Aktienoptionen, Tarifbegünstigung ab 1999: 1. Geldwerte Vorteile aus einem Aktienoptionsprogramm bilden im Regelfall als Anreizlohn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit, wenn die Laufzeit zwischen Einräumung und Ausübung der Optionsrechte mehr als zwölf Monate beträgt und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch bei seinem Arbeitgeber beschäftigt ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 19.12.2006 VI R 136/01, BFHE 216 S. 251, BStBl 2007 II S. 456 = SIS 07 04 74). - 2. Als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit unterliegen die geldwerten Vorteile aus einem Aktienoptionsprogramm der ab 1999 geltenden Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG. - Urt.; BFH 18.12.2007, VI R 62/05; SIS 08 10 25
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr (2000) als
Vertriebsrepräsentant der S-GmbH Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. Zusätzlich zu seinem
regulären Gehalt erhielt er auf der Grundlage von
Aktienoptionsplänen aus den Jahren 1996 und 1998 Optionsrechte
zum Kauf von Aktien der Muttergesellschaft der S-GmbH zu einem
vorab festgelegten Kurs.
Der Aktienoptionsplan 1996 sah für den
Kläger Bezugsrechte für insgesamt 14.000 Aktien zu einem
Kaufpreis von ... US-$ pro Aktie vor. Die Optionsrechte konnten nur
innerhalb von zehn Jahren ab der Bewilligung vom 21.6.1996
ausgeübt werden. Zugleich war die Ausübung der
Optionsrechte bis zum 30.9.1997 auf 20 % der Optionsrechte
beschränkt. Im Anschluss daran konnten jeweils 5 % der
Optionsrechte nach Ablauf eines weiteren Quartals ausgeübt
werden. Aufgrund von Aktiensplits nach der Bewilligung erhöhte
sich die Anzahl der insgesamt zugeteilten Aktien auf 224
000.
Mit dem Aktienoptionsplan 1998 wurden dem
Kläger Bezugsrechte für insgesamt 20.000 Aktien zu einem
Kaufpreis von ... US-$ pro Aktie gewährt, die nur innerhalb
von zehn Jahren ab der Bewilligung vom 29.10.1998 ausgeübt
werden konnten. Die Ausübung war hierbei auf jeweils 5 % der
Optionsrechte nach Ablauf eines Quartals beschränkt. Die
Anzahl der zugeteilten Aktien erhöhte sich durch Aktiensplits
auf insgesamt 80 000.
Der Kläger übte die Optionsrechte
dergestalt aus, dass er im Rahmen des Aktienoptionsplans 1996 am
23.2.1999.100.800 Aktien, am 31.8.2000 67.200 Aktien und am
31.5.2003 56.000 Aktien erwarb. Im Rahmen des Aktienoptionsplans
1998 erwarb er am 31.8.2000 28.000 Aktien und am 31.5.2003 32.000
Aktien. Die Ausübung der Optionsrechte am 31.5.2003 erfolgte
zum letztmöglichen Termin nach der Kündigung des
Arbeitsverhältnisses durch den Kläger zum ... .
Bei der Veranlagung für das Streitjahr
berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erklärungsgemäß einen
Bruttoarbeitslohn in Höhe von ... DM. Hiervon entfielen auf
geldwerte Vorteile aus den im Streitjahr ausgeübten
Optionsrechten Teilbeträge in Höhe von 14.223.506 DM
(Aktienoptionsplan 1996) bzw. 5.673.700 DM (Aktienoptionsplan
1998). Gegen den Steuerbescheid für das Streitjahr vom
14.2.2003 legten die Kläger Einspruch ein und beantragten die
Anwendung der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden
Fassung auf die geldwerten Vorteile aus der Ausübung der
Optionsrechte. Im Einspruchsverfahren wurde der
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr aus anderen
Gründen mehrmals geändert, zuletzt durch
Einkommensteuerbescheid vom 26.2.2004.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in EFG
2005, 1775 = SIS 05 43 75 veröffentlichten Gründen ab.
Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, dass
die Einstufung der geldwerten Vorteile als außerordentliche
Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 EStG eine Zusammenballung
der zufließenden Vergütungen voraussetze. Diese
könne nur dann angenommen werden, wenn die Einkünfte, die
sich bei normalem Ablauf des Geschehens auf mehrere Jahre verteilt
hätten, dem Steuerpflichtigen vollständig in einem
einzigen Veranlagungszeitraum zuflössen. An der
Zusammenballung der Vergütungen fehle es im Streitfall, da der
Kläger seine Optionsrechte aus den Optionsplänen 1996 und
1998 in mehreren Veranlagungszeiträumen ausgeübt
habe.
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr dergestalt zu ändern, dass hinsichtlich der
Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
in Höhe von 19.897.206 DM die Tarifermäßigung des
§ 34 Abs. 1 EStG angewandt und dementsprechend die
Einkommensteuer um ... EUR herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben. Der
Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Ansicht
der Vorinstanz ist für die geldwerten Vorteile aus der
Ausübung der Aktienoptionen die Tarifermäßigung des
§ 34 Abs. 1 EStG zu gewähren.
1. Die geldwerten Vorteile aus der
Ausübung der Aktienoptionen führen beim Kläger im
Streitjahr zu einem - zwischen den Beteiligten unstreitigen -
Lohnzufluss in Höhe von 19.897.206 DM (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.6.2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395,
BStBl II 2001, 689 = SIS 01 11 33).
2. Nach § 34 Abs. 1 EStG ist die
Einkommensteuer auf die im zu versteuernden Einkommen enthaltenen
außerordentlichen Einkünfte nach der sog.
Fünftelregelung zu berechnen. Als außerordentliche
Einkünfte kommen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG
Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in
Betracht.
a) Geldwerte Vorteile aus der Ausübung
von Aktienoptionen bilden im Regelfall Anreizlohn für die
Laufzeit der Option bis zu ihrer Erfüllung. Der Senat hat
daher entsprechende Vorteile als Vergütungen für
mehrjährige Tätigkeiten i.S. des § 34 Abs. 3 EStG in
der bis zum Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Fassung (a.F.)
angesehen, wenn die Laufzeit zwischen Einräumung und
Ausübung der Option mehr als zwölf Monate betragen hat
und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch bei seinem Arbeitgeber
beschäftigt war. Für die Anwendung der
Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG a.F. ist es
danach unschädlich, dass dem Arbeitnehmer wiederholt
Aktienoptionen eingeräumt worden sind und die jeweilige Option
nicht in vollem Umfang einheitlich ausgeübt worden ist
(Senatsurteile vom 19.12.2006 VI R 136/01, BFHE 216, 251, BStBl II
2007, 456 = SIS 07 04 74; VI R 159/01, BFH/NV 2007, 696 = SIS 07 09 32; VI R 24/01, BFH/NV 2007, 881 = SIS 07 61 53; vom 15.3.2007 VI R
3/03, BFH/NV 2007, 1301 = SIS 07 20 03).
b) Die vom Senat zu § 34 Abs. 3 EStG a.F.
aufgestellten Grundsätze für die ermäßigte
Besteuerung der geldwerten Vorteile aus der Ausübung von
Aktienoptionen gelten in gleicher Weise für die im Streitfall
maßgebliche Neuregelung der Vergütungen für
mehrjährige Tätigkeiten in § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG
(Senatsbeschluss vom 17.10.2007 VI B 82/07, BFH/NV 2008, 46 = SIS 08 04 69; Schmidt/Seeger, EStG, 26. Aufl., § 34 Rz 40). Durch
das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I
1999, 402, BStBl I 1999, 304) wurde die in § 34 Abs. 3 EStG
a.F. enthaltene Tarifermäßigung für derartige
Vergütungen in die neu geschaffene Tarifermäßigung
des § 34 Abs. 1 EStG übernommen, indem die
Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in den
Katalog der außerordentlichen Einkünfte des § 34
Abs. 2 EStG aufgenommen wurden.
