Sonderbetriebsvermögen nach Wegfall einer Betriebsaufspaltung: Überlässt eine vermögensverwaltende Personengesellschaft Wirtschaftsgüter im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung, werden diese für die Dauer der Betriebsaufspaltung als Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft behandelt. Sofern gleichzeitig die Voraussetzungen für Sonderbetriebsvermögen bei der Betriebspersonengesellschaft erfüllt sind, tritt diese Eigenschaft mit Ende der Betriebsaufspaltung durch Wegfall der personellen Verflechtung wieder in Erscheinung. - Urt.; BFH 30.8.2007, IV R 50/05; SIS 08 01 97
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind die ehemaligen Kommanditisten der X GmbH &
Co. KG (KG), die bis zum Jahr 1992 (Streitjahr) ein
Maschinenbauunternehmen betrieb. Das Betriebsgebäude und der
zugehörige Grund und Boden standen im Eigentum der
Y-Grundstücksverwaltungs-GbR (GbR), deren Gesellschafter
ebenfalls die Kläger waren.
Im Frühjahr 1992 stellte die KG ihren
aktiven Betrieb ein. Am 1.6.1992 wurde das Konkursverfahren
über das Vermögen der KG eröffnet. Der
Konkursverwalter wickelte das Unternehmen ab, so dass es am
27.10.1992 zur Verwertung des Vermögens der KG durch
Versteigerung des gesamten Inventars kam. Im Juli 1993 stellte das
Konkursgericht das Verfahren mangels Masse ein. Die KG wurde im Mai
1994 im Handelsregister gelöscht.
Die KG hatte das Betriebsgrundstück
als Sonderbetriebsvermögen behandelt. Dies entsprach der
damaligen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und wurde auch
im Rahmen einer im Jahr 1993 durchgeführten
Außenprüfung nicht beanstandet. Der Prüfer
berücksichtigte die - mangels Abgabe einer Erklärung der
Beträge geschätzten - Grundstücksaufwendungen im
Jahr 1992 als Sonderbetriebsausgaben. Außerdem ermittelte der
Prüfer einen Einheitswert des Betriebsvermögens auf den
1.1.1993 unter Einbeziehung des Grundstücks als
Betriebsgrundstück. Neben dem Prüfungsbericht verfasste
der Prüfer für den Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) einen Vermerk des Inhalts, dass nach seiner
Auffassung das im Sonderbetriebsvermögen gehaltene
Betriebsgrundstück erst mit der Einstellung des
Konkursverfahrens im Jahr 1993 entnommen worden sei. Er errechnete
einen entsprechenden Entnahmegewinn.
Aufgrund der Außenprüfung erging
ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid für das
Streitjahr (1992), der bestandskräftig wurde. Gegen den
Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf
den 1.1.1993 erhoben die Kläger Einspruch und machten geltend,
nach Versteigerung des Inventars am 27.10.1992 habe das
Grundstück nicht mehr dem Betrieb der KG gedient und sei daher
der GbR zuzurechnen. Nach Bekanntwerden des BFH-Urteils vom
6.3.1997 XI R 2/96 (BFHE 183, 85, BStBl II 1997, 460 = SIS 97 14 23) gab das FA dem Einspruch statt.
Den Gewinnfeststellungsbescheid 1993
für die KG erließ das FA unter dem 28.12.1999 und
erfasste dabei entgegen dem Vermerk des Prüfers keinen Gewinn
aus der Entnahme des Grundstücks. Stattdessen
berücksichtigte es einen Entnahmegewinn von 1.058.663 DM in
einem unter dem gleichen Tag erlassenen geänderten
Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr (1992). Dieser
Bescheid wurde auf § 174 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO)
gestützt.
