Im Übrigen werden die Klage des
Jobcenters und die Revision der Familienkasse abgewiesen.
Die Familienkasse trägt 3/5 und das
Jobcenter 2/5 der Kosten des Verfahrens.
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I. Die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) wendet sich gegen ein Urteil, wonach sie dem
Kläger und Revisionsbeklagten (Jobcenter) gemäß
§ 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. §
104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) einen
Teil der von diesem in der Zeit von Juni bis Oktober 2017 nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an die Beigeladene (Kind)
gezahlten Leistungen erstatten muss.
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Mit Bescheid vom 08.05.2017 bewilligte das
Jobcenter dem 1993 geborenen Kind, das zwischenzeitlich eine eigene
Wohnung angemietet hatte, ab Juni 2017 Leistungen nach dem SGB II
ohne Anrechnung von Kindergeld. Am selben Tag sandte das Jobcenter
an die damals eigens eingerichtete Funktionsadresse der
Familienkasse für Erstattungsanträge eine E-Mail und
teilte u.a. mit, das Kind erhalte seit dem 01.06.2017 Leistungen
nach dem SGB II, weshalb ein Erstattungsanspruch gemäß
§§ 102 ff. SGB X i.V.m. § 40a SGB II geltend gemacht
werde. Das Jobcenter gab dabei die Kindergeldnummer des in A
wohnenden Kindsvaters an, unter der der Kindergeldanspruch für
das Kind früher (wohl bis 2014) geführt worden war, den
Namen und das Geburtsdatum des Kindes, dessen aktuelle Adresse in B
sowie die Namen und Geburtsdaten seiner Eltern. Dieses Schreiben
wurde - nach Angaben der Familienkasse in der mündlichen
Verhandlung - wie alle unter der Funktionsadresse eingehenden
E-Mails inhaltlich nicht geprüft, sondern nur weitergeleitet
und zwar - im Hinblick auf die angegebene Kindergeldnummer - an
eine Familienkasse in A; dort sei es dem Datensatz des Kindsvaters
zugeordnet worden.
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Die für den Vater des Kindes
zuständige Familienkasse in A teilte dem Jobcenter unter
Bezugnahme auf die bereits vom Jobcenter verwendete
Kindergeldnummer des Vaters (ohne zu erwähnen, um wessen
Kindergeldnummer es sich handelte) mit Schreiben vom 09.06.2017,
eingegangen beim Jobcenter am 19.06.2017, mit, dass aus dortiger
Sicht ungewiss sei, ob eine Kindergeldbewilligung in Betracht komme
und wer gegebenenfalls kindergeldberechtigt sei. Es werde
anheimgestellt, eine Berechtigtenbestimmung gemäß §
64 Abs. 3 EStG herbeizuführen oder Hinderungsgründe
mitzuteilen, sonst werde der Kindergeldantrag abgelehnt.
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Am 20.07.2017 sprach das Kind beim
Jobcenter vor und teilte mit, dass der Antrag auf Kindergeld
über die Mutter laufe.
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Mit Datum vom 20.07.2017, eingegangen bei
der für den Vater zuständigen Familienkasse am
24.07.2017, stellte die Mutter für das Kind einen Antrag auf
Kindergeld. Zugleich wurde ein Abzweigungsantrag gestellt; Namen
und Adressen der Kindseltern, die keinen Unterhalt leisteten,
wurden angegeben.
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Die für den Vater zuständige
Familienkasse leitete den Kindergeldantrag Ende Juli 2017 an die
beklagte, für die Mutter zuständige, Familienkasse
weiter. Die Erstattungsanzeige wurde dabei nicht an die beklagte
Familienkasse zurückübertragen.
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Die beklagte Familienkasse setzte mit
Bescheiden vom 12.09.2017 gegenüber der Kindsmutter Kindergeld
für das Kind ab Juni 2017 fest, zweigte das Kindergeld an das
Kind ab, zahlte das Kindergeld für die Zeit von Juni bis
September am 12./18.09.2017 aus und veranlasste die laufende
Auszahlung des Kindergelds ab Oktober 2017. Von der E-Mail vom
08.05.2017 hatte der Bearbeiter keine Kenntnis.
