Reisedokumente, Beschaffung, USt: 1. Die Beschaffung der Betreuung auf der Reise stellt eine gegenüber der bloßen Beschaffung des Touristenvisums eigene, selbständige sonstige Leistung dar. - 2. Die von einem Unternehmer im eigenen Namen besorgte Betreuungsleistung ist nach § 25 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993 steuerfrei, wenn die von ihm in Anspruch genommene Reisevorleistung durch ein Betreuungsunternehmen im Drittlandsgebiet bewirkt wird. § 25 UStG 1993 greift ein, wenn die Leistung gegenüber Endverbrauchern erbracht wird. - 3. Die von einem Unternehmer im eigenen Namen für andere Unternehmen auf deren Rechnung besorgte Betreuungsleistung ist nicht steuerbar nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3a Abs. 1, 3 Abs. 11 UStG 1993, wenn die Betreuungsleistung durch ein Betreuungsunternehmen im Drittlandsgebiet erbracht wird. - Urt.; BFH 2.3.2006, V R 25/03; SIS 06 31 20
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) betrieb in den Streitjahren 1995 und 1996 in der
Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen
sogenannten Konsularservice. Unternehmensgegenstand war - neben der
im Revisionsverfahren nicht mehr streitigen Vermittlung von
Flügen - die Beschaffung von Einreisedokumenten für
Reisen in die Länder der „Gemeinschaft Unabhängiger
Staaten“ (GUS). Kunden der Klägerin waren sowohl
Privatpersonen als auch Reisebüros, die für ihre Kunden
die Dienste der Klägerin in Anspruch nahmen. Diese gestalteten
sich wie folgt:
Beauftragte ein Kunde die Klägerin mit
der Beschaffung eines Visums, so übersandte ihm die
Klägerin ein Antragsformular und ein Informationsblatt der
Botschaft des Reiselandes über die Einreisebestimmungen und
forderte ihn gleichzeitig zur Zahlung der anfallenden Gebühren
und Vergütungen mittels eines beigefügten
Überweisungsträgers auf. Das ausgefüllte
Antragsformular reichte der Kunde unter Beifügung der
erforderlichen Reisedokumente (Reisepass usw.) und des
Zahlungsnachweises an die Klägerin zurück, die sodann die
Unterlagen an die Behörden des Reiselandes
weiterleitete.
Nach den im Wesentlichen gleichartigen
Reisebestimmungen der GUS-Staaten war für die Erteilung eines
Touristenvisums die Vorlage einer Reisebestätigung (Voucher) -
sog. Visabestätigung - erforderlich, die von einigen
großen Reisebüros und Hotels - sogenannten
Referenzunternehmen - der Reiseländer ausgestellt wurden. Mit
diesen Unternehmen stand die Klägerin in vertraglichen
Beziehungen, für Reisen in die Russische Föderation mit
dem Referenzunternehmen U (U). Für die Ausstellung des Visums
erhob das Konsulat eine Gebühr, die in den Streitjahren
für ein Touristenvisum für Rußland 55 DM betrug.
Das Referenzunternehmen berechnete für die
„Visabestätigung“ ein Entgelt von 35 DM, mit dem
die Klägerin ihre Kunden belastete, während ihre eigenen
Dienste mit 40 DM (Beschaffung des Visums) bzw. 20 DM (Beschaffung
der „Visabestätigung“) abgegolten wurden, so dass
der Kunde insgesamt 150 DM zu zahlen hatte. Allein das staatlich
genehmigte Referenzunternehmen durfte die erforderlichen
Betreuungsleistungen vor Ort erbringen. Es stand hierfür durch
die Angabe seiner Referenznummer im Voucher des Reisenden ein. Bei
den Betreuungsleistungen handelte es sich insbesondere um Aufgaben,
die das Referenzunternehmen übernehmen musste, wenn ein
Reisender vor Ort Probleme bekam, z.B. aufgrund von
Krankheiten.
In ihren Umsatzsteuererklärungen
für 1995 und 1996 behandelte die Klägerin die
Konsulatsgebühren (55 DM) als durchlaufende Posten,
während sie das auf die „Visabestätigungen“
entfallende Entgelt in Höhe der an die Referenzunternehmen
gezahlten Vergütung (35 DM) als steuerfreie Reisevorleistungen
i.S. des § 25 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993
(UStG 1993) ansah und nur das auf ihre eigene Tätigkeit
entfallende Entgelt der Umsatzsteuer unterwarf.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) rechnete hingegen beide Positionen der
Bemessungsgrundlage hinzu.
