Vorfälligkeitsentschädigung, passive Rechnungsabgrenzung: Eine Vergütung, die der Kreditgeber für seine Bereitschaft zu einer für ihn nachteiligen Änderung der Vertragskonditionen vom Kreditnehmer vereinnahmt hat, ist in der Bilanz des Kreditgebers nicht passiv abzugrenzen. - Urt.; BFH 7.3.2007, I R 18/06; SIS 07 28 27
I. Streitpunkt ist, ob eine Bank
Vergütungen, die sie im Zusammenhang mit der Änderung der
Vertragsgrundlage von ihr ausgegebener Darlehen vereinnahmt hat,
passiv abgrenzen kann.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine Genossenschaftsbank,
ist Rechtsnachfolgerin einer eingetragenen Genossenschaft (B), die
ebenfalls Bankgeschäfte betrieb. Im Streitjahr 1998
vereinnahmte die B von etlichen Kreditkunden Vergütungen, die
Letztere im Zusammenhang mit auf ihren Wunsch vor Ablauf des
jeweiligen Festzinszeitraums erfolgten Zinsänderungen zu
zahlen hatten und die teilweise als
„Vorfälligkeitsentschädigungen“ bezeichnet
wurden.
Für die Änderungsvereinbarungen
verwendete die B im Regelfall neue Vertragsformulare, in denen als
Abschlussgrund „vorzeitige Neuvereinbarung
Zinsfestschreibung“ angegeben wurde. Geändert wurden die
Vereinbarungen über Zinssätze, Darlehenslaufzeiten und
Annuitäten. Neue Sicherheiten wurden nicht bestellt.
Gegenüber dem Außenprüfer beschrieb die B die
Vereinbarungen wie folgt:
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„In aller Regel wurde mit dem Kunden
über den Restkreditbetrag, und in zunehmendem Maße wurde
auch die zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung gleich
... mitfinanziert, ein neuer Kreditvertrag geschlossen. Im gleichen
Zug wurde das ‘Altdarlehen’ abgerechnet und auf ein
weiteres Darlehenskonto übertragen. Das
Vertragsverhältnis mit dem Kunden wurde in keiner Weise
gelöst, sondern nur wegen der technischen Seite und den
gesetzlichen Bestimmungen der Effektivzinsangabe, veränderten
Vertragslaufzeit etc. auf ein ‘anderes’
Vertragsverhältnis übertragen.“
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In ihrer Bilanz auf den 31.12.1998 bildete
die B im Hinblick auf die vereinnahmten Vergütungen passive
Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) in Höhe von insgesamt 130.029
DM. Diese erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) im Rahmen der Festsetzung der
Körperschaftsteuer für das Streitjahr - zuletzt durch
einen während des vorinstanzlichen Verfahrens erlassenen
Änderungsbescheid - nicht an. Die deswegen von der B erhobene
Klage, die nach Verschmelzung der B auf die Klägerin von
dieser fortgeführt worden ist, hat das Finanzgericht (FG)
Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, als
unbegründet abgewiesen. Sein Urteil vom 15.12.2005 3 K 100/02
ist in EFG 2006, 636 = SIS 06 18 59 abgedruckt.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision
der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts
geltend macht.
Die Klägerin beantragt
(sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Änderungsbescheid vom 25.10.2004 dahin zu ändern, dass
bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer der B für 1998
ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 130.029 DM
und die dadurch bedingte Verringerung der
Gewerbesteuer-Rückstellung berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist gemäß §
126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet
zurückzuweisen. Das FG hat die im Streitjahr von der B
vereinnahmten Vergütungen zu Recht nicht passiv
abgegrenzt.
1. Gemäß § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz
1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die Klägerin in ihren
Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den
handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die
„handelsrechtlichen“ GoB ergeben sich
insbesondere aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten
Buchs „Vorschriften für alle Kaufleute“ der
§§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB).
