1 %-Regelung und Überschusseinkünfte: Die Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zur Erzielung von Überschusseinkünften ist durch die Bewertung der privaten Nutzung nach der 1 v.H.-Regelung nicht mit abgegolten. Sie ist vielmehr mit den auf sie entfallenden tatsächlichen Selbstkosten als Entnahme zu erfassen. - Urt.; BFH 26.4.2006, X R 35/05; SIS 06 40 84
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden als Ehegatten zur Einkommensteuer für das
Streitjahr 1999 zusammenveranlagt. Der Kläger war als
Prokurist bei einer Fabrik beschäftigt. Außerdem betrieb
er in den Räumlichkeiten einer Tanzschule eine
Schankwirtschaft. Im Betriebsvermögen der Schankwirtschaft
hielt der Kläger einen PKW, den er auch für
außerbetriebliche Fahrten verwendete. Die
außerbetriebliche Nutzung des PKW wurde in der
Gewinnermittlung mit 1 v.H. des Bruttolistenpreises je
Kalendermonat als Entnahme erfasst (sog. 1 v.H.-Regelung, § 6
Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ). Die
Aufwendungen für die Fahrten mit dem PKW zu seiner
Arbeitsstätte in der Fabrik setzte der Kläger mit den
Kilometer-Pauschbeträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
EStG - im Streitjahr in Höhe von 2.904 DM - als Werbungskosten
bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
an.
Im Anschluss an eine
Außenprüfung im Gewerbebetrieb des Klägers vertrat
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die
Auffassung, die Nutzung des betrieblichen PKW im Rahmen einer
anderen Einkunftsart werde von der pauschalierenden
Listenpreisregelung nicht erfasst. Der Wert der Nutzungsentnahme
sei daher wegen der Verwendung des Fahrzeugs für die Fahrten
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - über den sich nach
der 1 v.H.-Regelung ergebenden Betrag von 4.731 DM hinaus - nach
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG um weitere 5.620 DM zu
erhöhen. Den zusätzlichen Betrag ermittelte das FA durch
Aufteilung der tatsächlich durch den PKW verursachten Kosten
im Verhältnis der Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte zur Gesamtfahrleistung des PKW. Es erging ein
entsprechend geänderter Einkommensteuerbescheid.
Die dagegen erhobene Klage hatte in vollem
Umfang Erfolg. Das stattgebende Urteil des Finanzgerichts (FG) ist
in EFG 2006, 403 = SIS 06 09 57 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine
Verletzung materiellen Rechts. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr.
4 Satz 2 EStG stelle auf die „private“ Nutzung des
Kraftfahrzeugs ab und sei dahin gehend zu verstehen, dass von der 1
v.H.-Regelung nur Privatfahrten ohne Bezug zu einer steuerlich
relevanten Einkunftsart umfasst seien. Demgegenüber betreffe
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG die Entnahmen des
Steuerpflichtigen „für sich, für seinen Haushalt
oder für andere betriebsfremde Zwecke“. Die voneinander
abweichenden Formulierungen sprächen dafür, dass der
Gesetzgeber bei Abfassung der beiden Vorschriften jeweils
unterschiedliche Formen der Entnahme im Sinn gehabt habe. Nutze der
Steuerpflichtige ein Kraftfahrzeug des Betriebsvermögens
für private Zwecke und zusätzlich zur Erzielung nicht
betrieblicher Einkünfte, so sei daher zum einen für die
private Nutzung die 1 v.H.-Regelung und zum anderen für die
andere betriebsfremde Nutzung ein weiterer Entnahmetatbestand nach
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG anzusetzen.