Die Einbeziehung der Vergütungen für
mehrjährige Tätigkeiten in die Fünftelregelung des
§ 34 Abs. 1 EStG führte indessen nicht zu einer
Änderung der Voraussetzungen für die ermäßigte
Besteuerung dieser Vergütungen (Blümich/Lindberg, §
34 EStG Rz 57; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 34
EStG Rz 60). Denn der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung des
§ 34 EStG lediglich auf der Rechtsfolgenseite eine
Steuervereinfachung durch Verzicht auf unterschiedliche
Entlastungsregelungen für die einzelnen Arten der
außerordentlichen Einkünfte erreichen (BTDrucks 14/23,
S. 183). Er ging damit in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des BFH zu § 34 Abs. 3 EStG a.F. davon aus,
dass es sich auch bei den Vergütungen für
mehrjährige Tätigkeiten um außerordentliche
Einkünfte handeln müsse (BFH-Urteil vom 17.2.1993 I R
119/91, BFH/NV 1993, 593). Aus der Übernahme der
Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 3 EStG a.F. und der
ausdrücklichen Zuordnung zu den außerordentlichen
Einkünften in § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ergibt sich, dass
die Neuregelung der Vergütungen für mehrjährige
Tätigkeiten nicht von der bisherigen Rechtsprechung des BFH
zur Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale abweichen sollte
(BFH-Urteil vom 14.12.2006 IV R 57/05, BFHE 216, 247, BStBl II
2007, 180 = SIS 07 03 16; Beschluss vom 27.5.2005 IV B 76/03,
BFH/NV 2005, 1788 = SIS 05 40 43).
3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im
Streitfall zu Unrecht angenommen, dass die geldwerten Vorteile aus
der Ausübung der Aktienoptionen nicht als Vergütungen
für mehrjährige Tätigkeiten i.S. des § 34 Abs.
2 Nr. 4 EStG der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1
EStG unterliegen.
Das FG geht zutreffend davon aus, dass die
Einstufung der geldwerten Vorteile als außerordentliche
Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 EStG eine Zusammenballung
der zufließenden Vergütungen voraussetzt
(Schmidt/Seeger, a.a.O., § 34 Rz 17; HHR/Horn, § 34 EStG
Rz 15, jeweils m.w.N.). Im Gegensatz zur Auffassung des FG ist es
hierfür jedoch nicht erforderlich, dass Aktienoptionen, die
auf der Grundlage eines einheitlichen Optionsplans gewährt
wurden, vollständig in einem einzigen Veranlagungszeitraum
ausgeübt werden. Maßgeblich für die Anwendung der
Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG auf geldwerte
Vorteile aus der Ausübung von Aktienoptionen ist - wie unter
II. 2. a dargelegt - allein eine Laufzeit der einzelnen
Aktienoptionen von mehr als zwölf Monaten bei gleichzeitiger
Beschäftigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber.
Nach den mit Revisionsrügen nicht
angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118 Abs.
2 FGO bindenden Feststellungen des FG betrug die Laufzeit der im
Streitjahr auf der Grundlage der Aktienoptionspläne 1996 und
1998 ausgeübten Aktienoptionen zum Ausübungszeitpunkt am
31.8.2000 jeweils mehr als zwölf Monate. Der Kläger war
während der Laufzeit auch bei der S-GmbH beschäftigt.
Die Kläger haben im Einspruchsverfahren
den für die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG erforderlichen
Antrag gestellt, die Einkommensteuer auf die geldwerten Vorteile
aus der Ausübung der Optionsrechte nach der
Fünftelregelung zu berechnen.
4. Die Vorentscheidung ist von anderen
rechtlichen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Der Einkommensteuerbescheid in Gestalt
der Einspruchsentscheidung des FA ist dahingehend abzuändern,
dass die Einkommensteuer auf die geldwerten Vorteile aus der
Ausübung der Aktienoptionen nach § 34 Abs. 1 EStG
berechnet wird. Die Änderung des Einkommensteuerbescheids ist
hierbei auf den von den Klägern beantragten
Herabsetzungsbetrag in Höhe von ... EUR beschränkt. Die
Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen
(§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).