Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 12.04.2021 - 6 K
2616/17 K,G,F = SIS 21 09 60 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Zwischen den Beteiligten besteht Streit,
ob zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin), einer GmbH, als Organträgerin und diversen
Gesellschaften in den Jahren 2005 und 2006 (Streitjahre) den
gesetzlichen Voraussetzungen entsprechende
körperschaftsteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche
Organschaften bestanden.
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Die Klägerin, ein Beratungsunternehmen
mit vielen eigenen … Niederlassungen, hält
Mehrheitsbeteiligungen (zugleich mit
Ergebnisabführungsverträgen bei …
Tochtergesellschaften) und Minderheitsbeteiligungen an einer
Vielzahl von …gesellschaften im In- und Ausland, die
ihrerseits eigene Tochtergesellschaften haben. Zum Beginn des
Streitjahres 2005 wurde die … GmbH auf die Klägerin
verschmolzen. Im Zuge der Verschmelzung wurde die Firma der
Klägerin (vormals: … GmbH) in … GmbH …
geändert; außerdem gingen mit dem übertragenden
Rechtsträger bestehende Organschaftsverhältnisse mit
insgesamt … Tochtergesellschaften auf die Klägerin
über.
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Sowohl an den eigenen Niederlassungen der
Klägerin als auch an der Mehrzahl der Tochtergesellschaften
beziehungsweise an deren Niederlassungen bestanden in den
Streitjahren atypisch stille Gesellschaften mit einem oder mehreren
beteiligten Partnern, die als …berater die jeweilige
Niederlassung leiteten und/oder dort … Beratungsleistungen
erbrachten. Für jede einzelne atypisch stille
Gesellschaft/Niederlassung (Personengesellschaft) wurde ein eigenes
Buchwerk geführt. Das ermittelte Ergebnis gemäß
gesonderter und einheitlicher Gewinnfeststellung wurde den
jeweiligen Tochtergesellschaften beziehungsweise der Klägerin
zugerechnet.
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Bei der Klägerin wurde ab dem
09.02.2009 eine steuerliche Außenprüfung unter anderem
für Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für die
Jahre 2004 bis 2006 durchgeführt. Nachdem eine
Prüferanfrage vom 14.12.2009 mit 34 Einzelpunkten nicht
beantwortet wurde, erstellte das Finanzamt für Groß- und
Konzernprüfung Z (Finanzamt Z - FA Z - ) unter dem 29.11.2011
einen Betriebsprüfungsbericht, in dem die streitigen
Organschaften anerkannt wurden. Ausweislich des Berichts fand keine
Schlussbesprechung statt. Der Betriebsprüfungsbericht wurde
der Klägerin zur Stellungnahme mit Frist bis zum 03.01.2012
zugesandt. In der Folgezeit stellte die Klägerin zahlreiche
Fristverlängerungsanträge. Zuletzt bat sie mit Schreiben
vom 22.12.2014 darum, die Frist zur Stellungnahme bis zum
28.02.2015 zu verlängern. Ungeachtet dessen fand am 27.11.2014
eine Besprechung zwischen Vertretern der Klägerin und des FA Z
statt. Mit Schreiben vom 28.04.2015, 09.06.2015 und 27.08.2015
übersandte das FA Z jeweils Entwürfe des geänderten
Betriebsprüfungsberichts, zuletzt datiert auf den 21.08.2015,
in denen jeweils die streitigen Organschaften anerkannt
wurden.
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Zwischenzeitlich veröffentlichte das
Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Schreiben (vom 20.08.2015,
BStBl I 2015, 649 = SIS 15 18 87), wonach „eine
Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung
besteht, weder Organgesellschaft nach den §§ 14, 17 KStG
noch Organträgerin nach § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2
KStG sein“ kann. Unter Berücksichtigung
dieses Schreibens wurde ein neuer Betriebsprüfungsbericht
erstellt. Nach dessen Inhalt sei in Fällen, in denen am
Handelsgewerbe einer Kapitalgesellschaft eine atypisch stille
Beteiligung bestehe, diese Kapitalgesellschaft nicht als
Organgesellschaft anzuerkennen. Eine solche Kapitalgesellschaft
könne grundsätzlich auch kein Organträger sein.
Jedoch könnten im letzteren Fall nach dem BMF-Schreiben
bereits bestehende Organschaften im Wege der Billigkeit und aus
Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin steuerrechtlich
anerkannt werden. Die Klägerin habe einen solchen Antrag auf
Anwendung der Billigkeitsregelung gestellt, dessen
Berücksichtigung nicht zu beanstanden sei. Im Ergebnis seien
daher nur solche Organschaften nicht anzuerkennen, bei denen am
Handelsgewerbe der Organgesellschaft eine atypisch stille
Beteiligung bestehe. Dies sei vorliegend bei zahlreichen
Tochtergesellschaften der Fall.