Das FA beantragt, das angegriffene Urteil
des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
Sie machen geltend, der typisierende Ansatz
der privaten Nutzungsentnahme nach der 1 v.H.-Regelung bewirke im
Ergebnis, dass die darüber hinausgehenden Aufwendungen
für das Kraftfahrzeug als Betriebsausgaben abzugsfähig
seien. In bestimmten, besonders gelagerten Sachverhalten sei dieses
steuerliche Ergebnis zwar nicht befriedigend. Dies dürfe aber
nicht zu einer Entscheidung gegen den Wortlaut des Gesetzes Anlass
geben. Die gesetzliche Regelung sei durch die Befugnis des
Gesetzgebers, zur Ordnung von Massenerscheinungen typisierende
Regelungen zu treffen, hinreichend gerechtfertigt.
II. Die Revision des FA ist begründet;
sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung
der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
- FGO - ). Der angegriffene Einkommensteuerbescheid verletzt die
Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1
FGO).
1. Das FA hat den gewerblichen Gewinn des
Klägers zutreffend um den auf die Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte entfallenden Teil des Aufwands für den
betrieblichen PKW erhöht. Die Verwendung des Fahrzeugs zur
Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
ist nicht bereits durch die Besteuerung der privaten Nutzung als
Entnahme im Rahmen der 1 v.H.-Regelung abgegolten worden.
2. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist der
sich durch Betriebsvermögensvergleich ergebende
Unterschiedsbetrag um den Wert der Entnahmen zu vermehren.
Entnahmen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG „alle
Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen
und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für
sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde
Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahrs entnommen hat“. Der
Klammerzusatz verdeutlicht, dass auch die Nutzung abnutzbarer
Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens für
außerbetriebliche Zwecke als Entnahme zu behandeln ist (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.5.1989 I R 213/85, BFHE
157, 521, BStBl II 1990, 8 = SIS 89 21 23). Der in der
außerbetrieblichen Nutzung liegende Werttransfer ist durch
Stornierung von betrieblich verbuchtem Aufwand mittels
Hinzurechnung einer entsprechenden Entnahme rückgängig zu
machen (vgl. Senatsurteil vom 14.1.1998 X R 57/93, BFHE 185, 230,
BFH/NV 1998, 1160, DStR 1998, 887 = SIS 98 12 20).
3. Für die Bewertung der Entnahmen sieht
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG im Regelfall den Ansatz mit dem
Teilwert vor. Wie schon aus dem Wortlaut des Einleitungssatzes zu
§ 6 Abs. 1 EStG und aus der Teilwertdefinition in § 6
Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG folgt, gilt diese Vorschrift allerdings
nur für bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter
(BFH-Urteil in BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8 = SIS 89 21 23;
Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rdnr. E
17). Nach ganz herrschender Auffassung regelt § 6 Abs. 1 Nr. 4
Satz 1 EStG daher lediglich die Bewertung der Sach-Entnahmen und
trifft für die Bewertung der Nutzungs-Entnahmen keine Aussage
(vgl. BFH-Beschluss vom 23.1.2001 VIII R 48/98, BFHE 194, 383,
BStBl II 2001, 395 = SIS 01 07 53, m.w.N.). Die insoweit für
die Bewertung von Nutzungsentnahmen bestehende Gesetzeslücke
hat der BFH in ständiger Rechtsprechung in der Weise
geschlossen, dass der durch diese verursachte Aufwand und damit die
tatsächlichen Selbstkosten als entnommen angesetzt werden
(BFH-Entscheidungen vom 26.10.1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, 534,
BStBl II 1988, 348, 353 = SIS 88 06 13; in BFHE 157, 521, BStBl II
1990, 8 = SIS 89 21 23; vom 26.1.1994 X R 1/92, BFHE 173, 356,
BStBl II 1994, 353 = SIS 94 09 10; in BFHE 194, 383, BStBl II 2001,
395 = SIS 01 07 53). Die Besteuerung als Nutzungsentnahme ist damit
das steuerrechtliche Korrektiv zur Neutralisierung
außerbetrieblich veranlassten Aufwands, der wegen der
einheitlichen Zuordnung gemischt genutzter Wirtschaftsgüter
zum Betriebsvermögen in der Gewinnermittlung zunächst
gewinnmindernd erfasst worden ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 185,
230, BFH/NV 1998, 1160, DStR 1998, 887 = SIS 98 12 20).
