Mittelbare Grundstücksschenkung, Zeitpunkt: Ist Gegenstand einer mittelbaren Grundstücksschenkung ein Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude, ist - jedenfalls in den Fällen, in denen der Schenker den zum Erwerb erforderlichen Geldbetrag bereits zur Verfügung gestellt hat - die Schenkung ausgeführt, wenn sowohl die Auflassung erklärt und die Eintragungsbewilligung erteilt als auch das Gebäude fertiggestellt ist (Abgrenzung zu den BFH-Entscheidungen vom 4.12.2002 II R 75/00, BFHE 200 S. 406, BStBl 2003 II S. 273 = SIS 03 13 49, und vom 5.6.2003 II B 74/02, BFH/NV 2003 S. 1425 = SIS 03 46 01). - Urt.; BFH 23.8.2006, II R 16/06; SIS 06 38 91
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) kaufte mit notariell beurkundetem Vertrag vom
20.12.1994 von einer Bauträgergesellschaft (B-GmbH) 11
Wohneigentumseinheiten in einem noch zu errichtenden Gebäude
zu einem Gesamtkaufpreis von 3.195.000 DM. Das Gebäude sollte
auf noch zu vermessenden Teilflächen mehrerer Flurstücke
erbaut und bis zum 31.12.1995 fertiggestellt werden. Der
Kläger erklärte im Kaufvertrag als Bevollmächtigter
seines Vaters (V), dass dieser ihm den Kaufpreis geschenkt habe.
Der Kaufpreis wurde am 28.12.1994 von einem Bankkonto des V
unmittelbar an die B-GmbH gezahlt.
Die - in den neuen Bundesländern
belegenen - Eigentumswohnungen wurden im Dezember 1995
fertiggestellt und dem Kläger übergeben. Die
Teilflächen, auf denen das Gebäude errichtet worden war,
wurden am 3.6.1997 als selbständiges Grundstück im
Liegenschaftskataster eingetragen; die B-GmbH wurde am 13.11.1997
als Eigentümerin des neu gebildeten Grundstücks im
Grundbuch eingetragen. Am 23.11.1998 erklärten der Kläger
und die B-GmbH die Auflassung hinsichtlich der Eigentumswohnungen;
der Kläger wurde am 20.1.1999 als Eigentümer im Grundbuch
eingetragen.
Im angefochtenen Schenkungsteuerbescheid
legte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
als Bemessungsgrundlage die auf den 23.11.1998 (Tag der Auflassung)
gesondert festgestellten Grundstückswerte von insgesamt
1.299.000 DM zugrunde. Demgegenüber vertrat der Kläger
die Auffassung, die Schenkung der Eigentumswohnungen sei bereits im
Zeitpunkt ihrer Fertigstellung (Dezember 1995) ausgeführt
worden. Maßgebend seien daher die auf den 1.1.1996
festgestellten Einheitswerte in Höhe von insgesamt 78.700
DM.
Nach erfolgloser Durchführung des
Einspruchsverfahrens gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt =
SIS 06 28 67. Es vertrat die Auffassung, die mittelbare Schenkung
eines noch zu errichtenden Gebäudes sei mit dessen
Fertigstellung ausgeführt, weil der Beschenkte in diesem
Zeitpunkt im Verhältnis zum Schenker die freie Verfügung
über das Gebäude erlange. Hier habe V bereits mit der
Zahlung des Gesamtkaufpreises im Jahr 1994 alles Erforderliche
getan, um dem Kläger den Gegenstand der Zuwendung zu
verschaffen. Die weiteren Ausführungshandlungen, insbesondere
die Erfüllung des mit der B-GmbH geschlossenen Kaufvertrags,
hätten allein dem Kläger oblegen. V habe hierauf keinen
Einfluss mehr gehabt.
Mit seiner Revision rügt das FA, das
FG habe zu Unrecht dem Zeitpunkt der Auflassung und der Erteilung
der Eintragungsbewilligung keine Bedeutung beigemessen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die Auffassung des FG, die mittelbare
Schenkung einer auf dem Grundstück eines Dritten noch zu
errichtenden Eigentumswohnung sei auch dann mit deren
Fertigstellung ausgeführt, wenn weder die Auflassung
erklärt noch die Eintragungsbewilligung erteilt worden ist,
ist rechtsfehlerhaft.
1. Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die
Schenkungsteuer mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung
(§ 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes - ErbStG - ).
Eine Schenkung oder freigebige Zuwendung ist
ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach
der Schenkungsabrede, im Fall der freigebigen Zuwendung nach dem
Willen des Zuwendenden, verschafft werden soll (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27.4.2005 II R 52/02, BFHE 210, 507,
BStBl II 2005, 892 = SIS 05 47 49, unter II.2., m.w.N.).
a) Ist Gegenstand der Schenkung ein
Grundstück, wird der Zeitpunkt der Steuerentstehung jedoch
vorverlagert: Maßgebend ist dann nicht erst der Eintritt des
Leistungserfolges, d.h. der Übergang des zivilrechtlichen
Eigentums durch Eintragung der Rechtsänderung in das
Grundbuch. Vielmehr ist die freigebige Zuwendung in solchen
Fällen bereits ausgeführt, wenn die Vertragspartner die
für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch
erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben
haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der
Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung
zu bewirken. Dies ist der Fall, wenn die Vertragsparteien die
Auflassung erklärt haben und der Berechtigte die Eintragung
der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat, und ferner
der Beschenkte jederzeit seine Eintragung als Eigentümer in
das Grundbuch beantragen und damit den Eintritt der dinglichen
Rechtsänderung herbeiführen kann (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 2.2.2005 II R 26/02, BFHE 208,
438, BStBl II 2005, 312 = SIS 05 16 29, unter II.1.a, m.w.N.).