Der gegen den Änderungsbescheid
erhobene Einspruch, mit dem geltend gemacht wurde, für die
Kläger sei nicht erkennbar gewesen, dass der Entnahmegewinn im
Jahr 1992 deshalb nicht erfasst worden sei, weil er im Jahr 1993
habe berücksichtigt werden sollen, hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) wies auch die anschließend erhobene Klage
ab. Es sei erkennbar gewesen, dass der Entnahmegewinn im
„verbleibenden“ Jahr 1993 hätte erfasst werden
sollen. Das Grundstück sei nach Beendigung der
mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung durch Eröffnung des
Konkurses Sonderbetriebsvermögen der KG geworden, weil es
seither zur Lagerung des Inventars genutzt worden sei. Mit der
Versteigerung des Inventars sei die
Sonderbetriebsvermögenseigenschaft wieder entfallen.
Mit der Revision rügen die Kläger
eine Verletzung des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
und des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Der Änderungsbescheid ist formell
rechtmäßig. Das FA konnte einen geänderten
Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr erlassen.
a) Zwar bestehen erhebliche Zweifel, ob sich
das FA auf § 174 Abs. 3 AO stützen konnte. Der Senat kann
diese Frage aber dahinstehen lassen, denn zumindest liegen die
Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO vor.
Dass das FA sich nur auf § 174 Abs. 3 AO
gestützt hat, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn
maßgeblich ist nicht, auf welche Norm sich das FA berufen
hat, sondern ob es überhaupt eine Norm gibt, die den Erlass
eines Änderungsbescheids gestattet. Die Angabe der Norm ist
lediglich Bestandteil der Begründung des Bescheids, deren
Fehlerhaftigkeit den Bescheid nicht rechtswidrig macht (Tipke in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 121 AO
Rz 25).
b) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines
bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund
eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen durch die
Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert
wird, bietet § 174 Abs. 4 AO die Rechtsgrundlage dafür,
einen Änderungsbescheid zu erlassen, mit dem die richtigen
steuerlichen Folgen aus dem betreffenden Sachverhalt gezogen
werden. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt.
aa) Anzuknüpfen ist hierfür an den
Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf
den 1.1.1993, den das FA in Auswertung der Feststellungen der
Betriebsprüfung erlassen hatte. Die Feststellung des
Einheitswerts beruhte auf der Annahme, das von der KG bisher
genutzte Grundstück sei am 1.1.1993 alleiniger Bestandteil des
Betriebsvermögens der KG gewesen. Mit dem Einspruch gegen den
Bescheid machten die Kläger geltend, der Betrieb der KG sei
spätestens im Oktober 1992 mit der Versteigerung des Inventars
aufgegeben worden; anschließend habe das Unternehmen nur noch
„ideell“ existiert. Deshalb habe das
Grundstück nicht mehr Betriebsvermögen sein
können.
Dem Einspruch gab das FA in vollem Umfang
statt und hob den Einheitswertbescheid auf. Zwar enthält der
Abhilfebescheid keine eigenständige Begründung. Er
verweist aber darauf, dass dem Rechtsbehelf der Kläger
stattgegeben worden sei. Das FA ging demnach davon aus, die
Zuordnung des Grundstücks zum Betriebsvermögen der KG
falsch beurteilt zu haben, weil die Zugehörigkeit zum
Betriebsvermögen nicht erst 1993, sondern bereits 1992 geendet
hatte.
bb) Mit dem angefochtenen Bescheid sollen die
richtigen steuerlichen Folgen aus der irrigen Beurteilung der
Betriebsvermögenszugehörigkeit gezogen werden. Wenn das
Grundstück am 1.1.1993 nicht mehr Betriebsvermögen war,
musste es diese Eigenschaft im Jahr 1992 verloren haben. Ein
früherer Zeitpunkt für die Beendigung der
Betriebsvermögenseigenschaft kommt nicht in Betracht. Das
maßgebliche Ereignis sah das FA (denn auch) ausweislich der
Begründung des Änderungsbescheids in einer Entnahme des
Grundstücks im Jahr 1992. Um den daraus resultierenden Gewinn
wurden die Einkünfte der KG mit dem Änderungsbescheid
erhöht. Dieser Bescheid diente also dazu, die richtigen
steuerlichen Folgen aus dem im Rahmen des Einheitswertbescheids
fehlerhaft beurteilten Sachverhalt zu ziehen.
