Klagerücknahme, elektronische Signatur, Unwiderruflichkeit: 1. Eine dem FG elektronisch übermittelte Klagerücknahme musste im Jahr 2004 nach dem seinerzeit geltenden § 77 a FGO a.F. nicht zwingend mit einer elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sein. - 2. Eine Klagerücknahme ist grundsätzlich unwiderruflich. Das gilt auch dann, wenn die Klagerücknahme gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO nur mit Einwilligung des Beklagten möglich ist und der Beklagte diese Einwilligung noch nicht erteilt hat. - Urt.; BFH 26.10.2006, V R 40/05; SIS 06 48 79
I. Streitig ist die Wirksamkeit einer
elektronisch übermittelten Klagerücknahme.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger), ein Rechts- und Betriebswirt, betrieb ein
Beschallungsunternehmen („Soundservice“). Er erhob
gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1996 bis 1998 des
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) Klage.
Die Klage wegen Umsatzsteuer 1996 wurde
beim Finanzgericht (FG) unter dem Az. 1 K 1574/03, die Klage wegen
Umsatzsteuer 1997 unter dem Az. 1 K 1576/03 und die Klage wegen
Umsatzsteuer 1998 unter dem Az. 1 K 1577/03 geführt. Durch
Beschluss vom 3.3.2004 wurden die Verfahren vom FG zu gemeinsamer
Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. 1 K 1574/03
verbunden.
In einem Erörterungstermin vor der
Berichterstatterin des FG am 30.3.2004 erklärte das FA, dass
es dem Klagebegehren teilweise nachkommen werde; ferner
verzichteten beide Beteiligten auf die Durchführung einer
mündlichen Verhandlung. Nach weiterem Schriftsatzwechsel hat
das FA den Umsatzsteuerbescheid für 1997 am 8.6.2004 und den
Umsatzsteuerbescheid für 1998 am 22.7.2004 zugunsten des
Klägers geändert.
Mit Schreiben vom 29.7.2004 erklärte
der Kläger unter dem Az. 1 K 1574/03, er nehme die Klage
nunmehr zurück. Das einseitige Schreiben - mit vorgedrucktem
Briefkopf - ist nicht eigenhändig, sondern lediglich
maschinenschriftlich vom Kläger unterschrieben worden und
trägt unten auf der Seite den vorgedruckten Zusatz: „Da
das Schreiben per Computer-Fax übermittelt worden ist, gilt es
ohne eigenhändige Unterschrift!“ Entgegen diesem Zusatz
wurde das Schreiben dem FG nicht per Computerfax, sondern im Wege
des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt. Das Dokument
ist nicht mit einer elektronischen Signatur versehen, wie in dem
Protokoll des FG über den Eingang des Schreibens festgehalten
wurde.
Der Kläger hatte schon vor der
Erklärung der Klagerücknahme weitere nicht von ihm
eigenhändig unterschriebene und nicht mit einer elektronischen
Signatur versehene Schriftsätze per elektronischem
Rechtsverkehr dem FG zugeleitet. Dabei hatte er den gleichen
Briefbogen wie bei der Klagerücknahme verwendet. Teilweise
hatte er noch die ursprünglichen Aktenzeichen 1 K 1576/03
(Umsatzsteuer 1977) und 1 K 1577/03 (Umsatzsteuer 1998) angegeben
(Schriftsätze vom 3.5.2004 und vom 17.6.2004). Er hatte aber
auch unter dem neuen (gemeinsamen) Az. 1 K 1574/03 eine das
Streitjahr 1998 betreffende Stellungnahme abgegeben (Schriftsatz
vom 4.6.2004).
Durch Beschluss vom 30.7.2004 stellte das
FG das Verfahren wegen Umsatzsteuer 1996, 1997 und 1998 (insgesamt)
ein.
Daraufhin machte der Kläger mit
Telefax vom 6.8.2004 geltend, er habe eine Klagerücknahme
lediglich für das die Umsatzsteuer 1998 betreffende Verfahren
erklärt. Hilfsweise fechte er seine
Rücknahmeerklärung wegen Irrtums an. Ferner machte er
geltend, die Klagerücknahme sei gemäß § 72
Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unwirksam, weil sie
bei einem Verzicht auf mündliche Verhandlung - wie hier - nur
mit Einwilligung des FA möglich sei, die dieses nicht erteilt
habe.