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Die Nichtanerkennung dieser Organschaften
führe dazu, dass die erfolgten Gewinnabführungen als
verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln seien. Die
Gewinnausschüttungen seien zwar grundsätzlich steuerfrei.
Dies gelte aber nur, wenn die Bezüge das Einkommen der
leistenden Körperschaft nicht gemindert hätten.
Vorliegend seien die Gewinnausschüttungen für 2006 jedoch
gewinnmindernd bei den leistenden Organgesellschaften
berücksichtigt worden und die die Organgesellschaften
betreffenden Steuerfestsetzungen seien bereits
bestandskräftig.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) schloss sich dieser Argumentation an und
erließ am 23.06.2016 entsprechende
Änderungsbescheide.
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Gegen sämtliche
Änderungsbescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Auch
die Tochtergesellschaften, bei denen atypisch stille Gesellschaften
bestünden, könnten Organgesellschaften sein. Die
Gewinnanteile der atypisch stillen Gesellschafter seien
handelsrechtlich gewinnmindernder Aufwand. Maßgeblich
für die Gewinnabführung sei der handelsrechtliche
Gewinn.
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Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das
Finanzgericht (FG) Düsseldorf legte seinem Urteil vom
12.04.2021 - 6 K 2616/17 K,G,F (EFG 2021, 1052 = SIS 21 09 60)
unter anderem die Rechtsauffassung zugrunde, dass eine
Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung
bestehe, wegen fehlender Abführung des Gesamtgewinns
ertragsteuerrechtlich keine Organgesellschaft sein
könne.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit
ihrer Revision. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Die
Änderungsbescheide seien rechtswidrig, weil bereits vor deren
Erlass Festsetzungs- beziehungsweise Feststellungsverjährung
eingetreten sei. Im Übrigen seien die Organschaften
anzuerkennen.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil der
Vorinstanz sowie die Änderungsbescheide vom 23.06.2016
über Körperschaftsteuer 2006, Gewerbesteuermessbetrag
2006, gesonderte Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes auf den 31.12.2005 und auf den 31.12.2006 und die
gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur
Körperschaftsteuer auf den 31.12.2005 und auf den 31.12.2006,
jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2017,
aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist zum Teil begründet
und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache zu erneuter Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zwar zutreffend dahin
erkannt, dass die streitigen Änderungsbescheide nicht wegen
Eintritts der Festsetzungs- beziehungsweise
Feststellungsverjährung rechtswidrig sind (nachfolgend zu 1.).
Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen
jedoch nicht dessen Entscheidung, dass die Organschaften
körperschaftsteuerrechtlich (nachfolgend zu 2.) und auch
gewerbesteuerrechtlich (nachfolgend zu 3.) nicht anzuerkennen sind.
Die Vorinstanz hat die (zahlreichen)
körperschaftsteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen
Organschaften allein deshalb nicht anerkannt, weil atypisch stille
Beteiligungen an den Tochtergesellschaften bestanden hätten,
die deren Eignung, Organgesellschaften sein zu können,
entfallen ließen. Diese Schlussfolgerung ist
rechtsfehlerhaft. Vor dem Hintergrund der vom FG getroffenen
tatsächlichen Feststellungen zu der besonderen
Unternehmensstruktur des klägerischen Unternehmens, wonach an
den eigenen Niederlassungen der Klägerin sowie an den
Niederlassungen der Tochtergesellschaften teilweise atypisch stille
Gesellschaften bestehen, dürften dem Streitfall mit
sogenannten Tracking Stocks vergleichbare Strukturen zugrunde
liegen, die näherer Aufklärung bedürfen. Die Sache
ist deshalb nicht spruchreif.
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1. Festsetzungs- beziehungsweise
Feststellungsverjährung war im Zeitpunkt des Ergehens der
Änderungsbescheide noch nicht eingetreten.
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a) Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach
Maßgabe des § 171 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 der
Abgabenordnung i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 20.12.2022
(BGBl I 2022, 2730, BStBl I 2023, 82 = SIS 22 22 20) - AO a.F. - zu
bestimmen. Die Neufassung des § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung
(AO) ist erst für Steuern und Steuervergütungen, die nach
dem 31.12.2024 entstehen, anzuwenden (Art. 97 § 37 Abs. 2 des
Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung; vgl. z.B. Drüen
in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz 63b).
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Nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO a.F.
(entsprechend anwendbar auf die Situation der gesonderten
Feststellung auf der Grundlage des § 181 Abs. 1 Satz 1 AO)
endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat,
oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in
dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung
stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen
verstrichen sind. Das bedeutet für die Konstellation des
Streitfalles, in dem eine Schlussbesprechung nicht stattgefunden
hat, dass ab Ende des Jahres, in dem die letzten Ermittlungen
stattgefunden haben, die reguläre Frist des § 169 Abs. 2
AO, im Streitfall eine Vierjahresfrist, erneut zu laufen beginnt
(vgl. allgemein Senatsurteil vom 27.03.1996 - I R 182/94, BFHE 180,
444, BStBl II 1997, 449 = SIS 96 18 18).