Dem steht nach Auffassung des Senats nicht
entgegen, dass der zugunsten der KG (bzw. der Kläger)
aufgehobene Bescheid und der zur Richtigstellung erlassene Bescheid
unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen. Wie der BFH
im Urteil vom 3.8.1988 I R 115/84 (BFH/NV 1989, 482) entschieden
hat, sind Folgeänderungen nach § 174 Abs. 4 AO nicht auf
dieselbe Steuerart beschränkt. Maßgeblich ist allein, ob
bezogen auf den zu beurteilenden Sachverhalt eine sachliche
Verbindung zwischen beiden Regelungsgegenständen besteht. Eine
solche Verbindung existiert zwischen einem Bescheid über den
Einheitswert des Betriebsvermögens und einem
ertragsteuerlichen Bescheid, in dem die Gewinnauswirkungen im
Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem
Betriebsvermögen vor dem Bewertungsstichtag zu erfassen sind.
Das FA konnte danach den Gewinnfeststellungsbescheid 1992 insoweit
ändern, als das Ausscheiden des Grundstücks aus dem
Betriebsvermögen im Jahr 1992 Gewinnauswirkungen hatte.
2. Ob das FA den Sachverhalt in dem
Änderungsbescheid nunmehr richtig beurteilt hat, ist
Gegenstand der materiellen Prüfung der
Rechtmäßigkeit. Die Feststellungen des FG reichen
für eine abschließende Beurteilung dieser Frage durch
den Senat noch nicht aus.
a) Das Grundstück war im Jahr 1992
zunächst nicht als Betriebsvermögen in der Steuerbilanz
der KG zu erfassen. Zwischen der KG und der GbR bestand infolge
personeller und sachlicher Verflechtung eine Betriebsaufspaltung.
Dies ist unter den Beteiligten unstreitig und auch vom FG so
beurteilt worden. Folge der Betriebsaufspaltung war, dass das
Grundstück als Betriebsvermögen der Besitz-GbR bilanziert
werden musste. Dies folgt aus der mittlerweile ständigen
Rechtsprechung des BFH zur Lösung der Bilanzierungskonkurrenz
bei mitunternehmerischer Betriebsaufspaltung (grundlegend
BFH-Urteil vom 23.4.1996 VIII R 13/95, BFHE 181, 1, BStBl II 1998,
325 = SIS 96 22 39; aus neuerer Zeit z.B. BFH-Urteil vom 18.8.2005
IV R 59/04, BFHE 210, 415, BStBl II 2005, 830 = SIS 05 44 33). Die
KG hatte - wohl auf der Grundlage der früher anderslautenden
Rechtsprechung (z.B. BFH-Urteil vom 25.4.1985 IV R 36/82, BFHE 144,
20, BStBl II 1985, 622 = SIS 85 18 15) - das Grundstück mithin
zu Unrecht als Sonderbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter
bilanziert.
b) Mit Eröffnung des Konkursverfahrens
endete die Betriebsaufspaltung. Nach der Rechtsprechung des BFH
bewirkt die Eröffnung des Konkursverfahrens über das
Vermögen der Betriebsgesellschaft ein Ende der personellen
Verflechtung, weil die sowohl Besitz- als auch Betriebsunternehmen
beherrschende Person oder Personengruppe ihren geschäftlichen
Willen in der Betriebsgesellschaft nicht mehr durchsetzen kann
(BFH-Urteil in BFHE 183, 85, BStBl II 1997, 460 = SIS 97 14 23).
Vielmehr erlangt der Konkursverwalter bzw. heute der
Insolvenzverwalter mit der Eröffnung des Konkurs- bzw.
Insolvenzverfahrens das alleinige Verwaltungs- und
Verfügungsrecht über das Vermögen der Gesellschaft
(§ 6 der Konkursordnung - KO -, § 80 Abs. 1 der
Insolvenzordnung - InsO - ). Das Ende der Betriebsaufspaltung hat
für die Besitzgesellschaft eine Betriebsaufgabe zur Folge,
wenn nicht die Voraussetzungen für eine Betriebsverpachtung
vorliegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14.3.2006 VIII R 80/03, BFHE
212, 541, BStBl II 2006, 591 = SIS 06 25 30, m.w.N.). Im Streitfall
lagen die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung nicht vor. Da
die GbR unstreitig ausschließlich vermögensverwaltend
tätig war, konnte sie ohne die Wirkungen der
Betriebsaufspaltung keine betrieblichen Einkünfte mehr
erzielen, so dass von einer Betriebsaufgabe der GbR mit
Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen
der KG auszugehen ist.
