Camping, Lieferung von Strom, USt-Freiheit: Die nach § 4 Nr. 12 UStG 1999 steuerfreie langfristige Vermietung von Campingflächen erstreckt sich auch auf die Lieferung von Strom (Abweichung von Abschn. 78 Abs. 3 Satz 7 i.V.m. Abschn. 76 Abs. 6 Satz 1 UStR). (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 21.7.2009, IV B 9 - S 7168/08/10001, BStBl 2009 I S. 821 = SIS 09 22 31) - Urt.; BFH 15.1.2009, V R 91/07; SIS 09 10 12
I. Streitig ist, ob bei der Vermietung von
Stellplätzen an Dauercamper die Überlassung von Strom als
unselbständige Nebenleistung zur Vermietung steuerbefreit
ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) betreibt einen Campingplatz für Dauercamper
und erklärte für das Streitjahr 2000 steuerfreie
Umsätze aus der Platzüberlassung und aus gesondert
abgerechneten weiteren Leistungen unter Berufung auf § 4 Nr.
12 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG).
Im Anschluss an eine
Umsatzsteuersonderprüfung vertrat der Prüfer die
Rechtsauffassung, zu den üblichen Nebenleistungen zur
steuerfreien Grundstücksüberlassung zählten nicht
die Lieferung von Strom sowie die Umsätze aus der Benutzung
einer Telefonanlage (Hinweis auf Abschn. 76 Abs. 6 der
Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - ). Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) folgte der
Rechtsauffassung des Prüfers und setzte im
Umsatzsteueränderungsbescheid für 2000 vom 13.6.2003
für die Lieferungen von Strom und für die Benutzung der
Telefonanlage (Umsätze zusammen 26.844,82 DM) Umsatzsteuer
fest.
Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch
machte die Klägerin geltend, die Stromlieferungen seien als
unselbständige Nebenleistungen zur Grundstücksvermietung
ebenfalls steuerfrei.
Nach Zurückweisung des Einspruchs, in
dem sich das FA für die Steuerpflicht auf das Urteil des
Reichsfinanzhofs (RFH) vom 21.11.1930 VA 1071/29 (RStBl 1931, 166)
berief, erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG)
stattgab. Zur Begründung führte es aus, nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) im Urteil vom 25.2.1999 C-349/96, Card
Protection Plan, (Slg. 1999, I-973, UVR 1999, 157 = SIS 99 10 25)
liege eine Nebenleistung vor, wenn sie das Mittel darstelle, um die
Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Bei der Wohnraumvermietung habe dies der Bundesfinanzhof (BFH) bei
der Lieferung von Heizwärme und Wasser, der Überlassung
von Waschmaschinen und der Reinigung von Gemeinschaftsflächen
bejaht (BFH-Urteil vom 9.12.1971 V R 84/71, BFHE 104, 150, BStBl II
1972, 203 = SIS 72 01 22). Dies müsse dann auch für
elektrische Anschlüsse gelten. Nach heutigen
Maßstäben sei eine Vermietung von Stellplätzen an
Dauercamper ohne Stromlieferung nicht möglich. Das Urteil ist
in EFG 2008, 740 = SIS 08 10 04 veröffentlicht.
Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision. Die Lieferung von Strom im Rahmen einer nach § 4 Nr.
12 UStG befreiten Vermietung von Dauercampingplätzen sei nach
der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht als übliche
untergeordnete Nebenleistung steuerfrei. Es handele sich vielmehr
um eine selbständige Hauptleistung, weil der Camper frei
wählen könne, ob er die Leistung abnehme. Das FG-Urteil
widerspreche der Rechtsprechung des RFH (Urteil in RStBl 1931, 166)
sowie der sich daran anschließenden langjährigen
Rechtspraxis.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der
Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist aus anderen als
den geltend gemachten Gründen begründet; sie führt
zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das FG
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
), weil die Feststellungen des FG keine abschließende
Entscheidung des Senats erlauben.
1. Die Revision ist unbegründet, soweit
das FG die Umsätze aus Stromlieferungen als steuerfreie
Nebenleistung zu der nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien
Grundstücksvermietung angesehen hat.
a) Die langfristige Vermietung von
Grundstücken, die als Campingplätze genutzt werden, ist
nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a i.V.m. Satz 2 UStG
steuerfrei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 13 Teil B
Buchst. b Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach die
Vermietung von als Campingplätze erschlossenen
Grundstücken nicht steuerbefreit ist. Denn der
inländische Gesetzgeber war befugt, diese Regelung auf
kurzfristige Vermietungen zu beschränken (vgl. BFH-Urteil vom
13.2.2008 XI R 51/06, BFHE 221, 406, BStBl II 2009, 63 = SIS 08 33 07).
b) Das FG hat ohne Rechtsverstoß die
Zurverfügungstellung von Strom für Dauercamper als
Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung eines Dauercampingplatzes
beurteilt.