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b) Im Sinne dieser Regelung sind „letzte
Ermittlungen im Rahmen der
Außenprüfung“ Maßnahmen des
Prüfers oder des Finanzamts, die darauf gerichtet sind, bisher
noch nicht bekannte Sachverhaltselemente festzustellen
beziehungsweise wesentliche Elemente des Besteuerungssachverhalts
zu ermitteln. Dazu muss der Prüfer zum Beispiel Unterlagen
anfordern, den Steuerpflichtigen in irgendeiner anderen Weise zur
Mitwirkung auffordern oder etwa vom Steuerpflichtigen nachgereichte
Unterlagen auswerten. Auch Handlungen im Innendienst der
Behörde können Ermittlungshandlungen sein, sofern diese
anhand der Prüfungsakten nachvollzogen werden können. Im
Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen
eines Außenprüfers zur Ermittlung eines Steuerfalles
Prüfungshandlungen sind, und zwar auch dann, wenn sie
„nur“ auf die Vorlage von
Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren und
Ähnliches gerichtet sind. Aufgrund der systematischen
Parallele zur Durchführung einer Schlussbesprechung, die
ebenfalls nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO a.F. die
Festsetzungsfrist neu in Gang setzt, ist ferner erforderlich, dass
der Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlung im Interesse der
verjährungsrechtlichen Rechtssicherheit eindeutig feststeht
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.06.2011 - VIII R 6/09,
BFH/NV 2011, 1830 = SIS 11 32 91; vom 26.06.2014 - IV R 51/11,
BFH/NV 2014, 1716 = SIS 14 27 02).
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c) Das FG ist in der angegriffenen
Entscheidung davon ausgegangen, dass letzte Ermittlungen im Jahre
2015 vorgenommen wurden und die auf den 23.06.2016 datierenden
Änderungsbescheide somit in offener Festsetzungs- bzw.
Feststellungsfrist erlassen wurden. Dazu hat das FG unter anderem
die folgenden tatsächlichen Feststellungen getroffen: Das
BMF-Schreiben vom 20.08.2015 (BStBl I 2015, 649 = SIS 15 18 87)
habe weitere Ermittlungshandlungen erforderlich gemacht.
Während die Oberfinanzdirektion (OFD) … mit Schreiben
vom 08.12.2011 das FA Z noch gebeten hatte, die Rechtsauffassung zu
vertreten, dass die Voraussetzungen einer körperschaft- und
gewerbesteuerrechtlichen Organschaft erfüllt seien, machte das
spätere und die Finanzverwaltung bindende BMF-Schreiben vom
20.08.2015 erforderlich, beispielsweise zu prüfen, an welchen
Organgesellschaften atypisch stille Beteiligungen bestanden hatten.
Diese Ermittlungen wurden ausweislich von E-Mails der
Außenprüfung an die OFD … aus Oktober 2015, mit
denen die Auswirkungen des BMF-Schreibens vom 20.08.2015 = SIS 15 18 87 im Streitfall dargestellt worden sind, im Jahre 2015
vorgenommen. Insoweit handelt es sich um die Ermittlung bestimmter
Sachverhaltselemente, die aufgrund der vorgegebenen geänderten
Rechtsauffassung der Behörde erforderlich waren.
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d) Diese tatsächliche Feststellung bindet
den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO. Denn diese
Würdigung verstößt weder gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze noch hat die Klägerin hiergegen eine
Verfahrensrüge erhoben. Mit ihrem pauschalen Vortrag, seitens
der Prüfung seien nur Auswertungshandlungen vorgenommen
worden, Ermittlungen zu den atypisch stillen Beteiligungen seien
unnötig gewesen und tatsächlich auch nicht
durchgeführt worden, kann die Klägerin im
Revisionsverfahren daher nicht mehr gehört werden.
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Die tatsächliche Feststellung des FG
trägt die rechtliche Schlussfolgerung, dass rechtserhebliche
Sachverhaltselemente (das Bestehen atypisch stiller Beteiligungen
an bestimmten Tochtergesellschaften der Klägerin) festgestellt
und damit ermittelt wurden. Außerdem lässt sich den
Feststellungen entnehmen, dass der Zeitpunkt der letzten
Ermittlungen mit dem aktenkundigen E-Mail-Verkehr aus Oktober 2015
nachgewiesen ist.
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Diese „letzten
Ermittlungen“ haben auch noch „im Rahmen
der Außenprüfung“ stattgefunden.
