Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, Grabmalkosten: Hat sich der Vermögensübernehmer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gegenüber den Vermögensübergebern (Eltern) in einem Altenteilsvertrag verpflichtet, die Kosten eines ortsüblichen Grabmals zu tragen, so sind die dadurch nach dem Tod des Erstverstorbenen entstandenen Aufwendungen als dauernde Last i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar, soweit sie angemessen sind. - Urt.; BFH 15.2.2006, X R 5/04; SIS 06 16 74
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1998 zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Hofübergabevertrag vom
28.12.1995 erhielt der Kläger von seinen Eltern einen land-
und forstwirtschaftlichen Betrieb im Wege der vorweggenommenen
Erbfolge. Im Gegenzug gewährte der Kläger den
Übergebern ein umfassendes Leibgedinge u.a. mit der
ausdrücklichen Verpflichtung, beim Tod der Übergeber die
Kosten für die standesgemäße Beerdigung und
für ein ortsübliches Grabmal zu tragen, ferner für
die Grabpflege in angemessener Weise und für die
ortsübliche Dauer aufzukommen. Nachdem der Vater des
Klägers 1997 verstorben war (Alleinerbin aufgrund Ehe- und
Erbvertrages war die Mutter des Klägers), machte der
Kläger in der Einkommensteuererklärung für 1998 die
Kosten für ein Grabmal in Höhe von 10.420 DM und weitere
Aufwendungen für die Betreuung seiner Mutter als
Sonderausgaben (dauernde Last) geltend. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) ließ im
Einkommensteuerbescheid für 1998 den Sonderausgabenabzug nicht
zu. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA unter Hinweis
auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20.3.1984 IX R 8/80
(BFHE 140, 566, BStBl II 1985, 43 = SIS 84 13 04)
zurück.
Im Klageverfahren erkannte das FA die
weiteren Betreuungsaufwendungen als dauernde Last an, so dass
lediglich die Aufwendungen für das Grabmal noch streitig
waren. Mit dem in EFG 2004, 722 = SIS 04 15 30
veröffentlichten Urteil gab das Finanzgericht (FG) der Klage
in vollem Umfang statt. Das FG folgte den Überlegungen im
BFH-Urteil in BFHE 140, 566, BStBl II 1985, 43 = SIS 84 13 04
ausdrücklich nicht und sah in der Übernahme der Kosten
für das Grabdenkmal typische, dem überlebenden
Altenteilsberechtigten zu erbringende wiederkehrende
Versorgungsleistungen. Es liege ein Aufwand vor, der aufgrund des
wirtschaftlichen Zwecks der einheitlichen Versorgungsvereinbarung
Bestandteil eines Inbegriffs wiederkehrender Leistungen zur
Versorgung des Altenteilsberechtigten sei.
Nach Zustellung des angefochtenen Urteils
setzte das FA entsprechend seiner Zusage in der mündlichen
Verhandlung die Einkommensteuer für 1998 herab und teilte dies
den Klägern in der äußeren Form eines
Änderungsbescheides mit.
Mit seiner auf die Anerkennung der
Aufwendungen für das Grabmal als dauernde Last
beschränkten Revision rügt das FA die Verletzung des
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt sinngemäß, das
angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen,
als das FG Kosten des Grabmals als Sonderausgaben
berücksichtigt hat.
Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und wird
gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückgewiesen.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf
besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und
dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht
bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Handelt es sich
steuerrechtlich um eine dem Vertragstypus des
„Versorgungsvertrages“/“Altenteilsvertrages“
vergleichbare Vermögensübergabe, sind die -
grundsätzlich schon aufgrund der Rechtsnatur des Vertrages
abänderbaren - wiederkehrenden Leistungen in der Regel als
„dauernde Last“ abziehbar (ausführlich
hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5.7.1990 GrS
4-6/89, BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847 = SIS 90 21 04;
zusammenfassend Senatsurteil vom 25.8.1999 X R 38/95, BFHE 190,
302, BStBl II 2000, 21 = SIS 00 01 05, mit weiteren
Rechtsprechungsnachweisen).