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Mit Schreiben vom 18.09.2017 forderte das
Jobcenter den Bescheid über die Festsetzung des Kindergelds
an, der dort am 20.09.2017 zusammen mit dem Abzweigungsbescheid
einging. Ein Mitarbeiter des Jobcenters rief daraufhin am
21.09.2017 beim Servicecenter der Familienkassen an und teilte u.a.
mit, es sei bereits ein Erstattungsanspruch geltend gemacht worden.
Mit Bescheid vom 21.09.2017 änderte das Jobcenter den
Bewilligungsbescheid gegenüber dem Kind und rechnete das
Kindergeld ab November 2017 auf die Leistungen nach dem SGB II an.
Außerdem machte das Jobcenter mit Schreiben vom 21.09.2017
(eingegangen am 25.09.2017) gegenüber der Beklagten einen
Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 ff. SGB X
geltend und beantragte, 810 EUR für den Zeitraum von Juni bis
Oktober 2017 an das Jobcenter zu erstatten (5 x 192 EUR/Monat
Kindergeld abzüglich einer im Hinblick auf § 74 Abs. 2
EStG i.V.m. § 104 Abs. 3 SGB X abzuziehenden Pauschale von 30
EUR/Monat gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1, § 11b Abs.
1 Satz 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs.
1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur
Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim
Arbeitslosengeld II/Sozialgeld, Alg II-IV).
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Die Familienkasse lehnte eine Erstattung
ab, weil sie selbst geleistet habe, bevor sie von der Leistung des
Sozialhilfeträgers Kenntnis erlangt habe. Die
Erstattungsforderung sei erst am 21.09.2017 eingegangen, nachdem
die nachzuzahlenden Beträge bereits am 12./18.09.2017 zur
Auszahlung angewiesen worden seien. Seither werde das Kindergeld
laufend gezahlt. Das Jobcenter, das einräume, am 20.07.2017
erfahren zu haben, dass die Kindsmutter die Kindergeldberechtigte
sei, hätte in der Folge einen (erneuten) Erstattungsanspruch
mit den Daten der Kindsmutter stellen müssen.
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Hierauf hat das Jobcenter eine allgemeine
Leistungsklage erhoben.
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Das Finanzgericht (FG) hat der Klage
stattgegeben.
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Hiergegen wendet sich die beklagte
Familienkasse mit der Revision.
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Die Familienkasse vertritt die Auffassung,
dass die Mitteilung vom 08.05.2017 nicht dazu geführt habe,
dass sie i.S. des § 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X
Kenntnis von den Leistungen des Jobcenters erlangt habe, bevor sie
die (Nach-)Zahlung im September 2017 geleistet habe. Die Akten
würden nach Kindergeldberechtigten geführt. Der
Erstattungsantrag habe sich in der Kindergeldakte des Kindsvaters
befunden. Die für den Vater zuständige Familienkasse habe
das Jobcenter darauf hingewiesen, dass sie nicht entscheiden
könne, wer vorrangig kindergeldberechtigt sei, und gebeten,
eine Berechtigtenbestimmung herbeizuführen. Das Jobcenter habe
daher mit der Ablehnung des Kindergeldantrags und seines
Erstattungsanspruchs rechnen müssen, wenn es keine weiteren
Aktivitäten entfalte. Mangels Anstrengungen des Jobcenters
habe man davon ausgehen können, dass sich der
Erstattungsanspruch erledigt habe. Nachdem das Kind dem Jobcenter
mitgeteilt hatte, dass der Kindergeldantrag über die Mutter
laufe, hätte das Jobcenter einen diesbezüglichen
Erstattungsanspruch geltend machen müssen.
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Für den Monat Oktober 2017 habe sie
(die Familienkasse) zwar durch das Schreiben des Jobcenters vom
21.09.2017 i.S. des § 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X
Kenntnis von der Leistung des Jobcenters erlangt. Für Oktober
2017 scheide jedoch ein Erstattungsanspruch im Hinblick auf die im
Oktober 2017 für diesen Monat erfolgte Zahlung des Kindergelds
aus.
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Die Familienkasse beantragt,
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das Urteil des Hessischen FG vom 16.04.2021
- 2 K 302/18 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
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hilfsweise das Urteil aufzuheben und die
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen.
