Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 13.03.2019 -
1 K 218/15 = SIS 19 13 05 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Streitig ist die Verrechnung von
Verlusten einer ausländischen Tochtergesellschaft im Rahmen
der Gewinnermittlung der inländischen
Muttergesellschaft.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit Sitz im
Inland. Sie war alleinige Gesellschafterin der … s.a.r.l.
(s.a.r.l.) mit Sitz in Frankreich.
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Die s.a.r.l. erzielte seit Jahren Verluste
(Verlustvortrag zum 31.12.2011: … EUR). Im Jahr 2012
(Streitjahr) erwirtschaftete sie einen Verlust von …
EUR.
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Bereits im Jahr 2011 wurde entschieden, den
Geschäftsbetrieb der s.a.r.l. einzustellen; der
Gesellschafterbeschluss vom 30.10.2012 sah die Auflösung der
s.a.r.l. mit Wirkung zum 31.10.2012 ohne Liquidation durch
Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf die
Klägerin im Wege einer Transmission Universelle de Patrimoine
(TUP) gemäß Art. 1844-5 des französischen Code
Civil vor. Am 25.01.2013 wurde die s.a.r.l. mit Wirkung zum
31.10.2012 im französischen Handelsregister
gelöscht.
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Die Klägerin hatte die s.a.r.l. bis
zur tatsächlichen Einstellung des aktiven
Geschäftsbetriebes mit Waren beliefert. Zu den Forderungen aus
den Warenlieferungen ergriff die Klägerin keine
Beitreibungsmaßnahmen gegenüber der s.a.r.l., obwohl
diese keine Zahlungen leistete. Allerdings nahm die Klägerin
Wertberichtigungen auf die Forderungen vor. Im Jahresabschluss zum
31.12.2009 erfolgte eine Wertberichtigung in Höhe des von der
s.a.r.l. bilanzierten (nicht durch Eigenkapital gedeckten)
Fehlbetrags. Zum 31.12.2010 schrieb die Klägerin die noch
bilanzierten Forderungen mit der Begründung in voller
Höhe ab, dass der Geschäftsbetrieb der s.a.r.l.
eingestellt werden solle. Auch in den Jahren 2011 und 2012 lieferte
die Klägerin noch Waren an die s.a.r.l.; die Forderungen
wurden von der Klägerin zum jeweiligen Jahresende mit
derselben Begründung in voller Höhe abgeschrieben.
Kumuliert nahm die Klägerin bis zum 31.12.2011
Forderungsabschreibungen in einer Gesamthöhe von … EUR
vor, die ihrem Gewinn außerbilanziell jeweils wieder
hinzugerechnet wurden.
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Im Rahmen ihrer Gewinnermittlung für
2011 brachte die Klägerin den von der s.a.r.l. im Jahr 2011
erwirtschafteten Verlust in Höhe von … EUR in Abzug und
gab eine entsprechende Körperschaftsteuererklärung ab,
auf deren Grundlage sie zunächst
erklärungsgemäß veranlagt wurde. Im Rahmen einer
Außenprüfung stellte sich der Prüfer allerdings auf
den Standpunkt, dass eine Verlustverrechnung nicht erfolgen
könne. Es erging unter dem 27.02.2014 ein entsprechend
geänderter Körperschaftsteuerbescheid für 2011. Nach
erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin dagegen Klage vor dem
Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht (FG). Auf den Hinweis des
Berichterstatters, dass eine Verlustberücksichtigung
allenfalls 2012 in Betracht komme, beantragten die Beteiligten
übereinstimmend, das Klageverfahren ruhen zu lassen. Das FG
folgte dem mit Beschluss vom 27.02.2017.
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In ihrer Körperschaft- und
Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr hatte die
Klägerin eine Verrechnung des von der s.a.r.l. in diesem Jahr
erwirtschafteten Verlustes in Höhe von … EUR
vorgenommen. Diesen berücksichtigte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) in den am 27.03.2014
ergangenen Bescheiden über die Körperschaftsteuer 2012
und den Gewerbesteuermessbetrag 2012 nicht; diese Bescheide wurden
am 14.05.2018 insbesondere bezogen auf die steuerliche Erfassung
eines Konfusionsgewinns im Zusammenhang mit der Übertragung
des Vermögens der s.a.r.l. auf die Klägerin
geändert.
