Auf die Revision des Beklagten wird der
Zwischengerichtsbescheid des Finanzgerichts Hamburg vom 12.12.2022
- 4 K 17/21 = SIS 23 04 30 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
1
|
I. Die Beteiligten streiten unter anderem
darüber, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) dem Fremdpersonalverbot nach § 6a Abs. 2 des
Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der
Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) i.d.F.
des Arbeitsschutzkontrollgesetzes vom 22.12.2020 (BGBl I 2020,
3334) - ASKG - unterliegt.
|
|
|
2
|
Die Klägerin unterhält einen
Betrieb zur Herstellung von abgepackten Wurstprodukten,
insbesondere von Brüh- und Räucherwürsten sowie von
Schinken und Bacon. Ihre einzige Betriebsstätte …
umfasst in einem Gebäudekomplex den Verwaltungsbereich, den
Wareneingang, einen Kutterraum, ein Fleischkühlhaus, ein
Kesselhaus, einen Pökelraum, einen Produktionsraum, ein
Produktionslager, mehrere Verpackungsabteilungen und
Kühlräume, eine Werkstatt und einen Reinigungsbereich.
Ein eigenes Restaurant und ein Werksverkauf liegen etwa …
Meter vom Hauptgebäude entfernt. Die Klägerin
beschäftigte im Jahr 2020 insgesamt etwa … Mitarbeiter,
darunter neben eigenen Angestellten auch …
Werkvertragsbeschäftigte. Letztere beschäftigte sie ab
dem 01.01.2021 als von Personaldienstleistern überlassene
Zeitarbeiter und ab dem 01.04.2021 als eigene Arbeitnehmer. Sie
unterliegt keinem Tarifvertrag im Sinne des § 6a Abs. 3 GSA
Fleisch.
|
|
|
3
|
Am 05.02.2021 erhob die Klägerin Klage
beim Finanzgericht (FG) gegen den Beklagten und
Revisionskläger (Hauptzollamt - HZA - ). Das HZA hatte nach
den Feststellungen des FG zuvor keine Prüfungsmaßnahmen
durchgeführt oder angeordnet. Die Klägerin beantragte die
Feststellung, dass sie an ihrem Standort … keinen Betrieb
und keine selbstständige Betriebsabteilung der
Fleischwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m.
§ 6 Abs. 9 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG)
unterhalte und deshalb nicht dem Verbot der Beschäftigung von
„Leiharbeitern und
Werkvertragsbeschäftigten“
gemäß § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterliege.
Hilfsweise, für den Fall der Abweisung des ersten Antrags,
beantragte sie die Feststellung, dass die folgenden
Betriebsbereiche am Standort … nicht dem Bereich der
Fleischverarbeitung im Sinne des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch
unterfielen: „Füllerei“;
„Räucherei/Kesselhaus“;
„Nachreife“; „Slicer und
Verpackung im weißen Bereich“;
„Verpackung im schwarzen Bereich“;
„Konfektionierung/Kommissionierung,
Versand“; „Reinigung,
Werkstatt“; „Qualitätsmanagement
bzw. -sicherheit“; „Verwaltung und
Vertrieb“.
|
|
|
4
|
Nachdem das FG den Rechtsweg zu den
Finanzgerichten für eröffnet erklärt hatte,
entschied es durch Zwischengerichtsbescheid, dass die Klage
zulässig sei, und ließ die Revision zu. Die
Feststellungsklage sei statthaft, weil ein Rechtsverhältnis
vorliege. Dafür genüge es, dass die Klägerin die
negative Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses
begehre, das zwischen ihr und dem HZA bestehe. Dies sei vorliegend
der Fall, da sie die Feststellung begehre, keinen Betrieb oder
Betriebsteil der Fleischwirtschaft zu unterhalten und deshalb nicht
dem selbstvollziehenden, also keines Vollzugsakts bedürfenden
und bußgeldbewehrten Fremdpersonalverbot nach § 6a Abs.
