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Umsatzsteuerfreiheit von Supervisionsleistungen

Umsatzsteuerfreiheit von Supervisionsleistungen: 1. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfasst auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen. Die Anforderungen, die der EuGH an die Steuerfreiheit des Schul- und Hochschulunterrichts stellt, gelten hierfür nicht. - 2. Umsätze einer Supervisorin können nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sein. - Urt.; BFH 22.6.2022, XI R 32/21 (XI R 6/19); SIS 22 20 25

Kapitel:
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Umsatzsteuer-Freiheit
Fundstellen
  1. BFH 22.06.2022, XI R 32/21 (XI R 6/19) (ECLI:DE:BFH:2022:B.220622.XIR32.21.0)
    DStR 2022 S. 2493

    Anmerkungen:
    M. W. Brill in NWB 50/2022 S. 3552
    C. Esteves Gomes in UR 3/2023 S. 108
    J.H. in StuB 1/2023 S. 56
    L. Joost/M. Szabó in UVR 3/2023 S. 65
    O.-G. Lippross in MwStR 3/2023 S. 91
    A. Treiber in BFH/PR 3/2023 S. 80
Normen
[RL 2006/112/EG] Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, Art. 132 Abs. 1 Buchst. j
[UStG] § 4 Nr. 14, § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb, § 4 Nr. 22 Buchst. a
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 12.03.2019, SIS 19 04 95, Steuerfreier Umsatz, Unterricht, Fortbildung, Unionsrecht, EG, EU

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12.03.2019 - 15 K 1768/17 U = SIS 19 04 95 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erbrachte im Jahr 2014 (Streitjahr) Supervisionsleistungen für verschiedene Auftraggeber, die diese Leistungen für die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer in Anspruch nahmen.

 

 

2

Vor Durchführung der Supervisionen legte die Klägerin mit ihren Auftraggebern den Umfang der durchzuführenden Supervisionssitzungen für die Arbeitnehmer der Auftraggeber fest. Niederschriften über die erbrachten Supervisionsleistungen wurden dem Auftraggeber nicht übergeben, um zu gewährleisten, dass die jeweiligen Sitzungen innerhalb eines geschützten Rahmens ohne zu befürchtende Sanktionen des Auftraggebers stattfanden. Die Klägerin protokollierte die durchgeführten Sitzungen mit ihren wesentlichen Inhalten.

 

 

3

Die Umsätze aus ihrer Tätigkeit als Supervisorin erklärte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2014 - wie auch in den Vorjahren - in voller Höhe als nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) steuerfrei.

 

 

4

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) führte eine Außenprüfung bei der Klägerin u.a. für das Streitjahr durch. Nach den Feststellungen der Außenprüfung erbrachte die Klägerin Supervisionsleistungen, die in Höhe von 14.117,80 EUR (2012), 26.170,30 EUR (2013) und 26.208,40 EUR (2014) vergütet wurden. Daneben vereinnahmte die Klägerin aus ihrer Lehrtätigkeit an einer Hochschule Honorare in Höhe von 2.540 EUR (2012), 2.928 EUR (2013) und 4.920 EUR (2014).

 

 

5

Das FA vertrat im Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr vom 16.11.2016 die Auffassung, dass die Supervisionsleistungen weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht steuerfrei seien. Die für das Jahr 2013 geltende Umsatzgrenze von 17.500 EUR (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG) sei im Jahr 2013 überschritten worden. Daher sei für das Jahr 2014 Umsatzsteuer festzusetzen. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 15.05.2017).

 

 

6

Das Finanzgericht (FG) gab mit seinem in EFG 2019, 936 = SIS 19 04 95 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Das FG war der Ansicht, dass für die Umsätze der Klägerin im Streitjahr nach § 19 UStG Umsatzsteuer nicht zu erheben sei. Die Klägerin habe die Umsatzgrenzen des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht überschritten und auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht verzichtet. Die Supervisionsleistungen der Klägerin hätten weder im Streitjahr noch im Vorjahr den Gesamtumsatz erhöht; denn die Supervisionsleistungen seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerfrei. Insbesondere erbringe die Klägerin mit diesen Leistungen Unterrichtstätigkeiten im Rahmen von Schul- und Hochschulunterricht. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit auch als Privatlehrerin i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL ausgeübt.