Zwar hat der Prüfer bereits unter dem Datum des 29.11.2011 den
Prüfungsbericht erstellt und an die Klägerin
übersandt, womit im Regelfall der Abschluss der Prüfung
und damit auch der Sachverhaltsermittlungen einhergeht (vgl. §
202 Abs. 1 AO; s.a. Senatsurteil vom 17.07.1985 - I R 214/82, BFHE
144, 333, BStBl II 1986, 21 = SIS 85 21 35; Banniza in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 128). Jedoch gilt
anderes, wenn aus der maßgeblichen Sicht des Betroffenen die
Außenprüfung mit der Zusendung des Prüfungsberichts
noch nicht abgeschlossen sein sollte (BFH-Urteil vom 08.07.2009 - XI R 64/07,
BFHE 226, 19, BStBl II 2010, 4 = SIS 09 30 13). So liegt der Fall
hier. Die Klägerin hat noch im Dezember 2011 und sodann
fortlaufend Anträge auf Gewährung einer
Fristverlängerung für die Abgabe der Stellungnahme zum
Prüfungsbericht gestellt, die schließlich zu der
Besprechung vom 27.11.2014 und damit zu einem Wiedereintritt in die
Ermittlungshandlungen führten. Denn nach den ebenfalls
bindenden, weil mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen
Feststellungen des FG sind im Rahmen der Besprechung Ermittlungen
vorgenommen worden, etwa zu bestimmten Erträgen aus
Beteiligungen der Klägerin.
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2. Im angefochtenen Urteil sind die
gesetzlichen Voraussetzungen der Anerkennung einer
körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nicht in jeder
Hinsicht rechtsfehlerfrei beschrieben und angewendet worden.
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a) Verpflichtet sich eine Europäische
Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf
Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland
(Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag im
Sinne des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes, ihren ganzen Gewinn
an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen,
so ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des
Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre
geltenden Fassung (KStG) das Einkommen der Organgesellschaft,
soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, dem
Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn
die Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 KStG
erfüllt sind. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG gilt das
entsprechend, wenn sich eine andere Kapitalgesellschaft -
insbesondere eine GmbH - mit Geschäftsleitung und Sitz im
Inland wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn im Sinne des
§ 14 KStG abzuführen.
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b) Dass im Streitfall an den
Tochtergesellschaften beziehungsweise an Niederlassungen der
Tochtergesellschaften atypisch stille Beteiligungen bestanden,
steht der Anerkennung von körperschaftsteuerrechtlichen
Organschaften entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht
entgegen, da auch in dieser Situation der - unter
Berücksichtigung der Gewinnbeteiligung des stillen
Gesellschafters ermittelte - handelsrechtliche
Jahresüberschuss als „ganzer
Gewinn“ im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1
KStG an den Organträger abgeführt werden kann. Zur
Begründung verweist der Senat zur Vermeidung von
Wiederholungen auf sein am selben Tag ergangenes Urteil im
Revisionsverfahren I R 33/22 (zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt).
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Dass im Streitfall die atypisch stillen
Beteiligungen jeweils nur an einzelnen Niederlassungen und damit an
gesonderten Geschäftsbereichen der Tochtergesellschaften
bestanden haben (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 23.04.2009 - IV R
73/06, BFHE 225, 343, BStBl II 2010, 40 = SIS 09 21 90, m.w.N.),
ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts. Soweit dem in
einem Beschwerdeverfahren ergangenen Senatsbeschluss vom 31.03.2011
- I B 177/10 (BFH/NV 2011, 1397 = SIS 11 23 81) eine davon
abweichende Rechtsauffassung entnommen wird, auch wenn er mit dem
wenige Monate später ergangenen Beschluss vom 11.08.2011 - I B
179/10 (BFH/NV 2011, 2052 = SIS 11 36 53) unter Bezugnahme auf
diesen Senatsbeschluss ausdrücklich klargestellt hat, dass er
zur Frage der Organschaft bei atypisch stiller Beteiligung
„noch nicht abschließend Stellung
genommen“ hat, hält der Senat daran
jedenfalls nicht fest. Nach den Gründen des Senatsurteils vom
11.12.2024 im Revisionsverfahren I R 33/22 steht die
Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft am gesamten
Unternehmen des Handelsgewerbes der Organgesellschaft der
steuerrechtlichen Anerkennung des Organschaftsverhältnisses
nicht entgegen. Dies muss erst recht gelten, wenn sich die atypisch
stille Beteiligung lediglich auf einen (gegebenenfalls sogar nur
kleinen) Teilbereich des Unternehmens der Organgesellschaft
bezieht.
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c) Auch der Umstand, dass an einzelnen
Geschäftsbereichen/Niederlassungen der Klägerin (als
Organträgerin) atypisch stille Beteiligungen bestanden,
dürfte jedenfalls in der besonderen Konstellation des
Streitfalles der Anerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen
Organschaften nicht entgegenstehen. Hierzu sind weitere
tatsächliche Feststellungen zu den mit Tracking Stocks
vergleichbaren Strukturen erforderlich.
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aa) Es ist höchstrichterlich noch nicht
entschieden und es wird kontrovers diskutiert, welche Folgen eine
atypisch stille Beteiligung am Unternehmen des Organträgers
für die Frage der steuerrechtlichen Anerkennung der
Organschaft ausgelöst werden.