An diesen Grundsätzen hält der
erkennende Senat auch für den Streitfall fest. Die
mittlerweile erfolgte Änderung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
6 Satz 3 Halbsatz 2 EStG durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. c des Gesetzes
zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom
28.4.2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) lässt zwar
erkennen, dass der Gesetzgeber offenbar eine Bewertung bestimmter
Nutzungsentnahmen nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG für
vorstellbar hält. Die neu eingefügte Beschränkung
des Betriebsausgabenabzugs für Fälle, in denen der
Steuerpflichtige die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs (gemeint
wohl: deren Wert) nach dieser Vorschrift ermittelt, gilt allerdings
erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2005
beginnen (§ 52 Abs. 12 Satz 3 EStG). Zudem geht auch der
Gesetzgeber in den von der Änderung betroffenen Fällen
letztlich von einem Wertansatz mit den tatsächlichen
Aufwendungen und nicht mit dem Teilwert aus (vgl. BTDrucks 16/634,
S. 10). Jedenfalls im Ergebnis deckt sich dies mit den von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten
Bewertungsmaßstäben.
4. Für die Verwendung eines betrieblichen
Kraftfahrzeugs zu bestimmten außerbetrieblichen Fahrten gilt
seit Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das
Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom 11.10.1995 (BGBl I 1995,
1250, BStBl I 1995, 438) eine spezialgesetzliche Regelung, die von
den genannten Bewertungsgrundsätzen abweicht. Danach ist die
private PKW-Nutzung regelmäßig für jeden
Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises im
Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für
Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer
anzusetzen.
Die abgeltende Wirkung der Bewertung mit 1
v.H. des Bruttolistenpreises bezieht sich indessen nur auf die
Kraftfahrzeugnutzung zu Zwecken, die dem nach § 12 Nr. 1 EStG
einkommensteuerlich unbeachtlichen Bereich der privaten
Lebensführung zuzurechnen sind. Nutzungsentnahmen, die - wie
im Streitfall - im Zusammenhang mit der Verwendung des Fahrzeugs
zur Erzielung anderweitiger steuerbarer Einkünfte stehen, sind
durch die 1 v.H.-Regelung dagegen nicht erfasst.
a) Entgegen der Ansicht der Kläger
gebietet der Gesetzeswortlaut es nicht, der Vorschrift eine
abschließende Bedeutung für die Bewertung
sämtlicher Nutzungsentnahmen zu außerbetrieblichen
Zwecken beizulegen.
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG selbst
regelt nur den Entnahmewert für die
„private“ Nutzung eines (betrieblichen)
Kraftfahrzeugs. Eine nähere Festlegung, welche Nutzungszwecke
davon im Einzelnen erfasst und abgegolten werden sollen,
enthält die Norm dagegen nicht.
Damit verglichen beziehen sich sowohl der
gesetzliche Entnahmetatbestand in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG als
auch die allgemeine (wenn auch nicht für Nutzungsentnahmen
geltende) Entnahmebewertungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz
1 EStG jeweils auf die Entnahmen des Steuerpflichtigen
„für sich, für seinen Haushalt oder für
andere betriebsfremde Zwecke“. In beiden Vorschriften
bildet daher nicht der Begriff der „privaten“
Zwecke, sondern derjenige der „betriebsfremden“
Zwecke den abschließenden, gemeinsamen Oberbegriff zur
Umschreibung des Veranlassungszusammenhangs aller nach dem Gesetz
als Entnahme zu behandelnden Betriebsvermögensminderungen. Mit
dieser Begriffsbildung wird verdeutlicht, dass die in den genannten
Vorschriften näher bezeichneten Zwecke der privaten
Lebensführung des Steuerpflichtigen („für
sich“ bzw. „für seinen Haushalt“)
nur einen Ausschnitt aus der Gesamtheit aller denkbaren
betriebsfremden Zwecke abbilden sollen.