2 GSA Fleisch zu unterliegen.
|
|
|
5
|
Die Klägerin habe auch ein
qualifiziertes Feststellungsinteresse, weil das HZA
ausdrücklich angekündigt habe, eine Verletzung des
Fremdpersonalverbots zu prüfen und im Bejahungsfalle
entsprechend den Bußgeldvorschriften zu ahnden. Dass das HZA
bislang noch keine konkreten Prüfungsmaßnahmen
durchgeführt oder angeordnet habe, sei unschädlich, da
der Klägerin ein weiteres Zuwarten nicht zugemutet werden
könne. Es sei gerichtsbekannt, dass die Zollverwaltung solche
Prüfungen unangekündigt durchgeführt habe. Zudem sei
die Feststellungsklage nicht subsidiär, weil sich die
Klägerin durch die Anfechtung einer
Prüfungsverfügung nicht effektiv gegen die Verwirklichung
eines Bußgeldtatbestands beziehungsweise gegen eine
Bußgeldfestsetzung wehren könne. Sie könne auch
nicht darauf verwiesen werden, sich in einem
Bußgeldverfahren, gleichsam von der
„Anklagebank“ aus, gegen das
Fremdpersonalverbot zu verteidigen, und könne nicht auf eine
Gestaltungs- oder Leistungsklage verwiesen werden.
|
|
|
6
|
Seine dagegen gerichtete Revision
begründet das HZA damit, die Feststellungsklage müsse als
unzulässig abgewiesen werden. Es fehle an einem hinreichend
konkretisierten Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten,
weil das HZA in Bezug auf die Anwendung des GSA Fleisch noch in
keiner Form an die Klägerin herangetreten sei und keine
Prüfungsmaßnahmen durchgeführt habe. Das HZA habe
sich erstmalig im erstinstanzlichen Verfahren hierzu gegenüber
der Klägerin geäußert und sich - mangels
Prüfungsfeststellungen - bislang kein abschließendes
Bild dazu verschaffen können, ob die Klägerin in den
Anwendungsbereich des GSA Fleisch falle. Ein konkretes
Rechtsverhältnis ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass
die Klägerin im …2018 vom HZA geprüft worden sei,
da ein zeitlicher Zusammenhang fehle. Zum jetzigen Zeitpunkt sei
die Klägerin lediglich potentielle Adressatin eines
abstrakt-generellen Gesetzes. Mit der begehrten Feststellung gehe
es der Klägerin lediglich darum, das Ergebnis einer Subsumtion
festzuschreiben, was unzulässig sei.
|
|
|
7
|
Anders als es das FG meine, müsse die
Klägerin daher nicht eine Klärung verwaltungsrechtlicher
Zweifelsfragen „von der Anklagebank
herab“ befürchten, da im Streitfall weder
das HZA bekräftigt habe, bestimmte Maßnahmen zu
ergreifen, noch solche Maßnahmen unmittelbar
bevorstünden. Zudem stehe auch der
Subsidiaritätsgrundsatz einer Zulässigkeit der
Feststellungsklage entgegen, da eine etwaige spätere
Prüfungsverfügung angefochten werden könne.
|
|
|
8
|
Das HZA beantragt
sinngemäß,
|
|
die Vorentscheidung aufzuheben und die
Klage als unzulässig abzuweisen.
|
|
|
9
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
Sie ist der Auffassung, die Vorentscheidung
sei nicht zu beanstanden. Nach der neueren Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) sei für das Vorliegen eines konkreten
Rechtsverhältnisses maßgeblich, ob der Betrieb bereits
einmal vom HZA im Zusammenhang mit den Pflichten aus dem GSA
Fleisch geprüft worden sei. Dies sei hier der Fall, und zwar
im Zeitraum vom xx.xx.2018 bis zum xx.xx.2018. Aus dem
Prüfungsbericht vom xx.xx.2018 ergebe sich, dass das HZA
angenommen habe, der Betrieb der Klägerin gehöre zu der
Branche der Fleischwirtschaft. Das HZA habe auch die damit
zusammenhängenden Arbeitgeberpflichten kontrolliert. Die
Behauptung des HZA, es sei in keiner Form an die Klägerin
hinsichtlich der Anwendung des GSA Fleisch herangetreten, erweise
sich als unwahr. Die seinerzeitige Prüfung wirke insofern
fort, als ein konkretes Rechtsverhältnis im Streitfall zu
bejahen sei.