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Zum Teil wird vertreten, dass eine
ertragsteuerrechtlich als Mitunternehmerschaft zu qualifizierende
atypisch stille Gesellschaft „selbst“
als die Organträgerin anzusehen und auch anzuerkennen sei
(z.B. Brink in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz
128 und 128a; Suchanek, GmbHR 2015, 1031; Kleinheisterkamp,
Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFSt -
2015/2016, 561). Nach anderer Auffassung scheidet die atypisch
stille Gesellschaft als taugliche Organträgerin aus (so z.B.
BMF-Schreiben vom 20.08.2015, BStBl I 2015, 649 = SIS 15 18 87;
Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 81; G. Wagner in
Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 3. Aufl., Rz 4.11; Breuninger,
JbFSt 2016/2017, 148) und auch im Übrigen führe die
atypisch stille Beteiligung zur Nichtanerkennung der
körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft. Denn die
Beteiligung des stillen Gesellschafters führe dazu, dass das
Einkommen der Organgesellschaft systemwidrig nicht
vollumfänglich dem - vermeintlichen Organträger als -
Vertragspartner des Gewinnabführungsvertrags zugerechnet werde
(Dötsch/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die
Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz 175).
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bb) Jedenfalls in der vorliegend zur
Beurteilung anstehenden Unternehmensstruktur dürften die in
§ 14 KStG niedergelegten Voraussetzungen für die
Organschaft sämtlich erfüllt sein.
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aaa) Nach den - allerdings nicht ausreichenden
- Feststellungen des FG bestanden die (Vielzahl der) atypisch
stillen Beteiligungen nur an einzelnen Niederlassungen der
Klägerin. Die atypisch still Beteiligten waren auf der
Grundlage eines eigenständigen Rechenwerks auch nur am Gewinn
und Verlust sowie den stillen Reserven der jeweiligen
Niederlassungen beteiligt, nicht aber am Erfolg oder den stillen
Reserven des „Gesamtunternehmens“.
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Innengesellschaften, die auf Teilhabe an den
Ergebnissen einzelner Unternehmensteile (zum Beispiel
Geschäftsbereiche oder Niederlassungen) gerichtet sind
(sogenannte Tracking Stock Struktur), hat der BFH in seiner
Rechtsprechung dahin qualifiziert, dass materiell-rechtlich von
einer Mehrzahl „niederlassungsbezogener“
Mitunternehmerschaften auszugehen ist. Und auch verfahrensrechtlich
sind „nur niederlassungsbezogen“
für jede einzelne Mitunternehmerschaft gesonderte und
einheitliche Gewinnfeststellungen durchzuführen.
Geschäftsbereiche, an denen keine atypisch stillen
Beteiligungen bestehen, sind dem Inhaber des Handelsgewerbes allein
zuzuordnen; sie stellen gewerbesteuerrechtlich einen gesonderten
Gewerbebetrieb dar. Eine Gewinnfeststellung scheidet insoweit wegen
fehlender Beteiligung mehrerer Personen aus (vgl. BFH-Urteile vom
04.08.1988 - IV R 60/86, BFH/NV 1990, 19; vom 13.05.1998 - VIII R
81/96, BFH/NV 1999, 355 = SIS 98 55 71; vom 23.04.2009 - IV R
73/06, BFHE 225, 343, BStBl II 2010, 40 = SIS 09 21 90).
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bbb) Auf der Grundlage des erst- und
zweitinstanzlichen Vortrags der Klägerin dürfte im
Streitfall folglich keine (einzige) Mitunternehmerschaft in Gestalt
einer atypisch stillen Gesellschaft bestehen, die - unabhängig
von verschiedenen anderen Fragen, die sich aus der Rechtsnatur der
atypisch stillen Gesellschaft als Innengesellschaft ergeben - als
Organträgerin anzusehen sein könnte (so allgemein wohl
auch Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 81a) - vielmehr
dürfte eine Vielzahl von atypisch stillen Gesellschaften
bestehen. Vor allem ist es nach dem Vorbringen der Klägerin in
Betracht zu ziehen, dass ihr als Kapitalgesellschaft und Inhaberin
des Handelsgewerbes ein Geschäftsbereich zuzuordnen ist, an
dem weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich andere Personen
beteiligt sind. Zu diesem „freien“
Unternehmensbereich dürften die Beteiligungen an den
Organgesellschaften und die sonstigen in- und ausländischen
Beteiligungen der Klägerin gehören. Die
Gewinnabführungen der Organgesellschaften würden dann
alleine der Kapitalgesellschaft als Inhaberin des Handelsgewerbes
zustehen und den atypisch still - lediglich an einzelnen
Niederlassungen - beteiligten Rechtssubjekten stünde hieran
weder rechtlich noch wirtschaftlich ein Anteil zu. Die weitere
Folge wäre, dass die - im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 Satz 1 KStG
„organträgertaugliche“ -
Klägerin als alleinige Vertragspartnerin des jeweiligen
Gewinnabführungsvertrags und als „einziges anderes
gewerbliches Unternehmen“ im Sinne des §
14 Abs. 1 Satz 1 KStG den „ganzen
Gewinn“ der jeweiligen Organgesellschaften
erhielte, die wiederum auch nur bei ihr finanziell im Sinne des
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG eingegliedert wären.