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Das Jobcenter beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Es hält die Vorentscheidung für
richtig. Der Erstattungsanspruch sei mit Schreiben vom 08.05.2017
nicht nur in Bezug auf einen bestimmten Kindergeldberechtigten
geltend gemacht worden. Auch der von den Familienkassen
bereitgestellte Vordruck (KG 17 b) frage nach der
„leistungsbeziehenden Person“, hier also
nach dem Namen und der Adresse des Kindes, und nicht nach den
„Kindergeldberechtigten“. Gleichwohl
seien auch die Namen beider Eltern angegeben worden. Die Nennung
der Kindergeldnummer sei nicht erforderlich. Dass die letzte
Kindergeldnummer genannt worden sei, sei unschädlich.
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II. Die Revision ist teilweise begründet.
Die Vorentscheidung ist dahingehend abzuändern, dass ein
Erstattungsanspruch nur in Höhe von 486 EUR für die drei
Monate Juni bis August 2017 besteht.
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Für die Monate Juni bis August 2017 hat
das FG einen Erstattungsanspruch des Jobcenters gemäß
§ 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X
zutreffend bejaht und der Leistungsklage zu Recht stattgegeben. Die
Vorentscheidung verstößt hingegen gegen Bundesrecht
(§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ),
soweit das FG entschieden hat, dass die Leistungsklage des
Jobcenters für die Monate September und Oktober 2017
begründet ist, in denen die Familienkasse das gemäß
§§ 62 ff. EStG festgesetzte Kindergeld rechtzeitig
gezahlt hat. Insoweit ist die Vorentscheidung zugunsten der
Familienkasse zu ändern und die Klage des Jobcenters
abzuweisen.
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1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die
Klage als allgemeine Leistungsklage zulässig ist.
Erstattungsansprüche nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m.
§§ 102 bis 105 SGB X sind mit der allgemeinen
Leistungsklage geltend zu machen, da zwischen den
Leistungsträgern kein Über- und
Unterordnungsverhältnis besteht, das zu einer Entscheidung
durch Verwaltungsakt berechtigen würde (vgl. Senatsurteil vom
26.01.2006 - III R 89/03, BFHE 212, 1, BStBl II 2006, 544 = SIS 06 16 77, unter II.1.a, m.w.N.).
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2. Das FG hat der Klage des Jobcenters auf
Erstattung der in den Monaten September und Oktober 2017 erbrachten
Leistungen in Höhe von je 162 EUR (192 EUR abzüglich
Pauschale) zu Unrecht stattgegeben. In diesen Monaten hat die
Familienkasse rechtzeitig geleistet. Ein Erstattungsanspruch des
Jobcenters scheidet insoweit aus. Zur Begründung wird auf die
Senatsurteile vom 22.09.2022 - III R 38/20 (BFH/NV 2023, 35 = SIS 22 19 66, Rz 23 ff.) und vom 02.06.2022 - III R 9/21 (BFHE 277,
294, BStBl II 2022, 840 = SIS 22 18 02, Rz 24 ff.) verwiesen.
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3. Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht
(§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit das FG entschieden hat, dass
der Erstattungsanspruch des Jobcenters für die Monate Juni bis
August 2017 besteht, in denen die Familienkasse das
gemäß §§ 62 ff. EStG festgesetzte Kindergeld
nicht rechtzeitig gezahlt hat.
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a) Die Familienkasse hat das Kindergeld
für die Monate Juni bis August 2017 erst im September 2017 und
somit nicht rechtzeitig gezahlt. Bei rechtzeitiger Leistung durch
die Familienkasse wäre das Jobcenter in Höhe des
Kindergelds abzüglich Pauschale nicht zur Leistung
verpflichtet gewesen.
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b) Der Erstattungsanspruch des Jobcenters
gegen die Familienkasse wegen der Leistungen für diese Monate
ist nicht gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB
X ausgeschlossen. Die Familienkasse hat für diese Monate erst
geleistet, nachdem sie von der Leistung des Jobcenters durch das
Schreiben des Jobcenters vom 08.05.2017 Kenntnis erlangt hat.
