Milchgarantiemengenabgabe, Verrechnung von Überlieferung bzw. Unterlieferung: 1. Das Gemeinschaftsrecht überlässt den Mitgliedstaaten die Entscheidung, ob und ggf. wie Über- und Unterlieferungen einzelner Milcherzeuger im Rahmen der Milchgarantiemengenregelung miteinander verrechnet werden können. - 2. Nach der MGV sind für die Berechnung der Saldierungsschlüssel grundsätzlich die Informationen über Referenzmengen und Anlieferungsdaten maßgeblich, die sich aus den Käufermeldungen zum 15. Mai ergeben; spätere Erkenntnisse bleiben unberücksichtigt. - Urt.; BFH 31.5.2006, VII B 48/05; SIS 06 41 18
I. Die Klägerin und
Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Milcherzeugerin in den
neuen Bundesländern. Sie liefert Milch an die M eG
(Käufer). Im Zwölf-Monats-Zeitraum 1998/1999 stand ihr
eine Anlieferungs-Referenzmenge (ARM) in Höhe von 1.329.916 kg
zu, die sie um 96.065 kg überlieferte. Nach der dreistufigen
Saldierung gemäß § 7b der hier noch anwendbaren
Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) verblieb eine
abgabenpflichtige Überlieferung in Höhe von 35.879 kg,
für die der Käufer beim Hauptzollamt X, dessen Aufgaben
der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt - HZA - ) ab
1.1.2002 übernommen hat, eine von der Klägerin zu
zahlende Milchgarantiemengenabgabe (MGA) in Höhe von 25.004,08
DM anmeldete.
Mit ihrer nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte die Klägerin im
Wesentlichen geltend, dass die Anmeldung der MGA auf einem
fehlerhaft festgesetzten Saldierungsschlüssel beruhe. Gegen
sie dürfe keine MGA festgesetzt werden, weil ihre
Überlieferungen in voller Höhe durch Unterlieferungen
anderer Milcherzeuger im Beitrittsgebiet ausgeglichen würden.
Bereits im Milchwirtschaftsjahr 1997/1998 und auch im
Milchwirtschaftsjahr 1998/1999 seien Lieferungen hessischer
Milcherzeuger auf Quoten von Milcherzeugern im Beitrittsgebiet
angerechnet worden, wodurch sich die für die Saldierung
innerhalb der neuen Bundesländer zur Verfügung stehenden
Liefermengen verringert hätten. Da die Saldierung auf der
Ebene der neuen Bundesländer dem Schutz der Milcherzeuger im
Beitrittsgebiet diene, dürften die tatsächlich von
westdeutschen Milcherzeugern erzeugten Mengen bei der
Gebietssaldierung für die neuen Bundesländer nach §
7b Abs. 2 Nr. 1 MGV nicht berücksichtigt werden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Es urteilte, dass eine andere als die vom Käufer vorgenommene
Saldierung aufgrund der dem Käufer im Mai bzw.7.1999 bekannten
Daten nicht in Betracht komme. Die Möglichkeit der Saldierung
bestehe nur, wenn Unterlieferungen anderer Milcherzeuger
tatsächlich vorlägen und nicht durch Manipulationen
Dritter geringer ausgefallen seien. Änderungen von
Anlieferungsdaten, die Auswirkungen auf die Höhe der
Über- bzw. Unterlieferungen haben, könne der Käufer
gemäß § 7b Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 11 Abs. 3
MGV nur berücksichtigen, wenn sie ihm bis zum 45. Tag nach
Ablauf eines Zwölf-Monats-Zeitraums bekannt würden. Zu
diesem Zeitpunkt müsse der Käufer die Summe der
zugeteilten ARM und der Anlieferungen dem HZA mitteilen, damit
diese der Zentralstelle für Mitverantwortungs- und
Garantiemengenabgaben (ZEMGA) zugeleitet werden könnten. Diese
ermittle aufgrund dieser Mitteilungen das Verhältnis der Summe
der Unterlieferungen zur Summe der Überlieferungen auf der
Ebene der neuen Bundesländer und auf Bundesebene. Das Ergebnis
werde über die HZÄ den Käufern mitgeteilt und von
diesen bei der Berechnung der MGA zugrunde gelegt. Eine
nachträgliche Änderung des von der ZEMGA ermittelten
Saldierungsschlüssels sei nicht vorgesehen.