Jedenfalls in dieser besonderen Konstellation würde die
Klägerin in eigener Person nach dem klaren Wortlaut des
Gesetzes die Voraussetzungen der Organschaft erfüllen (zu
vergleichbaren Strukturen ebenso Brink in Schnitger/Fehrenbacher,
KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 128b; wohl auch Suchanek, GmbHR 2015,
1031; G. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 3. Aufl.,
Rz 4.16).
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ccc) Das FG ist dem bereits erstinstanzlich
gehaltenen Sachvortrag der Klägerin - ausgehend von seinem
abweichenden Rechtsstandpunkt - nicht nachgegangen. Es fehlen
insbesondere nähere Feststellungen dazu, ob an sämtlichen
Niederlassungen der Klägerin atypisch stille Beteiligungen
bestanden, ob die atypisch stillen Gesellschaften alleine darauf
gerichtet waren, den oder die Stillen am Ergebnis und den stillen
Reserven „nur“ der jeweiligen
Niederlassung zu beteiligen, und ob ein gesonderter
Geschäftsbereich bestand, der alleine der Klägerin
zuzuordnen ist und zu dem die zahlreichen Beteiligungen
gehören.
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3. Auch die Rechtsfrage der Anerkennung von
gewerbesteuerrechtlichen Organschaften kann nicht
abschließend beantwortet werden.
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a) Ist eine Kapitalgesellschaft
Organgesellschaft im Sinne der §§ 14 oder 17 KStG, so
gilt sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 des
Gewerbesteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden
Fassung (GewStG) als Betriebsstätte des Organträgers. Die
Voraussetzungen für die körperschaftsteuerrechtliche und
die gewerbesteuerrechtliche Organschaft waren nach der für die
Streitjahre maßgeblichen Rechtslage damit identisch.
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b) Das FG hat die Organschaften im Streitfall
nicht anerkannt und sich hierbei auf die Rechtsprechung des Senats
gestützt. Zwar hat der Senat entschieden, dass in
gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht die organschaftlichen
Rechtsfolgen insoweit verdrängt werden, als die
Organgesellschaft mitunternehmerschaftliche Einkünfte, sei es
in Form der Beteiligung an einer Außenpersonengesellschaft
oder als Mitunternehmerin einer atypisch stillen Gesellschaft,
erzielt. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass auch die
Beteiligten eines atypisch stillen Gesellschaftsvertrags
(Geschäftsinhaber und stille Gesellschafter) - als
Mitunternehmer - sachlich gewerbesteuerpflichtig sind und der von
ihnen gemeinschaftlich geführte Betrieb einen
selbständigen - und gegenüber der organschaftlichen
Zurechnung vorrangigen - Steuergegenstand im Sinne von § 2
Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 GewStG bildet (Senatsurteil vom
25.10.1995 - I R 76/93, BFH/NV 1996, 504 = SIS 96 09 45,
m.w.N.).
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c) Allerdings hat das FG bei seiner
Entscheidung nicht hinreichend gewürdigt, dass sich die
Senatsrechtsprechung auf Fallgestaltungen bezieht, in denen sich
die atypisch stille Beteiligung auf das gesamte Unternehmen des
Geschäftsinhabers bezog. Im Streitfall bestehen aber atypisch
stille Gesellschaften nicht am gesamten Unternehmen der jeweiligen
Tochtergesellschaften, sondern nur an einzelnen
Niederlassungen/Geschäftsbereichen.
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Nach der zu sogenannten Tracking Stock
Strukturen ergangenen Senatsrechtsprechung liegt ein
selbständiger Gewerbebetrieb vor, wenn der
Geschäftszweig, an dem die atypisch stille Beteiligung
besteht, eine in sich geschlossene, von anderen Unternehmensteilen
unabhängige Einheit bildet. Das Vorliegen einer auf bestimmte
Unternehmensteile (Geschäftsbereiche, Niederlassungen)
begrenzten Mitunternehmerschaft hat für die Bestimmung des
Steuergegenstands gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2
GewStG zur Konsequenz, dass dann, wenn die den einzelnen
Innengesellschaften (atypisch stille Gesellschaften) und dem nach
außen auftretenden Gesellschafter (zum Beispiel GmbH als
Inhaberin des Handelsgeschäfts) steuerrechtlich zuzuordnenden
gewerblichen Tätigkeiten nicht identisch sind (zum Beispiel,
weil die atypisch stillen Gesellschafter jeweils nur an einem
bestimmten Geschäftsbereich des Handelsgewerbes beteiligt
sind), die den jeweiligen Innengesellschaften und die dem Inhaber
des Handelsgeschäfts allein zuzuordnenden gewerblichen
Tätigkeiten als jeweils getrennte Gewerbebetriebe beurteilt
werden müssen (Senatsurteil vom 06.12.1995 - I R 109/94, BFHE
179, 427, BStBl II 1998, 685 = SIS 96 07 19; BFH-Urteil vom
23.04.2009 - IV R 73/06, BFHE 225, 343, BStBl II 2010, 40 = SIS 09 21 90).