In der daraufhin am 13.10.2004
durchgeführten mündlichen Verhandlung hob das FG seinen
Einstellungsbeschluss vom 30.7.2004 auf. Der Vertreter des FA
erklärte, er stimme der mit Schriftsatz vom 29.7.2004
erklärten Klagerücknahme zu. Der Kläger
erklärte die Rücknahme der Klage für das Jahr 1998.
Der Vertreter des FA stimmte dem vorsorglich zu. Der Kläger
beantragte, die Einspruchsentscheidung vom 14.7.2003 betreffend den
Umsatzsteuerbescheid für 1996 vom 4.12.2000 aufzuheben und
unter erneuter Änderung des Änderungsbescheides vom
8.6.2004 die Umsatzsteuer für 1997 um 65,20 DM niedriger
festzusetzen.
Das FG stellte durch Urteil fest, dass die
Klage mit Schriftsatz vom 29.7.2004 zurückgenommen worden ist.
Es führte zur Begründung u.a. aus, das Klagebegehren sei
für alle drei Jahre erledigt und nicht fortzusetzen. Der
Kläger habe durch die Erklärung vom 29.7.2004 die Klage
wirksam (insgesamt) zurückgenommen.
Soweit der Kläger die
Rücknahmeerklärung wegen Irrtums angefochten habe,
führe dies nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung, da die
Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die
Anfechtung von Willenserklärungen nicht für die
Anfechtung von Prozesshandlungen gelten würden.
Auch ein Widerruf der
Rücknahmeerklärung - legte man die ausdrücklich als
Anfechtung bezeichnete Erklärung des Klägers als solchen
aus - sei grundsätzlich unzulässig.
Schließlich sei auch unter
Berücksichtigung des Grundsatzes des fairen Verfahrens die
Rücknahme wirksam erfolgt. Entscheidend sei insoweit, dass das
Gericht als Empfänger der Prozesserklärung diese nur als
Erklärung für alle drei Streitjahre habe begreifen
können. Denn dem Kläger sei aufgrund des
Verbindungsbeschlusses vom 3.3.2004 das Az. 1 K 1574/03 als das
für alle Streitjahre maßgebende Aktenzeichen bekannt
gewesen. Dies verdeutlichten insbesondere auch die
Schriftsätze des Klägers vom 1.4.2004, 4.4.2004 und
3.5.2004, in denen er unter diesem Aktenzeichen zu allen
Streitjahren vorgetragen habe. Da der Kläger zudem Rechtswirt
und Betriebswirt sei und über gewisse verfahrensrechtliche
Kenntnisse verfüge, sei es nicht geboten gewesen, seine dem
Wortlaut nach eindeutige Rücknahmeerklärung in Zweifel zu
ziehen.
Eine andere Beurteilung folge
schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass die im
elektronischen Rechtsverkehr übermittelte
Rücknahmeerklärung eine negative Signaturprüfung
aufweise. Denn der Kläger wende sich - dies habe er auf
Nachfrage des Gerichts im Termin zur mündlichen Verhandlung
ausdrücklich bestätigt - nicht dagegen, dass er die
Erklärung als solche abgegeben habe, sondern lediglich gegen
deren Auslegung. Insofern sei die negative Signaturprüfung
nicht entscheidungserheblich.
Das Urteil ist in EFG 2005, 1952 = SIS 06 00 66 teilweise abgedruckt.
Mit der Revision macht der Kläger im
Wesentlichen geltend, eine wirksame Klagerücknahme liege nicht
vor.
§ 126a BGB schreibe für die
Übermittlung elektronischer Dokumente zwingend vor, dass das
übermittelte elektronische Dokument an Stelle der
eigenhändigen Unterschrift zwingend mit einer qualifizierten
elektronischen Signatur zu versehen sei, die hier fehle. Etwas
anderes ergebe sich nicht aus § 77a FGO. Diese Vorschrift sei
nicht auf bestimmende Schriftsätze wie Klagerücknahmen
anwendbar.
Überdies scheitere die Wirksamkeit der
Klagerücknahme an § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO, wonach eine
Klagerücknahme nach Verzicht auf eine mündliche
Verhandlung nur mit Einwilligung des Beklagten möglich sei.
