Umbaukosten als Herstellungskosten: Eine wesentliche Verbesserung eines Wirtschaftsguts i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 HGB kann auch in einer Veränderung mit dem Ziel einer neuen betrieblichen Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit begründet sein. Die dahin gehenden Feststellungen sind im Einzelfall vom FG zu treffen. - Urt.; BFH 25.1.2006, I R 58/04; SIS 06 34 98
I. Die Beteiligten streiten über die
bilanzielle Behandlung von Abbruchkosten mit dem Ziel einer
geänderten Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit
betrieblich genutzter Hallen.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Juni 1990
errichtet. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Entsorgung von
Abfällen, der Umweltschutz und die Durchführung von
Transporten.
Im März 1993 erwarb die Klägerin
von der Z ein Grundstück, auf dem sich u.a. eine
kohlebetriebene Heizkraftanlage befand. Das Grundstück war mit
mehreren Gebäuden sowie zwei Schornsteinen bebaut. Der
Kaufpreis betrug 395.000 DM, wovon 144.000 DM auf die Gebäude
entfielen. Diesem Kauf war bereits ein Kaufvertrag im April 1992
ebenfalls mit der Z vorausgegangen, bei dem für die
Klägerin allerdings eine vollmachtlose Vertreterin aufgetreten
und der von der Klägerin nicht genehmigt worden war. Bereits
in ihrer Bilanz zum 31.12.1992 aktivierte die Klägerin jedoch
den Grund und Boden mit 200.475 DM, die Gebäude mit 144.000 DM
und die Außenanlagen mit 50.525 DM. Sie passivierte zudem
eine „Rückstellung für Abbruchkosten“.
Betriebsvorrichtungen aktivierte die Klägerin nicht.
Im Juli 1992 schloss die Klägerin mit
der Z eine Vereinbarung über die Lieferung von
Wärmeenergie, im November 1992 erteilte das zuständige
Gewerbeaufsichtsamt eine bis zum 30.6.1993 befristete
Ausnahmegenehmigung zum Betrieb der vorhandenen Dampfkessel. Aus
der Wärmelieferung erzielte die Klägerin in den Jahren
1992 und 1993 Erlöse von insgesamt ca. 2,35 Mio. DM.
Im März 1993 teilte die Klägerin
der zuständigen Behörde mit, dass sie große Teile
der Heizungsanlage einer anderen Verwendung zuführen werde.
Zudem stehe die Entwicklung bzw. Umsetzung einer geänderten
Betriebskonzeption bevor. In den Jahren 1993 und 1994 erfolgte die
Stilllegung der Heizkraftanlagen, die der letzten Dampferzeuger
Ende Mai 1994. Die Abrisskosten beliefen sich für die
Energieerzeugungsanlagen auf insgesamt 588.221 DM, für einen
gesprengten Schornstein auf 9.250 DM. Nach dem Abriss der
bisherigen Anlagen wurden diese durch technische Anlagen und
Maschinen zur Müllbehandlung und -entsorgung ersetzt. Die
Abrisskosten behandelte die Klägerin als
Betriebsausgaben.
In den Veranlagungszeiträumen 1993 und
1994 nahm die Klägerin Abschreibungen auf das Gebäude und
die Außenanlagen vor und löste die Rückstellung
für Abbruchkosten weitgehend auf. Zudem aktivierte sie im
ehemaligen Heizhaus einen Sozialtrakt als Anlage im Bau mit 120.248
DM.
Nach einer Betriebsprüfung gelangte
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) zu der
Auffassung, die Abbruchkosten seien als anschaffungsnaher Aufwand
zu behandeln und die Buchwerte des Gebäudes und der
Außenanlagen entsprechend zu erhöhen. Die Abbruchkosten
seien kurze Zeit nach dem Erwerb des Grundstücks angefallen;
die Absicht der Klägerin zum Umbau der Hallen und Abriss der
Energieerzeugungsanlagen habe offenbar schon beim Erwerb bestanden.
Zudem hätten die Abbruchkosten nahezu das Doppelte des
Kaufpreises für das gesamte Grundstück betragen. Mangels
Außenverpflichtung könne eine Rückstellung für
Abbruchkosten nicht anerkannt werden. Im Übrigen habe die
Klägerin im Jahre 1992 noch kein wirtschaftliches Eigentum am
streitigen Grundstück gehabt.
Dementsprechend erließ das FA
geänderte Steuerbescheide.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb im
Wesentlichen erfolglos. Das Finanzgericht (FG) nahm zwar an, die
Klägerin sei bereits im April 1992 wirtschaftliche
Eigentümerin des streitbefangenen Grundstücks geworden.
Für den zu erwartenden Aufwand zum Abriss der
Energieerzeugungsanlagen und des Schornsteins habe sie jedoch keine
Rückstellung bilden dürfen.
Das FA habe die Abbruchkosten, mit Ausnahme
derjenigen, die auf den Abriss des Schornsteins entfielen,
zutreffend nicht als Betriebsausgaben anerkannt; sie seien als
Herstellungskosten der Gebäude zu aktivieren. Das Urteil des
FG Mecklenburg-Vorpommern vom 21.4.2004 1 K 356/01 ist in EFG 2004,
1126 = SIS 04 30 59 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung von § 255 Abs. 2 Satz 1 des
Handelsgesetzbuchs (HGB) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre
geltenden Fassung.