Selbst wenn die von der Klägerin
behaupteten Unregelmäßigkeiten tatsächlich
vorgelegen hätten und dem Käufer der Klägerin vor
dem 15.5.1999 bekannt gewesen wären, habe sie keinen Anspruch
auf Änderung der Saldierung und damit der Abgabenanmeldung.
Zwar könne sie nach § 7b Abs. 1 Satz 4 2. Halbsatz MGV
grundsätzlich verlangen, dass die von ihr behaupteten
Unregelmäßigkeiten im Milchwirtschaftsjahr 1997/1998 -
unterstellt, sie hätten tatsächlich vorgelegen und
wären dem Käufer bekannt gewesen - bei der Saldierung
für den Zwölf-Monats-Zeitraum 1998/1999
berücksichtigt werden. Die Voraussetzungen hierfür
lägen jedoch nicht vor. Die von ihr unter Hinweis auf das
Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9.3.2004 2 Ss
237/03 (Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtsprechungsreport
2004, 275) dargelegten Manipulationen hätten im Bereich eines
hessischen Käufers stattgefunden. Da beide Erzeuger, die an
dieser Manipulation beteiligt waren, an den gleichen Käufer
geliefert hätten, hätte unter den Voraussetzungen des
§ 7b Abs. 1 Satz 2 und 4 MGV ggf. die Saldierung auf
Käuferebene geändert werden müssen, bevor
Auswirkungen auf die Saldierung für die neuen
Bundesländer geprüft werden könnten. Im Übrigen
habe ein Milcherzeuger ohnehin keinen Anspruch auf Saldierung, weil
diese nicht den Zweck habe, den einzelnen Milcherzeugern eine
höhere ARM zu verschaffen.
Das Urteil des FG ist in EFG 2005, 1988 =
SIS 05 20 06 veröffentlicht.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in
diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der
Klägerin.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber
unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung des HZA betrifft
die Beschwerde nicht lediglich ausgelaufenes Recht. Die nunmehr
geltende Milchabgabenverordnung enthält in § 14
vergleichbare Regelungen zur Durchführung einer Saldierung auf
Käufer- und auf Bundesebene, für die sich die Frage nach
der Änderbarkeit eines von der ZEMGA festgelegten
Saldierungsschlüssels in gleicher Weise stellt.
2. Die Rechtssache hat jedoch nicht die von
der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung
(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die
von ihr sinngemäß aufgeworfene Frage, ob eine
nachträgliche Änderung des von der ZEMGA ermittelten
Saldierungsschlüssels für bereits abgelaufene
Milchwirtschaftsjahre ausgeschlossen ist, wenn nach dem in §
11 Abs. 3 MGV genannten Datum Manipulationen aufgedeckt werden, die
dazu geführt haben, dass Über- und Unterlieferungen von
Milcherzeugern aus unterschiedlichen Saldierungsgebieten entgegen
§ 7b Abs. 1 Satz 8, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MGV miteinander
verrechnet worden sind, ist nicht klärungsbedürftig, weil
sie eindeutig so zu beantworten ist, wie das FG es getan hat.
a) Für die nach § 7b Abs. 2 MGV
durchzuführenden Saldierungen sind grundsätzlich die
Informationen über Referenzmengen und Anlieferungsdaten
maßgeblich, die sich aus den Meldungen der Käufer nach
§ 11 Abs. 3 MGV, d.h. nach der Käufersaldierung
gemäß § 7b Abs. 1 MGV, ergeben. Insbesondere stehen
für die Gebietssaldierung nur solche Unterlieferungen zur
Verfügung, die aus den von den jeweiligen Käufern
gemeldeten Anlieferungsdaten ersichtlich sind und die nicht bereits
nach § 7b Abs. 1 MGV auf der Käuferebene mit
Überlieferungen verrechnet wurden (§ 7b Abs. 2 Satz 1
MGV). Da diese Daten nach dem in § 11 Abs. 3 MGV genannten
Stichtag keinen Änderungen mehr unterliegen, gilt
Entsprechendes auch für die anhand dieser Daten errechneten
Saldierungsschlüssel. Das folgt aus dem System der gestuft
aufeinander aufbauenden Saldierungen (Käufersaldierung,
Gebietssaldierung neue Bundesländer, Bundessaldierung) sowie
aus dem in der MGV zum Ausdruck kommenden Verfahren für die
Berechnung der Saldierungsschlüssel.
