Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 11.11.2020 - 3
K 369/17 = SIS 20 20 74
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens
übertragen.
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I. Die am 18.09.2015 verstorbene
Erblasserin war Eigentümerin verschiedener Grundstücke,
die zum Teil als Ackerland genutzt wurden. Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe der Erblasserin.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 17.02.2016
veräußerte er die Grundstücke zu einem
Gesamtkaufpreis von 292.000 EUR.
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Das für die Erbschaftsteuer
zuständige Finanzamt forderte den Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) auf, die Grundbesitzwerte
zum Todestag für Zwecke der Erbschaftsteuer festzustellen. Mit
Bescheid vom 20.07.2016 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts
auf den 18.09.2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer stellte
das FA für die als Ackerland genutzten Flächen als Art
der wirtschaftlichen Einheit „Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft“ und als Wert der
wirtschaftlichen Einheit einen Grundbesitzwert in Höhe von
238.668 EUR fest. Dabei setzte das FA den Liquidationswert (§
166 des Bewertungsgesetzes - BewG - ) an. Für die übrigen
Flächen hatte das FA mit Bescheiden vom 15.06.2016
Grundbesitzwerte in Höhe von insgesamt 95.870 EUR
festgestellt.
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Der Einspruch „gegen den Bescheid
über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes vom
20.07.2016“, den der Kläger u.a. damit
begründete, es liege zwar landwirtschaftliches Vermögen
vor, nicht aber ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, blieb
erfolglos. Zur Begründung seiner „gegen den Bescheid
über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes vom
20.07.2016 und die Einspruchsentscheidung vom
28.08.2017“ gerichteten Klage trug der
Kläger insbesondere vor, dass für die Höhe des
festzustellenden Grundbesitzwerts auf einen anteilig erzielten
Verkaufspreis in Höhe von 196.100 EUR als niedrigerer gemeiner
Wert abzustellen sei.
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Die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) ging zwar davon aus, dass im Wege einer
verfassungskonformen Auslegung auch für gemäß
§ 166 BewG bewertete land- und forstwirtschaftlich genutzte
Flächen der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch
einen zeitnahen Verkauf möglich sei. Erforderlich sei aber,
dass sich der vom FA festgestellte Grundstückswert als extrem
über das normale Maß hinausgehend erweise. Dies sei im
Streitfall nicht gegeben, da der festgestellte Grundstückswert
den (anteilig) vereinbarten Kaufpreis nur um das 1,217-fache
übersteige.
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Dagegen richtet sich die Revision des
Klägers. Er ist der Auffassung, dass auch im Rahmen der
Wertermittlung nach § 166 BewG der Nachweis eines niedrigeren
gemeinen Werts unabhängig von etwaigen Erheblichkeitsgrenzen
möglich sein müsse. Anderenfalls entscheide das Gericht
nach eigenen Maßstäben, wann der individuelle Nachweis
des Steuerpflichtigen und wann die pauschale Bewertung
maßgeblich sei. Ein derartiges Normverständnis
verwechsle Gesetzesauslegung mit Billigkeitsmaßnahmen, wozu
das Grundgesetz den Richter gemäß dem
Gewaltenteilungsprinzip nicht ermächtigt habe. Es hätte
vielmehr einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung bedurft,
wenn der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, in Fällen wie
dem vorliegenden den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts
auszuschließen. § 165 Abs. 3 Halbsatz 2 BewG stehe einem
solchen Nachweis jedenfalls nicht entgegen.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß,
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die Vorentscheidung aufzuheben und den
Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts
auf den 18.09.2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom
20.07.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 28.08.2017
dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert in Höhe
von 196.100 EUR festgestellt wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet mit der
Maßgabe, dass die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Feststellungen des
FG tragen nicht dessen Schlussfolgerung, dass die Erblasserin einen
Betrieb der Land- und Forstwirtschaft unterhalten hat. Der Senat
kann auf Grundlage der Feststellungen des FG deshalb nicht
abschließend entscheiden, ob auf den Kläger ein Betrieb
der Land- und Forstwirtschaft übergegangen ist. Von der
Beantwortung dieser Frage hängt jedoch ab, nach welchen
Vorschriften die typisierende Bewertung durchzuführen ist und
an welche Voraussetzungen der Nachweis des niedrigeren gemeinen
Werts geknüpft ist.