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In seiner Teil-Einspruchsentscheidung vom
18.06.2018, in der über die Steuerpflicht des
Konfusionsgewinns nicht entschieden wurde, vertrat das FA die
Auffassung, die Verrechnung der Verluste der s.a.r.l. auf Ebene der
Klägerin komme weder nach nationalem Recht noch nach
Unionsrecht in Betracht.
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Ihre Klage, mit der die Klägerin die
Berücksichtigung der bis 2012 bei der s.a.r.l. kumulierten
operativen Verluste in Höhe von … EUR (… EUR
Verlustvortrag auf den 31.12.2011 zuzüglich … EUR
Verlust des Streitjahres) im Rahmen der Gewinnermittlung des
Streitjahres begehrte, hatte keinen Erfolg. Das Urteil des
Schleswig-Holsteinischen FG vom 13.03.2019 - 1 K 218/15 ist in EFG
2019, 1466 = SIS 19 13 05 veröffentlicht.
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Dagegen richtet sich die Revision der
Klägerin, die sie auf die Verletzung von Bundesrecht
stützt und mit der sie beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 2012 sowie den
Gewerbesteuermessbescheid 2012, jeweils vom 27.03.2014 und in
Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 18.06.2018, dahingehend
zu ändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden
Einkommens und des Gewerbeertrages ein Verlust in Höhe von
… EUR berücksichtigt wird.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist dem Verfahren beigetreten; es hat keinen Antrag
gestellt.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Auffassung der
Klägerin können die „kumulierten operativen
Verluste“ der s.a.r.l. bestehend aus dem
laufenden Verlust des Streitjahres (… EUR) und dem
Verlustvortrag auf den 31.12.2011 (… EUR) weder
vollständig noch teilweise auf der Grundlage einer
unionsrechtskonformen Auslegung der §§ 14 ff. des
Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden
Fassung (KStG) im Inland abgezogen werden.
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1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG setzt die
Berücksichtigung der Verluste einer Tochtergesellschaft auf
der Ebene der Muttergesellschaft ein zwischen beiden Unternehmen
bestehendes Organschaftsverhältnis voraus. Dazu muss sich eine
Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder
Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz
im Inland (Organgesellschaft) durch einen
Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 des
Aktiengesetzes (AktG) verpflichten, ihren ganzen Gewinn an ein
einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, für
das in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KStG weitere
Voraussetzungen normiert sind (Organträger). Für andere
als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG genannten
Kapitalgesellschaften - insbesondere für GmbH - sieht §
17 KStG für die Begründung einer Organschaft modifizierte
Anforderungen vor (s. zu den Motiven des Gesetzgebers auch
Senatsurteil vom 10.05.2017 - I R 93/15, BFHE 259, 49, BStBl II
2019, 278 = SIS 17 20 03), die aber jedenfalls eine wirksame
Verpflichtung zur Gewinnabführung an ein anderes Unternehmen
und eine Vereinbarung über eine Verlustübernahme
entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG erfordern. Nach
§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes in der im
Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) gelten diese Voraussetzungen
auch für die gewerbesteuerrechtliche Organschaft.
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2. Nach den Feststellungen des FG war zwischen
der Klägerin, die unstreitig in den persönlichen
Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 KStG fällt, und der
s.a.r.l., die nach nationalem Recht keine taugliche
Organgesellschaft ist, weil sie nach den den Senat bindenden
(§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG weder über eine
inländische Geschäftsleitung noch über einen Sitz im
Inland verfügte, keine Vereinbarung über eine
Gewinnabführung (Verlustübernahme) abgeschlossen
worden.