Aufgrund des übereinstimmenden Verzichts der Beteiligten im
Erörterungstermin vom 30.3.2004 habe eine Klagerücknahme
mithin der Einwilligung des FA bedurft, die aber erst während
der mündlichen Verhandlung am 13.10.2004 erklärt worden
sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er seine Rücknahmeerklärung
aber bereits widerrufen, nämlich mit Schriftsatz vom 6.8.2004.
Ein solcher Widerruf der Klagerücknahme vor einer
gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO erforderlichen
Einwilligung des Beklagten sei wirksam, wie das FG
Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 30.5.1997 1 K 46/96 (EFG
1997, 1031) entschieden habe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung
der Vorentscheidung nach seinem in der mündlichen Verhandlung
vor dem FG gestellten Klageantrag zu erkennen.
Das FA tritt der Revision entgegen und
beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet; sie ist daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die
vom Kläger erklärte Klagerücknahme formwirksam ist,
alle drei Streitjahre erfasst und den Kläger bindet.
1. Im Zeitpunkt der Klagerücknahme am
29.7.2004 galt § 72 Abs. 1 FGO in folgender Fassung:
„Der Kläger kann seine Klage bis zur Rechtskraft des
Urteils zurücknehmen. Nach Schluss der mündlichen
Verhandlung, bei Verzicht auf die mündliche Verhandlung und
nach Ergehen eines Gerichtsbescheides ist die Rücknahme nur
mit Einwilligung des Beklagten möglich.“
§ 72 Abs. 1 Satz 3 FGO, wonach die
Einwilligung als erteilt gilt, wenn der Klagerücknahme nicht
innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme
enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird, ist erst am 1.9.2004
in Kraft getreten (vgl. Art. 7 und 14 des
Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.8.2004, BGBl I 2004,
2198).
2. Eine Klage muss entweder schriftlich
zurückgenommen werden oder mündlich zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, in der mündlichen
Verhandlung vor dem FG oder in einer Verhandlung vor dem
Einzelrichter/Berichterstatter, die dem Protokollzwang unterliegt,
erklärt werden (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 8.8.1991 VI B 134/90, BFH/NV 1992, 49).
Ein Rücknahmeschriftsatz ist
grundsätzlich eigenhändig zu unterschreiben (§ 72
Abs. 1, § 155 FGO i.V.m. § 269 Abs. 2 der
Zivilprozessordnung - ZPO - ). Von dem Erfordernis der
eigenhändigen Unterschrift sieht die Rechtsprechung ab, wenn
der Schriftsatz durch moderne Medien übermittelt wird, bei
denen eine eigenhändige Unterschrift nicht möglich ist
und wenn sich aus dem Schriftsatz in Verbindung mit den ihn
begleitenden Umständen keine Zweifel über den Aussteller
und seinen Willen ergeben, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu
bringen (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
Abgabenordnung–Finanzgerichtsordnung, § 72 FGO Rz. 82,
m.w.N.).
Diesen Anforderungen ist im Streitfall dadurch
genügt, dass die Rücknahmeerklärung des Klägers
vom 29.7.2004 als elektronisches Dokument per E-Mail in einer
für die Bearbeitung durch das FG geeigneten Form an dieses
übermittelt und dort von dessen für den Empfang
derartiger Dokumente bestimmten Einrichtung aufgezeichnet
wurde.
a) Soweit für vorbereitende
Schriftsätze und deren Anlagen, für Anträge und
Erklärungen der Parteien sowie für Auskünfte,
Aussagen, Gutachten und Erklärungen Dritter die Schriftform
vorgesehen ist, genügt nach § 77a Abs. 1 Satz 1 FGO
dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn
dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Die
verantwortende Person soll das Dokument mit einer qualifizierten
Signatur nach dem Signaturgesetz versehen (§ 77a Abs. 1 Satz 2
FGO).
§ 126a BGB, wonach der Aussteller der
Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das
elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen
Signatur nach dem Signaturgesetz versehen muss, wenn die gesetzlich
vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form
ersetzt werden soll, ist entgegen der Ansicht des Klägers
nicht einschlägig. Die Vorschrift betrifft
Willenserklärungen, nicht aber die Abgabe von
Prozesserklärungen gegenüber einem Gericht.