Die Grundsätze über die Bestimmung
des Ausführungszeitpunkts bei einer (unmittelbaren)
Grundstücksschenkung finden auch auf die mittelbare
Grundstücksschenkung Anwendung, weil Gegenstand der Zuwendung
nach dem Willen der Parteien in beiden Fällen das
Grundstück ist. Danach ist auch eine mittelbare
Grundstücksschenkung bereits dann - aber auch erst dann -
ausgeführt, wenn die Auflassung erklärt und die
Eintragungsbewilligung erteilt worden ist und der Beschenkte
jederzeit den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung
herbeiführen kann.
b) Ist Gegenstand der mittelbaren
Grundstücksschenkung indes ein noch zu errichtendes
Gebäude, ist die Zuwendung erst mit der Fertigstellung des
Gebäudes ausgeführt. Denn erst in diesem Zeitpunkt
erlangt der Bedachte endgültig dasjenige, was er nach der
Schenkungsabrede oder dem Willen des Schenkers erhalten sollte
(BFH-Urteil vom 22.9.2004 II R 88/00, BFH/NV 2005, 213 = SIS 05 07 77).
c) Ist Gegenstand der mittelbaren
Grundstücksschenkung ein Grundstück mit noch zu
errichtendem Gebäude, ist - jedenfalls in den Fällen, in
denen der Schenker den zum Erwerb erforderlichen Geldbetrag bereits
zur Verfügung gestellt hat - die Schenkung dann
ausgeführt, wenn sowohl die zu a) erläuterte rechtliche
Möglichkeit der Herbeiführung der dinglichen
Rechtsänderung besteht als auch die zu b) erläuterte
tatsächliche Herstellung des Schenkungsgegenstands erfolgt
ist. Maßgebend ist danach derjenige Zeitpunkt, in dem -
kumulativ - die Auflassung erklärt, die Eintragungsbewilligung
erteilt und das Gebäude fertiggestellt ist. Dies hat das FG
verkannt, weshalb sein Urteil aufzuheben war.
Zu Unrecht beruft sich das FG auf das
BFH-Urteil vom 4.12.2002 II R 75/00 (BFHE 200, 406, BStBl II 2003,
273 = SIS 03 13 49). Dort hat sich der Senat lediglich zur
Errichtung eines Gebäudes auf einem dem Beschenkten bereits
gehörenden oder ihm gleichzeitig aufgrund eines einheitlichen
Vertrages vom Schenker geschenkten Grundstücks
geäußert. Vorliegend geht es hingegen nicht um die
Errichtung eines Gebäudes auf einem dem Bedachten bereits zur
Verfügung stehenden Grundstück, sondern um den Erwerb des
Grundstücks von einem Dritten. Der - im Übrigen mit dem
Streitfall vergleichbare - Sachverhalt, der im BFH-Beschluss vom
5.6.2003 II B 74/02 (BFH/NV 2003, 1425 = SIS 03 46 01) zu
beurteilen war, war dadurch gekennzeichnet, dass Auflassung und
Eintragungsbewilligung bereits gleichzeitig mit dem Abschluss des
Grundstückskaufvertrags erklärt bzw. erteilt worden
waren, die Fertigstellung aber - insoweit abweichend vom Streitfall
- erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte.
2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist
abzuweisen, weil der angefochtene Schenkungsteuerbescheid, in dem
die auf den 23.11.1998 festgestellten Grundstückswerte
angesetzt worden sind, sich als rechtmäßig erweist.
Das FG hat - für den Senat
gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend - festgestellt, nach
dem Willen der an der Schenkung beteiligten Parteien seien
„die Eigentumswohnungen“ Gegenstand der
Zuwendung gewesen. Der Gegenstand der Zuwendung ist damit weder in
dem bei V abgeflossenen Geldbetrag in Höhe von 3.195.000 DM
noch in dem vom Kläger aufgrund des Kaufvertrags vom
20.12.1994 zunächst lediglich erworbenen schuldrechtlichen
Anspruch auf Übereignung von 11 noch zu errichtenden
Eigentumswohnungen zu sehen. Vielmehr sollte dem Kläger nach
dem Willen des V das Eigentum an den Eigentumswohnungen geschenkt
werden.
Das Wohnungseigentum besteht sowohl aus dem
Sondereigentum an einer Wohnung als auch aus dem Miteigentumsanteil
an dem gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 2 des
Wohnungseigentumsgesetzes). Zum gemeinschaftlichen Eigentum
gehört insbesondere der Grund und Boden, der vorliegend im
Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags weder im
Eigentum des Klägers noch des V stand.
Danach war die Schenkung der
Eigentumswohnungen im Streitfall in Anwendung der unter 1.c)
dargestellten Grundsätze in dem Zeitpunkt ausgeführt, in
dem sowohl die Auflassung erklärt und die
Eintragungsbewilligung erteilt als auch das Gebäude
fertiggestellt war. Dies war am 23.11.1998 der Fall. Das FA hat der
Schenkungsteuerfestsetzung daher zutreffend die auf diesen
Zeitpunkt ermittelten Bedarfswerte zugrunde gelegt.
Es kommt unter diesen Umständen nicht
darauf an, ob die Erklärung der Auflassung zu einem
früheren Zeitpunkt - wie der Kläger behauptet - aufgrund
der besonderen Situation in den neuen Bundesländern objektiv
nicht möglich gewesen ist.