Offen bleibt in diesem Zusammenhang
allerdings, ob das Gesetz auch die PKW-Verwendung zu anderen als
den beschriebenen betriebsfremden Zwecken und insbesondere dessen
Einsatz zur Erzielung anderer, betriebsfremder Einkünfte noch
als „private“ Nutzung verstanden wissen will.
Dass in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG gerade dieser Begriff
anstelle des im vorangehenden Satz 1 enthaltenen, weiter reichenden
Begriffs der „betriebsfremden“ Nutzung
herangezogen wird, legt indessen - ohne dass der Gesetzeswortlaut
insoweit eindeutig wäre - eher die Annahme des Gegenteils
nahe.
b) Anhaltspunkte für eine umfassende
Abgeltungswirkung sind auch den Gesetzesmaterialien nicht zu
entnehmen. In der Begründung zur Stellungnahme des Bundesrats
zum JStG 1996 (BTDrucks 13/1686, S. 8), auf dessen Initiative die 1
v.H.-Regelung beruht, werden die Begriffe „private
Nutzung“ und „Privatfahrten“ zwar
wiederholt verwendet, ohne sie dabei allerdings näher zu
erläutern. Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber
lediglich den typischen Regelfall im Blick hatte, dass der
Steuerpflichtige zur Einkünfteerzielung nur einen einzigen
Betrieb unterhält, ohne daneben weitere ins Gewicht fallende
einkommensteuerlich relevante Betätigungen zu entfalten,
für die er das zu seinem Betriebsvermögen gehörende
Kraftfahrzeug in nennenswertem Umfang einsetzen könnte.
c) Die durch den Streitfall aufgezeigte, vom
Gesetzgeber offenbar nicht bedachte Regelungslücke ist daher
in sachgerechter und am Normzweck orientierter Auslegung dahin
gehend zu schließen, dass mit der Entnahmebewertung nach
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nur solche PKW-Nutzungen erfasst
und abgegolten werden, die dem einkommensteuerlich unbeachtlichen
Bereich der privaten Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG)
zuzurechnen sind (Nutzungsentnahmen des Steuerpflichtigen
„für sich“ oder „für seinen
Haushalt“). Dazu können etwa Urlaubs-, Wochenend-
und andere Freizeitfahrten oder Fahrten zum Arzt oder zu einem
anderen privaten Termin zählen (Nolte in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Anm. 1203a). Für die
Nutzung zu anderen betriebsfremden Zwecken verbleibt es dagegen bei
dem von der Rechtsprechung entwickelten Bewertungsansatz der
tatsächlichen Selbstkosten. Die sich daraus ergebenden
Entnahmewerte müssen gegebenenfalls auch nebeneinander in
Ansatz gebracht werden.
aa) Nach Sinn und Zweck der Regelung und nach
der Systematik der Gewinnermittlungsvorschriften ist die Verwendung
eines zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeugs im
Rahmen eines anderen Betriebes des Steuerpflichtigen zwar eine
„betriebsfremde“, aber keine
„private“ Nutzung, auf die § 6 Abs. 1 Nr. 4
Satz 2 EStG seinem Tatbestand nach nicht anwendbar ist.