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aa) Gemäß § 74 Abs. 2 EStG
i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X besteht
ausnahmsweise kein Erstattungsanspruch, wenn der vorrangig
verpflichtete Leistungsträger bereits selbst geleistet hat,
bevor er von der Leistung des nachrangig verpflichteten
Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Umstände und Form
der Kenntniserlangung sind nicht von Bedeutung (Senatsurteile in
BFHE 277, 294, BStBl II 2022, 840 = SIS 22 18 02, Rz 27, und in
BFH/NV 2023, 35 = SIS 22 19 66, Rz 27). Ob inhaltlich Kenntnis von
der Leistung des anderen Leistungsträgers i.S. des § 74
Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 und § 107 SGB X gegeben
ist, ist in erster Linie eine Tatfrage. Hierzu sind der Akteninhalt
und alle sonstigen Umstände des Einzelfalls zu
berücksichtigen (Senatsurteile in BFHE 277, 294, BStBl II
2022, 840 = SIS 22 18 02, Rz 28 ff., und in BFH/NV 2023, 35 = SIS 22 19 66, Rz 28 ff.).
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(1) Im Fall des § 74 Abs. 2 EStG i.V.m.
§ 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X genügt es für
die Kenntnis von der Leistung des Jobcenters, dass die
Familienkasse in dem Zeitpunkt, in dem über eine Nachzahlung
zu entscheiden ist, nach dem objektiven Empfängerhorizont
positive Kenntnis davon hat, dass und ab wann das Jobcenter
Leistungen zur Deckung der allgemeinen Lebenshaltungskosten des
Kindes gewährt oder gewährt hat und dass das Jobcenter
deshalb „Erstattung“
gemäß §§ 102 ff. SGB X begehrt. Allein die
Mitteilung, es handele sich um einen
„Sozialhilfefall“ oder
„Sozialfall“ o.Ä.
genügt hingegen regelmäßig nicht (vgl. z.B.
Senatsurteil vom 14.04.2021 - III R 1/20, BFHE 273, 41, BStBl II
2021, 700 = SIS 21 13 09, Rz 18; vgl. dazu auch Senatsurteil in
BFHE 277, 294, BStBl II 2022, 840 = SIS 22 18 02, Rz 32).
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(a) Nach dem objektiven Empfängerhorizont
der Familienkasse, einer Behörde, deren Beschäftigten das
Erstattungsverfahren im Wesentlichen bekannt ist, beinhaltet die
Mitteilung, dass das Jobcenter um
„Erstattung“ ersucht,
regelmäßig die Information, dass dieses Leistungen
erbracht hat oder noch erbringt, die nach ihrer Art und der
zeitlichen Zuordnung den verspäteten, an sich vorrangig von
der Familienkasse zu erbringenden Leistungen entsprechen. Die
Mitteilung eines Erstattungsfalls beinhaltet die Information, dass
maximal ein Betrag in Höhe des Kindergelds zu erstatten ist.
Denn der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den
für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger
geltenden Rechtsvorschriften (§ 104 Abs. 3 SGB X). Ein
Erstattungsanspruch besteht nur für einen Monat, in dem sowohl
eine Leistung erbracht wurde, als auch ein Anspruch auf Kindergeld
besteht. Der Anspruch kann somit frühestens ab dem Monat
bestehen, ab dem Kindergeld festgesetzt wird, auch wenn das
Jobcenter seine Leistung vorher aufgenommen hat. Hat es seine
Leistung erst später aufgenommen, ist dieser Zeitpunkt
maßgeblich. Falls das Jobcenter nicht mitgeteilt hat, dass es
seine Leistungen vorher eingestellt hat, endet der
Erstattungsanspruch mit der Aufnahme der rechtzeitigen Zahlung des
Kindergelds. Auch diesen Zeitpunkt kennt die Familienkasse. Somit
ist in der Regel klar, in welcher Höhe die Nachzahlung
zurückzustellen ist, um eine Überzahlung zu
vermeiden.
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(b) Die Kenntnis von den Leistungen des
Jobcenters wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die
Familienkasse nicht weiß, ob sich die Verspätung in
allen Monaten vollumfänglich in höheren Zahlungen des
Jobcenters niedergeschlagen hat oder ob es (in einem
Auszahlungsfall oder Aufstockungsfall) nur ergänzende
Leistungen erbracht hat (z.B. Senatsurteil in BFHE 277, 294, BStBl
II 2022, 840 = SIS 22 18 02, Rz 31).