aa) Für die Annahme einer einheitlichen
Leistung sind im Wesentlichen folgende Grundsätze
maßgeblich: Jede Dienstleistung ist in der Regel als eigene,
selbständige Leistung zu betrachten; andererseits darf aber
eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung nicht
künstlich aufgespaltet werden (z.B. EuGH-Urteil Card
Protection Plan in Slg. 1999, I-973, UVR 1999 = SIS 99 10 25, 157
Rz 29 ff.; BFH-Urteil vom 2.3.2006 V R 25/03, BFHE 213, 134, BStBl
II 2006, 788 = SIS 06 31 20, unter II.2.a bb). Nach dem Wesen des
fraglichen Umsatzes ist zu ermitteln und festzustellen, ob eine
einheitliche Leistung oder mehrere Leistungen vorliegen; eine
Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung
anzusehen, wenn sie aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers im
Vergleich zu der Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng
- im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und
Ergänzung - zusammenhängt und üblicherweise in ihrem
Gefolge vorkommt. Sie darf für den Leistungsempfänger
keinen eigenen Zweck haben, sondern sie muss das Mittel darstellen,
um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in
Anspruch nehmen zu können.
bb) Das FG ist von diesen Grundsätzen
ausgegangen. Es hat zu Recht entschieden, dass die Überlassung
der Standplätze das wesentliche Element der Leistungen der
Klägerin an die Camper sei und die darüber hinaus
erbrachten Leistungen der Klägerin Nebenleistungen seien, weil
nach heutigen Maßstäben eine Vermietung eines
Campingplatzes ohne Stromanschluss nicht mehr möglich sei.
Diese Würdigung entspricht der
Rechtsprechung des Senats, wonach die Lieferung von Heizwärme
und Wasser, die Überlassung von Waschmaschinen und die
Reinigung von Gemeinschaftsflächen als steuerfreie
Nebenleistung zur Wohnraumvermietung angesehen werden (BFH-Urteil
in BFHE 104, 150, BStBl II 1972, 203 = SIS 72 01 22; Beschluss vom
21.7.1999 V B 61/99, BFH/NV 2000, 193 = SIS 99 54 04). Darüber
hinaus hat der Senat entschieden, dass es sich bei der steuerfreien
Standplatzvermietung an Marktbeschicker bei der
Zurverfügungstellung von Strom und Wasser gleichermaßen
um unselbständige Nebenleistungen handelt (Urteil vom
24.1.2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60 = SIS 08 14 79).
cc) Der Senat folgt nicht der gegenteiligen
Regelung in Abschn. 78 Abs. 3 Satz 7 i.V.m. Abschn. 76 Abs. 6 Satz
1 UStR, wonach die Lieferung von Strom durch die
Campingplatzunternehmer nicht als Nebenleistung zur
Grundstücksüberlassung anzusehen ist. In dem in Abschn.
76 Abs. 6 Satz 1 UStR zur Begründung angeführten Urteil
des RFH in RStBl 1931, 166 ist ausgeführt, unter die
Steuerbefreiung für Verpachtungen und Vermietungen von
Grundstücken falle nicht die Lieferung von elektrischem
Strom, weil es sich dabei um die Lieferung beweglicher
Sachen handele. Diese Sichtweise entspricht nicht den heute
geltenden Kriterien für die Annahme einer einheitlichen
Leistung und insbesondere den Voraussetzungen für die Annahme
von Haupt- und Nebenleistung (s. oben unter II.1.b aa).
2. Das FG hat jedoch die Steuerfestsetzung
auch hinsichtlich der Umsätze aus der Benutzung einer
Fernsprechanlage aufgehoben, ohne hierfür eine Begründung
zu geben. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei
der Überlassung von Telefoneinrichtungen jedoch um eine
selbständige Leistung und nicht um eine (steuerfreie)
Nebenleistung zur Grundstücksvermietung (BFH-Urteil vom
14.7.1977 V R 20/74, BFHE 123, 203, BStBl II 1977, 881 = SIS 77 04 91). Diese Rechtsprechung stimmt überein mit der
Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 1.12.2005 C-394/04, C-395/04,
Ygeia, BFH/NV Beilage 2006, 127 = SIS 06 06 83), wonach die
Überlassung von Telefonanlagen in Krankenhäusern keine
(steuerfreie) Nebenleistung zur Krankenbehandlung ist.
Der Senat kann nicht durcherkennen, weil das
FG nicht festgestellt hat, welche Umsätze auf die
(steuerfreien) Stromlieferungen und auf die (steuerpflichtigen)
Umsätze aus der Bereitstellung der Telefonanlage entfallen und
welche Vorsteuern diesen Umsätzen jeweils zuzurechnen
sind.
Das FG wird ferner zu prüfen haben, ob im
Streitjahr 2000 die Regelung des § 19 UStG eingreift, weil die
Umsätze aus den Stromlieferungen - wie dargelegt - nach §
4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a i.V.m. Satz 2 UStG steuerfrei sind und
deshalb bei der Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG
gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 1 UStG nicht zu
berücksichtigen sind (s. dazu Seite 3 des vom FG in Bezug
genommenen Prüfungsberichts vom 15.5.2003).