aa) Gemäß § 7b Abs. 1 Satz 4
i.V.m. § 11 Abs. 3 MGV sind bei der Käufersaldierung
Änderungen von Anlieferungsdaten, die Auswirkungen auf die
Höhe der Über- bzw. Unterlieferungen haben und die dem
Käufer erst ab dem 45. Tag nach Ablauf eines
Zwölf-Monats-Zeitraums bekannt werden, für den
abgelaufenen Zwölf-Monats-Zeitraum nicht mehr zu
berücksichtigen. § 7b Abs. 1 Satz 4 MGV legt einen
Stichtag für alle saldierungsrelevanten Daten fest (BRDrucks
110/96, S. 5). Die Berücksichtigung einer späteren
Änderung der Anlieferungsdaten im Rahmen der
Käufersaldierung ist folglich ausgeschlossen, gleich worauf
sie zurückzuführen ist.
bb) Nach der Käufersaldierung muss der
Käufer zu dem in § 11 Abs. 3 MGV genannten Zeitpunkt die
Summen der zugeteilten Referenzmengen und der Anlieferungen jeweils
getrennt nach vorläufigen und sonstigen Referenzmengen dem HZA
mitteilen. Anhand dieser Mitteilungen bestimmt die ZEMGA das
Verhältnis der Summe der Unterlieferungen zur Summe der
Überlieferungen auf der Ebene der neuen Bundesländer und
auf Bundesebene und errechnet daraus die sog.
Saldierungsschlüssel, aus denen sich ergibt, welche
Referenzmengen den überliefernden Milcherzeugern
gemäß § 7b Abs. 2 MGV noch zugeteilt werden
können. Das Ergebnis dieser Berechnungen wird den Käufern
rechtzeitig über die HZÄ mitgeteilt und von diesen bei
der Berechnung der MGA zugrunde gelegt (§ 7b Abs. 2 letzter
Satz MGV).
Ein solches Berechnungsverfahren kann nur
funktionieren, wenn die Berechnungsgrundlagen auf einen bestimmten
Stichtag bezogen werden. Andernfalls wären die anzuwendenden
Saldierungsschlüssel und in der Folge auch die gegenüber
den überliefernden Milcherzeugern festzusetzende MGA
ständigen Änderungen unterworfen, was einen vom
Verordnungsgeber schwerlich in Kauf genommenen Verwaltungsaufwand -
auch bei den Käufern - auslösen würde.
b) Es verstößt weder gegen
europäisches Recht noch gegen höherrangige nationale
Rechtsgrundsätze, wenn eine Verrechnung von Über- und
Unterlieferungen nur stattfindet, soweit sie den für die
Festsetzung des Saldierungsschlüssels zuständigen
Behörden bis zu einem bestimmten Stichtag mitgeteilt worden
sind.
aa) Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung
(EWG) Nr. 3950/92 (VO Nr. 3950/92) des Rates vom 28.12.1992
über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 405/1)
überlässt es der Entscheidung der Mitgliedstaaten,
ungenutzte Referenzmengen zuzuteilen. Art. 3 Abs. 3 der Verordnung
(EWG) Nr. 536/93 (VO Nr. 536/93) der Kommission vom 9.3.1993 mit
Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor
(ABlEG Nr. L 57/12) und der 7. Erwägungsgrund der VO Nr.
3950/92 verdeutlichen, dass den Mitgliedstaaten hierbei ein weiter
Ermessensspielraum eingeräumt worden ist, der die Befugnis
einschließt, überhaupt keine Neuaufteilung der am Ende
eines Zwölf-Monats-Zeitraums nicht ausgenutzten Referenzmengen
vorzunehmen (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 25.9.2003 VII B
309/02, BFHE 203, 243 = SIS 03 46 59; vom 24.1.2000 VII B 136/99,
BFH/NV 2000, 1000 = SIS 00 57 87). Anders als die Klägerin
offenbar meint, gibt es keinen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch
eines Milcherzeugers auf eine Neuzuweisung der in dem jeweiligen
Zwölf-Monats-Zeitraum von anderen Milcherzeugern nicht
ausgenutzten Referenzmengen (vgl. Urteil des Gerichtshofes der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 25.3.2004 Rs.
