Kirchengemeinde, Zuwendung eines Altenheimgrundstücks an kirchlichen Träger, GrESt: Bestellt eine Kirchengemeinde einer kirchlichen Einrichtung mit karitativer Zielsetzung ein Erbbaurecht an einem Grundstück mit aufstehendem Alten- und Pflegeheim und hat diese Einrichtung den vereinbarten Erbbauzins so lange nicht zu zahlen, wie sie den Heimbetrieb fortführt, liegt eine von der Grunderwerbsteuer befreite Schenkung unter Lebenden vor. - Urt.; BFH 17.5.2006, II R 46/04; SIS 06 34 83
I. Die
katholische Kirchengemeinde K in ... bestellte mit notariell
beurkundetem Vertrag vom 29.12.1998 dem Kläger und
Revisionsbeklagten (Kläger), einer Einrichtung der ... Kirche
mit karitativer Zielsetzung in der Rechtsform eines eingetragenen
Vereins, auf 60 Jahre das Erbbaurecht an einem ihr gehörenden,
mit einem Altenheim bebauten Grundstück für den Betrieb
einer katholischen Einrichtung der Altenhilfe. In dem Vertrag wurde
Folgendes vereinbart: Eine Änderung des Verwendungszwecks
bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der K. Der
Kläger verpflichtete sich, die noch nicht umgebauten Zimmer in
dem Heim unter bestimmten Voraussetzungen an die heutigen
Anforderungen der stationären Altenpflege anzupassen. Wenn er
das Heim nicht selbst betreibt oder dessen Betrieb einstellt oder
sonst gegen die von ihm übernommenen Verpflichtungen
verstößt, steht K ein Heimfallanspruch
zu.
K
„verzichtete“ auf die Entrichtung des vereinbarten
Erbbauzinses, solange der Kläger in dem Haus soziale Aufgaben
für bedürftige Menschen wahrnimmt, und verpflichtete sich
unbeschadet dieser Regelung, den Erbbauzins zu erlassen, solange
der Kläger Grundstück und Aufbauten dem bisherigen Zweck
zuführt und keine Gewinne oder Überschüsse aus dem
Betrieb des Heimes erzielt oder diese nicht für andere Zwecke
oder für eine andere seiner Einrichtungen
entnimmt.
Endet das
Erbbaurecht durch Zeitablauf oder Heimfall, hat der Kläger das
Grundstück samt den dann vorhandenen Aufbauten an K
zurückzuübertragen. K seinerseits ist dann verpflichtet,
bezüglich der vom Kläger von Grund auf sanierten
Aufbauten die von diesem dafür neu aufgenommenen und noch
vorhandenen Verbindlichkeiten zu übernehmen und von ihm
für diese Aufbauten aufgewendete, nicht aus dem Betrieb des
Heimes stammende Eigenmittel zu erstatten.
Der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) setzte für
den Erwerb des Erbbaurechts Grunderwerbsteuer in Höhe von
99.533,19 EUR (194.670 DM) fest. Er legte der Steuerfestsetzung den
nach § 148 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 147 des
Bewertungsgesetzes (BewG) gesondert festgestellten Wert des
Erbbaurechts von 5.562.000 DM zugrunde und nahm dabei an, dass die
Pflicht zur Zahlung des Erbbauzinses aufschiebend bedingt und daher
gegenwärtig eine Gegenleistung nicht zu ermitteln sei (§
8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 des Grunderwerbsteuergesetzes -
GrEStG - ). Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG scheide
aus, weil der Kläger aufgrund der vereinbarten Verwendung des
Grundstücks für soziale Aufgaben durch die Bestellung des
Erbbaurechts nicht bereichert worden sei. Der Einspruch blieb
erfolglos.
Das
Finanzgericht (FG) gab der auf Aufhebung des
Grunderwerbsteuerbescheids gerichteten Klage durch das in EFG 2005,
135 = SIS 05 01 31 veröffentlichte Urteil mit der
Begründung statt, es sei Grunderwerbsteuerfreiheit nach §
3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG gegeben. Der Kläger habe das Erbbaurecht
aufgrund freigebiger Zuwendung der K erworben und sei durch den
Erwerb objektiv bereichert. Die vereinbarte Wahrnehmung sozialer
Aufgaben für bedürftige Menschen stelle keine
Gegenleistung i.S. von § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 GrEStG
dar. Gleiches gelte für die aufschiebend bedingte
Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses bis zum - noch nicht
erfolgten - Eintritt der Bedingung.
Mit der
Revision macht das FA geltend, der Erwerb des Erbbaurechts sei
nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung
ausgenommen. Der Kläger habe das Recht nicht durch Schenkung
unter Lebenden erhalten, wie sich aus der Vereinbarung über
die Wahrnehmung sozialer Aufgaben auf dem Grundstück durch den
Kläger ergebe. Der Wert der vom Kläger eingegangenen
Verpflichtungen lasse sich allerdings nicht ermitteln. Deshalb sei
der Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage
heranzuziehen.