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Da im Streitfall die atypisch stillen
Beteiligten nur an (einzelnen) Niederlassungen bestehen, muss in
Betracht gezogen werden, dass den jeweiligen
GmbH-Tochtergesellschaften als den jeweiligen Inhaberinnen des
Handelsgewerbes im Grundsatz ein eigener Gewerbebetrieb als
selbständiger Steuergegenstand zuzuordnen ist, weil an diesem
Geschäftsbereich keine atypisch stillen Gesellschaften
bestehen. Für eine Verdrängung der organschaftlichen
Rechtsfolgen wäre dann hinsichtlich dieses gesonderten
Gewerbebetriebs kein Raum.
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d) Das FG wird hierzu im zweiten Rechtsgang
nähere Feststellungen zu treffen haben.
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Sollten die Tochtergesellschaften etwa
einzelne Niederlassungen unterhalten, an denen keine atypisch
stillen Beteiligungen bestehen, wäre diese(r)
Niederlassung/Geschäftsbereich als gesonderter Gewerbebetrieb
alleine den Tochterkapitalgesellschaften zuzuordnen und es
wären insoweit wegen Fehlens einer Mitunternehmerschaft die
Rechtsfolgen der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft zu ziehen.
Dass gegebenenfalls an einer anderen Niederlassung der
Tochterkapitalgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung
besteht, wäre für die Anerkennung der Organschaft
unschädlich. Das gleiche gilt allgemein, wenn bei den
Tochterkapitalgesellschaften neben dem „Betrieb der
Niederlassungen“ ein gesonderter
Geschäftsbereich bestehen sollte, an dem keine weitere Person
mitunternehmerschaftlich beteiligt ist.
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4. Aus prozessökonomischen Gründen
weist der Senat für den zweiten Rechtsgang vorsorglich auf
folgende Punkte hin:
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a) Ob die Tatsache, dass am Unternehmen
beziehungsweise an Teilen des Unternehmens der Klägerin
atypisch stille Beteiligungen bestanden, der Klägerin
überhaupt als
„organschaftsschädlich“
entgegengehalten werden kann, wird unter Berücksichtigung der
Regelung im BMF-Schreiben vom 20.08.2015 (BStBl I 2015, 649 = SIS 15 18 87) zu beurteilen sein. Dort wird ausgeführt, dass am
20.08.2015 bestehende, steuerlich anerkannte Organschaften mit
Organträgern, an deren Handelsgewerbe atypisch stille
Beteiligungen bestehen, im Wege der Billigkeit und aus Gründen
des Vertrauensschutzes weiterhin steuerlich anerkannt werden
können.
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Unmittelbar kommt dem Schreiben als
Verwaltungsanweisung allerdings keine die Gerichte bindende Wirkung
zu; diese dürfen die Verwaltungsanweisung auch dann nicht
anwenden, wenn sie zu einem für den Steuerpflichtigen
günstigeren Ergebnis führt als das materielle Steuerrecht
(s. allgemein z.B. Senatsurteil vom 24.07.2013 - I R 40/12, BFHE
242, 139, BStBl II 2014, 272 = SIS 13 23 39). Soweit dieses
Schreiben eine sachliche Billigkeitsregelung enthält,
könnte im gerichtlichen Verfahren nur eine Bindung auf der
Grundlage einer konkreten Einzelfallentscheidung (abweichende
Steuerfestsetzung gemäß § 163 AO) der
zuständigen Finanzbehörde bestehen (Senatsurteil vom
10.05.2017 - I R 93/15, BFHE 259, 49, BStBl II 2019, 278 = SIS 17 20 03). Hierzu hat das FG - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt
konsequent - keine näheren Feststellungen getroffen.
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b) Nach ständiger Senatsrechtsprechung
sind aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags tatsächlich
durchgeführte Gewinnabführungen, wenn die Organschaft
steuerrechtlich nicht anzuerkennen ist (sogenannte
verunglückte Organschaft), als vGA zu qualifizieren (z.B.