2. Zutreffend hat das FG in
Übereinstimmung mit den Beteiligten den
Hofübergabevertrag vom 28.12.1995 als
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen behandelt.
Zwar ist der steuerrechtliche Begriff der
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen nicht an
die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Altenteilsvertrages
(Leibgedinges) geknüpft. Der Altenteilsvertrag erfüllt
jedoch im Regelfall den Tatbestand der Vermögensübergabe
(Senatsurteil vom 25.3.1992 X R 196/87, BFHE 167, 408, BStBl II
1992, 1012 = SIS 92 13 03). Um einen solchen Altenteilsvertrag geht
es hier.
3. Die auf dieser Rechtsgrundlage aufgrund der
getroffenen Vereinbarung geschuldeten und erbrachten Aufwendungen
für ein Grabmal des Altenteilers sind als dauernde Last
abziehbar.
Das Steuerrecht bildet den am Maßstab
des Leibgeding-/Altenteilsvertrages ausgeformten zivilrechtlichen
Inhalt des dem Anwendungsbereich der § 10 Abs. 1 Nr. 1a/§
22 Nr. 1 EStG zuzuordnenden Versorgungsvertrages ab. Hierdurch
werden auch Inhalt und Umfang der als dauernde Last abziehbaren
Altenteils-/Versorgungsleistungen vorgeprägt. Unstreitig sind
Aufwendungen, die zum Kernbestand des bürgerlich-rechtlichen
Altenteils-/ Leibgedingvertrages gehören, grundsätzlich
auch steuerlich zu berücksichtigen. Der Rechtsbegriff
„Versorgungsleistungen“ umfasst damit jedenfalls
solche Zuwendungen zur Existenzsicherung, durch welche laufende
Grundbedürfnisse des Bezugsberechtigten wie Wohnen und
Ernährung und der sonstige Lebensbedarf abgedeckt werden.
Darüber hinaus sind als Sonderausgaben abziehbar aber auch
einmalige Aufwendungen, die - wie die Kosten für die
Beerdigung und das Grabmal des Altenteilers - nach dem Zivilrecht
zum Inbegriff „typischer“ Versorgungsleistungen
gehören.
Die Konkretisierung von Inhalt und Umfang der
als dauernde Last abziehbaren Versorgungsleistungen am
Maßstab des Zivilrechts trägt dem Umstand Rechnung, dass
mit dem Steuerneuordnungsgesetz 1954 das frühere
Tatbestandsmerkmal „Leibgedinge“ (Altenteil) in
die gesetzliche Sammelbezeichnung „wiederkehrende
Leistungen bzw. Bezüge“ eingegangen ist (vgl.
BTDrucks 2/481, S. 85; Beschluss des Großen Senats des BFH in
BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847 = SIS 90 21 04, unter C. II.
1. b).
4. In zivilrechtlicher Hinsicht sind die
Interessen der Beteiligten eines Versorgungsvertrages exemplarisch
und richtungsweisend bewertet in den zu Art. 96 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)
ergangenen landesrechtlichen Ausführungsgesetzen (Senatsurteil
vom 11.3.1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499 = SIS 92 09 01, unter 4. a; seither ständige Rechtsprechung). Diese
Gesetze beschreiben auch Inhalt und Grenzen der den
Vertragspartnern obliegenden Leistungsverpflichtungen (Senatsurteil
in BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21 = SIS 00 01 05).
a) Hiernach ist das bürgerlich-rechtliche
Altenteil ein Inbegriff von Versorgungsleistungen verschiedener
Art, die durch die gemeinsame Zweckbestimmung, den Berechtigten
ganz oder teilweise zu versorgen, zu einer rechtlichen Einheit
verbunden sind (Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 30.10.1939 V
83/39, RGZ 162, 52, 57; Beschluss des Bundesgerichtshofs - BGH -
vom 3.2.1994 V ZB 31/93, BGHZ 125, 69, NJW 1994, 1158; Bayerisches
Oberstes Landesgericht - BayObLG -, Urteil vom 26.4.1993 1Z RR
397/92, BayObLGZ 1993, 192, mit Nachweisen von Zivilrechtsprechung
und Literatur; Senatsurteil in BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499 =
SIS 92 09 01).