C-495/00, EuGHE 2004, I-2993 = SIS 04 21 49 Rn. 54, worin der EuGH
- wenn auch mit anderer Begründung - entschieden hat, dass ein
Milcherzeuger nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen
kann, dass ihm nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres ein bestimmter
Teil der nicht genutzten einzelbetrieblichen Referenzmengen
zugeteilt wird).
bb) Einer ausdrücklichen
gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur
Regelung des bei der Saldierung zu beachtenden
Verwaltungsverfahrens und ggf. zur Festlegung eines Stichtages
für saldierungsrelevante Daten bedarf es nicht. Soweit das
Gemeinschaftsrecht - wie hier - keine eigenen Regelungen trifft,
folgt bereits aus der allgemeinen Kompetenzverteilung zwischen der
Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten sowie dem Grundsatz der
Gemeinschaftstreue (Art. 10 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft), dass die Mitgliedstaaten nicht nur
berechtigt, sondern auch verpflichtet sind, die zur Umsetzung des
Gemeinschaftsrechts erforderlichen Durchführungsbestimmungen
zu erlassen (EuGH-Urteile vom 17.12.1970 Rs. 30/70 - Scheer -,
EuGHE 1970, 1197 Rn. 10; vom 20.10.1981 Rs. 137/80 -
Kommission/Belgien -, EuGHE 1981, 2393 Rn. 9). Dabei müssen
die ergriffenen Maßnahmen mit Wortlaut und Zweck der
gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, mit den Zielen und der
allgemeinen Systematik der Regelung und mit den allgemeinen
Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts vereinbar sein (EuGH in
EuGHE 2004, I-2993 = SIS 04 21 49 Rn. 39-41).
cc) Soweit aufgrund der § 8 Abs. 1 Satz 1
und § 12 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung der
gemeinsamen Marktorganisationen in § 7b MGV von der
Möglichkeit der Neuzuweisung nicht ausgenutzter Referenzmengen
Gebrauch gemacht worden ist, folgt daraus nicht, dass eine
Neuzuweisung sämtlicher nicht ausgenutzter Referenzmengen
erfolgen müsste. Der grundlegende Rahmen für die Erhebung
der MGA ist durch das Gemeinschaftsrecht festgelegt, das auch
Inhalt und Grenzen einer möglichen Verrechnung von Über-
und Unterlieferungen einzelner Milcherzeuger bestimmt. Innerhalb
dieses Rahmens verfügt der nationale Verordnungsgeber
über einen Gestaltungsspielraum, der es ihm erlaubt, sich auch
von verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten leiten zu lassen.
Die gewählte Stichtagsregelung, die sich in dem durch das
Gemeinschaftsrecht eröffneten Rahmen hält, ist mithin
nicht zu beanstanden, obwohl sie dazu führt, dass im
Streitfall möglicherweise nicht alle
Saldierungsmöglichkeiten genutzt werden, die nach dem
gemeinschaftsrechtlichen Rahmen zu Gunsten der Klägerin
hätten genutzt werden können und die dann im Wege der
Bundessaldierung zu Gunsten anderer Erzeuger berücksichtigt
worden sind.
Die Milch-Garantiemengenregelung wird von dem
Grundprinzip der Verantwortlichkeit der einzelnen Milcherzeuger
für einen Abbau der Überproduktion von Milch und von dem
Interesse der Gemeinschaft an einer Drosselung der Gesamtproduktion
geprägt (Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 1000 = SIS 00 57 87;
Gehrke, Die Milchquotenregelung, 1996, 76, 81 f.). Aus Art. 2 Abs.
1 Unterabs. 1 Satz 2, Abs. 2 Unterabs. 3 VO Nr. 3950/92 sowie aus
Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 536/93 folgt, dass es für die
Abgabenpflicht des Milcherzeugers primär auf die
Überschreitung der einzelbetrieblichen Referenzmenge ankommt
(vgl. Senatsbeschluss in BFHE 203, 243 = SIS 03 46 59; jetzt
ausdrücklich auch 5. Erwägungsgrund sowie Art. 4
Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom
29.9.2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor, ABlEG
Nr. L 270/123). Diese Referenzmenge stellt für den
Milcherzeuger eine feste wirtschaftliche Größe dar, von
der er weiß, dass bei ihrer Überschreitung
grundsätzlich MGA zu entrichten ist.
Dieses Prinzip wird durch die Möglichkeit
der Verrechnung von Über- und Unterlieferungen einzelner
Milcherzeuger zwar teilweise durchbrochen, aber nicht aufgegeben.