b) § 77a FGO ist im Streitfall (noch)
anwendbar. Die Vorschrift wurde durch Art. 9 Nr. 1 des Gesetzes zur
Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer
Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr
(FormVorAnpG) vom 13.7.2001 (BGBl I 2001, 1542, 1546) mit Wirkung
vom 1.8.2001 in die FGO aufgenommen. Sie wurde zwar mittlerweile
durch das Justizkommunikationsgesetz (JKomG) vom 22.3.2005 (BGBl I
2005, 837) aufgehoben und durch die Regelung des § 52a FGO
ersetzt. Das JKomG ist jedoch erst am 1.4.2005 in Kraft getreten
mit der Folge, dass die Frage, ob im Streitfall durch
Übermittlung der Klagerücknahme vom 29.6.2004 die Klage
wirksam zurückgenommen wurde, noch auf der Grundlage des
§ 77a FGO zu entscheiden ist.
c) Die Voraussetzungen des § 77a Abs. 1
Satz 1 FGO sind erfüllt. Die Vorschrift erfasst die
bestimmenden und vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten
(vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zum FormVorAnpG,
BTDrucks 14/4987, S. 24, 38; Brandis, Steuer und Wirtschaft - StuW
- 2003, 349, 360, m.w.N.). Eine Klagerücknahme ist eine
„Erklärung“ im Sinne dieser Vorschrift.
d) Unerheblich ist, dass der Kläger die
von ihm erklärte Klagerücknahme nicht mit einer
qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz
versehen hat.
Die Regelung des § 77a Abs. 1 Satz 2 FGO,
wonach die Person, die ein elektronisch übermitteltes Dokument
i.S. des § 77a Abs. 1 Satz 1 FGO verantwortet, dieses mit
einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem
Signaturgesetz versehen „soll“, ist eine
bloße Ordnungsvorschrift (vgl. die Begründung des
Gesetzentwurfs zum FormVorAnpG, BTDrucks 14/4987, S. 24, 38). Der
gegenteiligen Auffassung, das „soll“ i.S. des
§ 77a Abs. 1 Satz 2 FGO sei als ein „muss“
zu verstehen (vgl. FG Münster, Urteil vom 23.3.2006 11 K
990/05 F, EFG 2006, 994 = SIS 06 29 08), vermag der Senat nicht zu
folgen.
Das FG Münster stützt seine
Auffassung im Wesentlichen auf ein dahin gehendes
Normverständnis des Vermittlungsausschusses (vgl.
Stenografischer Bericht über die 765. Sitzung des Bundesrates
am 22.6.2001, Anlage 9, Erklärung von Minister Dr. Andreas
Wirkmann zu Punkt 55 der Tagesordnung). Dieses Normverständnis
findet aber im Wortlaut des § 77a Abs. 1 Satz 2 FGO keinen
Ausdruck (vgl. auch Brandis, StuW 2003, 349, 360). Erst durch die
Neuregelung in § 52a FGO hat der Gesetzgeber normiert, dass
elektronische Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden
Schriftstück gleichstehen, grundsätzlich mit einer
qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 des
Signaturgesetzes zu versehen sind (vgl. § 52a Abs. 1 Satz 3
FGO), dass aber auch ein anderes Verfahren zugelassen werden kann,
das die Authentizität und die Integrität des
übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt (vgl.
§ 52a Abs. 1 Satz 4 FGO).
Auch die im Streitfall anwendbare, aufgrund
des § 77a Abs. 2 Satz 1 FGO erlassene Verordnung über den
elektronischen Rechtsverkehr im finanzgerichtlichen Verfahren des
Landes Brandenburg vom 1.8.2003 (Gesetz- und Verordnungsblatt -
GVBl - II 2003, 463) sieht nicht vor, dass beim FG auf
elektronischem Weg eingereichte Dokumente zwingend mit einer
elektronischen Signatur zu versehen sind.
e) Daran, dass die Klagerücknahme vom
29.7.2004 vom Kläger stammt, konnten keine Zweifel entstehen,
weil er bereits zuvor auf entsprechende Weise mit dem FG
kommuniziert hatte.
3. Das FG ist mit Recht davon ausgegangen,
dass die Klagerücknahme vom 29.7.2004 alle drei Streitjahre
umfasst.
Dies hat das FG zutreffend begründet und
ist im Revisionsverfahren auch nicht mehr streitig.
