
verbessert wurde.
b) Der Senat kann diese
Tatsachenwürdigung nicht selbst vornehmen. Das FG hat von
seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig schon nicht festgestellt,
welche Bau- und Sanierungsarbeiten durchgeführt wurden, um den
Wasserschaden zu beseitigen (Erhaltungsaufwand). Da es bei der
Prüfung, ob die Baumaßnahme zu einer wesentlichen
Verbesserung geführt hat, maßgebend darauf abgestellt
hat, dass die Räume in den übrigen Gebäudeteilen
unverändert blieben, kam es für seine Lösung auch
nicht darauf an, ob die durch die Baumaßnahme bewirkten
Veränderungen allein bezogen auf den Zustand des
Wirtschaftsgutes (Praxisräume) vor der Baumaßnahme zu
einer wesentlichen Verbesserung geführt haben. Dies wird das
FG in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben.
Es wird sich dabei überdies mit der Frage beschäftigen
müssen, ob die vorgenommenen Baumaßnahmen, die
möglicherweise zu einer Erweiterung der
Nutzungsmöglichkeit führten, zusammen mit anderen
Maßnahmen unter dem Tatbestandsmerkmal der wesentlichen
Verbesserung (§ 255 Abs. 2, 3. Variante HGB) zu würdigen
sind, soweit das Merkmal der Erweiterung in § 255 Abs. 2 HGB
hinter das der wesentlichen Verbesserung zurücktritt (vgl.
grundlegend dazu BFH-Urteil vom 20.8.2002 IX R 98/00, BFHE 200,
231, BStBl II 2003, 604 = SIS 03 05 90, unter II. 2. b).