b) Kosten für die Beerdigung des
Altenteilers sind in zivilrechtlicher Hinsicht Bestandteil des
besagten Inbegriffs. Dies zeigen verschiedene Normen des geltenden
Landesrechts, wenn in ihnen - für den Fall des Fehlens einer
ausdrücklichen Regelung im Übergabevertrag - das Tragen
der Beerdigungskosten als Teil der Verpflichtung angesehen wird,
„soweit die Bezahlung nicht von dem Erben zu erlangen
ist“ (Art. 15 des Gesetzes zur Ausführung des
Bürgerlichen Gesetzbuchs - AGBGB - Bayern vom 20.9.1982,
Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - 1982, 803; s. ferner §
12 AGBGB Baden-Württemberg vom 26.11.1974, Gesetzblatt - GBl -
1974, 498: „... von dem Erben oder dem
Unterhaltsverpflichteten ...“; ebenso § 16 des
Saarländischen Gesetzes Nr. 1383 zur Vereinheitlichung und
Bereinigung landesrechtlicher Vorschriften vom 5.2.1997, Amtsblatt
- ABl - 1997, 258). Entgegen der Ansicht des FA ist nicht
erforderlich, dass diese Verpflichtung für den
Vermögensübergabevertrag prägend ist. Auch der BGH
geht davon aus, dass die Verpflichtung zur Tragung von Beerdigungs-
und Grabpflegekosten zu einem „Gefüge von Abreden
(gehört), die für vorweggenommene Erbfolgen geradezu
typisch sind“ (BGH-Urteil vom 27.6.1990 XII ZR 95/89,
Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht -
NJW-RR - 1990, 1283, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht
- FamRZ - 1990, 1083). Dies entspricht auch der allgemeinen
Auffassung im Schrifttum (z.B. ausdrücklich
Staudinger/Albrecht, Bürgerliches Gesetzbuch, 2005, Art. 96
EGBGB Rdnr. 21; Habersack in Münchener Kommentar zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., 2006, Art. 96 EGBGB Rdnr.
17 mit Hinweis auf Fußnote 72 und Rdnr. 19; so auch bereits
Pecher in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen
Gesetzbuch, 3. Aufl., Art. 96 EGBGB Rdnr. 17 mit Hinweis auf
Fußnote 75 und Rdnr. 19; Soergel-Hartmann, Bürgerliches
Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 12. Aufl.,
1996, Art. 96 EGBGB Rz. 6). Nach herrschender Meinung können
die Kosten der Beerdigung und der Grabpflege Gegenstand einer im
Rahmen eines Altenteils bestellten Reallast sein (Oberlandesgericht
- OLG - Hamm, Beschluss vom 17.2.1988 15 W 506/86, NJW-RR 1988,
1101; BayObLG, Beschlüsse vom 5.5.1983 BReg 2Z 31/83, BayObLGZ
1983, 113; vom 18.3.1997 2Z BR 129/96, BayObLGZ 1997, 121, NJW-RR
1997, 1237, m.w.N.; Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch,
65. Aufl. 2006, § 1105 Rdnr. 4; Staudinger/Amann, a.a.O.,
§ 1105 Rdnr. 10; a.A. Joost in Münchener Kommentar zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1105 Rdnr. 20). Zu den Kosten