2. Gemäß § 250 Abs. 2 HGB sind
als RAP auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag
auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach
diesem Zeitpunkt darstellen; dem entspricht wörtlich § 5
Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. Diese Vorschriften sollen
gewährleisten, dass ein vom Steuerpflichtigen vorab
vereinnahmtes Entgelt entsprechend dem Realisationsprinzip (§
252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 und Nr. 5 HGB) erst dann - durch
Auflösung des RAP - erfolgswirksam wird, wenn der Kaufmann
seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat (Senatsurteil vom
23.2.2005 I R 9/04, BFHE 209, 248, BStBl II 2005, 481 = SIS 05 21 65; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.5.1983 VIII R
100/81, BFHE 138, 443, BStBl II 1983, 572 = SIS 83 15 10; vom
9.12.1993 IV R 130/91, BFHE 173, 393, BStBl II 1995, 202 = SIS 94 14 22). Gewinne dürfen erst berücksichtigt werden, wenn
sie am Abschlussstichtag durch Umsatzakte realisiert sind
(Senatsurteil vom 24.7.1996 I R 94/95, BFHE 181, 64, BStBl II 1997,
122 = SIS 96 22 31). Insoweit ist die Zielrichtung der passiven
Rechnungsabgrenzung mit der der Passivierung von Anzahlungen
(§ 266 Abs. 3 C. Nr. 3 HGB) vergleichbar.
3. Im Hinblick auf die für eine
Rechnungsabgrenzung erforderliche zeitliche Zuordenbarkeit des
Entgelts („bestimmte Zeit“) muss die noch
ausstehende Gegenleistung des Kaufmanns zeitbezogen oder periodisch
aufteilbar sein (vgl. Bauer in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff,
Einkommensteuergesetz, § 5 Rz F 97). Dies setzt eine zumindest
qualitativ gleich bleibende Dauerverpflichtung voraus (Senatsurteil
in BFHE 209, 248, BStBl II 2005, 481 = SIS 05 21 65; BFH-Urteile
vom 20.5.1992 X R 49/89, BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904 = SIS 92 17 15; vom 10.9.1998 IV R 80/96, BFHE 186, 429, BStBl II 1999, 21 =
SIS 98 23 22), die einem „Wertverzehr“
unterliegt (Senatsurteil vom 18.12.2002 I R 17/02, BFHE 201, 234,
BStBl II 2004, 126 = SIS 03 19 25, m.w.N.).
Da das bezogene Entgelt am jeweiligen
Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag für
eine bestimmte Zeit „nach diesem Zeitpunkt“
darstellt, muss darüber hinaus seitens des Kaufmanns eine
Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest
zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen (vgl.
Ellrott/Krämer in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 6. Aufl.,
§ 250 HGB Rz 20). Im Hinblick auf eine bereits vollzogene
Leistung kann eine Rechnungsabgrenzung nicht erfolgen (Senatsurteil
in BFHE 209, 248, BStBl II 2005, 481 = SIS 05 21 65; BFH-Urteile in
BFHE 173, 393, BStBl II 1995, 202 = SIS 94 14 22; in BFHE 138, 443,
BStBl II 1983, 572 = SIS 83 15 10).
4. Nach diesen Grundsätzen berechtigte
die vor dem Bilanzstichtag erfolgte Vereinnahmung der
streitbefangenen Vergütungen die B nicht zur Bildung von
passiven RAP. Insbesondere besteht auf der Grundlage der vom FG
getroffenen Feststellungen nicht der für eine passive
Abgrenzung erforderliche Zusammenhang zwischen den Zahlungen der
Kreditnehmer und nach dem Bilanzstichtag von der B noch zu
erbringenden Leistungen.
a) Erhält die Bank im Fall der
vorzeitigen Beendigung eines Darlehensverhältnisses vom
Darlehensnehmer eine Vorfälligkeitsentschädigung, handelt
es sich hierbei wirtschaftlich um eine Leistung, die den Schaden
ausgleichen soll, der der Bank durch die vorzeitige
Vertragsbeendigung entsteht (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -
BGH - vom 30.11.2004 XI ZR 285/03, BGHZ 161, 196). Derartige
Entschädigungen sind kein Entgelt für eine vom
Empfänger noch zu erbringende Gegenleistung, sondern für
eine einmalige, vor dem jeweiligen Stichtag durch Aufhebungsvertrag
(Verzicht) bereits vollzogene Leistung (Weber-Grellet in Schmidt,
EStG, 25. Aufl., § 5 Rz 246; Bauer in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 5 Rz F 296). Der
wirtschaftliche Grund für diese Einnahmeerzielung liegt somit
vor dem Bilanzstichtag (Schreiber in Blümich,
Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz,
Gewerbesteuergesetz, § 5 EStG Rz 904). Dementsprechend sind
beispielsweise Entschädigungen anlässlich der Aufhebung
von Hausverwalterverträgen (Senatsurteil in BFHE 209, 248,
BStBl II 2005, 481 = SIS 05 21 65) und
Ertragswertentschädigungen für die einvernehmliche
Einschränkung von Betrieben (Senatsurteil vom 11.7.1973 I R
140/71, BFHE 110, 248, BStBl II 1973, 840 = SIS 73 04 63) nicht
passiv abzugrenzen.