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3. Der Senat hatte bislang keinen Anlass,
abschließend zu den Voraussetzungen für eine
Verlustverrechnung „über die
Grenze“ bei einer in einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union (EU) ansässigen (verlusterzielenden)
Tochtergesellschaft und einer im Inland ansässigen
Muttergesellschaft zu entscheiden. Im Beschluss vom 09.11.2010 - I
R 16/10 (BFHE 231, 554 = SIS 11 01 46) hat er hervorgehoben, dass -
unterstellt, ein Abzug von Verlusten einer in einem anderen
Mitgliedstaat der EU ansässigen Tochterkapitalgesellschaft bei
ihrer inländischen Mutterkapitalgesellschaft wäre aus
unionsrechtlichen Gründen geboten - ein solcher Verlustabzug
jedenfalls nicht im Veranlagungszeitraum des Entstehens der
Verluste, sondern nur in einem Veranlagungszeitraum nach Beendigung
der Geschäftstätigkeit oder gegebenenfalls einer
Liquidation der Tochtergesellschaft (Finalitätsjahr)
berücksichtigt werden könne. Dass die Verluste
wirtschaftlich bereits in früheren Jahren entstanden und im
Falle einer Organschaft im Sinne von §§ 14 ff. KStG bei
der Muttergesellschaft hätten verrechnet werden können,
ändere daran nichts, weil ein solches
„gedachtes“ Organschaftsverhältnis
im Streitfall tatsächlich nicht vereinbart und praktiziert
worden sei und das Besteuerungsrecht für die - im Ausland
unbeschränkt steuerpflichtigen - Auslandsgesellschaften im
Ausland lag.
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Und im Senatsurteil vom 07.12.2011 - I R 30/08
(BFHE 236, 159, BStBl II 2012, 507 = SIS 12 06 32) wurde im
Zusammenhang mit dem organschaftlich begründeten Ausschluss
einer gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung ausgeführt, es
sei ausgeschlossen, dass Unternehmen eines
grenzüberschreitenden Verbunds unter Berufung auf die
unionsrechtlichen Grundfreiheiten nachträglich einzelne
für sie vorteilhafte Elemente der Organschaftsbesteuerung
für sich in Anspruch nehmen können, ohne dass sie im
relevanten Zeitraum zumindest den Willen bekundet haben, eine
Organschaft bilden zu wollen, und ohne dass sie zumindest versucht
haben, die für die steuerrechtliche Anerkennung der
Organschaft im Inlandsfall erforderlichen Voraussetzungen zu
schaffen. Insofern werde die (dortige) Klägerin letztlich
nicht anders besteuert als eine abhängige Kapitalgesellschaft
mit im Inland ansässiger Muttergesellschaft, mit der eine
Ergebnisabführung nicht vereinbart worden sei, weshalb es an
einer Ungleichbehandlung fehle (vgl. auch Senatsurteil vom
13.10.2010 - I R 79/09, BFHE 231, 529, BStBl II 2014, 943 = SIS 11 01 48). Der Senat nahm dabei darauf Bezug, dass es sich bei der
für die Organschaft erforderlichen Vereinbarung und
Durchführung einer mindestens fünf Jahre andauernden
Ergebnisabführung nach Maßgabe der §§ 14 ff.
KStG nicht - wie bei dem Antrag auf Anwendung der britischen
Gruppenbesteuerung (dazu Urteil des Europäischen Gerichtshofs
[nunmehr: Gerichtshof der Europäischen Union] - EuGH -
Metallgesellschaft u.a. vom 08.03.2001 - C-397/98, C-410/98,
EU:C:2001:134 = SIS 01 06 62) - um
eine formelle steuerverfahrensrechtliche Willenserklärung
gegenüber der Finanzverwaltung handele; vielmehr seien damit
einschneidende Eingriffe in die gesellschaftsrechtliche
Organisation der beteiligten Unternehmen verbunden, die sich
über den Bereich des Steuerrechts hinaus auswirken. Die
steuerliche Anerkennung einer Organschaft erfordere die exakte
Befolgung aller formellen und materiellen Voraussetzungen
während der gesamten Laufzeit des
Gewinnabführungsvertrags.