Die Saldierung hat nicht primär den Zweck, einzelnen
Milcherzeugern eine höhere Referenzmenge zu verschaffen bzw.
ihnen die abgabenfreie Lieferung von Milch über die
individuell zugeteilten Referenzmengen hinaus zu gestatten, sondern
sie soll - jedenfalls in erster Linie - den Mitgliedstaaten die
weitgehende Ausschöpfung der ihnen zustehenden
Gesamtgarantiemenge und des darin verkörperten
volkswirtschaftlichen Kapitals ermöglichen (Senatsbeschluss in
BFH/NV 2000, 1000 = SIS 00 57 87; Gehrke, a.a.O., 70 ff., 75).
Entsprechendes gilt für die in § 7b Abs. 2 Nr. 1 MGV
geregelte Saldierung für das Gebiet der neuen
Bundesländer. Sie war im gesamtstaatlichen Interesse geboten,
weil zu erwarten war, dass bedingt durch die Umstrukturierung der
landwirtschaftlichen Betriebe im Beitrittsgebiet verstärkt
Referenzmengen ungenutzt bleiben würden (vgl. BRDrucks 72/92,
S. 3). Das spricht zwar einerseits dafür, nicht belieferte
Teile der Gesamtgarantiemenge auch nachträglich noch einzelnen
Milcherzeugern zuzuweisen, bedeutet andererseits aber nicht, dass
dies zwingend geschehen müsste. Insbesondere wenn - wie hier -
der Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie dagegen spricht,
verletzt es einen Milcherzeuger nicht in seinen Rechten, wenn im
Ergebnis keine volle Verrechnung von Über- und
Unterlieferungen stattfindet (vgl. auch Hessisches FG, Urteil vom
7.2.2001 7 K 4121/00), sondern bei nachträglicher Aufdeckung
von Manipulationen, wie sie die Klägerin behauptet, von dem
Mitgliedstaat Abgaben erhoben werden, obwohl seine Garantiemenge
nicht in dem entsprechenden Umfang überliefert worden ist.
dd) Anhaltspunkte dafür, dass der
Gemeinschaftsgesetzgeber die Anwendung einer aus Gründen der
Verwaltungsökonomie gebotenen Stichtagsregelung bei der
Saldierung hätte ausschließen wollen, ergeben sich auch
nicht aus dem milchabgabenrechtlichen Sonderstatus des Gebiets der
ehemaligen DDR. Zur Erleichterung der Umstrukturierung der
landwirtschaftlichen Betriebe ist zwar in einer Fußnote der
in Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 3950/92 aufgenommenen Tabelle festgelegt
worden, welcher Teil der für die Bundesrepublik Deutschland
(Bundesrepublik) garantierten Gesamtmengen für Lieferungen und
Direktverkäufe den im Gebiet der neuen Länder
ansässigen Erzeugern vorbehalten ist. Soweit damit der
Gemeinschaftsgesetzgeber für die Zwecke der Anwendung der VO
Nr. 3950/92 das Gebiet der ehemaligen DDR für einen
Übergangszeitraum dem Gebiet eines Mitgliedstaates
gleichgestellt hat, folgt daraus zwar die Verpflichtung der
deutschen Behörden, diesen Teil der zugewiesenen
Referenzmengen ausschließlich unter Erzeugern in den neuen
Bundesländern aufzuteilen und ggf. die Entscheidung des
Inhabers eines Milch erzeugenden Betriebs über die Verlagerung
der Produktion in einen anderen Teil des Gebiets der ehemaligen DDR
zu respektieren (EuGH-Urteil vom 8.5.2003 Rs. C-268/01, EuGHE 2003,
I-4353 = SIS 03 27 12). Aus ihr kann aber nicht abgeleitet werden,
dass die Bundesrepublik verpflichtet wäre, Über- und
Unterlieferungen der Milcherzeuger in diesem Gebiet in vollem
Umfang miteinander zu verrechnen. Denn die Entscheidung, ob und
ggf. in welchem Umfang Über- und Unterlieferungen einzelner
Milcherzeuger miteinander saldiert werden, hat der
Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten überlassen, und
es gibt keinen Grund, weshalb für das Gebiet der neuen
Bundesländer etwas anderes gelten sollte.