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1. Die Wertfeststellung nach § 22 Abs. 1
BewG und die Artfeststellung nach § 22 Abs. 2 BewG sind
jeweils, auch wenn sie in einem Bescheid verbunden sind,
selbständige Feststellungen, die gesondert in Bestandskraft
erwachsen können. Ist die Artfeststellung bestandskräftig
geworden, ist sie bei der Wertfeststellung nicht mehr zu
prüfen, sondern der Wertermittlung zugrunde zu legen (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.07.1991 - II R 64/90,
juris = SIS 92 04 05, unter 1.).
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Im Streitfall ist die Artfeststellung
„Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft“ für die
Wertfeststellung jedoch nicht bindend, denn sie ist ebenso wie die
Wertfeststellung Gegenstand des Verfahrens. Der Kläger hat mit
seinem Einspruch wie auch mit seiner Klage beide Feststellungen
angegriffen. Die jeweiligen Rechtsmittelschreiben differenzieren
nicht nach den verschiedenen in dem Bescheid enthaltenen
Feststellungen. In der Einspruchsbegründung wendet sich der
Kläger ausdrücklich gegen die Annahme eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs. Damit wird deutlich, dass er auch
die Artfeststellung angreifen wollte.
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2. Nach § 12 Abs. 3 des Erbschaftsteuer-
und Schenkungsteuergesetzes ist Grundbesitz i.S. des § 19
BewG, zu dem nach § 19 Abs. 1 BewG auch Betriebe der Land- und
Forstwirtschaft gehören, mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert
anzusetzen. Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m.
§ 157 Abs. 2 BewG sind für die wirtschaftlichen Einheiten
des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens die
Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 158 bis 175 BewG
zu ermitteln. Wirtschaftliche Einheit des land- und
forstwirtschaftlichen Vermögens ist gemäß §
158 Abs. 2 Satz 1 BewG der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören nach
§ 158 Abs. 1 Satz 2 BewG alle Wirtschaftsgüter, die einem
Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu diesem Zweck auf Dauer zu
dienen bestimmt sind. Das bedeutet, dass eine Bewertung nach den
für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen geltenden
Grundsätzen nur erfolgen kann, wenn die betreffenden
Wirtschaftsgüter zu einem entsprechenden Betrieb
gehören.
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a) Nach § 158 Abs. 1 Satz 1 BewG ist
Land- und Forstwirtschaft die planmäßige Nutzung der
natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen
und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen
Erzeugnisse. Diese Vorschrift knüpft an eine bestimmte Nutzung
des Bodens, aber nicht an das Eigentum am Boden an. Einen Betrieb
der Land- und Forstwirtschaft hat demnach derjenige inne, der Land-
und Forstwirtschaft betreibt. Der Betriebsbegriff ist
tätigkeitsbezogen. Zivilrechtlichen Eigentums an Grund und
Boden oder am Besatz bedarf es nicht (vgl. BFH-Urteil vom
25.11.2020 - II R 9/19, BFHE 272, 100, BStBl II 2021, 491 = SIS 21 07 33, Rz 16 bis 21).
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b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus
§ 158 Abs. 1 Satz 2 BewG. Die land- und forstwirtschaftliche
Zweckbestimmung für den Betrieb eines Dritten reicht nicht
aus, land- und forstwirtschaftliches Vermögen beim
Eigentümer zu begründen. Dies widerspräche dem
tätigkeitsbezogenen Betriebsbegriff.
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c) Ein Umkehrschluss aus § 160 Abs. 7
BewG bestätigt dieses Ergebnis. Nach § 160 Abs. 7 Satz 1
BewG bilden einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auch
Stückländereien, die als gesonderte wirtschaftliche
Einheit zu bewerten sind. Nach Satz 2 der Vorschrift sind
Stückländereien einzelne land- und forstwirtschaftlich
genutzte Flächen, bei denen die Wirtschaftsgebäude oder
die Betriebsmittel oder beide Arten von Wirtschaftsgütern
nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören,
sondern am Bewertungsstichtag für mindestens 15 Jahre einem
anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt
sind. Daraus folgt, dass einzelne land- und forstwirtschaftlich
genutzte Flächen, die die in § 160 Abs. 7 BewG normierten
Voraussetzungen nicht erfüllen, namentlich die 15-Jahre-Frist
unterschreiten, grundsätzlich bei dem Eigentümer keinen
Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bilden.