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4. Auch im Streitfall ist nicht
abschließend darüber zu entscheiden, ob die
„kumulierten operativen Verluste“ der
s.a.r.l., wie die Klägerin meint, über eine
unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 14 ff. KStG (und
des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) - im Sinne einer Restriktion des
Tatbestandserfordernisses des Gewinnabführungsvertrags - im
Inland abzugsfähig sein könnten. Entsprechendes gilt
für die Frage, welche Schlussfolgerungen in diesem
Zusammenhang aus dem auf Vorlage des Senats (Beschluss vom
06.11.2019 - I R 32/18, BFHE 269, 205, BStBl II 2021, 68 = SIS 20 15 45) ergangenen Urteil
des EuGH W vom 22.09.2022 - C-538/20 (EU:C:2022:717 = SIS 22 16 27) zu ziehen sind, dem finale
Verluste einer ausländischen Betriebsstätte zugrunde
lagen. Denn auch der von der Klägerin angeführten
Rechtsprechung des EuGH Marks & Spencer vom 13.12.2005 - C-446/03
(EU:C:2005:763 = SIS 06 02 17)
sowie den in der Folge ergangenen EuGH-Entscheidungen lässt
sich bei einer Übertragung auf die nationalen
Organschaftsregelungen (s. insbesondere Maack/Kersten, DStR 2019,
2281 ff.) jedenfalls nicht entnehmen, dass die begehrte
Verlustverrechnung ohne eine zumindest „faktisch gelebte
Organschaft“ möglich sein könnte,
das heißt ohne dass die von der ausländischen
Tochtergesellschaft jährlich erwirtschafteten Verluste von der
inländischen Muttergesellschaft nach den Vorgaben der
anzuwendenden nationalen Regelungen tatsächlich getragen
worden sind. Diese Grundvoraussetzung lag im Streitfall nicht vor;
nach den den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen
des FG fehlte es vor der Geschäftseinstellung der s.a.r.l. an
einer den inländischen Organschaftsregelungen entsprechenden
tatsächlichen Übernahme der jährlichen Verluste
durch die Klägerin.
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a) Das angefochtene Urteil behandelt den
Rechtsstreit im Wesentlichen unter der Fragestellung, ob das
Erfordernis des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, zur Begründung
eines wirksamen Organschaftsverhältnisses einen
Gewinnabführungsvertrag abschließen zu müssen,
„als solches“ gegen das Unionsrecht
verstößt und ob es im Wege geltungserhaltender Reduktion
dadurch ersetzt werden kann, dass an seine Stelle ein
schuldrechtliches Äquivalent tritt (s.a.
Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.02.2010 - 6 K 406/08, EFG
2010, 815 = SIS 10 13 95, und FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
17.03.2010 - 1 K 2406/07, EFG 2010, 1632 = SIS 10 19 80; Mitschke,
DStR 2010, 1368 ff.; Prinz/Ludwig, DB 2020, 1022, 1028;
Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG,
2. Aufl., § 14 Rz 89; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, §
14 KStG Rz 12 (K 31); von Freeden/Schumacher in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 KStG Rz 22; Frotscher in
Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 55;
Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 39
[“GAV-Äquivalent“]
und § 17 KStG Rz 17, jeweils m.w.N.), oder ob ein solcher
Vertrag im Vergleich zum Gewinnabführungsvertrag nur ein
(unzureichendes) „aliud“ darstellen
würde (s. Oberfinanzdirektion - OFD - Frankfurt/Main vom
12.11.2019, DStR 2019, 2701 = SIS 19 19 15, und vom 09.07.2020, DB 2020, 1768 = SIS 20 10 06; Graw, DB 2010, 2469, 2472;
Schulz-Trieglaff, Internationale Wirtschaftsbriefe - IWB - 2020,
712, 718; Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 17 Rz 8a).