4. Das FG hat ferner zutreffend entschieden,
dass der Kläger an seine Rücknahmeerklärung gebunden
war.
a) Eine Klagerücknahme ist als
Prozesshandlung grundsätzlich unwiderruflich und kann auch
nicht - etwa in entsprechender Anwendung der
bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Anfechtung
von Willenserklärungen - angefochten werden (vgl. BFH-Urteile
vom 8.7.1969 II R 108/66, BFHE 96,
552, BStBl II 1969, 733 = SIS 69 04 74; vom 6.7.2005 XI R 15/04,
BFHE 210, 4, BStBl II 2005, 644 = SIS 05 37 92, unter II.2.,
m.w.N.).
Die FGO sieht aber gleichwohl in § 72
Abs. 2 Satz 3 ausdrücklich den Fall vor, dass in einem
Steuerrechtsstreit nachträglich die Unwirksamkeit einer
Klagerücknahme geltend gemacht wird. Das spricht dafür,
dass der Gesetzgeber entsprechend der Rechtsprechung des BFH vor
Inkrafttreten der FGO (vgl. dazu BFH-Urteil vom 17.8.1961 IV 176/59 S, BFHE 74, 284, BStBl III 1962, 107 =
SIS 62 00 68, m.w.N.) die Möglichkeit offenhalten
wollte, insbesondere in den Fällen, in denen ein
rechtsunkundiger Steuerpflichtiger in unzulässiger Weise -
etwa durch Drohung, Druck, Täuschung oder auch unbewusste
Irreführung - zur Abgabe einer solchen Erklärung
veranlasst worden ist, die Unwirksamkeit einer Klagerücknahme
anzunehmen. Der BFH hat deshalb nach dem Inkrafttreten der FGO
diese Rechtsprechung fortgesetzt und betont, dass es als
Verstoß gegen die im Steuerrecht zu beachtenden
Grundsätze des Vertrauensschutzes angesehen werden
müsste, in derartigen Fällen einen Steuerpflichtigen an
seiner Erklärung festzuhalten (vgl. BFH-Beschluss vom
19.1.1972 II B 26/69, BFHE 104, 291,
BStBl II 1972, 352 = SIS 72 02 10, m.w.N.; BFH-Urteil in
BFHE 210, 4, BStBl II 2005, 644 = SIS 05 37 92, unter II.2.,
m.w.N.). Ein derartiger Ausnahmefall liegt im Streitfall nicht
vor.
Ein Wiederaufnahmegrund i.S. der §§
579 und 580 ZPO, der den Widerruf einer Klagerücknahme
ausnahmsweise rechtfertigen kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV
1992, 49), ist ebenfalls nicht gegeben.
b) Der Kläger war an seine Erklärung
über die Klagerücknahme gebunden, solange die nach §
72 Abs. 1 Satz 2 FGO erforderliche Einwilligung des Beklagten noch
nicht versagt war (vgl. BFH-Beschluss vom 3.8.1978 VI R 73/78, BFHE
125, 498, BStBl II 1978, 649 = SIS 78 03 55; Niedersächsisches
FG vom 3.3.2004 9 K 365/01, EFG 2004, 1239 = SIS 04 26 28; Koch in
Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 72 Rz. 19; von
Wedel in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 72 Rz. 17; Clausing
in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 92 Rz. 23;
Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 92 Rz. 10;
Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 92 Rz. 11).
Der Senat folgt nicht der gegenteiligen
Auffassung, solange der Beklagte einer Klagerücknahme nicht
gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO zugestimmt habe,
könne sie wirksam widerrufen werden (so aber FG
Mecklenburg-Vorpommern, Urteil in EFG 1997, 1031; Brandis in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 72 FGO
Rz. 18; Albert in Haarmann/Schmieszek, Rechtsschutz in Steuer- und
Abgabenangelegenheiten, 66101, Rz. 200; Stöcker in Beermann,
Steuerliches Verfahrensrecht, § 72 FGO Rz. 43).
aa) Denn der Grundsatz der Unwiderruflichkeit
einer Prozesserklärung gilt auch in den Fällen des §
72 Abs. 1 Satz 2 FGO, in denen die Einwilligung des FA zur
Klagerücknahme erforderlich ist. Dies sind die Fälle, in
denen die Klagerücknahme nach dem Schluss der mündlichen
Verhandlung, bei Verzicht auf die mündliche Verhandlung oder
nach Ergehen eines Gerichtsbescheids erklärt wird. In allen
drei Fällen handelt es sich um Verfahren, in denen die
mündliche Verhandlung abgeschlossen ist oder als abgeschlossen
gilt (vgl. von Wedel in Schwarz, a.a.O., § 72 Rz. 19, m.w.N.).