 

 

7

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) lege auch nach seinem Urteil Dubrovin & Tröger – Aquatics vom 21.10.2021 - C-373/19 (EU:C:2021:873 = SIS 21 17 23) weiterhin den Unterrichtsbegriff eng aus. Es handele sich bei den Supervisionsleistungen der Klägerin um einen spezialisierten, punktuell erteilten Unterricht, der nach der EuGH-Rechtsprechung die Voraussetzungen für einen Schul- und Hochschulunterricht nicht erfülle. Der Bereich der Fortbildung werde nicht von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfasst.

 

 

8

Die Steuerbefreiung für öffentlich-rechtliche und gleichgestellte Einrichtungen (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) gehe dagegen darüber hinaus. Sie umfasse auch die Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung.

 

 

9

Das FA beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

 

 

10

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

11

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten unter Hinweis auf die hierfür maßgeblichen Gründe Gelegenheit zur Stellungnahme.

 

 

12

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG im Streitjahr erfüllt sind, da die Supervisionsleistungen der Klägerin von der Umsatzsteuer befreit sind und daher nicht zum Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG) zählen, wobei auch eine unionsrechtlich begründete Steuerfreiheit zu beachten ist (Michel in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 19 UStG Rz 121, und Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz 110).

 

 

13

1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass eine Steuerfreiheit nach nationalem Recht nicht in Betracht kommt, da eine Anwendung von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG am dort genannten Bescheinigungserfordernis und eine Anwendung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG an den dort aufgeführten unternehmerbezogenen Voraussetzungen scheitert. Ebenso kommt eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG nicht in Betracht. Die Supervisionsleistungen sind keine Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, da es hierfür nicht ausreicht, wenn bei Supervisionen auch bei Heilbehandlungen eingesetzte Methoden angewandt werden und diese auch der gesundheitlichen Prophylaxe dienen können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30.06.2005 - V R 1/02, BFHE 210, 188, BStBl II 2005, 675 = SIS 05 36 35).

 

 

14

2. Die Unterrichtsleistungen der Klägerin sind aber gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei. Diese Bestimmung befreit den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht und weist damit eine leistungs- und eine unternehmerbezogene Voraussetzung auf.

 

 

15

a) Die Klägerin erfüllt die leistungsbezogenen Voraussetzungen dieses Tatbestandes.

 

 

16

aa) Aufgrund von Unterschieden in den verschiedenen Sprachfassungen der Bestimmung erfasst die Steuerfreiheit nach der EuGH-Rechtsprechung „Unterrichtseinheiten, die von Unterrichtenden ... erteilt werden und sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen“, wobei diese Unterrichtseinheiten „die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit einschließen“ (EuGH-Urteil Eulitz vom 28.01.2010 - C-473/08, EU:C:2010:47 = SIS 10 02 41, Rz 21 ff., 33). Unerheblich ist dabei, dass Buchst. j anders als Buchst. i des Art. 132 MwStSystRL neben dem Schul- und Hochschulunterricht nicht ausdrücklich die Aus- und Fortbildung erwähnt (EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47 = SIS 10 02 41, Rz 34). Es besteht zudem keine Beschränkung auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung oder zur Erlangung einer Qualifikation führt oder der eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt; vielmehr kann der Unterricht auch andere Tätigkeiten einschließen (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47 = SIS 10 02 41, Rz 29; BFH-Urteile vom 28.05.2013 - XI R 35/11, BFHE 242, 250, BStBl II 2013, 879 = SIS 13 22 89, Rz 42, m.w.N.). Dementsprechend hat der BFH bereits ausdrücklich entschieden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL auch Unterrichtseinheiten erfasst, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, so dass danach auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein können (BFH-Urteile vom 20.03.2014 - V R 3/13, BFHE 245, 391 = SIS 14 15 62, Rz 19 f., und vom 24.01.2019 - V R 66/17, BFH/NV 2019, 593 = SIS 19 05 31, Rz 10).

