Grundstück mit Altlasten, GrESt: Ist Gegenstand des Erwerbs ein mit Altlasten kontaminiertes Grundstück und verpflichtet sich der Erwerber im Grundstückskaufvertrag zu dessen Sanierung, gehören die entstandenen Kosten nicht zur Gegenleistung, wenn bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags noch keine Sanierungsverfügung an den Veräußerer ergangen war. - Urt.; BFH 30.3.2009, II R 62/06; SIS 09 26 32
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariell
beurkundetem Vertrag vom 28.2.2000 von der Bundesrepublik
Deutschland (Verkäuferin) ein in der Stadt H (Stadt)
gelegenes, vormals militärisch genutztes und mit Altlasten
kontaminiertes Grundstück. Der Kaufpreis betrug 2.150.000 DM
(1.099.277,50 EUR). Bei der Einigung auf diesen Kaufpreis wurden
die Bodenverunreinigungen, „die der vorgesehenen Nutzung zur
Wohnbebauung entgegenstanden“, preismindernd
berücksichtigt. Eine Beteiligung der Verkäuferin an den
Sanierungskosten wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Sie
übernahm insbesondere im Hinblick auf die
Bodenverunreinigungen keine Gewähr für eine bestimmte
Beschaffenheit des Baugrundes. Das Grundstück sollte in dem
gegenwärtigen, den Vertragsparteien bekannten Zustand verkauft
werden.
Dem Grundstückskaufvertrag war ein
Schriftverkehr zwischen der Stadt und der Verkäuferin
über die Vornahme von Sanierungsmaßnahmen auf dem
Grundstück vorausgegangen. Die in den Schreiben der Stadt in
den Jahren 1995 und 1996 geforderten vorläufigen
Sofortmaßnahmen (Umzäunung des Grundstücks,
Abdecken des Bodens mit Folie) und Untersuchungsmaßnahmen
(Entnahme von Bodenproben, Einrichtung von Grundwassermessstellen)
führte die Verkäuferin durch. Für den Fall einer
künftigen Wohnnutzung des Grundstücks kündigte die
Stadt im Schreiben vom 25.4.1996 die Notwendigkeit weitergehender
Sanierungsmaßnahmen an; eine entsprechende
Sanierungsverfügung erließ sie jedoch nicht.
Die Klägerin verpflichtete sich
„zum Ausschluss jeglichen Haftungsrisikos nach § 24 des
Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG)“ in dem
Grundstückskaufvertrag ferner, der Verkäuferin die
ordnungsgemäße Sanierung durch Gutachten und andere
Unterlagen nachzuweisen. Sie war zudem verpflichtet,
„erforderliche Sanierungs- oder Sicherungsmaßnahmen zur
Beseitigung ... ordnungsrechtlich relevanter Gefahren
unverzüglich durchzuführen“ und die
Verkäuferin von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen
frei zu stellen, soweit vor Eigentumsumschreibung eine
entsprechende Ordnungsverfügung ergehen sollte. Die
Klägerin beauftragte in der Folgezeit einen Unternehmer mit
der Grundstückssanierung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte gegen die Klägerin zuletzt mit
Bescheid vom 21.2.2002 Grunderwerbsteuer in Höhe von 194.745
DM (99.571,54 EUR) fest und bezog neben dem Kaufpreis die der
Klägerin entstandenen Kosten der Bodensanierung in Höhe
von 3.414.162 DM in die Bemessungsgrundlage ein. Der Einspruch, mit
dem sich die Klägerin gegen diese Erweiterung der
Bemessungsgrundlage wandte, hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Die Aufwendungen für die Altlastensanierung seien in die
grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung einzubeziehen, weil im
Hinblick auf die geplante Wohnbebauung als Gegenstand des
Erwerbsvorgangs das „sanierte Grundstück“
anzusehen sei. Die Sanierungskosten seien als „sonstige
Leistung“ zu berücksichtigen, weil die Klägerin
„eine hinreichend konkretisierte Verpflichtung des
Veräußerers zur Altlastensanierung durch
ausdrückliche vertragliche Vereinbarung“ übernommen
habe. Die Vorentscheidung ist in EFG 2007, 283 = SIS 07 05 24
veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung von § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1
Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuer unter
Änderung des Bescheids vom 21.2.2002 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10.4.2003 auf 38.474,71 EUR
herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
antragsgemäßen Herabsetzung der Steuer (§ 126 Abs.
