Insolvenz, Aufrechnung gegen EigZul-Anspruch: Der Anspruch auf Eigenheimzulage für die dem Beginn der Eigennutzung folgenden Kalenderjahre wird insolvenzrechtlich mit dem Beginn des betreffenden Kalenderjahres begründet. Liegt dieser Zeitpunkt nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers gegen diesen Anspruch unzulässig. - Urt.; BFH 17.4.2007, VII R 34/06; SIS 07 19 24
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem am 13.6.2002
eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des
H (Schuldner). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -
FA - ) hatte mit Bescheid vom 14.1.1998 für den Schuldner
Eigenheimzulage in Höhe von 8.000 DM jährlich für
den Zeitraum 1996 bis 2003 festgesetzt. Nachdem das FA Kenntnis
davon erhalten hatte, dass der Schuldner am 19.6.2001 einen
Miteigentumsanteil an dem Objekt verbunden mit dem Sondereigentum
an der Wohnung im Erdgeschoss seiner Ehefrau übertragen hatte,
hob es mit dem Kläger bekannt gegebenen Bescheid vom 25.3.2003
die Eigenheimzulage ab 2002 auf und forderte den für 2002
bereits gezahlten Betrag von 4.090,34 EUR (= 8.000 DM) zurück.
Unter Berücksichtigung des dem Schuldner verbliebenen
Miteigentumsanteils an dem Objekt setzte das FA mit Bescheid vom
9.5.2003 Eigenheimzulage für den Zeitraum 2002 bis 2003 in
Höhe von jährlich 2.045,17 EUR (= 4.000 DM) fest. Nachdem
das FA im Mai 2003 gegen den Anspruch des Schuldners auf Zahlung
der Eigenheimzulage für das Jahr 2003 mit dem (hälftigen)
Rückforderungsanspruch betreffend die Eigenheimzulage 2002
durch entsprechende Umbuchungen aufgerechnet, der Kläger
jedoch der Aufrechnung widersprochen und die Zahlung des Betrags
für 2003 verlangt hatte, erließ das FA einen
entsprechenden Abrechnungsbescheid, der den Anspruch auf
Eigenheimzulage 2003 als durch Aufrechnung erloschen
auswies.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen
nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab (vgl. SIS 06 14 06). Das FG urteilte, dass § 96 Abs. 1 Nr. 1 der
Insolvenzordnung (InsO) der Aufrechnung nicht entgegenstehe, da der
Anspruch des Schuldners auf Zahlung der Eigenheimzulage in seinem
Kern schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
begründet worden sei. Der Schwerpunkt des zum Anspruch auf
Eigenheimzulage führenden Lebenssachverhalts liege zu Beginn
des Förderzeitraums und nicht in der jährlich andauernden
Nutzung des Objekts zu eigenen Wohnzwecken.
Mit seiner Revision macht der Kläger
geltend, dass bei der Frage, ob der Anspruch auf Zahlung der
Eigenheimzulage vor oder nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens begründet worden sei, nicht
jahresüberschreitend auf den Zeitpunkt der
Herstellung/Anschaffung des Objekts abgestellt werden dürfe,
da das Gesetz einen Anspruch auf Eigenheimzulage für jeweils
ein Jahr an die Nutzung zu Wohnzwecken durch den
Anspruchsberechtigten knüpfe.
Das FA schließt sich der Auffassung
des FG an.
II. Die Revision des Klägers ist
begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und Änderung des angefochtenen Abrechnungsbescheids (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Der Anspruch des Schuldners auf Zahlung der
Eigenheimzulage 2003 ist nicht durch Aufrechnung erloschen, da
§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Aufrechnung entgegensteht. Nach
dieser Vorschrift ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein
Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
Für die Frage, ob die Aufrechnung durch
den Insolvenzgläubiger nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO
möglich ist, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des
erkennenden Senats entscheidend, dass die Hauptforderung ihrem Kern
nach bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
entstanden ist. Damit wird die Aufrechnung gegen steuerrechtliche
Forderungen ermöglicht, die im Zeitpunkt der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens zwar noch nicht i.S. des § 38 der
Abgabenordnung (AO) entstanden, wohl aber insolvenzrechtlich
„begründet“ sind. Im Insolvenzverfahren des
Steuerpflichtigen kommt es nämlich hinsichtlich der Frage, ob
die Forderung der Finanzbehörde eine Insolvenzforderung ist
(§ 38 InsO) und ob gegen eine Forderung des
Insolvenzschuldners die Aufrechnung erklärt werden kann, nicht
darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war,
sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen
Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits
gelegt war. Für die Behandlung von Steueransprüchen
ergibt sich daraus, dass eine Steuerforderung immer dann
Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO ist, wenn sie vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Weise
„begründet“ worden ist, dass der zugrunde
liegende Sachverhalt, der zu der Entstehung der
Steueransprüche führt, bereits vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist. Nach denselben
Grundsätzen muss auch der Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen
Entstehung und damit die Aufrechenbarkeit eines steuerrechtlichen
Anspruchs des Schuldners gegen die Finanzbehörde beurteilt
werden (vgl. Senatsurteile vom 5.10.2004 VII R 69/03, BFHE 208, 10,
BStBl II 2005, 195 = SIS 05 08 34; vom 16.11.2004 VII R 75/03, BFHE
208, 296, BStBl II 2006, 193 = SIS 05 17 32, jeweils m.w.N.).