Senatsbeschluss vom 17.10.2007 - I R 39/06, BFH/NV 2008, 614 = SIS 08 14 49, m.w.N.; Senatsurteile vom 28.11.2007 - I R 94/06, BFHE
220, 51 = SIS 08 24 15; vom 10.05.2017 - I R 19/15, BFHE 258, 344,
BStBl II 2019, 81 = SIS 17 16 39; vom 15.07.2020 - I R 33/18,
BFH/NV 2021, 776 = SIS 21 07 26). Insbesondere handelt es sich bei
der Gewinnabführung auf der Grundlage eines zivilrechtlich
wirksamen Gewinnabführungsvertrags um die Erfüllung einer
Vertragspflicht und nicht um einen den gesellschaftsrechtlichen
Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss, auf dessen
Grundlage offene Ausschüttungen getätigt werden
können (Senatsurteil vom 30.01.1974 - I R 104/72, BFHE 111,
410, BStBl II 1974, 323 = SIS 74 01 79). Ausgehend von seinem
Rechtsstandpunkt, wonach Organschaften steuerrechtlich nicht
anzuerkennen waren, hat die Vorinstanz demnach die zutreffenden
Folgerungen gezogen; die diesbezüglich erhobenen
Revisionsangriffe gehen fehl.
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c) Sollten die Organschaften steuerrechtlich
nicht anzuerkennen sein, können die als vGA zu
qualifizierenden Gewinnabführungen der Tochtergesellschaften
aus dem Vollzug der Gewinnabführungsverträge auf der
Ebene der Klägerin nicht im Sinne des § 8b Abs. 1 Satz 1
KStG außer Ansatz bleiben. Denn die dort vorgesehene
Steuerbefreiung gilt nach § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG (in der im
Streitfall für die nach dem 18.12.2006 erfolgten
Gewinnabführungen der Organgesellschaften anwendbaren Fassung
des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006, BGBl I 2006, 2878,
BStBl I 2007, 28) unter anderem für sonstige Bezüge im
Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, damit auch für
vGA, nur, soweit diese Bezüge das Einkommen der leistenden
Körperschaft nicht gemindert haben (§ 8 Abs. 3 Satz 2
KStG). Nach den besonderen Umständen des Streitfalles haben
die Bezüge aber das Einkommen der leistenden
Tochtergesellschaften gemindert. Denn die Organschaften wurden auf
der Ebene der Tochtergesellschaften bestandskräftig anerkannt
und die vollzogenen Gewinnabführungen haben ausgehend von
einer Einkommenszurechnung an die (nach der dortigen
Einschätzung der Behörden:) Organträgerin im Sinne
des § 14 Abs. 1 KStG deren Einkommen gemindert. Für eine
einkommenserhöhende außerbilanzielle Hinzurechnung auf
der Grundlage einer bei einer verunglückten Organschaft
anzunehmenden vGA ist bei den Organgesellschaften kein Raum mehr,
da die Veranlagungen dieser Tochtergesellschaften
bestandskräftig abgeschlossen sind und eine Änderung auch
nach § 32a KStG nicht in Betracht kommt.
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Auch in einer solchen Konstellation sind
entgegen der Auffassung der Revision die materiellen
Korrespondenzvorgaben des Gesetzes bei der Frage der
Steuerbefreiung der Bezüge (vGA) zu beachten. Die in Folge der
Nichtanerkennung einer Organschaft als vGA zu qualifizierenden
Gewinnabführungen der vermeintlichen Organgesellschaften
fallen als sonstige Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1
Satz 2 EStG zweifelsfrei in den sachlichen Anwendungsbereich des
§ 8b Abs. 1 Satz 1 KStG und sind, wenn der (vermeintliche)
Organträger, wie vorliegend die Klägerin, eine
Körperschaft ist, von der Besteuerung freizustellen (vgl.
allgemein Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 541;
Herbener in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 3. Aufl., Rz 21.5
und 21.13). Diese Freistellung steht aber unter der Voraussetzung,
dass die Bezüge das Einkommen der leistenden Körperschaft
nicht gemindert haben. Nach dem Wortlaut des Gesetzes wird nur
darauf abgestellt, ob das Einkommen gemindert oder eben nicht
gemindert wurde. Das Gesetz fragt nicht nach den Ursachen der
Minderung oder Nichtminderung, so dass zum Beispiel auch die
schlichte „faktische“
Nichtberücksichtigung der Bezüge bei der
Einkommensermittlung der leistenden Gesellschaft den Tatbestand des
§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG erfüllt (vgl. Gosch in Gosch,
KStG, 4. Aufl., § 8b Rz 147; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl.,
§ 8b Rz 213; Brandis/Heuermann/Rengers, § 8b KStG Rz
124; Streck/Binnewies, KStG, 10. Aufl., § 8b Rz 102). Für
die im Streitfall auf Seiten der leistenden Tochtergesellschaften
endgültig eingetretenen Einkommensminderungen wegen des
verfahrensrechtlich nicht mehr zulässigen Ansatzes einer
(einkommenserhöhenden) vGA kann nichts anderes gelten (s.
allgemein Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl.,
§ 8b Rz 213).
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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