3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Soweit das FG bei seiner Entscheidung davon
ausgegangen ist, dass als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das
sanierte Grundstück anzusehen sei, vermag der erkennende Senat
dem FG nicht zu folgen.
a) Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
grunderwerbsteuerbaren Grundstückskaufvertrag bemisst sich die
Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG
regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung. Als
Gegenleistung gilt dabei nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der
Kaufpreis einschließlich der vom Käufer
übernommenen sonstigen Leistungen. Demgemäß
gehören alle Leistungen des Erwerbers zur Gegenleistung, die
dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das
Grundstück zu erwerben. Für den Umfang der Gegenleistung
ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand die
Parteien das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbs gemacht
haben (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.3.2001 II R
39/99, BFHE 194, 452, BStBl II 2002, 93 = SIS 01 10 89, m.w.N.; vom
21.3.2007 II R 67/05, BFHE 215, 301, BStBl II 2007, 614 = SIS 07 16 75).
Ausgangspunkt für die Bestimmung des
Gegenstands des Erwerbsvorgangs ist deshalb zunächst immer das
tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft, bei § 1 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG regelmäßig die kaufvertraglich
begründete Übereignungsverpflichtung (Sack in Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007, § 9 Rz 161; Pahlke in
Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2005,
§ 9 Rz 4).
Entgegen der Auffassung des FG war im
Streitfall die Verkäuferin des Grundstücks zivilrechtlich
nicht verpflichtet, der Klägerin das Grundstück in einem
noch herzustellenden (boden-) sanierten Zustand zu übereignen.
Die Vertragsparteien haben ausdrücklich vereinbart, dass das
Grundstück im gegenwärtigen und damit im unsanierten
Zustand auf die Klägerin übergehen, die Verkäuferin
wegen der Bodenverunreinigungen keine Gewährleistung
übernehmen und sich nicht an dem Sanierungsaufwand beteiligen
sollte. Dass vor der geplanten Errichtung von Wohnungen eine
umfangreiche Bodensanierung notwendig war, war den Vertragsparteien
bekannt und hatte sich in einer Minderung des Kaufpreises
niedergeschlagen.
b) Nach den vom FG getroffenen und den
erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden
Feststellungen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass
zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den von der
Klägerin zum Zwecke der Bodensanierung mit Dritten
abgeschlossenen Verträgen eine rechtliche
Bestandsverknüpfung kraft Parteiwillens oder ein so enger
sachlicher Zusammenhang bestanden hat, dass die Klägerin im
Sinne der ständigen Rechtsprechung des BFH zum
„einheitlichen Leistungsgegenstand“ bei
objektiver Betrachtung ein (künftig) saniertes Grundstück
erhalten hat (vgl. BFH-Urteile vom 23.11.1994 II R 53/94, BFHE 176,
450, BStBl II 1995, 331 = SIS 95 08 12; vom 16.7.1997 II R 39/05,
BFH/NV 1998, 213; vom 15.3.2000 II R 34/98, BFH/NV 2000, 1240 = SIS 00 59 76, unter II. 1. c, und vom 30.4.2003 II R 29/01, BFH/NV
2003, 1446 = SIS 03 46 36, sowie BFH-Beschluss vom 4.10.2005 II B
29/05, BFH/NV 2006, 123 = SIS 06 03 33).
2. Auch soweit das FG in der Sanierung des
Grundstücks durch die Klägerin eine
„sonstige“, neben dem vereinbarten Kaufpreis zu
erbringende „Leistung“ i.S. des § 9 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG an die Grundstücksveräußerin gesehen
hat, kann der Senat dem FG nicht folgen. Denn allein aus dem
Umstand, dass sich die Klägerin im Grundstückskaufvertrag
vertraglich verpflichtet hat, die Bodensanierung auf eigene Kosten
durchzuführen, den Nachweis ordnungsgemäßer
Sanierung und Entsorgung zu erbringen, ordnungsrechtlich relevante
Gefahren unverzüglich zu beseitigen und die Verkäuferin
von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen frei zu stellen,
soweit vor Eigentumsumschreibung eine entsprechende
Ordnungsverfügung ergehen sollte, ergibt sich entgegen der
Auffassung des FG noch nicht, dass es sich bei der Bodensanierung
um eine mit der Übereignungsverpflichtung verknüpfte
Leistung der Klägerin an die Verkäuferin handelt.
a) Die nach Abschluss des
Grundstückskaufvertrages von der Klägerin
durchgeführte Bodensanierung kommt nämlich ihr selbst als
neuer Eigentümerin zu Gute. Dies gilt gerade auch für
diejenigen boden- und altlastenbezogenen Sanierungspflichten, die
sie im Zusammenhang mit einer von ihr angestrebten (neuen)
Grundstücksnutzung (Wohnbebauung) treffen und deren genauer
Umfang unter anderem durch diese künftige Nutzung bedingt ist
(vgl. auch § 4 Abs. 4 des Bundes-Bodenschutzgesetzes). Als
solche handelt es sich nicht um eine fremdnützige, der
Verkäuferin zu Gute kommende, sondern um eine
eigennützige Leistung der Klägerin, die keine
Gegenleistung darstellt (BFH-Urteil vom 17.5.2006 II R 46/04, BFHE
213, 246, BStBl II 2006, 720 = SIS 06 34 83).