|
|
|
11
|
Zudem habe die Klägerin das HZA noch
im Jahr 2021 anwaltlich auffordern lassen zu erklären, dass es
bis zur gerichtlichen Klärung jegliche Kontroll- und
Vollstreckungsmaßnahmen unterlasse, die auf eine Verhinderung
der Beschäftigung von Fremdpersonal gerichtet sei. Das HZA
habe eine Erklärung abgelehnt. Stattdessen habe es im
finanzgerichtlichen Erörterungstermin vom 18.03.2021
erklärt, es sehe keine Möglichkeit für eine Zusage,
Prüfungen in der Fleischwirtschaft während der
Anhängigkeit des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht
durchzuführen.
|
|
|
12
|
Die Beteiligten haben einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
|
|
|
13
|
II. Der Senat entscheidet gemäß
§ 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
|
|
|
14
|
Die Revision, die aufgrund der
Revisionszulassung durch das FG im Zwischengerichtsbescheid nach
§ 97 i.V.m. § 90a Abs. 2 Satz 2 FGO statthaft ist, ist
begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage
als unzulässig abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
FGO).
|
|
|
15
|
Da das FG die Zulässigkeit der Klage zu
Unrecht bejaht hat und die Sache entscheidungsreif ist, kann der
erkennende Senat selbst ein klageabweisendes Endurteil erlassen
(BFH-Urteil vom 07.07.2004 - X R 33/02, BFH/NV 2005, 66 = SIS 05 04 26; Rauda in Hübschmann/Hepp/ Spitaler - HHSp -, § 97 FGO
Rz 39; Brandis in Tipke/Kruse, § 97 FGO Rz 7).
|
|
|
16
|
1. Die Feststellungsklage ist in Bezug auf den
erstinstanzlich gestellten Hauptantrag, mit dem die Klägerin
die Feststellung begehrt, dass sie an ihrem Standort …
keinen Betrieb und keine selbstständige Betriebsabteilung der
Fleischwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m.
§ 6 Abs. 9 AEntG unterhält und deshalb nicht dem Verbot
der Beschäftigung von „Leiharbeitern und
Werkvertragsbeschäftigten“
gemäß § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterliegt,
unzulässig.
|
|
|
17
|
a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GSA
Fleisch i.d.F. des ASKG gilt das GSA Fleisch für die
Fleischwirtschaft. Zur Fleischwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes
gehören gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GSA Fleisch
Betriebe im Sinne von § 6 Abs. 9 AEntG. Diese Vorschrift
wiederum benennt Betriebe und selbstständige
Betriebsabteilungen, in denen überwiegend geschlachtet oder
Fleisch verarbeitet wird (Betriebe der Fleischwirtschaft) sowie
Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die ihre
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in Betrieben
der Fleischwirtschaft einsetzen.
|
|
|
18
|
Gemäß § 6a Abs. 2 Satz 1 und 2
GSA Fleisch in der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung des Art. 2
ASKG darf der Inhaber im Bereich der Schlachtung
einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern sowie
im Bereich der Fleischverarbeitung Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer nur im Rahmen von mit ihm bestehenden
Arbeitsverhältnissen und im Rahmen einer
Arbeitnehmerüberlassung tätig werden lassen. Er darf in
diesen Bereichen keine Selbstständigen tätig werden
lassen. Durch Art. 3 ASKG wurden in § 6a Abs. 2 Satz 1 GSA
Fleisch die Wörter „und im Rahmen einer
Arbeitnehmerüberlassung“ mit Wirkung ab
dem 01.04.2021 gestrichen. Das Fremdpersonalverbot erstreckt sich
seit dem 01.04.2021 also auch auf die
Arbeitnehmerüberlassung.
|
|
|
19
|
Was als Betrieb der Fleischwirtschaft im Sinne
des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG und
als Bereich der Fleischverarbeitung im Sinne des § 6a Abs. 2
GSA Fleisch anzusehen ist, ist bislang höchstrichterlich nicht
geklärt (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG - vom 01.06.2022 - 1 BvR 2888/20, 1 BvR 1152/21, 1 BvR
1153/21, 1 BvR 1154/21, 1 BvR 1155/21, 1 BvR 1156/21 = SIS 22 16 39, Rz 22 und vom 29.12.2020 - 1 BvQ 165-167/20, Rz 19). Diese
Frage kann hier aber dahinstehen, da die Klage bereits
unzulässig ist.