Die Bundesrepublik hat von ihrer
Regelungsbefugnis auch nicht in einer Weise Gebrauch gemacht, die
in einer den Zielen der Ausnahmeregelung für die neuen
Bundesländer zuwiderlaufenden Weise die Saldierung
gebietsfremder Milchmengen mit Unterlieferungen der Milcherzeuger
aus den neuen Bundesländern ermöglicht. Dem
milchabgabenrechtlichen Sonderstatus des Beitrittsgebiets hat die
Bundesrepublik mit der Einführung der Gebietssaldierung
für das Gebiet der neuen Bundesländer und der Regelung in
§ 7b Abs. 1 Satz 8 MGV Rechnung getragen. Damit wird die
Verrechnung von Milchmengen aus unterschiedlichen
Saldierungsgebieten rechtlich ausgeschlossen. Zu einer Saldierung
„über die Grenze“ kann es - abgesehen von
der Bundessaldierung gemäß § 7b Abs. 2 Nr. 2 MGV -
nur kommen, wenn Milchmengen in gesetzwidriger Weise verschoben
oder Anlieferungsdaten einzelner Milcherzeuger gezielt manipuliert
werden. Solches Verhalten wird jedoch - wenn es aufgedeckt wird -
von den staatlichen Stellen nicht toleriert, sondern führt zur
Erhebung der MGA bei dem seine Referenzmenge überliefernden
Milcherzeuger.
ee) Entgegen der Ansicht der Klägerin
werden nicht doppelt Abgaben für eine identische Milchmenge
erhoben. Soweit keine Saldierung erfolgt und die Klägerin zur
Zahlung einer MGA herangezogen wird, ist die MGA für die von
der Klägerin gelieferte Milch zu leisten. Werden daneben
Manipulationen aufgedeckt, d.h. wird festgestellt, dass ein anderer
Milcherzeuger Milch angeliefert hat, obwohl er über keine oder
keine ausreichende Milchreferenzmenge verfügte, hat er
für die von ihm angelieferte Milch ebenfalls eine MGA zu
entrichten. Die Heranziehung beruht auf der persönlichen
Verantwortlichkeit eines Milcherzeugers für die von ihm selbst
über die zugeteilte Referenzmenge hinaus gelieferte Milch,
welche durch die von der Klägerin geschilderten Manipulationen
nicht aufgehoben wird.
ff) Dass infolge der Stichtagsregelung unter
Umständen mehr MGA erhoben wird als wegen der
Überschreitung der gesamtstaatlichen Garantiemenge an die
Europäische Union abzuführen ist, ist ebenfalls nicht zu
beanstanden. Die Mitgliedstaaten sind hierzu durch Art. 2 Abs. 4 VO
Nr. 3950/92 ausdrücklich ermächtigt (vgl. auch
Senatsbeschluss in BFHE 203, 243 = SIS 03 46 59, m.w.N.). Sie
müssen lediglich sicherstellen, dass der
überschüssige Betrag zweckgebunden verwendet wird.
3. Die Frage, ob die Festlegung der
Saldierungsschlüssel durch die ZEMGA oder die Mitteilung
derselben an die Käufer eine eigenständige, in
Bestandskraft erwachsende Regelung oder eine bloße
Vorbereitungsmaßnahme für die Festsetzung der MGA ist,
welche im letzteren Fall inzident auf ihre
Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen und ggf.
nachträglich zu korrigieren wäre, ist im Streitfall nicht
entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig. Die
Klägerin macht mit ihrer Beschwerde nämlich nicht
geltend, dass der ZEMGA bei der Berechnung der
Saldierungsschlüssel auf der Grundlage der
Käufermeldungen nach § 11 Abs. 3 MGV Fehler unterlaufen
seien oder dass die ZEMGA an dem in § 11 Abs. 3 MGV genannten
Stichtag im Bereich der Zollverwaltung anderweitig verfügbare
zuverlässige Erkenntnisse über konkrete Fehler in den
Käufermeldungen unberücksichtigt gelassen hätte,
sondern sie ist der Auffassung, dass nachträglich bekannt
gewordene Informationen über Manipulationen der den
Käufermeldungen gemäß § 11 Abs. 3 MGV zugrunde
liegenden Anlieferungsdaten zu einer Berichtigung der
Saldierungsschlüssel führen müssten. Das ist jedoch
- wie bereits ausgeführt - nicht zutreffend.