b) Entgegen der Sicht der Klägerin gilt
nichts anderes, wenn die Entschädigung nicht im Zusammenhang
mit einer vollständigen Beendigung des
Vertragsverhältnisses, sondern im Rahmen einer vorzeitigen
Änderung der Vertragsbedingungen - insbesondere der Laufzeit
oder des Zinssatzes - geleistet wird. Auch dann wird die
Entschädigung für die Entlassung des Kreditnehmers aus
den „alten“ Vertragskonditionen gezahlt und
stellt sie damit die Gegenleistung für eine vom Empfänger
bereits erbrachte Leistung - den Verzicht auf die Fortführung
des Vertrages zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen -
dar.
Dass im Streitfall die B auch nach den
Vertragsänderungen weiterhin zur Überlassung von
Darlehenskapital verpflichtet war und es sich hierbei um eine
Gegenleistung zur Zinszahlungspflicht der Kreditnehmer handelt,
besagt noch nicht, dass die vereinbarten Vergütungen im Rahmen
der Rechnungsabgrenzung als Gegenleistungen zu dieser
künftigen Kapitalüberlassungspflicht gewertet werden
müssten. Eine solche Verknüpfung könnte vielmehr nur
dann gerechtfertigt sein, wenn die Vergütungen nicht nur den
für die B nachteiligen Wegfall der bisherigen
Vertragskonditionen hätten ausgleichen sollen, sondern es sich
zugleich um ein Disagio zum Zwecke der Kompensation des
Unterschieds zwischen dem neu vereinbarten (Nominal-)Zinssatz und
dem Marktzins gehandelt hätte. Für einen solchen
Vertragszweck der Änderungsvereinbarungen ergibt sich jedoch
anhand der vom FG getroffenen Feststellungen kein Anhalt.
c) Richtigerweise differenziert das
angefochtene Urteil auch nicht danach, ob die B und die
Kreditnehmer, die eine Veränderung der Zins- oder
Laufzeitkonditionen gewünscht haben, aus zivilrechtlicher
Sicht die alten Kreditverträge durch neue ersetzt oder die
bestehenden Kreditverträge bloß geändert haben
(vgl. § 305 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - in der
im Streitjahr geltenden Fassung, jetzt § 311 Abs. 1 BGB).
Für die Bildung von passiven RAP ist in erster Linie das
Bestehen oder das Nichtbestehen eines wirtschaftlichen
Zusammenhangs zwischen der Einnahme und etwaigen künftigen
Leistungen maßgeblich, nicht aber die formale zivilrechtliche
Gestaltung. Aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet es aber keinen
für die Rechnungsabgrenzung erheblichen Unterschied, ob die
Vergütungen im Zusammenhang mit der Aufhebung der alten und
dem gleichzeitigen Abschluss von neuen Darlehensverträgen oder
ob sie im Rahmen der Änderung der Konditionen der bestehenden
Kreditverträge vereinbart worden sind.
d) Soweit die Klägerin sich für ihre
Auffassung schließlich auf BFH-Entscheidungen zur Behandlung
von Vorfälligkeitsentschädigungen im Umsatzsteuerrecht
(BFH-Urteil vom 20.3.1980 V R 32/76, BFHE 130, 435, BStBl II 1980,
538 = SIS 80 02 81), im Bereich der außergewöhnlichen
Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG (BFH-Urteil vom 3.3.2005 III
R 54/03, BFH/NV 2005, 1529 = SIS 05 36 86) und im Bereich der
gewerbesteuerrechtlichen Dauerschulden (BFH-Urteil vom 25.2.1999 IV
R 55/97, BFHE 188, 406, BStBl II 1999, 473 = SIS 99 13 29) beruft,
stehen diese der vorstehend dargelegten Sichtweise nicht entgegen.
Denn die in diesen Entscheidungen behandelten Rechtsfragen haben
keinen inhaltlichen Bezug zu der im Streitfall allein
maßgeblichen Frage der periodengerechten
Ergebnisermittlung.