Unterhält der Steuerpflichtige
nämlich mehrere Betriebe, so wäre es sachlich verfehlt,
bei der erforderlichen getrennten Ermittlung des Gewinns die
Verwendung eines im Betriebsvermögen des ersten Betriebes
gehaltenen Kraftfahrzeugs in seinem zweiten Betrieb im Rahmen der
Gewinnermittlung des ersten Betriebes als „private
Nutzung“ zu behandeln und die Nutzungsentnahme nach der 1
v.H.-Regelung zu bewerten. Denn der mit dem Einsatz des Fahrzeugs
verbundene Aufwand ist in dem zweiten Betrieb in Höhe der
tatsächlichen Selbstkosten gewinnmindernd im Wege einer
Aufwandseinlage geltend zu machen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 151,
523, 534, BStBl II 1988, 348, 353 = SIS 88 06 13;
Schmidt/Glanegger, EStG, 25. Aufl., § 6 Rz 440). Von diesem
Einlagewert würde ein nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG
ermittelter Entnahmewert im ersten Betrieb indessen
regelmäßig erheblich abweichen, wobei die Abweichung je
nach Umfang der PKW-Verwendung im zweiten Betrieb in dem einen Fall
zugunsten des Steuerpflichtigen und im anderen Fall zu seinen
Ungunsten ausfallen würde. Ein solches unzutreffendes
steuerliches Ergebnis ließe sich auch durch den grob
typisierenden Charakter der 1 v.H.-Regelung nicht
rechtfertigen.
Aus Sicht des ersten Betriebes erfüllt
die Verwendung des Fahrzeugs im zweiten Betrieb daher zwar den
Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG, richtigerweise
allerdings nicht in Gestalt der Entnahme einer „privaten
Nutzung“ i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG,
sondern in Form einer Nutzungsentnahme „für andere
betriebsfremde Zwecke“. Daraus folgt weiter, dass die
Entnahme des PKW für Zwecke des zweiten Betriebes nicht mit 1
v.H. des Bruttolistenpreises, sondern - ebenso wie dort die
Aufwandseinlage - mit den anteiligen Selbstkosten des
Steuerpflichtigen (vgl. Blümich/Wacker, § 4 EStG Rz.
188b, m.w.N.) zu bewerten ist.
Bei diesem Ergebnis hat es konsequenterweise
auch dann zu verbleiben, wenn zur Verwendung des Kraftfahrzeugs im
Rahmen zweier getrennter Betriebe noch eine Nutzung zu Zwecken der
privaten Lebensführung hinzutritt. Wegen der hinzukommenden
privaten Nutzung ist dann zwar zusätzlich noch ein
Entnahmewert nach der 1 v.H.-Regelung anzusetzen. Dieser Wert kann
jedoch die Verwendung des Fahrzeugs in dem zweiten Betrieb nicht
mit abgelten, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6
Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG folgerichtig auch insoweit nicht vorliegen
können. Hierfür sind nach wie vor die tatsächlichen
Selbstkosten anzusetzen.
bb) Unterfällt aber die Verwendung des
Fahrzeugs in einem zweiten Betrieb, den der Steuerpflichtige im
Rahmen einer Gewinneinkunftsart unterhält, nicht dem Begriff
der „privaten“ Nutzung, so kann derselbe Begriff
bei verfassungskonformer Auslegung - entgegen der Ansicht des FG -
nicht dahin gehend verstanden werden, dass er zumindest die
Verwendung des betrieblichen Kraftfahrzeugs zur weiteren
Einkünfteerzielung im Rahmen der Überschusseinkunftsarten
(§ 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG) mit umfasst.
Die damit verbundenen Aufwendungen des
Betriebes sind in diesem Falle zwar keine Aufwandseinlage bei den
weiteren, betriebsfremd erzielten
(Überschuss-)Einkünften; sie stellen dort jedoch
Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG dar und mindern
dadurch die Höhe der weiteren Einkünfte in gleicher
Weise. Unter dieser Voraussetzung aber bestünde für eine
unterschiedliche Behandlung der Nutzungsentnahme in der
Gewinnermittlung des Betriebes je nach Zuordnung der weiteren
Einkünfte zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG oder zu § 2
Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG kein sachlicher Grund. Die systematische
Unterscheidung der Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 EStG allein
kann nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eine Ungleichbehandlung in den
Rechtsfolgen nicht rechtfertigen (BVerfG-Beschlüsse vom
8.10.1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 363 f., DB 1991, 2522 = SIS 91 24 36, 2524; vom 10.4.1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6, BStBl
II 1997, 518 = SIS 97 14 55; vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE
99, 88, 95, DStR 1998, 1743 = SIS 98 23 05, 1745).
