Grundstücksübertragung zwischen Verwaltung und eigener GmbH, Grunderwerbsteuer: Die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Bereitstellung von Krankenhäusern) erfolgende unentgeltliche Grundstücksübertragung durch einen Träger öffentlicher Verwaltung (Landkreis) auf eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er ist, ist keine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und deshalb auch nicht nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. - Urt.; BFH 29.3.2006, II R 15/04; SIS 06 22 76
I. Der im Land Brandenburg gelegene
Landkreis L ist Alleingesellschafter der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH. Mit notariell
beurkundetem „Schenkungsvertrag“ vom 15.6.2000
übertrug L mit einem Krankenhausgebäude bebaute
Grundstücke auf die Klägerin. Auf diesen
Grundstücken betrieb die W-GmbH, deren Alleingesellschafterin
die Klägerin war, ein Krankenhaus. In dem Schenkungsvertrag
gingen die Vertragsparteien davon aus, dass die übertragenen
Grundstücke betriebsnotwendig zum Krankenhaus gehören.
Die Klägerin verpflichtete sich unter näheren
Voraussetzungen zur Rückübertragung der Grundstücke
nebst aufstehenden Gebäuden an L u.a. dann, wenn sie nicht
mehr zum Betreiben eines Krankenhauses genutzt werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte für diesen Grundstückserwerb
gegen die Klägerin nach einer Bemessungsgrundlage
(Grundbesitzwert der übertragenen Grundstücke) von
10.480.000 DM Grunderwerbsteuer in Höhe von 187.541,86 EUR
fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes
(GrEStG) begehrte, hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) verneinte in seinem
in EFG 2004, 835 = SIS 04 20 02 veröffentlichten Urteil die
Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 GrEStG, weil die
Grundstücksübertragung mit dem satzungsmäßigen
Zweck der Klägerin unmittelbar und eindeutig in Zusammenhang
stehe. Die übertragenen Grundstücke seien für den
Betrieb der Klägerin unerlässlich und ihrem
Gesellschaftszweck förderlich. Die Eigenschaft der
Klägerin als gemeinnützige Körperschaft sei für
§ 3 Nr. 2 GrEStG unerheblich.
Mit der Revision rügt die
Klägerin fehlerhafte Anwendung von § 3 Nr. 2 GrEStG. L
habe sich mit der schenkweisen Übertragung der
Grundstücke allein seiner Unterhalts- und
Instandhaltungslasten entledigen wollen. Die
Grundstücksschenkung habe L mit Rücksicht auf ihre - der
Klägerin - Gemeinnützigkeit weder eine Werterhöhung
seines Geschäftsanteils noch eine Teilhabe an ihrem
wirtschaftlichen Erfolg vermittelt.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 25.1.2002 in
der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.4.2002
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend entschieden,
dass auf den nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der
Grunderwerbsteuer unterliegenden Grundstückserwerb der
Klägerin § 3 Nr. 2 GrEStG nicht anzuwenden ist.
1. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) gilt als
Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede
freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie
auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der Bundesfinanzhof
(BFH) hat bereits durch Urteil vom 1.12.2004 II R 46/02 (BFHE 208,
426, BStBl II 2005, 311 = SIS 05 16 96) entschieden, dass
unentgeltliche Vermögensübertragungen zwischen
Trägern öffentlicher Verwaltung nicht unter diese
Vorschrift fallen, sie erfolgen regelmäßig nicht
freigebig. Aufgrund der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz
und Recht (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG - ), darunter auch
an die jeweils maßgebenden haushaltsrechtlichen Vorschriften,
ist im Regelfall anzunehmen, dass Träger öffentlicher
Verwaltung in Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufgaben und somit
nicht freigebig handeln. Vermögensübertragungen steht
regelmäßig die Erfüllung der den Trägern
öffentlicher Verwaltung obliegenden Aufgaben gegenüber.
Nur wenn die übertragende juristische Person des
öffentlichen Rechts den Rahmen ihrer Aufgaben eindeutig
überschreitet, kommt eine freigebige Zuwendung i.S. von §
7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht. Ein Anspruch des
begünstigten Verwaltungsträgers auf eine unentgeltliche
Vermögensübertragung ist nicht erforderlich, um die
Freigebigkeit der Zuwendung auszuschließen. Entscheidend ist
nur die Verknüpfung der Vermögensübertragung mit der
Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die auch im Ermessen der
zuwendenden Stelle liegen kann.