Dem Einspruch gegen die auf dieser
Grundlage erlassenen Umsatzsteuerbescheide vom 31.3.1998 half das
FA bezüglich der Konsulatsgebühren ab. Im Übrigen
vertrat es die Auffassung, dass die Beibringung der
„Visabestätigung“ Teil der einheitlichen Leistung
„Beschaffung eines Touristenvisums“ sei mit der Folge,
dass das gesamte dafür vereinnahmte Entgelt zur
Bemessungsgrundlage gehöre.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in EFG 2003, 1048 = SIS 03 35 91 veröffentlichten Urteil die Auffassung, dass
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die „Visabestätigung“ des
russischen Referenzunternehmens U sowie deren Beschaffung durch die
Klägerin nicht Teil einer einheitlichen Leistung
„Beschaffung eines Touristenvisums“ sei,
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die Leistungen des U nicht steuerbar seien,
weil sie im Drittlandsgebiet erbracht würden und
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die Beschaffung der
„Visabestätigung“ eine Besorgungsleistung
(Leistungseinkauf) nach § 3 Abs. 11 UStG 1993 darstelle, die
wie die besorgte Leistung nicht steuerbar sei.
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Zwar sei die
„Visabestätigung“ des Referenzunternehmens
notwendige Voraussetzung für die Erteilung des Touristenvisums
durch das Konsulat gewesen; die Beschaffung der
„Visabestätigung“ und des Visums durch die
Klägerin seien aber nicht notwendig miteinander verknüpft
gewesen, vielmehr hätten die Kunden das Visum auch unter
Vorlage der „Visabestätigung“ beim Konsulat selbst
beantragen können. Auch habe die
„Visabestätigung“ für die Kunden eine
selbständige Bedeutung, weil sich damit das
Referenzunternehmen gegenüber dem Touristen zur Erbringung
vielfältiger Leistungen, insbesondere Beistandsleistungen
verpflichte; schon mit der Bereithaltung als Ansprechpartner vor
Ort erbringe das Referenzunternehmen aber eine Leistung.
Mit der Revision rügt das FA eine
unzutreffende Anwendung materiellen Rechts durch das FG und
vertritt weiter die Auffassung, die Beschaffung des Touristenvisums
und die „Visabestätigung“ des Referenzunternehmens
bzw. deren Beschaffung stünden zueinander im Verhältnis
von Hauptleistung und Nebenleistung und seien deshalb als eine
einheitliche Leistung anzusehen, die im Inland erbracht werde und
daher insgesamt steuerbar und steuerpflichtig sei.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unzulässig zu verwerfen, jedenfalls aber als
unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend
auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II. Die Revision ist zulässig, hat aber
keinen Erfolg. Das FG hat im Ergebnis der Klage zu Recht
stattgegeben. Die Revision ist deshalb nach § 126 Abs. 2 und 4
der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
1. Die Revision ist entgegen der Auffassung
der Klägerin zulässig. Beantragt der Revisionskläger
- wie hier das FA - die Aufhebung des angefochtenen Urteils, ist
ein solcher Antrag dahin gehend auszulegen, dass eine Entscheidung
nach dem Antrag der Vorinstanz begehrt wird (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.4.2004 IX R 36/03, BFH/NV 2004,
1361 = SIS 04 35 64, m.w.N.). Entgegen der Auffassung der
Klägerin hat das FA die verletzte Rechtsnorm i.S. des §
120 Abs. 3 Nr. 2 FGO bezeichnet. Für die Angabe der
Revisionsgründe (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO) ist es
ausreichend, dass aus der Revisionsbegründung erkennbar wird,
welche Rechtsnorm der Revisionskläger für verletzt
hält (BFH-Urteil vom 25.6.2003 X R 66/00, BFH/NV 2004, 19 =
SIS 03 52 44, m.w.N.); hier rügt das FA die nach seiner
Ansicht unzutreffende Verneinung des Ortes der Leistung nach §
3a Abs. 1 UStG 1993 im Inland durch das FG.
2. Die Revision hat im Ergebnis aber keinen
Erfolg. Soweit die Leistungen der Klägerin gegenüber
Endverbrauchern (den Reisenden) erbracht werden, handelt es sich um
Reiseleistungen i.S. des § 25 UStG 1993, die nach § 25
Abs. 2 Satz 1 UStG 1993 steuerbefreit sind, weil die
Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden. Soweit die
Leistungen der Klägerin - Beschaffung der
„Visabestätigung“ - gegenüber anderen
Unternehmen (z.B. Reisebüros) erbracht werden, unterliegen sie
- wie das FG zutreffend angenommen hat - als Besorgungsleistung in
der Form des Leistungseinkaufs nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3a
Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 11 UStG 1993 nicht im Inland der
Umsatzsteuer.
a) Das FG hat die Beschaffung der
„Visabestätigung“ zutreffend als
selbständige Leistungen gegenüber der Beschaffung des
Touristenvisums gewertet, die deshalb umsatzsteuerrechtlich nicht
das Schicksal der Beschaffung des Touristenvisums teilen.