|
|
|
20
|
b) Gemäß § 41 Abs. 1 FGO kann
durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines
Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein
berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat
(Feststellungsklage). Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO
kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger
seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann
oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die
Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird
(§ 41 Abs. 2 Satz 2 FGO).
|
|
|
21
|
c) Vorliegend fehlt es an einem
Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage nach
§ 41 Abs. 1 FGO sein kann.
|
|
|
22
|
aa) Rechtsverhältnis im Sinne des §
41 Abs. 1 FGO ist jede aus einem konkreten Sachverhalt
resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung
zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 29.07.2003 - VII R 39, 43/02,
BFHE 202, 411, BStBl II 2003, 828
= SIS 03 42 97, unter 2.b, m.w.N.;
BFH-Urteil vom 30.03.2011 - XI R 5/09 = SIS 11 29 71; Senatsbeschluss vom 10.02.2022 - VII B
85/21, BFHE 275, 482 = SIS 22 03 26, Rz 35). Zwar sind an den
Begriff des Rechtsverhältnisses im Rahmen der allgemeinen
Feststellungsklage - unter Berücksichtigung der
Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes -
grundsätzlich keine allzu strengen Maßstäbe
anzulegen (vgl. Steinhauff in HHSp, § 41 FGO Rz 107).
Rechtliche Beziehungen eines Beteiligten zu einem anderen
verdichten sich nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aber erst dann zu einem
bestimmten konkretisierten Rechtsverhältnis, wenn die
Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf
einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist; dies
setzt die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten
Sachverhalt voraus (BVerwG-Urteile vom 23.01.1992 - 3 C 50.89,
BVerwGE 89, 327, m.w.N. und vom 28.05.2014 - 6 A 1.13, BVerwGE 149,
359, Rz 21).
|
|
|
23
|
bb) Im Streitfall besteht kein hinreichend
konkretisiertes Rechtsverhältnis in diesem Sinne zwischen der
Klägerin und dem HZA.
|
|
|
24
|
(1) Nach den Feststellungen des FG hat das HZA
keine konkreten Prüfungsmaßnahmen durchgeführt oder
angeordnet. Diese sind auch nach Aktenlage nicht erkennbar. Es
bleibt ungeklärt, ob die Klägerin im Zeitraum des
Rechtsstreits, beginnend mit der Klageerhebung am 05.02.2021, dem
Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6
Abs. 9 AEntG unterfällt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die
Klägerin daher lediglich potentielle Adressatin einer
abstrakt-generellen Norm, was für die Annahme eines
Rechtsverhältnisses nach der Senatsrechtsprechung nicht
genügt (Senatsbeschlüsse vom 10.02.2022 - VII B 85/21,
BFHE 275, 482 = SIS 22 03 26, Rz 36 und vom 03.05.2023 - VII B
1/22, nicht veröffentlicht; vgl. auch Steinhauff in HHSp, § 41 FGO Rz 81).
|
|
|
25
|
Allein die Existenz dieser abstrakt-generellen
Norm führt - entgegen der Auffassung des FG - nicht zur
Annahme eines Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin
und dem HZA. Wäre allein aus der Existenz einer Rechtsnorm ein
zwischen beiden bestehendes Rechtsverhältnis abzuleiten,
würde diese Sichtweise zu der Möglichkeit einer
abstrakten - gleichsam rechtstheoretischen - Normenkontrolle im
Wege der Feststellungsklage führen. Damit würde der
Auffangcharakter dieser Klageart (dazu Krumm in Tipke/Kruse, §
41 FGO Rz 1) überdehnt.
|
|
|
26
|
(2) Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass
es sich bei dem Fremdpersonalverbot gemäß § 6a Abs.