Bei der Eigenheimzulage ist insoweit zu
berücksichtigen, dass sie nicht einmalig, sondern im Rahmen
eines auf acht Jahre angelegten Dauerschuldverhältnisses
(Förderzeitraum gemäß § 3 des
Eigenheimzulagengesetzes - EigZulG - ) jahresabschnittsweise
gewährt wird. Hat der Förderzeitraum mit der Herstellung
bzw. Anschaffung der Wohnung begonnen, entsteht der Anspruch
für das erste Kalenderjahr mit der Nutzung der Wohnung zu
eigenen Wohnzwecken und für jedes weitere Kalenderjahr des
Förderzeitraums mit dem Beginn dieses Jahres, wenn die
Voraussetzungen der § 1, § 2, § 4 und § 6
EigZulG weiterhin vorliegen, insbesondere die Wohnung vom
Berechtigten auch in diesem Jahr zu eigenen Wohnzwecken genutzt
wird (§ 4 Satz 1, § 10, § 11 Abs. 3 EigZulG). Dass
die Eigenheimzulage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bei
Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nicht nur für das erste
Kalenderjahr, sondern zugleich für die Folgejahre festgesetzt
wird, ist eine rein verfahrensrechtliche Regelung, die -
insbesondere im Hinblick auf die Vorschrift des § 10 EigZulG -
nicht den Schluss zulässt, dass mit der erstmaligen
Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen auch bereits die
Ansprüche für sämtliche Kalenderjahre des
Förderzeitraums begründet werden.
Bei Dauerschuldverhältnissen dieser Art,
in denen steuerrechtliche Ansprüche zeitabschnittsweise unter
der Bedingung entstehen, dass die Anspruchsvoraussetzungen auch in
dem betreffenden Zeitabschnitt erfüllt sind, kann somit nicht
angenommen werden, dass der Anspruch bereits zu Beginn des
Dauerschuldverhältnisses insolvenzrechtlich begründet
wird. Abzustellen ist vielmehr auf den jeweiligen Zeitabschnitt und
darauf, zu welchem Zeitpunkt die materiellen Voraussetzungen
vorliegen, die für diesen Zeitraum den Anspruch entstehen
lassen. Dieser Betrachtungsweise steht auch nicht entgegen, dass -
wie sich aus der vorstehend angeführten Rechtsprechung des
erkennenden Senats ergibt - es bei der Anwendung des § 96 Abs.
1 Nr. 1 InsO nicht auf den Zeitpunkt der steuerrechtlichen
Entstehung des Anspruchs, sondern auf den Zeitpunkt ankommt, in dem
nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für
den Anspruch gelegt worden ist. Knüpft nämlich die
steuerrechtliche Vorschrift für die Anspruchsentstehung an die
Verwirklichung eines bestimmten Lebenssachverhalts an, wie es beim
Anspruch auf Eigenheimzulage für die Folgejahre im
Förderzeitraum der Fall ist, ist es nicht ausgeschlossen, dass
der Zeitpunkt der steuerrechtlichen Anspruchsentstehung und der
Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung des Anspruchs
identisch sind.
Da im Streitfall davon auszugehen ist, dass
der Schuldner im Jahr 2003 den bei ihm verbliebenen Teil des
begünstigten Objekts zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und
auch die Voraussetzungen der § 1, § 2 und § 6
EigZulG weiterhin vorlagen, ist sein Anspruch auf Eigenheimzulage
für das Jahr 2003 gemäß § 10 EigZulG mit dem
Beginn dieses Kalenderjahres und damit erst nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens begründet worden. Die Aufrechnung gegen
diesen Anspruch ist daher gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1
InsO unzulässig.