Sie beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die streitbefangenen Bescheide insoweit zu
ändern, als die Kosten für die Entfernung der
Betriebsvorrichtungen aus den Hallen als Betriebsausgaben
berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. 1. Die Revision der Klägerin ist
zulässig.
Zwar setzt die Zulässigkeit einer
Revision deren Zulassung voraus (§ 115 Abs. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ); das FG hat dem Wortlaut der
Entscheidung gemäß die Revision nur hinsichtlich der
Frage zugelassen, „ob auch im Falle eines
Betriebsgebäudes der Begriff der Betriebsbereitschaft i.S.d.
§ 255 Abs. 1 HGB inhaltsgleich mit dem Begriff der
wesentlichen Verbesserung i.S.d. § 255 Abs. 2 HGB
ist“. Diese Frage betrifft aber die Beurteilung der
Kosten des Umbaus der Hallen der Klägerin als
Herstellungskosten dem Grunde nach und damit deren Bewertung i.S.
des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Letztere bildet einen nicht
teilbaren Streitgegenstand, in dessen Rahmen - entgegen der
Auffassung des FA - eine beschränkte Zulassung der Revision im
Hinblick auf einzelne damit zusammenhängende Rechtsfragen
nicht in Betracht kommt. Eine solche wäre nur hinsichtlich
solcher Teile des Streitstoffs zulässig, über die in
einem besonderen Verfahrensabschnitt durch Teilurteil entschieden
werden könnte (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
10.3.1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470 = SIS 81 14 55; vom 28.9.1990 VI R 157/89, BFHE 162, 290, BStBl II 1991, 86
= SIS 91 02 40; vgl. auch Ruban in Gräber,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 112).
2. Die Revision der Klägerin ist aber
unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 FGO). Zu Recht hat das FG die streitigen Kosten des Abbruchs der
Energieerzeugungsanlagen als aktivierungspflichtige
Herstellungskosten der umschließenden Hallen behandelt.
a) Gemäß § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 7 des
Gewerbesteuergesetzes i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die
Klägerin in ihrer jeweiligen Bilanz das Betriebsvermögen
anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Die
Bewertung des Anlagevermögens erfolgt gemäß §
6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG u.a. mit den Herstellungskosten.
b) Herstellungskosten sind nach § 255
Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 HGB Aufwendungen, die durch den
Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten
für die Herstellung eines Wirtschaftsguts entstehen. Dieser
handelsrechtliche Begriff ist auch der Bewertung von
Wirtschaftsgütern in der Steuerbilanz zugrunde zu legen
(BFH-Urteil vom 27.1.1994 IV R 104/92, BFHE 174, 136, BStBl II
1994, 512 = SIS 94 13 09; Beschluss des Großen Senats des BFH
vom 4.7.1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, 833 = SIS 90 18 09). § 255 Abs. 2 HGB fordert zwar nicht den Einbezug
von Nebenkosten in die Herstellungskosten und nicht allgemein die
Erfassung nachträglich anfallender Kosten. Jedoch liegen
Herstellungskosten bei Veränderung eines bereits bestehenden
Wirtschaftsguts im Rahmen eines weiteren Herstellungsvorgangs vor
(BFH-Urteil vom 17.10.2001 I R 32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002,
349 = SIS 02 06 17, m.w.N.). Davon ist im Falle einer Erweiterung
oder einer über den ursprünglichen Zustand des
betreffenden Wirtschaftsguts hinausgehenden wesentlichen
Verbesserung auszugehen (§ 255 Abs. 2 Satz 1 Alternativen 2
und 3 HGB). Im Streitfall kommt die genannte letztere Alternative
in Betracht.
c) Eine Verbesserung ist in diesem Sinne
wesentlich, wenn über die zeitgemäße Erneuerung
hinaus nach objektiven Maßstäben der Gebrauchswert des
Wirtschaftsguts im Ganzen deutlich erhöht wird (BFH-Urteile
vom 19.11.2003 I R 77/01, BFHE 204, 135 = SIS 03 53 46; vom
20.8.2002 IX R 61/99, BFH/NV 2003, 148 = SIS 03 08 06; vom 9.5.1995
IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632 = SIS 95 19 06).
Dies ist der Fall, wenn die Veränderungen zu einer
höherwertigen Nutzbarkeit des Wirtschaftsguts führen,
durch die Maßnahmen somit ein höheres
„Nutzungspotential“ des Wirtschaftsguts
geschaffen wird (BFH-Urteile vom 17.6.1997 IX R 30/95, BFHE 183,
470, BStBl II 1997, 802 = SIS 97 22 13; vom 10.6.1992 I R 9/91,
BFHE 169, 31, BStBl II 1993, 41 = SIS 92 23 16; vgl. auch
Ellrott/Brendt in Beck Bil-Komm., 6. Aufl., § 255 HGB Anm.