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d) Nach den Grundsätzen der
Betriebsverpachtung im Ganzen kann darüber hinaus auch beim
Verpächter ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb als
ruhender Betrieb fortbestehen (dazu etwa BFH-Urteile vom 29.03.2017
- VI R 82/14, BFH/NV 2017, 1313 = SIS 17 15 64, Rz 16 f., und vom
08.05.2019 - VI R 26/17, BFHE 265, 82, BStBl II 2019, 660 = SIS 19 13 48, Rz 21).
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3. Ausgehend davon war die Vorentscheidung
aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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Die Feststellungen des FG tragen nicht dessen
(implizit vorausgesetzte) Schlussfolgerung, dass die Erblasserin
einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft unterhalten hat. Das FG
hat insoweit nur festgestellt, dass die vererbten Grundstücke
teilweise als Ackerland genutzt und zum Bewertungsstichtag für
weniger als 15 Jahre zur Nutzung überlassen worden seien.
Hieraus ist nur zu folgern, dass jedenfalls keine
Stückländereien vorlagen. Es lässt sich aber nicht
ersehen, ob die Erblasserin im Übrigen einen Betrieb der Land-
und Forstwirtschaft innehatte. Diese Prüfung wird das FG im
zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Sollte das FG dabei zu dem
Ergebnis kommen, dass auf den Kläger ein Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft übergegangen ist, hätte das FA die
Höhe des Grundbesitzwerts prinzipiell zutreffend mit dem
Liquidationswert in Höhe von 238.668 EUR gesondert
festgestellt (dazu 4.). Sollte das FG hingegen zu dem Ergebnis
gelangen, dass der Kläger keinen Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft geerbt hat, wäre der
streitgegenständliche Feststellungsbescheid aufzuheben (dazu
5.).
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4. Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, dass
auf den Kläger ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft
übergegangen ist, hätte das FA die Höhe des
Grundbesitzwerts prinzipiell zutreffend mit dem Liquidationswert in
Höhe von 238.668 EUR gesondert festgestellt.
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a) Wird ein Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nach dem
Bewertungsstichtag veräußert, erfolgt die Bewertung der
wirtschaftlichen Einheit grundsätzlich mit dem
Liquidationswert nach § 166 BewG (§ 162 Abs. 3 Satz 1
BewG). Gleiches gilt für die Bewertung einzelner wesentlicher
Wirtschaftsgüter, sofern diese dem Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nicht mehr
auf Dauer zu dienen bestimmt sind (§ 162 Abs. 4 Satz 1 BewG);
zu den wesentlichen Wirtschaftsgütern in diesem Sinn
gehört ausweislich § 162 Abs. 4 Satz 1 BewG u.a. der
Grund und Boden nach § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BewG. Ausnahmen
hiervon gelten bei einer Reinvestition des jeweiligen
Veräußerungserlöses in einen land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb binnen sechs Monaten (§ 162 Abs.
3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 BewG). Bei der Ermittlung des
Liquidationswerts nach § 166 Abs. 1 BewG ist der Grund und
Boden i.S. des § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BewG mit den zuletzt
vor dem Bewertungsstichtag ermittelten Bodenrichtwerten zu bewerten
(§ 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BewG). Zur Berücksichtigung
der Liquidationskosten ist der ermittelte Bodenwert um 10 % zu
mindern (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 BewG).
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b) Der Kläger hat die Grundstücke
fünf Monate nach dem Bewertungsstichtag veräußert,
ohne den Veräußerungserlös wieder in einen land-
und forstwirtschaftlichen Betrieb zu investieren. Das FA hätte
daher zu Recht den Liquidationswert nach § 166 BewG zur
Bewertung herangezogen und dessen Höhe entsprechend den
gesetzlichen Bestimmungen korrekt mit 238.668 EUR festgestellt. Der
Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts scheidet nach den
Feststellungen des FG vorliegend aus.
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aa) Für den nach §§ 162 bis 164
BewG für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft
anzusetzenden Wert des Wirtschaftsteils sieht das Gesetz im
Fortführungsfalle den Nachweis eines niedrigeren gemeinen
Werts vor. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert
des - unveräußerten - Wirtschaftsteils niedriger ist als
der nach § 165 Abs. 1 und 2 BewG ermittelte Wert, ist dieser
Wert anzusetzen; § 166 BewG ist zu beachten (§ 165 Abs. 3
BewG). Im Rahmen des § 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BewG ist die
Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts
für den Grund und Boden aber nicht eröffnet.
