Milchabgabe, Saldierung von Überlieferungen: Weisen der Molkerei vorgelegte Verträge über die Verpachtung der Milcherzeugung dienender Produktionsmittel den Pächter als Milcherzeuger aus, ergeben jedoch spätere Prüfungen, dass die Verträge nicht den Vereinbarungen gemäß vollzogen wurden, weshalb der Verpächter auch während der Pachtzeit Milcherzeuger war, nehmen die ihm nachträglich zuzurechnenden Liefermengen nicht am sog. Saldierungsverfahren teil. - Urt.; BFH 21.4.2009, VII B 74/08; SIS 09 16 50
I. Die Klägerin und
Beschwerdeführerin (Klägerin) bewirtschaftete im
Zwölfmonatszeitraum 2003/2004 einen der Milcherzeugung
dienenden Betrieb. Im Dezember 2003 schloss sie mit einer in ca.
500 km Entfernung ansässigen Landbetriebsgesellschaft
(Pächterin) einen „Pachtvertrag über
Milchkühe“, mit dem sie dieser Gesellschaft in dem
Zeitraum 15.12.2003 bis 15.2.2004 ihre 180 Milchkühe
verpachtete. Außerdem wurden ein „Nutzungsvertrag
für Rindviehgebäude einschl.
Güllebehälter“ sowie ein weiterer Vertrag
geschlossen, mit dem die Pächterin die Klägerin mit der
Betreuung der Milchkühe beauftragte. In diesem Vertrag
sicherte die Klägerin zu, der Pächterin Rechnungen
für Produktionsmittel „maximal in einer Höhe
auszustellen, dass am Ende der Geschäftsbeziehung ein Guthaben
in Höhe von 3 Cent/kg gelieferte Milch verbleibt“.
Diesen Verträgen entsprechend lieferte die Klägerin im
genannten Zwölfmonatszeitraum der Molkerei bis zum 15.12.2003
und ab dem 16.2.2004 Milch auf eigene Rechnung und im übrigen
Zeitraum auf Rechnung der Pächterin; in dieser Weise wurden
die Lieferungen auch durch die Molkerei erfasst. Gleichwohl ergab
sich am Ende des Zwölfmonatszeitraums eine Überlieferung
der Klägerin, die allerdings infolge einer von der Molkerei
durchgeführten Saldierung mit Unterlieferungen anderer
Milcherzeuger zu keiner Abgabenerhebung führte.
Aufgrund einer bei der Klägerin im
September 2004 durchgeführten Marktordnungsprüfung war
der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt - HZA - ) der
Ansicht, dass die Klägerin auch für die während der
Pachtzeit gelieferte Milch als Erzeuger anzusehen sei, und setzte
deshalb für diese Liefermenge Milchabgabe gegen die
Klägerin fest.
Die hiergegen nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab
(vgl. SIS 08 18 77). Ebenso wie das HZA war das FG der Auffassung,
es lasse sich bei einer Gesamtwürdigung der Umstände
nicht feststellen, dass die Pächterin die Dispositionsbefugnis
über die gepachteten Produktionsmittel gehabt und das
wirtschaftliche Risiko getragen habe. Die somit auch während
der Pachtzeit der Klägerin zuzurechnenden Liefermengen seien
auch nicht mit Unterlieferungen anderer Milcherzeuger zu saldieren,
weil die Klägerin insoweit unrichtige bzw. unvollständige
Angaben gemacht habe und weil für die Berechnung des
Saldierungsschlüssels nur die Informationen über
Referenzmengen und Lieferdaten maßgeblich seien, die sich aus
Käufermeldungen bis zum 15.5.2004 ergäben.
Hiergegen richtet sich die
Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie - lediglich
bezogen auf die versagte Saldierung - auf die Zulassungsgründe
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Fortbildung
des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - )
stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die
geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig
dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt,
jedenfalls aber nicht vorliegen.
Die von der Beschwerde bezeichnete Frage,
unter welchen Voraussetzungen ein Milcherzeuger bei der
Abgabenfestsetzung an der Saldierung von Überlieferungen mit
nicht genutzten Referenzmengen anderer Erzeuger teilnehmen kann,
wenn ihm aufgrund erst nach dem 15. Mai bekannt gewordener
Umstände Milchmengen nachträglich zugerechnet werden,
weil trotz zeitweilig verpachteter Produktionsmittel die
Erzeugereigenschaft seines Pächters verneint wird, ist nicht
klärungsbedürftig, weil sie sich nach dem Wortlaut der
maßgebenden Vorschrift beantworten lässt.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 7 der Verordnung
zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung
(Zusatzabgabenverordnung) vom 12.1.2000 (BGBl I 2000, 27) in der im
Streitfall maßgeblichen Fassung der zweiten Verordnung zur
Änderung der Zusatzabgabenverordnung vom 14.1.2004 (BGBl I
2004, 89) ist auf Änderungen, die dem Käufer nach dem in
§ 19 Abs. 3 Zusatzabgabenverordnung genannten Datum (15. Mai)
bekannt werden, das Ergebnis der Verrechnung nach § 14 Abs. 1
Satz 4 Zusatzabgabenverordnung anzuwenden, es sei denn, der
Milcherzeuger hat unrichtige oder unvollständige Angaben
über seine tatsächliche Milchanlieferung gemacht. Der
Wortlaut dieser Vorschrift ist eindeutig; insbesondere kommt es
nicht darauf an, ob die Angaben über die tatsächlichen
Milchlieferungen schuldhaft in unrichtiger bzw.
unvollständiger Weise gemacht worden sind. Zweifelhafte
Auslegungsfragen ergeben sich nicht.