2 GSA Fleisch um eine sogenannte
„self-executing“-Norm handelt, die von
dem Normadressaten unmittelbar beachtet werden muss und nicht auf
eine Vollziehung durch die Verwaltung angewiesen ist. Zwar ist in
der Rechtsprechung anerkannt, dass selbstvollziehende
(„self-executing“-)Normen Gegenstand
einer Feststellungsklage sein können, wenn aus ihnen
unmittelbar bestimmte Verhaltenspflichten folgen, die nicht eines
behördlichen Vollzugsakts bedürfen (z.B. BVerwG-Urteile
vom 14.08.2023 - 6 C 6.22, BVerwGE 179, 379, Rz 14 und vom
14.08.2023 - 6 C 7.22, Rz 14; Senatsurteil vom 22.04.1986 - VII R 184/85, BFHE 146,
302, unter II.1.b der Gründe). Im Streitfall besteht
aber die Besonderheit, dass nicht geklärt ist, ob die
Klägerin überhaupt als Betrieb der Fleischwirtschaft im
Sinne des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG
anzusehen ist. Ebenfalls ungeklärt ist, welche Bereiche des
Betriebs der Klägerin als Bereich der Fleischverarbeitung im
Sinne des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch anzusehen sind und daher dem
Fremdpersonalverbot unterfallen. Die Klägerin begehrt
nämlich nicht die Feststellung, dass sie als Adressatin einer
selbstvollziehenden Norm diese nicht zu befolgen habe, sondern
vielmehr die Feststellung, nicht Adressatin dieser Norm zu sein.
Dies genügt nicht zur Annahme eines hinreichend
konkretisierten Rechtsverhältnisses (a.A. FG
Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.09.2022 - 11 V 1731/21,
juris = SIS 22 17 65, Rz 67). Denn anderenfalls könnte jedes
bußgeldbewährte Ge- oder Verbot (zum Beispiel eine
Geschwindigkeitsbeschränkung auf einer öffentlichen
Straße) Gegenstand einer Feststellungsklage sein, auch wenn
noch nicht feststeht, ob der jeweilige Kläger in den
Anwendungsbereich des Ge- oder Verbots fällt.
|
|
|
27
|
(3) Daran ändert nichts, dass nach dem
übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten und nach der
Aktenlage das HZA den Betrieb der Klägerin im …2018
geprüft und angenommen hat, der Betrieb gehöre zu der
Branche der Fleischwirtschaft. Denn diese Prüfung fand vor
Inkrafttreten des
Arbeitsschutzkontrollgesetzes vom 22.12.2020 zum 01.01.2021
statt. Zudem wirkt die damalige Prüfung zeitlich nicht bis zum
vorliegenden Rechtsstreit fort, da sich die Verhältnisse
inzwischen geändert haben können. Aus der Prüfung
können daher keine rechtlichen Schlussfolgerungen für den
vorliegenden Rechtsstreit gezogen werden.
|
|
|
28
|
Dabei ist der Umstand, dass das FG das
Ergebnis der damaligen Prüfung des HZA in seinem Urteil nicht
festgestellt hat, nicht von Bedeutung, da das Revisionsgericht das
Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen des
finanzgerichtlichen Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat
und eigene Feststellungen treffen kann (BFH-Urteil vom 20.12.2012 -
III R 59/12 = SIS 13 10 55, Rz 15; Werth in Gosch, FGO § 118
Rz 81).
|
|
|
29
|
(4) Ebenso ist für das Vorliegen eines
konkreten Rechtsverhältnisses nicht relevant, dass das HZA im
finanzgerichtlichen Verfahren wiederholt vorgebracht hat, die
Klägerin unterliege als fleischverarbeitender Betrieb
materiell-rechtlich dem Fremdpersonalverbot des § 6a Abs. 2
GSA Fleisch. Denn hierbei handelt es sich lediglich um die
Äußerung einer Rechtsauffassung im gerichtlichen
Verfahren, an welche das HZA bislang keine Konsequenzen
geknüpft hat. Hierdurch steht auch nicht fest, dass die
Klägerin tatsächlich als Betrieb der Fleischwirtschaft im
Sinne des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG
anzusehen ist.
|
|
|
30
|
d) Die Klägerin
hat zudem ein berechtigtes Interesse an der baldigen
Feststellung im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO im Umfang ihres
Hauptantrags nicht dargelegt. Ebenso hat sie nicht dargelegt, ihre
Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen zu
können (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO).