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(c) Die V 33.1 Satz 4 der Dienstanweisung des
Bundeszentralamts für Steuern zum Kindergeld nach dem EStG
(DA-KG) 2017 (BStBl I 2017, 1007; vgl. auch V 34.1 Abs. 1 Satz 4
DA-KG 2021, BStBl I 2021, 1599), wonach der
Sozialleistungsträger durch detaillierte Angaben darzulegen
hat, dass er einen Erstattungsanspruch hat, betrifft die
Geltendmachung des Anspruchs, nicht das Verschaffen der Kenntnis
i.S. des § 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X. Im Übrigen
können die Familienkassen die Anforderungen an die Kenntnis
von der Leistung des anderen Leistungsträgers nicht zu dessen
Lasten regeln.
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(2) Zur Vermittlung der Kenntnis i.S. des
§ 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2
SGB X genügt es, dass die Information über die Leistung
des nachrangigen Leistungsträgers, die Leistungszeit und das
Erstattungsbegehren vor der Nachzahlung in den Geschäftsgang
der zuständigen Familienkasse gelangt ist. Das Gesetz stellt
nicht auf den Bediensteten, sondern auf den Leistungsträger ab
(z.B. Senatsurteil in BFHE 277, 294, BStBl II 2022, 840 = SIS 22 18 02, Rz 34).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist der
Erstattungsanspruch des Jobcenters gegen die Familienkasse wegen
der Leistungen für die Monate Juni bis August 2017 nicht
gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X
ausgeschlossen. Die Familienkasse hat zwar selbst geleistet, hatte
jedoch bereits zuvor i.S. des § 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2
SGB X Kenntnis von den Leistungen des Jobcenters.
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Das FG hat festgestellt, dass das Jobcenter
mit Schreiben vom 08.05.2017 an die damals eigens für an die
beklagte Familienkasse adressierte Erstattungsanträge
eingerichtete Funktionsadresse eine E-Mail gesandt hat. Darin wurde
u.a. mitgeteilt, für das Kind würden ab dem 01.06.2017
Leistungen nach dem SGB II gezahlt, weshalb ein Erstattungsanspruch
gemäß §§ 102 ff. SGB X geltend gemacht werde.
Nach den dargestellten Grundsätzen ist die Erstattungsanzeige
damit bei der Familienkasse eingegangen.
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Das Schreiben enthielt alle Angaben, die
für eine Zuordnung erforderlich waren, insbesondere auch den
Namen der kindergeldberechtigten Mutter und des Kindes. Es war auch
nicht widersprüchlich, weil das Jobcenter nur die letzte
bekannte Kindergeldnummer (die des Vaters) und nicht auch die der
Mutter angegeben hat; zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine zweite
Kindergeldnummer. Da die Familienkasse bereits durch die E-Mail vom
08.05.2017 Kenntnis von den relevanten Umständen hatte, ist es
ohne Belang, dass das Jobcenter die Familienkasse kein zweites Mal
angeschrieben hat.
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Dass dem für die Festsetzung und
Auszahlung des Kindergelds zuständigen Bearbeiter der
Familienkasse die E-Mail vom 08.05.2017 nicht bekannt war, spielt
keine Rolle (z.B. Senatsurteil in BFHE 277, 294, BStBl II 2022, 840
= SIS 22 18 02, Rz 34).
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Der Umstand, dass die Erstattungsanzeige mit
den zur Identifizierung des Kindes dienenden Daten (vgl. § 63
Abs. 1 Sätze 3 ff. EStG in der gemäß § 52 Abs.
49a Sätze 4 und 5 EStG seit 2016 geltenden Fassung) und den
Daten der vom Jobcenter als mögliche Kindergeldberechtigte
ausdrücklich genannten Personen (hier den Eltern) nicht
verknüpft wurde, beruhte auf einer organisatorischen
Entscheidung der Familienkasse, die es nicht rechtfertigt, in ihren
Geschäftsbereich gelangte Informationen Dritten gegenüber
als unbekannt zu werten.
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c) Sonstige Gründe, die einem
Erstattungsanspruch entgegenstehen können, hat das FG nicht
festgestellt; insbesondere wurde die Ausschlussfrist des § 111
SGB X im Streitfall gewahrt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 und § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Dem beigeladenen Kind werden
keine Kosten auferlegt, aber auch keine Kosten erstattet. Sein
Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde abgelehnt.
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