2. Diese Grundsätze gelten auch für
eine unentgeltliche Vermögensübertragung durch einen
Landkreis auf eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter dieser
Landkreis ist. Erfolgt die Vermögensübertragung durch den
Landkreis zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben,
fehlt es an der Freigebigkeit der Zuwendung. So liegt es im
Streitfall.
a) Das FG hat zwar keine Feststellungen zu
Existenz und Inhalt des brandenburgischen Landesrechts getroffen,
soweit es die Übertragung von Vermögensgegenständen
eines Landkreises auf eine GmbH betrifft, deren alleiniger
Gesellschafter dieser Landkreis ist. Wegen der Feststellung, ob L
im Streitfall insoweit in Erfüllung einer öffentlichen
Aufgabe gehandelt hat, bedarf es jedoch keiner
Zurückverweisung an das FG. Denn soweit sich - wie im
Streitfall - eine Vorfrage für die Anwendung von
bundesrechtlichen Steuerrechtssätzen nach Landesrecht
beurteilt und sich das FG mit dem entscheidungserheblichen
Landesrecht nicht befasst hat, ist der BFH zu einer eigenen
Nachprüfung berechtigt (BFH-Urteile vom 8.7.1971 V R 1/68,
BFHE 103, 247, BStBl II 1972, 70 = SIS 72 00 43; vom 15.11.1978 I R
65/76, BFHE 126, 424, BStBl II 1979, 193 = SIS 79 01 03;
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118
Rdnr. 16).
b) Nach § 1 Abs. 2 des
Krankenhausgesetzes des Landes Brandenburg vom 11.5.1994 (Gesetz-
und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg - GVBl BB - I,
S. 106 mit späteren Änderungen) ist die Sicherstellung
der Krankenversorgung in Krankenhäusern eine öffentliche
Aufgabe u.a. der Landkreise. Zur Sicherstellung dieser Aufgabe darf
der Landkreis auch Unternehmen gründen, erwerben oder sich an
ihnen beteiligen (§ 101 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der
Gemeindeordnung für das Land Brandenburg - GO - vom
15.10.1993, GVBl BB I, S. 398, mit späteren Änderungen
i.V.m. § 63 der Landkreisordnung für das Land Brandenburg
- LKrO - vom 15.10.1993, GVBl BB I, S. 433, mit späteren
Änderungen). Die Zulässigkeit einer solchen
wirtschaftlichen Betätigung setzt voraus, dass der
öffentliche Zweck dies rechtfertigt (§ 100 Abs. 1 Nr. 1
GO i.V.m. § 63 LKrO). Das Unternehmen ist so zu führen,
dass der öffentliche Zweck nachhaltig erfüllt wird
(§ 100 Satz 1 GO i.V.m. § 63 LKrO).
3. Unter Berücksichtigung dieser für
L maßgebenden öffentlich-rechtlichen Bindungen erfolgte
die Übertragung der Grundstücke auf die Klägerin
nicht objektiv freigebig. L hat mit der Zuwendung der
Grundstücke in Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben,
nämlich in Verfolgung des öffentlichen Zwecks der
Krankenversorgung in Krankenhäusern gehandelt und diese
Zweckbindung der Grundstückszuwendung dadurch abgesichert,
dass die Klägerin - unter näheren Voraussetzungen - bei
Wegfall der Nutzung für Krankenhauszwecke zur
Rückübertragung der Grundstücke verpflichtet
war.
Die Freigebigkeit der Zuwendung folgt im
Streitfall auch nicht etwa daraus, dass der Vertrag vom 15.6.2000
ausdrücklich als „Schenkungsvertrag“
bezeichnet ist. Für die Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG ist diese Bezeichnung schon deshalb unerheblich, weil der
objektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung nach
schenkungsteuerlichen Maßstäben zu bestimmen ist und das
von den Beteiligten gewählte bürgerlich-rechtliche
„Vertragskleid“ insoweit keine Bedeutung hat
(BFH-Urteil vom 2.3.1994 II R 59/93, BFHE 173, 432, BStBl II 1994,
366 = SIS 94 09 04).
Unter diesen Umständen kommt es auf die
Frage, ob die Zuwendung der Grundstücke als Einlage des L
anzusehen ist und ob - wie die Klägerin meint - die
Zielsetzung der Grundstückszuwendung nicht in einer
Erhöhung ihres Gesellschaftsvermögens bestand, nicht
an.