|
|
|
31
|
aa) Soll ein
künftiger nachteiliger Verwaltungsakt oder ein sonstiges
nachteiliges Verwaltungshandeln mit Hilfe einer sogenannten
vorbeugenden Feststellungsklage vermieden werden, ist dies nur dann
zulässig, wenn mit einem nachträglichen Rechtsschutz im
Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage nicht mehr
korrigierbare Rechtsverluste verbunden
sind, wenn also die vorbeugende Feststellungsklage zur Erreichung
eines effektiven Rechtsschutzes unumgänglich ist (Senatsurteil
vom 11.12.2012 - VII R 69/11 = SIS 13 10 76, Rz 15, m.w.N.;
Senatsbeschlüsse vom 30.09.2020 - VII B 96/19 = SIS 21 07 27, Rz 11; vom 10.02.2022 - VII B
85/21, BFHE 275, 482 = SIS 22 03 26, Rz 39; vom 22.09.2022 -
VII B 183/21 = SIS 22 17 95, Rz 32 und vom 22.09.2022 - VII
B 184/21 = SIS 23 00 20, Rz 32; vgl. auch BVerwG-Urteil vom
23.06.2016 - 2 C 18.15, Rz 19; Steinhauff in HHSp, § 41 FGO Rz
157, m.w.N.; von Beckerath in Gosch, FGO § 41 Rz 74, m.w.N.).
Dies wird auch als qualifiziertes Feststellungsinteresse bezeichnet
(Krumm in Tipke/Kruse, § 41 FGO Rz 16).
|
|
|
32
|
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ein
berechtigtes Interesse an einem vorbeugenden Rechtsschutz in
Betracht, wenn der Steuerpflichtige substantiiert und in sich
schlüssig Umstände vorträgt, wonach ein weiteres
Abwarten unzumutbar ist, weil ein bestimmtes, künftig zu
erwartendes Handeln der Behörde zu einer nicht oder nur
schwerlich wiedergutzumachenden Rechtsverletzung führen
würde. Das ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen erhebliche
Nachteile drohen, die seine persönliche oder wirtschaftliche
Existenz gefährden und die sich nicht oder nur unter
erschwerten Bedingungen wieder korrigieren ließen.
Unzulässig ist eine solche Feststellungsklage hingegen
insbesondere dann, wenn sie auf eine rechtsgutachterliche
Stellungnahme des FG hinausliefe, unter welchen Voraussetzungen die
Finanzbehörde in einem bestimmten Fall tätig werden muss,
oder wenn lediglich die hypothetische Möglichkeit einer
späteren Rechtsverletzung oder eines späteren Schadens
geltend gemacht wird (Senatsurteil vom 28.11.2017 - VII R 30/15 =
SIS 18 02 16, Rz 14, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 10.02.2022 - VII B
85/21, BFHE 275, 482 = SIS 22 03 26, Rz 40; vgl. auch Steinhauff in
HHSp, § 41 FGO Rz 157; von Beckerath in Gosch, FGO § 41
Rz 74; Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., §
41 Rz 20). Auf dieser Grundlage hat der erkennende Senat mit
Beschluss vom 30.09.2020 - VII B 96/19 = SIS 21 07 27 ein
berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass ein Beteiligter im
Rahmen einer sogenannten „Tax Law
Clinic“ unentgeltlich Hilfe in Steuersachen
leisten darf, verneint (Senatsbeschluss vom 30.09.2020 - VII B
96/19 = SIS 21 07 27, Rz 13; a.A. Krumm in Tipke/Kruse, § 41
FGO Rz 17).
|
|
|
33
|
bb) Im Streitfall hat die Klägerin keine
Umstände substantiiert und in sich schlüssig vorgetragen,
aufgrund derer ein berechtigtes Interesse an einem vorbeugenden
Rechtsschutz besteht.