cc) In den vom Gesetzgeber offen gelassenen
atypischen Fällen der PKW-Verwendung sowohl für Fahrten
zu Zwecken der privaten Lebensführung als auch für
Fahrten, die der Erzielung anderweitiger Einkünfte dienen, ist
der Ansatz einer zusätzlichen Nutzungsentnahme neben der 1
v.H.-Regelung zur Vermeidung unangemessener, dem Grundsatz
gleichmäßiger Besteuerung widersprechender Ergebnisse
zudem sachlich geboten.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG wird der
betriebliche Gewinn dadurch ermittelt, dass der durch
Betriebsvermögensvergleich errechnete Unterschiedsbetrag um
den Wert der Entnahmen vermehrt wird. Der Gesamtwert aller
Nutzungsentnahmen aber wird in Fällen, in denen das Fahrzeug
sowohl zu Privatfahrten für Belange der persönlichen
Lebensführung als auch im Zusammenhang mit der Erzielung
außerbetrieblicher Einkünfte eingesetzt worden ist,
regelmäßig erheblich höher sein, als wenn der
Steuerpflichtige den PKW betriebsfremd nur zu einkommensteuerlich
unbeachtlichen Belangen i.S. des § 12 Nr. 1 EStG verwendet.
Durch den Ansatz nach der 1 v.H.-Regelung würde der
solchermaßen erhöhte Entnahmewert nur unzulänglich
abgebildet werden.
Nach Auffassung des erkennenden Senats
wäre es daher sachlich nicht gerechtfertigt, dem Wertansatz
dennoch eine umfassende Abgeltungswirkung auch für derartige
(atypische) Fälle beizumessen, die der Gesetzgeber bei
Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht im
Blick gehabt hat. Anschaulich zeigt sich dies gerade am Streitfall,
in dem die Nutzung des dem Gewerbebetrieb zugeordneten PKW des
Klägers zu den Fahrten zwischen Wohnung und
(außerbetrieblicher) Arbeitsstätte ungeachtet der
weiteren betriebsfremden Fahrten zu Zwecken der privaten
Lebensführung bereits einen Anteil von fast 49 v.H. an der
Gesamtfahrleistung ausmachte. Das Erfordernis, diese Fahrten
zusätzlich gesondert bewerten zu müssen, steht auch nicht
in Widerspruch zu dem mit der grob typisierenden und
pauschalierenden 1 v.H.-Regelung verfolgten Vereinfachungszweck
(vgl. BFH-Urteile vom 24.2.2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl
II 2000, 273 = SIS 00 06 73; vom 13.2.2003 X R 23/01, BFHE 201,
499, BStBl II 2003, 472 = SIS 03 23 21). Denn der durch die
Erzielung außerbetrieblicher Einkünfte veranlasste
Nutzungsumfang muss im Hinblick auf die steuerliche
Berücksichtigung des damit verbundenen abzugsfähigen
Aufwands - anders als der Umfang der Fahrten zu Zwecken der
privaten Lebensführung - ohnehin im Einzelnen näher
ermittelt werden.
dd) Zu Unrecht stützt das FG seine
Entscheidung darauf, dass die Begleichung betriebsfremd
veranlasster Verbindlichkeiten mit betrieblichen Mitteln als
„Privatentnahme“ zu erfassen sei und dass dies
auch dann gelte, wenn die Verbindlichkeit im Zusammenhang mit einer
auf die Erzielung etwa von Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gerichteten Tätigkeit
des Steuerpflichtigen entstanden ist.