einer standesgemäßen Beerdigung gehören im Einklang
mit der Auslegung des § 1968 BGB auch die für ein
ortsübliches Grabmal (vgl. Palandt/ Edenhofer, a.a.O., §
1968 Rdnr. 3).
5. Dies vorausgesetzt gehören auch die
angemessenen Aufwendungen für ein ortsübliches Grabmal zu
den als dauernde Last abziehbaren Versorgungsleistungen (ebenso
Bruschke, FR 1983, 166; Schmidt, BB 1985, 1381; P. Fischer in
Kirchhof, Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 5. Aufl., §
22 Rz. 16 a.E.; a.A. BFH-Urteil in BFHE 140, 566, BStBl II 1985, 43
= SIS 84 13 04; unter Hinweis auf dieses Urteil Oberfinanzdirektion
Frankfurt, Verfügung vom 5.8.2002 S 2230 A - 2 - St II 20 =
SIS 03 18 55; Rindermann/Schlenker in Littmann/ Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10 EStG Rz. 31 und 36 - der
dort angeführte Senatsbeschluss vom 6.11.2002 X B 88/02,
BFH/NV 2003, 170 = SIS 03 08 28, trifft auf den Streitfall nicht zu
- ; Blümich/Hutter, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10 EStG
Rz. 160 „Beerdigungskosten“; Schmidt/Heinicke,
Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 10 Rz. 65
„Beerdigungskosten“).
a) Dies gilt ungeachtet dessen, dass
Aufwendungen für ein Grabmal naturgemäß nicht
„wiederkehrend“ sind. Die Abziehbarkeit folgt
hier aus der Zugehörigkeit zum „Inbegriff der
Versorgungsleistungen“, die insgesamt eine
zivilrechtliche und hiermit zusammenhängend steuerrechtliche
Einheit sind. Diese „Bündelung“
verschiedenartiger Versorgungsleistungen schließt es aus,
einen einmalig zu erbringenden Leistungsbestandteil isoliert zu
betrachten, zumal wenn dieser sich - wie vorliegend die Kosten
für das Begräbnis - als zeitlich letzter in einer Reihe
unterschiedlicher laufender Zuwendungen an den
Vermögensübergeber darstellt. Ohnehin hat die
Rechtsprechung den die frühere Doktrin prägenden
Grundsatz von der „Steuerbarkeit bzw. Abziehbarkeit nach
der äußeren Form der Wiederkehr“
zwischenzeitlich generell aufgegeben (Senatsurteile vom 31.7.2002 X
R 39/01, BFH/NV 2002, 1575 = SIS 03 02 48, und vom 31.3.2004 X R
66/98, BFHE 205, 285, BStBl II 2004, 830 = SIS 04 17 28, unter II.
4. b). Demzufolge ist weder die äußere Wiederkehr einer
Leistung ausreichende Bedingung für ihre
Abziehbarkeit/Steuerbarkeit noch fallen einmalige, indes zum
Inbegriff des Altenteils gehörende Leistungen aus dem
Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG heraus.
b) Der erkennende Senat weist darauf hin, dass
im Hinblick auf den das Sonderrecht der Vermögensübergabe
konstituierenden Grundsatz der materiell-rechtlichen Korrespondenz
(vgl. Senatsurteile in BFHE 205, 285, BStBl II 2004, 830 = SIS 04 17 28, und vom 16.6.2004 X R 50/01, BFHE 207, 114, BStBl II 2005,
130 = SIS 04 39 92) als dauernde Last abziehbare
Altenteilsleistungen beim Bezieher als sonstige wiederkehrende
Leistungen (§ 22 Nr. 1 EStG) steuerbar sind. Da nach
Altenteilsrecht beide Ehegatten anspruchsberechtigt sind (vgl. Art.
22 AGBGB Bayern) und Einkünfte beziehen (z.B. vgl.
Senatsurteil vom 22.9.1993 X R 48/92, BFHE 172, 366, BStBl II 1994,
107 = SIS 94 01 01), werden die Leistungen dem überlebenden
Ehegatten erbracht. Dieser bezieht zu seinen Lebzeiten steuerbare
Einkünfte.
Der erkennende Senat braucht nicht über
die Frage zu befinden, ob die Abziehbarkeit endet, wenn der
Verpflichtete Erbe des überlebenden Altenteiler-Ehegatten ist,
bzw. wie der Fall bei nur einem Altenteilsberechtigten und einem
Dritten als Erbe zu entscheiden ist.
6. Mit der vorstehenden Entscheidung weicht
der erkennende Senat von dem Urteil des IX. Senats des BFH in BFHE
140, 566, BStBl II 1985, 43 = SIS 84 13 04 ab. Der IX. Senat hat
auf Anfrage mitgeteilt, dass er der Abweichung zustimmt.