|
|
|
34
|
(1) Denn eine vorbeugende Feststellungsklage
ist zur Erreichung eines effektiven Rechtsschutzes nicht
unumgänglich, weil die Klägerin ihre Rechte durch eine
spätere Gestaltungsklage verfolgen kann. Eine
Feststellungsklage ist daher gemäß § 41 Abs. 2 Satz
1 FGO subsidiär. Bei einer (etwaigen)
Prüfungsverfügung handelt es sich um einen Verwaltungsakt
(vgl. § 6b Abs. 2 GSA Fleisch i.V.m. § 22 des
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 118 der
Abgabenordnung analog), der mit dem Einspruch beziehungsweise der
Anfechtungsklage angefochten werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom
10.02.2022 - VII B 85/21, BFHE 275, 482 = SIS 22 03 26, Rz 42).
|
|
|
35
|
(2) Darüber hinaus hat das HZA keine
konkreten Prüfungsmaßnahmen durchgeführt oder
angeordnet. Die Klägerin strebt also lediglich eine
rechtsgutachterliche Prüfung an, indem sie im Wesentlichen
festgestellt haben will, dass sie kein Betrieb und keine
selbstständige Betriebsabteilung der Fleischwirtschaft im
Sinne des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG
sei und somit nicht dem Fremdpersonalverbot gemäß §
6a Abs. 2 GSA Fleisch unterliege. Die auf eine rechtsgutachterliche
Stellungnahme gerichtete Klage ist nach der zitierten
Rechtsprechung aber unzulässig (Senatsurteil vom 28.11.2017 -
VII R 30/15 = SIS 18 02 16, Rz 14). Insoweit liegt ein wesentlich
anderer Sachverhalt vor als in der Konstellation, in der der Senat
nach - kurz zuvor - durchgeführten
Prüfungsmaßnahmen ein berechtigtes
Feststellungsinteresse anerkannt und eine Feststellungsklage
für zulässig erachtet hat (Senatsbeschlüsse vom
03.05.2023 - VII B 9/22 = SIS 23 08 63, Rz 28; vom 22.09.2022 - VII
B 183/21 = SIS 22 17 95, Rz 33 und vom 22.09.2022 - VII B 184/21 =
SIS 23 00 20, Rz 33; ebenso FG Münster, Beschluss vom
19.01.2022 - 8 V 3108/21 F = SIS 22 02 23, Rz 63 ff.).
|
|
|
36
|
(3) Zudem hat die Klägerin eine
Unzumutbarkeit des weiteren Abwartens oder eine existentielle
Bedrohung nicht dargelegt. Prüfungen oder
Bußgeldforderungen des HZA stehen nicht im Raum. Vielmehr
sieht die Klägerin lediglich eine hypothetische
Möglichkeit, bei etwaigen Verstößen mit
Bußgeldern belegt zu werden. Diese sind derzeit aber nicht zu
erwarten, da die Klägerin die Vorgaben des § 6a Abs. 2
GSA Fleisch seit dessen Inkrafttreten durch das
Arbeitsschutzkontrollgesetz beachtet, indem sie ihre Mitarbeiter ab
dem 01.01.2021 als von Personaldienstleistern überlassene
Zeitarbeiter und ab dem 01.04.2021 als eigene Arbeitnehmer
beschäftigt.
|
|
|
37
|
cc) Weiterhin hat die Klägerin nicht
dargelegt, warum im Streitfall ein berechtigtes Interesse an der
baldigen Feststellung bestehen sollte, obwohl mit der negativen
Feststellungsklage lediglich eine Momentaufnahme hinsichtlich der
Einstufung des klägerischen Betriebs als Betrieb oder
selbstständige Betriebsabteilung der Fleischwirtschaft im
Sinne des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG
erfolgen könnte. Für diese Momentaufnahme kommt es auf
den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an, da die
Prozessvoraussetzungen einer Feststellungsklage spätestens in
diesem Zeitpunkt vorliegen müssen (vgl. BVerwG-Urteil vom
23.08.2007 - 7 C 2.07, BVerwGE 129, 199, unter 1. der Gründe;
Steinhauff in HHSp, § 41 FGO Rz 542). Mit der
Feststellungsklage könnten zukünftige Prüfungs- oder
Bußgeldmaßnahmen also nicht verhindert werden. Warum im
Streitfall ein Interesse an einem solch eingeschränkten
Rechtsschutz bestehen könnte, ist nicht ersichtlich.
|
|
|
38
|
dd) Nichts anderes
folgt aus der ständigen Rechtsprechung des BVerwG,
wonach es einem Betroffenen nicht zuzumuten ist, die Klärung
verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der
„Anklagebank“ erleben zu müssen.