386). Dies ist vor dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung
des Unternehmens zu beurteilen und zu bejahen, wenn das
Wirtschaftsgut so verändert wird, dass die bisherige
Nutzbarkeit nicht nur erhalten, sondern verbessert, aber auch wenn
eine andere Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit des
Wirtschaftsguts geschaffen wird (Adler/Düring/Schmaltz,
Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., HGB
§ 255 Tz. 125; Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 405;
Glanegger in Schmidt, EStG, 24. Aufl., § 6 Rz. 199, m.w.N.).
Im letzteren Falle der Änderung seiner Wesensart kann von
einer „Umschaffung“ des jeweiligen
Wirtschaftsguts ausgegangen werden (vgl. Stobbe in Herrmann/Heuer/
Raupach, § 6 EStG Anm. 482
„Zweckänderung“). Eine solche wird etwa
bejaht, wenn eine Mühle in ein Wohnhaus (Ehmcke in
Blümich, § 6 EStG Rz. 405) oder - ähnlich dem
Streitfall - ein Lagerhaus in ein Verwaltungsgebäude umgebaut
wird (Adler/ Düring/Schmaltz, a.a.O., HGB § 255 Tz.
125).
d) Die Beurteilung, ob eine wesentliche
Verbesserung eines Wirtschaftsguts gegeben ist, obliegt im
jeweiligen Einzelfall dem FG im Rahmen seiner tatsächlichen
Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO). An diese Wertung ist das
Revisionsgericht gebunden, wenn dagegen keine zulässigen und
begründeten Revisionsrügen vorgebracht worden sind und
sie auch weder Denkgesetze verletzt noch gegen allgemeine
Erfahrungssätze verstößt.
Im Streitfall gehen die Feststellungen des FG
dahin, dass die Klägerin in den erworbenen Hallen zwar (bis
zum 30.5.1994) zunächst die Energieerzeugungsanlagen betrieben
und Wärmeenergie erzeugt hat. Diesen Betrieb hat die
Klägerin jedoch aufgegeben und die Anlagen zur
Energieerzeugung nach deren Abriss durch technische Anlagen und
Maschinen zur Müllbehandlung und -entsorgung ersetzt. Zur
Aufnahme der neuen Anlagen mussten die Hallen in einen anderen
Zustand versetzt werden. Die sich im Boden befindenden
Schächte für den Aschetransport sind verfüllt und
der gesamte Hallenboden gepflastert worden. Diese Maßnahmen
dienten - einschließlich des vorbereitenden Abrisses der
bestehenden Betriebsvorrichtungen - der Verwendbarkeit der Hallen
für die geänderten betrieblichen Zwecke der Klägerin
als Unternehmen für die Entsorgung von Abfällen, für
Umweltschutz und die Durchführung von Transporten.
e) Die vorstehenden Feststellungen des FG
werden von der Klägerin auch nicht bestritten. Allerdings
macht sie geltend, dass der Abriss der Betriebsvorrichtungen
lediglich diese, nicht hingegen die Bewertung der Hallen als davon
getrennt zu betrachtende Wirtschaftsgüter betroffen habe.
Diesem Einwand ist nicht zu folgen. Eine
wesentliche Verbesserung eines Wirtschaftsguts kann auch darin
liegen, dass einzelne - einer vorgesehenen geänderten
Gebrauchs- und Verwendungsmöglichkeit entgegenstehende -
Betriebsvorrichtungen im räumlichen Zusammenhang mit dem
betreffenden Wirtschaftsgut entfernt werden. In diesem Falle ist
nicht die entfernte Betriebsvorrichtung, sondern das
„übergeordnete“ Wirtschaftsgut Gegenstand
der geänderten steuerlichen Betrachtung und Bewertung.
Dementsprechend hat auch die Klägerin selbst bereits in ihrer
Bilanz zum 31.12.1992 die (noch) vorhandenen Betriebsvorrichtungen
zur Energieerzeugung nicht aktiviert und ist von einer (zu
passivierenden) Verpflichtung zum Abriss dieser Anlagen
ausgegangen. Auf den vom FA hervorgehobenen Umstand, dass die auf
den Abbruch der Energieerzeugungsanlagen entfallenden Aufwendungen
die ursprünglichen Anschaffungskosten der Hallen erheblich
überstiegen, kommt es daneben nicht entscheidend an.
f) Nachdem somit von den bezeichneten
Voraussetzungen für die Annahme einer wesentlichen
Verbesserung der Hallen i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1
Alternative 3 HGB auszugehen ist, sind jedenfalls die hierfür
erforderlichen vorbereitenden Aufwendungen für den Abbruch der
Energieerzeugungsanlagen in Höhe von 588.221 DM als
Herstellungskosten der Hallen zu aktivieren. Damit war die Revision
der Klägerin zurückzuweisen. Der vom FG für
entscheidend gehaltenen Rechtsfrage, ob auch im Falle eines
Betriebsgebäudes der Begriff der Herstellung der
Betriebsbereitschaft i.S. des § 255 Abs. 1 HGB inhaltsgleich
mit dem Begriff der wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255
Abs. 2 HGB ist, braucht der Senat daneben nicht näher
nachzugehen.