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bb) Zwar hat der Senat bereits entschieden,
dass zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das
Übermaßverbot der Steuerpflichtige auch bei der
Veräußerung von Flächen, die einem land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen waren, entsprechend
§ 165 Abs. 3 Halbsatz 1 und § 198 BewG den Nachweis eines
vom Liquidationswert wesentlich abweichenden niedrigeren gemeinen
Werts erbringen kann, etwa durch ein Sachverständigengutachten
oder durch einen zeitnahen Verkauf (vgl. BFH-Urteil vom 30.01.2019
- II R 9/16, BFHE 263, 267, BStBl II 2019, 599 = SIS 19 03 77, Rz
24). Das Übermaßverbot ist allerdings nur dann verletzt,
wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem über
das normale Maß hinausgehen. Dies erfordert den Nachweis
eines niedrigeren gemeinen Werts, der den festgestellten
Grundstückswert so erheblich unterschreitet, dass sich der
festgestellte Grundstückswert als extrem über das normale
Maß hinausgehend erweist. Extrem über das normale
Maß hinaus geht beispielsweise das Dreifache des gemeinen
Werts bzw. das rund 1,4-fache eines sich aus dem Bodenrichtwert
errechneten Verkehrswerts. Eine Bewertungsdifferenz von 10 % ist
hingegen als Folge der typisierenden Bewertungsmethode aufgrund der
mit der Wertschätzung verbundenen Ungenauigkeit hinzunehmen
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 263, 267, BStBl II 2019, 599 = SIS 19 03 77, Rz 26, m.w.N.).
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cc) An dieser Rechtsprechung ist entgegen der
Ansicht des Klägers festzuhalten.
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aaa) Soweit sich der Kläger darauf
beruft, das Gesetz schließe auch im Falle einer Bewertung
nach § 166 BewG den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts
ohne Rücksicht auf bestimmte Wertschwellen nicht aus, ist dies
unzutreffend. Zum einen fehlt eine ausdrückliche, dem §
198 BewG vergleichbare Regelung. Zum anderen ordnet § 165 Abs.
3 Halbsatz 2 BewG im Rahmen der Bewertung mit dem
Fortführungswert auch dann den Liquidationswert nach §
166 BewG als absolute Untergrenze an, wenn der Steuerpflichtige
einen niedrigeren gemeinen Wert nachweist. Dies entspricht auch dem
eindeutigen Normverständnis des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks.
16/11107, S. 16: „Die Regelung ermöglicht dem
Steuerpflichtigen einen Verkehrswertnachweis nur für den
gesamten Wirtschaftsteil, der zur Gleichbehandlung mit dem
Betriebsvermögen im Liquidationswert seine unterste Grenze
findet.“).
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bbb) Soweit der Kläger im Übrigen
der bisherigen Senatsrechtsprechung entgegenhält,
(verfassungskonforme) Gesetzesauslegung mit
Billigkeitsmaßnahmen zu verwechseln, ist darauf hinzuweisen,
dass beide Möglichkeiten gleichrangig zur Beseitigung eines
Verstoßes gegen das Übermaßverbot zur
Verfügung stehen (vgl. BFH-Urteil vom 05.05.2004 - II R 45/01,
BFHE 204, 570, BStBl II 2004, 1036 = SIS 04 23 46, unter II.4., mit
Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG - ). Die verfassungskonforme Auslegung beruht letztlich
darauf, dass nach § 138 Abs. 3 Satz 3 BewG bzw. § 157
Abs. 3 Satz 3 BewG i.V.m. § 20 Satz 2 Halbsatz 1 BewG
abweichende Wertfeststellungen aus Billigkeitsgründen (§
163 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung) für
eine Reihe von im BewG geregelte Bewertungsverfahren gesetzlich
ausgeschlossen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 204, 570, BStBl II
2004, 1036 = SIS 04 23 46, unter II.4.). Auch wenn dies für
die Bewertung für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und
forstwirtschaftlichen Vermögens nicht gilt (in § 157 Abs.
2 BewG fehlt ein Verweis auf § 20 Satz 2 BewG), ist aus
Gründen einer einheitlichen Konzeption, mit welcher das
Übermaßverbot im Bereich des BewG zur Geltung gebracht
werden soll, an der verfassungskonformen Auslegung
festzuhalten.