 

 

17

bb) Danach liegen die leistungsbezogenen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit im Streitfall vor. Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind (§ 118 Abs. 2 FGO), hat die Klägerin Sozialarbeiter, Sozialpädagogen sowie andere in der Pflege tätige Arbeitnehmer im Auftrag deren Arbeitgeber in ihrer eigenen Handlungskompetenz insbesondere gegenüber den jeweiligen Klienten geschult und weiterentwickelt. Dabei war der Gegenstand der Supervisionseinheiten die Vermittlung im beruflichen Alltag erforderlicher Kompetenzen, nicht die Lösung persönlicher Probleme der Teilnehmer im Sinne einer Therapie. Ziel der Tätigkeit der Klägerin war nach den Feststellungen des FG an erster Stelle das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen und Handlungsmustern, die dazu befähigen sollten, künftig im beruflichen Umfeld auftretende Schwierigkeiten selbst oder gegenseitig kollegial zu überwinden. Damit war nicht die Beratung für die Bewältigung von konkreten Einzelfällen der Gegenstand der Tätigkeit der Klägerin, sondern die Vermittlung unterschiedlicher, für den beruflichen Alltag der Teilnehmer erforderlicher Kompetenzen durch Reflektion bisheriger Erfahrungen der teilnehmenden Personen. Die Leistungen der Klägerin bezogen sich nach den tatsächlichen Feststellungen des FG auch nicht auf Veranstaltungen mit bloßem Freizeitcharakter. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Auftraggeber der Klägerin nicht die Teilnehmer der durch sie durchgeführten Veranstaltungen selbst, sondern vielmehr deren Arbeitgeber waren.

 

 

18

cc) Auf die Anforderungen, die der EuGH an die Steuerfreiheit des Schul- und Hochschulunterrichts i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL stellt (EuGH-Urteil Dubrovin & Tröger – Aquatics, EU:C:2021:873 = SIS 21 17 23), kommt es im Streitfall entgegen der Auffassung des FA nicht an, da sich die Voraussetzungen nicht auf den gesondert zu betrachtenden Bereich der Aus- und Fortbildung beziehen (zutreffend Alvermann/Esteves Gomes in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 43).

 

 

19

b) Der Unterricht wird zudem unternehmerbezogen von einem Privatlehrer im Sinne dieser Bestimmung erteilt, wenn der Lehrer Träger der Bildungseinrichtung ist und für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt (vgl. EuGH-Urteile Haderer vom 14.06.2007 - C-445/05, EU:C:2007:344 = SIS 07 23 30, Rz 30; Eulitz, EU:C:2010:47 = SIS 10 02 41, Rz 52 ff.; BFH-Urteile vom 27.09.2007 - V R 75/03, BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323 = SIS 08 02 00, Rz 40; vom 15.12.2021 - XI R 3/20, BFH/NV 2022, 1010 = SIS 22 11 50, Rz 39, m.w.N.). Steuerfreie Unterrichtseinheiten können auch mehreren Personen gleichzeitig erteilt werden (vgl. EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344 = SIS 07 23 30, Rz 31).

 

 

20

Danach war die Klägerin auch als „Privatlehrerin“ i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL tätig, da sie für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelte. Sie war auch Trägerin der Bildungseinrichtung, da es den Auftraggebern der Klägerin um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 391 = SIS 14 15 62, Rz 24). Sie haben die Leistungen der Klägerin nicht bezogen, um ihrerseits entgeltliche Unterrichtsleistungen an ihre Arbeitnehmer zu erbringen, sondern um als Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer fortzubilden. Träger der Bildungseinrichtung, an der die Fortbildungsmaßnahmen erbracht wurden, war daher die Klägerin. Ohne Bedeutung ist daher im Streitfall, dass der EuGH die Privatlehrereigenschaft grundsätzlich versagt, wenn der Auftraggeber des Unterrichtenden die Leistung dazu verwendet, als eigenständige Bildungseinrichtung entgeltliche Unterrichtsleistungen zu erbringen (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47 = SIS 10 02 41, Rz 52 ff.).

 

 

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.