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b) Grundlage einer solchen
unionsrechtsbedingten geltungserhaltenden Auslegung der nationalen
Normen könnte die Einschätzung sein, das Erfordernis des
Abschlusses eines Gewinnabführungsvertrags sei geeignet, eine
grenzüberschreitende Aktivität zu behindern oder
wirtschaftlich weniger attraktiv zu machen (s. etwa Kolbe in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 12 (K 31); ähnlich
Mayr, BB 2008, 1312, 1315; Schnitger, IStR 2013, 82; Maack/Kersten,
DStR 2019, 2281, 2282). Dem könnte allerdings - wie das BMF
darlegt - entgegenzuhalten sein, dass der im Streitfall
einschlägige § 17 KStG nicht verlangt, dass ein
Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wird, der unmittelbar
auf § 291 Abs. 1 AktG beruht, sondern nur, dass sich die
Gesellschaft wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein
anderes Unternehmen im Sinne des § 14 KStG abzuführen
(s.a. Bundesregierung, BT-Drucks. 19/18624, S. 2; zu einer
Vergleichbarkeit bei ausländischen Vereinbarungen s. OFD
Frankfurt/Main vom 12.11.2019, DStR 2019, 2701 = SIS 19 19 15). Damit könnte
grundsätzlich auch eine nach dem Recht eines anderen
Mitgliedstaates gegründete Gesellschaft mit Sitz in einem
anderen Mitgliedstaat das Erfordernis des Abschlusses eines
Gewinnabführungsvertrags erfüllen. Indessen ist der
Abschluss eines solchen Vertrags über die Grenze in den
meisten EU-Staaten handelsrechtlich entweder nicht oder nur bei
rein nationalen Sachverhalten möglich (s. Maack/Kersten, DStR
2019, 2281, 2283; Witt, FR 2009, 1045, 1047). Die die
Niederlassungsfreiheit (Art. 49 i.V.m. Art. 54 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des
Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die
Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft - AEUV -, Amtsblatt der
Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47) beschränkende
Wirkung der deutschen Regelungen könnte daher darin bestehen,
dass es nur wenige andere EU-Staaten gibt, die eine dem
Gewinnabführungsvertrag vergleichbare Vereinbarung kennen, und
zum Beispiel Frankreich (zur Maßgabe des Rechts des
Ansässigkeitsstaates der Tochtergesellschaft s. Hoene, IStR
2012, 462, 463) nach dem Vortrag der Klägerin dazu nicht
zählt. Eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung
wäre damit nur im Verhältnis zu einer
eingeschränkten Zahl ausländischer Kapitalgesellschaften
möglich (so Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.02.2010 -
6 K 406/08, EFG 2010, 815 = SIS 10 13 95; Glahe, IStR 2012, 128,
131 f., m.w.N.).
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c) Wenn es damit für die Rechtsfolge der
Ergebnisverrechnung zwischen zwei Steuerpflichtigen
maßgeblich auf das objektive Tatbestandsmerkmal des
abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrags ankommt, liegt
abweichend zur Auffassung der Klägerin jedenfalls kein
(lediglich durch den Abschluss des Vertrags dokumentiertes)
„Wahlrecht zu einer Konzernbesteuerung“
vor, was auch das BMF betont (s.a. Senatsurteil vom 07.12.2011 - I
R 30/08, BFHE 236, 159, BStBl II 2012, 507 = SIS 12 06 32 mit dem
Hinweis auf „einschneidende Eingriffe in die
gesellschaftsrechtliche Organisation der beteiligten Unternehmen
..., die sich über den Bereich des Steuerrechts hinaus
auswirken“). Dies wiederum könnte
dafür sprechen, das unionsrechtliche Vergleichspaar aus einer
inländischen Muttergesellschaft mit inländischer
Tochtergesellschaft ohne Gewinnabführungsvertrag und einer
inländischen Muttergesellschaft mit ausländischer
Tochtergesellschaft ebenfalls ohne Gewinnabführungsvertrag zu
bilden und mit der Rechtsansicht des BMF schlicht festzuhalten,
dass dann in beiden Fällen eine Verlustverrechnung ausscheiden
würde und damit eine unionsrechtlich relevante
Ungleichbehandlung nicht vorliege (so bereits Senatsurteile vom
07.12.2011 - I R 30/08, BFHE 236, 159, BStBl II 2012, 507 = SIS 12 06 32, und zuvor vom 13.10.2010 - I R 79/09, BFHE 231, 529, BStBl
II 2014, 943 = SIS 11 01 48 [unter Verweis auf das EuGH-Urteil X
Holding vom 25.02.2010 - C-337/08, EU:C:2010:89 = SIS 10 06 43] - die Verfassungsbeschwerde war
erfolglos, s. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
23.10.2011 - 2 BvR 1098/11, juris; s.a. Bundesregierung, BT-Drucks.