Dass der Einsatz betrieblichen
Barvermögens zur Tilgung außerbetrieblicher
Verbindlichkeiten als Entnahme (in der Form einer Barentnahme)
einzuordnen und als solche mit dem Teilwert des entnommenen
Geldbetrags anzusetzen ist, folgt unmittelbar aus § 4 Abs. 1
Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG. Im Rahmen dieser
Vorschriften ist es mangels unterschiedlicher Rechtsfolgen
unerheblich, ob die entnommenen Gelder zum privaten Konsum oder zur
Erzielung anderweitiger Einkünfte bestimmt sind, da hier
bereits die bloße Verwendungsabsicht zu
„betriebsfremden Zwecken“ ausreicht. Für
die Bestimmung des Anwendungsbereichs der 1 v.H.-Regelung
lässt sich daraus nichts herleiten, denn die
spezialgesetzliche Bewertungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz
2 EStG knüpft ausdrücklich an die
„private“ und nicht an die
„betriebsfremde“ Nutzung betrieblicher
Kraftfahrzeuge an. Das Auslegungsergebnis zur Reichweite der
Bewertungsvorschriften kann daher durchaus ein anderes sein.
d) Der im Schrifttum vereinzelt vertretenen
Ansicht, der nach der 1 v.H.-Regelung versteuerte Betrag stehe
neben den Aufwendungen für steuerlich nicht relevante
Privatfahrten anteilig auch als fiktiver Aufwand für
Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei anderen Einkünften
zur Verfügung, wenn das (betriebliche) Kraftfahrzeug für
einen anderen Betrieb oder für andere Einkunftsarten benutzt
werde (Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Rz 419), folgt der Senat
aus den dargelegten Gründen nicht.
Die Verfügung der Oberfinanzdirektion
Erfurt vom 27.1.1999 S 2177 A -01- St 324 (DStR 1999, 593 = SIS 99 07 41) bezieht sich auf die Bestimmung des Sachbezugswerts privater
PKW-Nutzung im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG), nicht
aber auf die (hier streitige) Abgeltungswirkung der
Nutzungsentnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2
EStG. Für die Auffassung, mit dem Ansatz von 1 v.H. des
inländischen Listenpreises als steuerpflichtigem Sachbezug
würden alle nicht für den Arbeitgeber durchgeführten
Fahrten abgegolten, die nicht als Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte oder als Familienheimfahrten durchgeführt
werden, liefert sie zudem keine nähere Begründung.
5. Die Vorentscheidung ist von anderen
Grundsätzen ausgegangen; sie war daher aufzuheben. Da die
Sache spruchreif ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst und
weist die Klage ab.
Entgegen der Rechtsauffassung des FG war der
Entnahmewert aus der Verwendung des betrieblichen PKW zu
betriebsfremden Zwecken nur insoweit nach der 1 v.H.-Regelung zu
bestimmen, als die Entnahmen im Zusammenhang mit einer
„privaten“ Nutzung des Fahrzeugs zu privaten
Fahrten standen. Für die Verwendung des PKW zu Fahrten
zwischen Wohnung und außerbetrieblicher Arbeitsstätte
hatte es hingegen bei der Bewertung mit dem durch sie verursachten
betrieblichen Aufwand und damit - wie im angegriffenen
Einkommensteuerbescheid geschehen - beim zusätzlichen Ansatz
der anteiligen tatsächlichen Selbstkosten zu verbleiben.
Wie das FG richtig erkannt hat, konnten diese
Fahrten nicht im Wege einer nichtabziehbaren Betriebsausgabe in
Höhe von 0,03 v.H. des Bruttolistenpreises je Kalendermonat
und Entfernungskilometer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG)
gewinnwirksam berücksichtigt werden. Die
regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers im
Betrieb seines Arbeitgebers stellte schon begrifflich keine
Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift dar. Außerdem
handelte es sich bei den mit den betreffenden Fahrten verbundenen
Aufwendungen bereits der Sache nach nicht um Betriebsausgaben, da
die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht durch den
Gewerbebetrieb des Klägers veranlasst waren (vgl. § 4
Abs. 4 EStG).