Der Betroffene hat hiernach ein als schutzwürdig
anzuerkennendes Interesse daran, den fachgerichtlichen Rechtsweg
als „fachspezifischere“ Rechtsschutzform
einzuschlagen, insbesondere wenn dem Betroffenen andernfalls ein Straf- oder
Ordnungswidrigkeitenverfahren droht (BVerwG-Urteile vom
13.01.1969 - I C 86.64, BVerwGE
31, 177; vom 09.10.2002 -
6 C 1.02, unter 2.a der Gründe; vom
23.06.2016 - 2 C 18.15, Rz 20 und vom 16.12.2016 - 8 C 6.15,
BVerwGE 157, 126, Rz 15; vgl. auch BVerfG-Beschlüsse
vom 07.04.2003 - 1 BvR 2129/02, unter
II.2.b der Gründe; vom 29.12.2020 - 1 BvQ 165-167/20,
Rz 18 und vom 01.06.2022 - 1 BvR 2888/20, 1 BvR 1152/21, 1 BvR
1153/21, 1 BvR 1154/21, 1 BvR 1155/21, 1 BvR 1156/21 = SIS 22 16 39, Rz 21; Senatsbeschluss vom 22.09.2022
- VII B 183/21 = SIS 22 17 95, Rz 22; Oberverwaltungsgericht
für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.08.2017 -
13 B 762/17, Rz 17; Steinhauff in HHSp, § 41 FGO Rz
248; Krumm in Tipke/Kruse, § 41 FGO Rz 17).
|
|
|
39
|
Zwar ist im
Anwendungsbereich des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch in der
Rechtsprechung der Finanzgerichte - und auch von der Vorinstanz -
aus dieser sogenannten
„Damokles-Rechtsprechung“ die
Zulässigkeit einer Feststellungsklage abgeleitet
worden, weil die bußgeldbewehrten Verbote nach §
6a Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 4 und 5 GSA Fleisch
selbstvollziehend seien und der Rechtsmittelführer - auch ohne
Ankündigung von Prüfungsmaßnahmen - die Einleitung
eines Bußgeldverfahrens fürchten müsse, wenn er
gegen das Fremdpersonalverbot verstoße (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom
13.09.2022 - 11 V 1731/21, juris = SIS 22 17 65, Rz 66; ablehnend
FG Nürnberg, Urteil vom 20.07.2021 - 1 K 382/21, Rz 73,
rechtskräftig; ebenso Möller, juris PraxisReport
Steuerrecht 7/2023, Anm. 6; Lindwurm, AO-Steuerberater 2022, 153).
Im Streitfall ist jedoch nicht erkennbar,
dass die Klägerin gegen das Fremdpersonalverbot des § 6a
Abs. 2 GSA Fleisch i.d.F. des ASKG verstößt. Es ist auch nicht erkennbar,
dass die Einleitung eines Bußgeldverfahrens durch das HZA
bevorstünde oder zu befürchten wäre. Konkret
absehbare Nachteile drohen der Klägerin nicht. Es besteht kein
berechtigtes Interesse an der Feststellung, nicht dem
Fremdpersonalverbot des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch zu
unterliegen.
|
|
|
40
|
2. Ebenso ist die Klage mit ihrem
erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag, wonach die Klägerin
die Feststellung begehrt, dass bestimmte Betriebsbereiche am
Standort … nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung im
Sinne des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfallen,
unzulässig.
|
|
|
41
|
Aus denselben wie unter 1. ausgeführten
Gründen fehlt es an dem für eine Feststellung
erforderlichen konkreten Rechtsverhältnis, und es besteht auch
kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne
des § 41 Abs. 1 FGO.
|
|
|
42
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat, obwohl es sich bei der
Vorentscheidung um einen Zwischengerichtsbescheid (§ 97 i.V.m.
§ 90a FGO) handelt, über die Kosten des gesamten
Verfahrens zu entscheiden, da der Prozess in vollem Umfang
entschieden worden ist (Brandis in Tipke/Kruse, § 97 FGO Rz
7).
|