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dd) Im vorliegenden Fall wäre das
grundgesetzliche Übermaßverbot nach den Feststellungen
des FG nicht verletzt.
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aaa) Der Senat hat für den Nachweis eines
niedrigeren gemeinen Werts in Fällen des § 166 BewG
bislang keine konkrete Grenze für die Verletzung des
Übermaßverbots festgelegt. Den für unwesentlich
erachteten 10 % (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2013 - II R 22/11,
BFH/NV 2014, 1086 = SIS 14 16 14, Rz 16; konkret 12,5 %) steht eine
für wesentlich erachtete Schwelle von rund 40 % gegenüber
(vgl. BFH-Beschluss vom 23.10.2002 - II B 153/01, BFHE 200, 393,
BStBl II 2003, 118 = SIS 03 07 71, unter II.2.; konkret 41,4 %).
Nach Ansicht des BVerfG ist das Übermaßverbot nur dann
verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem
über das normale Maß hinausgehen (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 05.04.1978 - 1
BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, BStBl II 1978, 441 = SIS 78 02 49, unter C.II.3.). Die
Erheblichkeitsschwelle innerhalb der Spanne, die durch die
bisherige Rechtsprechung des Senats vorgegeben ist, muss folglich
am oberen Rand angesiedelt werden. So wäre z.B. eine Grenze
von 20 % (so vorgeschlagen von Piltz, Agrarbetrieb 2019, 278, 279)
mit der Bedeutung des Wortes
„extrem“ (d.h. „bis an
die äußerste Grenze gehend; radikal;
krass“; vgl. Duden, Die deutsche
Rechtsschreibung, 28. Aufl. 2020, S. 434) kaum in Einklang zu
bringen. Bewertungsdifferenzen in solcher Höhe sind als Folge
der typisierenden Bewertungsmethoden und unter
Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um
Schätzungen des Werts handelt, die stets mit Ungenauigkeiten
verbunden sind, hinzunehmen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1086 =
SIS 14 16 14, Rz 16). Dem Senat erscheint es deshalb angemessen,
eine Verletzung des Übermaßverbots regelmäßig
erst dann zu bejahen, wenn der vom FA festgestellte
Grundstückswert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert
um 40 % oder mehr übersteigt.
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bbb) Da nach den bisherigen Feststellungen des
FG der vom FA nach § 166 BewG ermittelte Grundbesitzwert den
vom Kläger durch den zeitnahen Verkauf nachgewiesenen
niedrigeren gemeinen Wert nur um 21,7 % übersteigt, ist das
verfassungsrechtliche Übermaßverbot im Streitfall nicht
verletzt. Daher kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Feststellung,
der ermittelte Grundbesitzwert übersteige den gemeinen Wert um
21,7 %, überhaupt zutreffend ist. Sie beruht auf einer
ungeprüften Übernahme einer Berechnung des Klägers,
mit der er den Gesamtkaufpreis für alle Grundstücke auf
die als Ackerland genutzten Flächen und die übrigen
Flächen verteilte. Diese Berechnung überzeugt schon
deshalb nicht, weil sie davon ausgeht, dass der anteilige Kaufpreis
für die nicht als Ackerland genutzten Flächen exakt den
nach dem BewG festgestellten Werten entspreche, wohingegen dies
für die als Ackerland genutzten Flächen gerade nicht
gelten solle. Zudem wären die Vorstellungen der damaligen
Kaufvertragsparteien darüber maßgeblich, welchen Wert
sie welchem Grundstück beimessen wollten.
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5. Sollte das FG hingegen zu dem Ergebnis
gelangen, dass der Kläger keinen Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft geerbt hat, wäre der
streitgegenständliche Feststellungsbescheid aufzuheben. Das FA
hätte dann erneut eine Bewertung der Grundstücke
durchzuführen; diesmal nach den Vorschriften über die
Bewertung von Grundvermögen (§§ 157 Abs. 3 Satz 1,
176 bis 198 BewG). Dem Kläger stünde in einem solchen
Fall nach § 198 BewG der Nachweis des niedrigeren gemeinen
Werts offen.
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6. Die Übertragung der Kostenentscheidung
beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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7. Das Urteil ergeht ohne mündliche
Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
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