19/18624, S. 2). Demgegenüber wird aber geltend gemacht, dem
Gesetzgeber würde es durch eine solche Sichtweise gleichsam in
die Hand gegeben, jede Vergleichbarkeit durch Schaffung und
Inbezugnahme eines inländischen Rechtsinstituts
auszuschließen (so z.B. Brandis/Heuermann/Krumm, § 14
KStG Rz 39; Scheunemann, IStR 2006, 145, 147; Homburg, IStR 2011,
111; Kessler/Arnold, IStR 2016, 226, 230 f.; Maack/Kersten, DStR
2019, 2281, 2284; a.A. Mitschke, IStR 2011, 185, 186), was wiederum
dafür sprechen soll, das Merkmal des
Gewinnabführungsvertrags bei der Prüfung der
Vergleichbarkeit außer Betracht zu lassen (so Graw, DB 2010,
2469, 2471).
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d) Ungeachtet dieser auch im angefochtenen
Urteil nicht eindeutig beantworteten und damit offenen
Fragestellungen wird allerdings auch dann, wenn aus
unionsrechtlichen Gründen auf eine vertragliche
Gewinnabführungsverpflichtung vollständig zu verzichten
wäre, als Grundvoraussetzung erforderlich bleiben, dass die
Muttergesellschaft die angefallenen Verluste tatsächlich
jährlich getragen hat (so z.B. Brink in
Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 244;
Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212, 218 f.;
Kleinert/Nagler/Rehm, DB 2005, 1869, 1875; Schönfeld, IStR
2012, 368, 370; Schulz-Trieglaff, IWB 2020, 712, 720). Unter
Berücksichtigung der Besonderheiten der nationalen
Organschaftsregelungen in §§ 14, 17 KStG, die als
wesentliches - und aus unionsrechtlicher Sicht unbedenkliches -
Strukturelement zumindest auf eine jährliche tatsächliche
Verlustübernahme ausgerichtet sind, reicht hierfür eine
Verlustübernahme (erst) zum Zeitpunkt der Finalität der
Verluste (im Streitjahr) nicht aus (a.A. Maack/Kersten, DStR 2019,
2281, 2288; wohl auch Graw, DB 2010, 2469, 2472). Dies gilt
unabhängig davon, ob eine steuerliche Verlustverrechnung im
Inland auf Grundlage des EuGH-Urteils Marks & Spencer vom
13.12.2005 - C-446/03 (EU:C:2005:763 = SIS 06 02 17) und dessen Folgeentscheidungen
auch bei einem Verzicht auf das Merkmal der vertraglichen
Gewinnabführungsverpflichtung und bei gleichzeitig faktisch
gelebter Organschaft nicht im jeweiligen Verlustentstehungsjahr,
sondern allenfalls im Finalitätsjahr in Betracht kommt (vgl.
hierzu Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 39a).
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23
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e) Im Streitfall vermochte das FG keinerlei
Hinweise darauf festzustellen, dass die Klägerin und die
s.a.r.l. ein „Organschaftsverhältnis auf faktischer
Grundlage gelebt“ haben. Denn die
Klägerin hat der s.a.r.l. fortwährend Fremdkapital in
Gestalt von kreditierten Warenlieferungen (und nicht: Eigenkapital)
zur Verfügung gestellt, so dass die Klägerin die
laufenden Verluste der Tochtergesellschaft gerade nicht nach
Maßgabe der §§ 14 ff. KStG getragen hat. Es hat
zudem auf die von der Klägerin vorgenommenen
Teilwertabschreibungen auf ihre gegenüber der s.a.r.l.