c) Daraus ergibt sich allerdings nicht
notwendig die Konsequenz, dass auch die stillen Reserven in dem von
der Besitz-GbR der KG überlassenen Grundstück aufzudecken
waren.
aa) Zwar bewirkt die Beendigung der
Betriebsaufspaltung grundsätzlich, dass alle
Wirtschaftsgüter der vermögensverwaltenden
Besitzgesellschaft ins Privatvermögen überführt
werden. Das gilt jedoch nicht für Wirtschaftsgüter, die
in anderem Zusammenhang weiterhin Betriebsvermögen sind. Das
im Rahmen der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung
überlassene Wirtschaftsgut erfüllt aber alle
Voraussetzungen eines Wirtschaftsguts des
Sonderbetriebsvermögens, denn es steht im Eigentum eines oder
mehrerer Gesellschafter und ist dazu bestimmt und geeignet, der
Gesellschaft zu dienen (sog. Sonderbetriebsvermögen I, vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 19.10.2000 IV R 73/99, BFHE 193, 354, BStBl II
2001, 335 = SIS 01 05 24). Lediglich infolge der Grundsätze
über die Lösung der Bilanzierungskonkurrenz zwischen
Betriebs- und Besitzgesellschaft kommt die Eigenschaft als
Sonderbetriebsvermögen während des Bestehens der
Betriebsaufspaltung nicht zum Tragen.
bb) Mit Wegfall der Bilanzierungskonkurrenz
lebt die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen hingegen
wieder auf; das Wirtschaftsgut ist von demselben Augenblick an als
Sonderbetriebsvermögen bei der Betriebsgesellschaft zu
bilanzieren (vgl. zum Wiederaufleben der Eigenschaft als
Sonderbetriebsvermögen bei Beendigung einer Organschaft
Senatsurteil vom 24.2.2005 IV R 12/03, BFHE 209, 262, BStBl II
2006, 361 = SIS 05 25 38). Voraussetzung hierfür ist
allerdings, dass die Betriebsgesellschaft in diesem Augenblick noch
einen Betrieb unterhält und nicht ebenfalls ihren Betrieb
aufgegeben hat.
cc) Hierzu hat das FG noch keine
Feststellungen getroffen. Es liegt allerdings nahe, dass zumindest
bis zur Versteigerung des Inventars noch ein Gewerbebetrieb
bestand. Sollte sich dies im zweiten Rechtsgang bestätigen,
wäre das Grundstück mit Eröffnung des Konkurses
zunächst (wieder) Sonderbetriebsvermögen bei der KG
geworden.
dd) Diese Eigenschaft konnte es im Streitjahr
(1992) nur dadurch verloren haben, dass anschließend entweder
eine Entnahme oder eine Betriebsaufgabe der KG stattgefunden hat.
Hierzu wird das FG ebenfalls noch Feststellungen zu treffen haben.
Der Betrieb kann ggf. im Zusammenhang mit der Versteigerung des
Inventars aufgegeben worden sein, wenn es mit dem Verlust des
Aktivvermögens auch zur Einstellung sämtlicher
betrieblicher Aktivitäten gekommen ist. Letzteres kann der
Senat den Feststellungen des FG allerdings nicht sicher entnehmen.
Denn von einer Fortsetzung betrieblicher Tätigkeiten wäre
auszugehen, wenn die Klägerin das Grundstück nach der
Versteigerung des Inventars an Dritte vermietet hätte. Es ist
danach aufzuklären, ob das Grundstück anschließend
von der KG oder aber unmittelbar von der GbR vermietet wurde. Im
letztgenannten Fall läge eine Betriebsaufgabe der KG nahe.
3. Die Sache ist nach den vorstehenden
Ausführungen nicht entscheidungsreif und war deshalb an das FG
zurückzuverweisen.