Die erforderliche Einwilligung dient ausschließlich dem
Interesse des Beklagten an einer gerichtlichen Entscheidung bei
einem bereits weit fortgeschrittenen Prozessstadium (vgl.
Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 72 FGO
Rz. 98; von Wedel in Schwarz, a.a.O., § 72 Rz. 22). § 72
Abs. 1 Satz 2 FGO schränkt die Rücknahmemöglichkeit
ein; der Kläger soll sich dem abweisenden Urteil nur mit
Einwilligung des Beklagten entziehen können (so die
Gesetzesbegründung, vgl. BTDrucks IV/1446 vom 2.8.1963, S. 13,
52). Die Vorschrift dient mithin dem Schutz des Beklagten und nicht
dem Schutz des Klägers. Die Rechte des Klägers sind daher
unabhängig davon, ob eine Einwilligung des Beklagten
erforderlich ist oder nicht, die gleichen.
Würde man den Widerruf in diesen
Fällen ausnahmsweise zulassen, so wäre die
Bindungswirkung der Rücknahmeerklärung in vielen
Fällen vom Zufall abhängig, ob sie nun vor oder nach
Erlass eines Gerichtsbescheides bzw. ob sie bei Verzicht oder ohne
Verzicht auf die mündliche Verhandlung erklärt
würde. Es gibt keinen Grund, warum die
Rücknahmeerklärung des Klägers in diesen Fällen
unterschiedliche Bindungswirkung haben sollte. Wenn der Kläger
die Klagerücknahme erklärt, ist er in jedem Fall nach den
allgemeinen prozessualen Grundsätzen daran gebunden.
bb) Dem steht - entgegen der Auffassung des FG
Mecklenburg-Vorpommern im Urteil in EFG 1997, 1031 - nicht
entgegen, dass ein Kläger seine Erledigungserklärung bis
zum Eingang der Erledigungserklärung des Beklagten widerrufen
kann (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 23.10.1968 VII B 7/66, BFHE 94, 46, BStBl II 1969, 80 = SIS 69 00 57, m.w.N.; vom 28.10.1988 III B 184/86, BFHE 155, 12,
BStBl II 1989, 107 = SIS 89 01 50). Denn eine
Erledigungserklärung ist nicht mit der Erklärung der
Klagerücknahme zu vergleichen (vgl. Rennert in Eyermann,
a.a.O.). Die einseitige Erledigungserklärung eines Beteiligten
bewirkt noch keine Beendigung des Rechtsstreits. Soweit sie vom
Kläger abgegeben wird, ist sie ein Antrag an das Gericht, der
allerdings bezweckt, dass der Rechtsstreit ohne Entscheidung
über den Streitgegenstand beendet werden soll. Er tritt an die
Stelle des ursprünglichen Sachantrags, ist aber analog §
268 Nr. 2 und 3 ZPO nicht den für eine Klageänderung
geltenden Vorschriften unterworfen. Der Kläger muss deshalb
die Möglichkeit haben, bis zum Eingang der
Erledigungserklärung des Beklagten seinen Antrag erneut zu
ändern, also seine Erledigungserklärung zu widerrufen
(vgl. BFH-Beschluss in BFHE 94, 46, BStBl II 1969, 80 = SIS 69 00 57; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 15.11.1991 4 C 27/90, DVBl 1992, 777; Ruban in Gräber,
FGO, § 138 Rz. 16).
Anders ist es bei der Erklärung einer
Klagerücknahme. Sofern die nach § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO
erforderliche Einwilligung des FA erteilt wird, entfällt die
Rechtshängigkeit der Klage (vgl. Birkenfeld in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 72 FGO Rz. 20, 99,
187). Wird die Einwilligung durch das FA nicht erteilt oder
rechtzeitig (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 3 FGO n.F.) verweigert,
bleibt die Erklärung ohne Wirkung (vgl. BFH-Urteil vom
19.8.1998 I R 13/98, BFH/NV 1999, 619 = SIS 98 53 42, m.w.N.).
Gleichwohl hat ein Kläger bereits mit Zugang seiner
Rücknahmeerklärung bei Gericht alles aus seiner Sicht
Erforderliche getan und den weiteren Prozessverlauf aus der Hand
gegeben (vgl. Niedersächsisches FG in EFG 2004, 1239 = SIS 04 26 28).