bestehenden Forderungen abgehoben, die ebenfalls, so sie mit Blick
auf die erwirtschafteten Verluste vorgenommen worden seien,
„indiziell“ gegen das Vorliegen eines
faktischen Organschaftsverhältnisses sprächen. Nach dem
im Revisionsverfahren geltenden Maßstab der
Überprüfung einer solchen Würdigung kann dem von der
Klägerin nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die
s.a.r.l. sei schlussendlich aufgrund der TUP nach Art einer
Anwachsung in der Klägerin aufgegangen - denn die
Übernahme von Verbindlichkeiten durch Anwachsung führt
gerade nicht zu einer nach Maßgabe der §§ 14 ff.
KStG auf das jeweilige Organschaftsjahr bezogenen
tatsächlichen Verlustübernahme.
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f) Auf dieser Grundlage teilt der erkennende
Senat die Auffassung des FG im angefochtenen Urteil, dass die von
der Klägerin vertretene Sichtweise zu einer quasi
voraussetzungslosen Abzugsfähigkeit „finaler Verluste
über die Grenze“ - selbst bei einer nur
„nachträglichen“ Entscheidung
für eine Organschaftsbesteuerung mit Verlustverrechnung im
Anschluss an die Beendigung der Geschäftstätigkeit der
Organgesellschaft - führen würde, für die es aber
nach nationalem Recht keine Grundlage gibt und die auch aus
unionsrechtlichen Gründen nicht geboten ist. Es ist
ausgeschlossen, dass Unternehmen eines grenzüberschreitenden
Verbunds unter Berufung auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten
nachträglich einzelne für sie vorteilhafte Elemente der
Organschaftsbesteuerung (hier: Verlustverrechnung) für sich in
Anspruch nehmen können, ohne dass sie im relevanten Zeitraum
zumindest den Willen bekundet haben, eine Organschaft bilden zu
wollen, und ohne dass sie zumindest versucht haben, die für
die steuerliche Anerkennung der Organschaft im Inlandsfall
erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich zu schaffen (s.
bereits Senatsurteil vom 07.12.2011 - I R 30/08, BFHE 236, 159,
BStBl II 2012, 507 = SIS 12 06 32, Rz 25).
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5. Die Entscheidung auf der Grundlage dieser
tatsächlichen Würdigung zur Verlustübernahme
entsprechend dem nationalen Organschaftskonzept und der Umstand,
dass die Klägerin letztlich nicht anders besteuert wird als
eine Muttergesellschaft mit einer im Inland ansässigen
abhängigen Kapitalgesellschaft, mit der eine
Ergebnisabführung nicht vereinbart worden ist, weshalb es an
einer Ungleichbehandlung fehlt, nötigt nach Maßgabe der
Rechtsprechung des EuGH (Urteil CILFIT vom 06.10.1982 - Rs. 283/81,
EU:C:1982:335; s. allgemein zu den Grenzen der Vorlagepflicht auf
der Grundlage der sog. CILFIT-Doktrin z.B. EuGH-Urteil Consorzio
Italian Management e Catania Multiservizi vom 06.10.2021 -
C-561/19, EU:C:2021:799) den Senat nicht zu einer Vorlage im Sinne
des Art. 267 AEUV an den EuGH wegen unionsrechtlicher Zweifel an
dem nationalen Tatbestandserfordernis des
Gewinnabführungsvertrags in § 14 Abs. 1 KStG. Eine
Vorlage hätte nur dann erforderlich sein können, wenn es
vor der Geschäftseinstellung der s.a.r.l. zumindest
tatsächlich - oder auf Grundlage einer schuldrechtlichen
Vereinbarung - zu einer Übernahme der jährlichen Verluste
der s.a.r.l. gekommen wäre. Erst dann hätte sich auch die
Frage gestellt, ob und inwieweit das zu ausländischen
Betriebsstätten ergangene EuGH-Urteil W vom 22.09.2022 -
C-538/20 (EU:C:2022:717 = SIS 22 16 27) auf die hier einschlägige Konstellation einer
ausländischen Tochtergesellschaft übertragbar ist.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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