Das FA
beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger
beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
II. Die
Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen
(§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat zu
Recht angenommen, die Bestellung des Erbbaurechts unterliege zwar
nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der
Grunderwerbsteuer, sei aber als Grundstücksschenkung unter
Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes
(ErbStG) zu beurteilen und deshalb nach § 3 Nr. 2 Satz 1
GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.
a) Als
Schenkungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) gelten
nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG freigebige Zuwendungen unter
Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden
bereichert wird. Diese Voraussetzungen sind
erfüllt.
aa) Eine
freigebige Zuwendung scheidet nicht bereits nach den für
Vermögensübertragungen durch Träger
öffentlicher Verwaltung geltenden Grundsätzen aus.
Unentgeltliche Vermögensübertragungen durch solche
Träger fallen im Regelfall nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG; sie erfolgen regelmäßig nicht freigebig.
Aufgrund der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht
(Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG - ), darunter auch an die
jeweils maßgebenden haushaltsrechtlichen Vorschriften, ist in
der Regel anzunehmen, dass Träger öffentlicher Verwaltung
in Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufgaben und somit nicht
freigebig handeln. Unentgeltlichen Vermögensübertragungen
durch solche Verwaltungsträger steht regelmäßig die
Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben gegenüber. Nur
wenn die übertragende juristische Person des öffentlichen
Rechts den Rahmen ihrer Aufgaben eindeutig überschreitet,
kommt eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG in Betracht (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
1.12.2004 II R 46/02, BFHE 208, 426, BStBl II 2005, 311 = SIS 05 16 96; vom 29.3.2006 II R 15/04, BFH/NV 2006, 1413 = SIS 06 22 76, und
vom 29.3.2006 II R 68/04, BFH/NV 2006, 1587 = SIS 06 27 11).
Diese
Grundsätze lassen sich nicht auf
Vermögensübertragungen durch Kirchen bzw. deren
Untergliederungen wie etwa katholische Kirchengemeinden
übertragen. Diese unterliegen nicht dem staatlichen
Haushaltsrecht, sondern ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten
selbständig innerhalb der Schranken des für alle
geltenden Gesetzes (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 der
Weimarer Reichsverfassung), und sind im Gegensatz zu Trägern
öffentlicher Verwaltung jedenfalls nicht durch staatliches
Recht gehindert, freigebige Zuwendungen zu erbringen. Aus dem in
Nordrhein-Westfalen geltenden Gesetz über die Verwaltung des
katholischen Kirchenvermögens vom 24.7.1924 (Sammlung des
fortlaufend bereinigten Gesetz- und Verordnungsblattes für das
Land Nordrhein-Westfalen - GV NRW - 222, zuletzt geändert
durch Gesetz vom 17.6.2003, GV NRW S. 313), ergibt sich nichts
anderes.
bb) Der
Bestellung des Erbbaurechts steht auch keine Gegenleistung des
Klägers gegenüber, die seine aufgrund der
Unentgeltlichkeit der Bestellung gegebene Bereicherung (§ 7
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ausschließt.
Die
Erbbauzinsen sind nach § 6 Abs. 1 BewG nicht als Gegenleistung
zu berücksichtigen, solange der Kläger die vertraglich
vereinbarten Voraussetzungen dafür, dass die Erbbauzinsen
nicht zu zahlen sind, erfüllt. Erst wenn dies nicht mehr der
Fall sein sollte, bilden die Erbbauzinsen eine
Gegenleistung.
Die
Verpflichtung des Klägers zum Betrieb des Heimes ist keine
Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts. Der
Heimbetrieb obliegt dem Kläger vielmehr als eigene, den
Heimbewohnern gegenüber wahrzunehmende Aufgabe. Auch die vom
Kläger übernommenen Umbauverpflichtungen stellen keine
Gegenleistung dar. Die im Vertrag vorgesehenen Umbaumaßnahmen
kommen dem Kläger selbst als Betreiber des Heimes zugute.
Bezüglich der Aufwendungen des Klägers für die
Baumaßnahmen hat K nach Maßgabe der getroffenen
Vereinbarungen bei Beendigung des Erbbaurechts Ersatz zu leisten.
Der Streitfall unterscheidet sich dadurch von dem Sachverhalt, der
dem BFH-Urteil vom 6.12.1995 II R 46/93 (BFH/NV 1996, 578) zu
Grunde lag. Bei der in diesem Fall vereinbarten
Restaurierungsverpflichtung des Erbbauberechtigten hatte es sich
nicht um eine lediglich eigennützige Erwerberverpflichtung und
somit um eine Gegenleistung für die Bestellung des
Erbbaurechts gehandelt.
b) Die vom Kläger eingegangenen
Verpflichtungen zum Betrieb des Heimes und zu den
Umbaumaßnahmen sind auch nicht als nach § 10 Abs. 5 Nr.
2 ErbStG bei der Schenkungsteuer abziehbare Auflagen zu beurteilen,
die insoweit nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zur
Grunderwerbsteuerbarkeit der Schenkung führen. Die
Erfüllung dieser Verpflichtungen liegt innerhalb der
satzungsgemäßen Aufgaben des Klägers als einer
Einrichtung der katholischen Kirche mit karitativer Zielsetzung;
eine Abziehbarkeit bei der Schenkungsteuer scheidet deshalb nach
§ 10 Abs. 9 ErbStG aus (vgl. BFH-Urteil vom 16.1.2002 II R
82/99, BFHE 197, 269, BStBl II 2002, 303 = SIS 02 05 95).