b) Auch mit der Übernahme der
Verpflichtung, ordnungsrechtlich relevante Gefahren
unverzüglich zu beseitigen, hat die Klägerin keine
zusätzliche Leistung an die Verkäuferin erbracht. Denn
mit einer vertraglichen Verpflichtung zur Bodensanierung
übernimmt der Erwerber - nicht anders als bei einer
Verpflichtung zur Übernahme künftiger
Erschließungskosten - grundsätzlich nur eine ihn ohnehin
treffende (latente) öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Die
von dem Erwerber ggf. noch durchzuführenden
Sanierungsmaßnahmen können daher nicht ohne weiteres dem
Veräußerer zugerechnet werden.
c) Schließlich hat die Klägerin -
entgegen der Auffassung des FG - mit der Sanierung des
Grundstücks auch keine öffentlich-rechtliche
Verpflichtung der Verkäuferin übernommen und deshalb auch
insoweit keine „sonstige Leistung“ an diese
erbracht.
Grundsätzlich kann eine Gegenleistung
für den Erwerb des Grundstücks auch darin liegen, dass
der Erwerber vertraglich eine bereits durch
Sanierungsverfügung konkretisierte Verpflichtung des
Grundstücksverkäufers übernimmt. Unter
„sonstige Leistungen“ fallen nämlich alle
Verpflichtungen des Käufers, die zwar nicht unmittelbar
Kaufpreis für das Grundstück im
bürgerlich-rechtlichen Sinne, aber gleichwohl Entgelt für
den Erwerb des Grundstücks sind (BFH-Urteil vom 25.4.2002 II R
57/00, BFH/NV 2002, 1612 = SIS 03 02 85, m.w.N.). Dazu gehört
auch die Übernahme von Verpflichtungen des
Veräußerers durch den Erwerber (BFH-Urteil vom 8.6.2005
II R 26/03, BFHE 210, 372, BStBl II 2005, 613 = SIS 05 31 24).
Voraussetzung ist allerdings, dass die Verpflichtung bereits in der
Person des Veräußerers entstanden ist (zur Verpflichtung
des Erwerbers zur Übernahme bereits entstandener
Erschließungskosten vgl. BFH-Urteile vom 27.6.1968 II 112/64,
BFHE 93, 183, BStBl II 1968, 690 = SIS 68 04 72, m.w.N.; vom
19.11.1968 II R 16/68, BFHE 94, 160, BStBl II 1969, 90 = SIS 69 00 65; vom 9.5.1979 II R 56/74, BFHE 128, 92, BStBl II 1979, 577 = SIS 79 02 93).
Bei Vorliegen einer schädlichen
Bodenveränderung oder Altlast entsteht eine
öffentlich-rechtliche Sanierungsverpflichtung erst und
ausschließlich dann, wenn sich die materielle, aus dem
einschlägigen Bodenschutzrecht ergebende
Sanierungsverantwortlichkeit durch Erlass einer formellen
Sanierungsverfügung einzelfallbezogen konkretisiert hat.
Demgegenüber ist das in den Verwaltungserlassen (z.B. Erlass
des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 8.7.1993 S 4521-26-V
A 2, DStR 1993, 1223) herangezogene Merkmal einer
„hinreichend konkretisierten Verpflichtung“ -
soweit Umstände neben dem Erlass eines Verwaltungsakts
berücksichtigt werden sollen - zu unbestimmt, um genügend
trennscharf die vertraglich übernommenen
Sanierungsverpflichtungen, die als Gegenleistung i.S. des § 8
Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu berücksichtigen
sind, von solchen abzugrenzen, die die Bemessungsgrundlage
unberührt lassen.
An einer formellen Sanierungsverfügung,
die sich gegen die Verkäuferin des Grundstücks richtete,
fehlt es im Streitfall, sodass die Klägerin auch keine
öffentlich-rechtlichen Pflichten der Verkäuferin
übernommen und damit keine „sonstige
Leistung“ an diese erbracht hat.
3. Die Sache ist spruchreif. Der
Grunderwerbsteuerbescheid vom 21.2.2002 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10.4.2003 ist rechtswidrig und verletzt
die Klägerin in ihren Rechten, soweit das FA in die
Bemessungsgrundlage auch die Sanierungskosten einbezogen hat. Der
angefochtene Bescheid ist gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1
FGO dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer unter
Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von 2.150.000 DM
(1.099.277,50 EUR) auf 38.474,71 EUR festgesetzt wird.