aa) Der BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO an
den vom FG festgestellten Sachverhalt gebunden;
Verfahrensrügen hat das FA nicht erhoben. Dass das FA in der
Revisionsbegründung eigenständige Sachverhaltswertungen
vornimmt und neuen Sachverhalt vorträgt, ist deshalb
unerheblich. Es ist daher davon auszugehen, dass die
„Visabestätigung“ des russischen
Referenzunternehmens dem Reisenden zusätzliche Leistungen
verschafft, die über die bloße Beschaffung von
Reisepapieren hinausgehen. Während der Reise einen
Ansprechpartner vor Ort zu haben, der sich um eventuell auftretende
Individualprobleme kümmert, stellt eine solche Leistung
dar.
bb) Vom Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) und vom BFH ist bereits entschieden, das jede
Dienstleistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung
zu betrachten ist, dass aber andererseits eine wirtschaftlich
einheitliche Dienstleistung nicht künstlich aufgespaltet
werden darf (EuGH-Urteil vom 25.2.1999 C-349/96, UR 1999, 254 = SIS 99 10 25; BFH-Urteil vom 21.5.2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658 =
SIS 01 11 12). Nach dem Wesen des fraglichen Umsatzes ist zu
ermitteln und festzustellen, ob eine einheitliche Leistung oder
mehrere Leistungen vorliegen; eine Leistung ist dann als
Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für
den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat.
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat
das FG ohne Rechtsverstoß entschieden, dass die Besorgung der
Betreuungsleistungen für den Reisenden gegenüber der
schlichten Beschaffung der Reisepapiere eine eigenständige
Bedeutung hat und zwar auch dann, wenn diese Leistungen konkret
nicht in Anspruch genommen werden (müssen), weil schon mit der
Bereithaltung als Ansprechpartner eine Leistung erbracht wird, die
einem „Schutzbrief“ vergleichbar ist.
b) Soweit die Klägerin ihre Leistungen
gegenüber Endverbrauchern erbringt, richtet sich die
umsatzsteuerrechtliche Behandlung nach § 25 UStG 1993
über die Besteuerung von Reiseleistungen. § 25 UStG setzt
die Regelung des Art. 26 der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) in nationales Recht um; der EuGH wendet diese Regelung
als Sonderregelung an, die anderen Regelungen vorgeht (vgl.
EuGH-Urteil vom 13.10.2005 Rs. C-200/04 iSt, BFH/NV Beilage 2006,
34 = SIS 05 46 11; UR 2005, 694 = SIS 99 10 25, insbes. Rn. 38
ff.).
Eine Reiseleistung nach § 25 UStG 1993
liegt auch dann vor, wenn der Unternehmer nur eine Leistung
erbringt (BFH-Urteil vom 7.10.1999 V R 79, 80/98, BStBl II 2004,
308 = SIS 00 01 57), so dass die Klägerin mit dem Beschaffen
der Reisepapiere und der
„Visabestätigungen“ Reiseleistungen
erbringt und hierfür Reisevorleistungen i.S. des § 25
Abs. 1 Satz 5 UStG 1993 in Form der Betreuungsleistungen durch das
Referenzunternehmen U in Anspruch nimmt. Da die Reisevorleistungen
der U im Drittlandsgebiet bewirkt werden, sind die sonstigen
Leistungen der Klägerin für die Beschaffung der
Reisevorleistungen nach § 25 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993
steuerfrei.
c) Soweit die Klägerin diese Leistungen
gegenüber anderen Unternehmen erbringt, greift § 25 UStG
1993 nicht ein (§ 25 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993). Die
Klägerin erbringt mit der Beschaffung der
„Visabestätigung“ Besorgungsleistungen i.S.
des § 3 Abs. 11 UStG 1993 in Form des Leistungseinkaufs (vgl.
BFH-Urteil vom 31.1.2002 V R 40, 41/00, BStBl II 2004, 315 = SIS 02 06 34). Nach dieser Vorschrift sind die für die besorgten
Leistungen geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistungen
entsprechend anzuwenden, wenn ein Unternehmer für Rechnung
eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung besorgt. So
liegen die Dinge hier: Die Kunden (Auftraggeber – Reisende
oder Reisebüros) beauftragen die Klägerin (Auftragnehmer)
mit der Beschaffung der für die Reise notwendigen
Betreuungsleistungen durch das Referenzunternehmern U (Dritter).
Die Klägerin besorgt diese Leistungen auf Grund ihrer
vertraglichen (Rahmen-)Beziehungen daraufhin bei U im eigenen
Namen, aber nicht für eigene Rechnung, sondern für
Rechnung der Auftraggeber.
In diesen Fällen bestimmt sich der Ort
der sonstigen Leistungen - wie hier der Beistandleistungen des
Referenzunternehmens - nach dem Ort, von dem aus der Unternehmer
sein Unternehmen betreibt. Das Referenzunternehmen betreibt sein
Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus; seine Leistungen werden
deshalb nicht im Inland erbracht und sind nach § 1 Abs. 1 Nr.
1 UStG 1993 nicht steuerbar. Auf die Besorgungsleistung der
Klägerin sind nach § 3 Abs. 11 UStG 1993 die für die
besorgte Leistung geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden,
d.h., dass auch die Besorgungsleistungen der Klägerin nicht
steuerbar sind.