Auch die Anwendung dieser Vorschrift auf den
Streitfall führt nicht zu klärungsbedürftigen
Rechtsfragen.
Unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom
31.5.2006 VII B 48/05 (BFHE 213, 459, ZfZ 2006, 373 = SIS 06 41 18)
hat das FG eine Saldierung der streitigen Milchmenge zum einen
abgelehnt, weil für die Berechnung des
Saldierungsschlüssels nur die Informationen über
Referenzmengen und Lieferdaten maßgeblich seien, die sich aus
Käufermeldungen bis zum 15.5.2004 ergäben. Ob diese
Auffassung des FG zutrifft, mag zweifelhaft sein, weil der genannte
Senatsbeschluss, auf den sich das FG bezieht, zur Vorschrift des
§ 7b Abs. 1 Satz 4 der früheren
Milch-Garantiemengen-Verordnung ergangen ist, die sich in
maßgeblicher Weise von § 14 Abs. 1 Satz 7
Zusatzabgabenverordnung unterscheidet. Dies bedarf jedoch keiner
weiteren Ausführungen, weil sich insoweit lediglich eine
falsche Rechtsanwendung durch das FG auf den vorliegenden Fall,
nicht aber eine die Zulassung der Revision rechtfertigende,
grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage
ergäbe.
Zum anderen hat das FG seine Entscheidung
nicht allein auf diese Auffassung gestützt, sondern hat eine
Saldierung im Streitfall auch deshalb für ausgeschlossen
gehalten, weil die Klägerin über ihre tatsächlichen
Milchlieferungen unrichtige Angaben gemacht habe. Auch insofern
ergeben sich keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen. Ob
sich nach dem Ablauf eines Milchwirtschaftsjahres und nach dem
darauf folgenden 15. Mai zusätzliche bei der Abgabenberechnung
zu berücksichtigende Liefermengen ergeben, weil der
betreffende Milcherzeuger zuvor unrichtige oder unvollständige
Angaben über seine tatsächlichen Milchlieferungen gemacht
hat, ist eine vom Tatrichter im Einzelfall zu beantwortende
Tatsachenfrage.
Die seitens der Beschwerde
sinngemäß bezeichnete Frage, ob der Milcherzeuger auch
dann unrichtige Angaben über seine tatsächlichen
Milchlieferungen gemacht hat, wenn er sämtliche Umstände
der Verpachtung seiner Produktionsmittel an einen anderen
Milcherzeuger offengelegt und lediglich aus diesen Umständen
und den vertraglichen Vereinbarungen zu Unrecht - und anders als
später das HZA bzw. das FG - geschlossen hat, dass nicht er,
sondern der Pächter der Erzeuger der während der
Pachtzeit gelieferten Milchmengen sei, stellt sich im Streitfall
nicht. Nach den Feststellungen des FG und dem sinngemäß
in Bezug genommenen Bericht über die Prüfung bei der
Klägerin war nämlich im Streitfall die
Erzeugereigenschaft der Pächterin erst aufgrund einer
marktordnungsrechtlichen Prüfung der tatsächlichen
Abwicklung des Vertragsverhältnisses zu verneinen, weil die in
den Pachtverträgen festgelegte volle Dispositionsbefugnis der
Pächterin von dieser tatsächlich nicht wahrgenommen
worden war. Auch das FG hat seine Ansicht, dass die Klägerin
auch während der Pachtzeit Erzeuger der gelieferten
Milchmengen war, u.a. auf dieses im Rahmen der
marktordnungsrechtlichen Prüfung gewonnene Ermittlungsergebnis
gestützt. Jedenfalls in einem solchen Fall, in dem die der
Molkerei vorgelegten, zwischen dem Verpächter und Pächter
getroffenen Vereinbarungen über die Verpachtung der
Produktionsmittel die Milcherzeugereigenschaft des Pächters
zwar ausweisen, eine spätere Prüfung jedoch ergibt, dass
das Vertragsverhältnis tatsächlich nicht entsprechend den
Vereinbarungen abgewickelt wurde, sind unrichtige Angaben des
Milcherzeugers über seine tatsächlichen Milchlieferungen
i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 7 Zusatzabgabenverordnung gemacht
worden.