Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 05.07.2021 - 16 K
11072/19 = SIS 21 14 71 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Über das Vermögen des
Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wurde am
xx.07.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Dem lag ein
Eigenantrag des Klägers zugrunde, der mit einem Antrag auf
Restschuldbefreiung verbunden war. Der Prüfungstermin wurde
auf den xx.10.2015 anberaumt.
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Vor dem Prüfungstermin meldete der
Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - )
Abgabenforderungen in Höhe von 116.642,65 EUR an, ohne auf
einen Zusammenhang mit einer Steuerstraftat hinzuweisen. Den
Abgabenforderungen lagen u.a. Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide
für die Jahre 2007 und 2009 bis 2011 zugrunde.
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Letztlich wurden die Forderungen, ohne dass
der Kläger als Schuldner widersprochen hatte, am 05.11.2015 im
Wesentlichen wie angemeldet zur Insolvenztabelle festgestellt (lfd.
Nr. 4).
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Mit Strafbefehl vom 06.04.2016 wurde der
Kläger rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung zu einer
Geldstrafe verurteilt. Dabei ging es um einen Betrag in Höhe
von insgesamt 65.178 EUR aus Einkommensteuer 2007 und 2009 bis 2011
und Umsatzsteuer 2009 bis 2011.
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Im Anschluss beantragte das FA, die
Insolvenztabelle dahingehend zu ergänzen, dass es sich bei den
Abgabenforderungen zur laufenden Nr. 4 in Höhe eines
Teilbetrags von 68.472,95 EUR um Forderungen aus einer
Steuerstraftat nach § 370 der Abgabenordnung (AO) handele,
für die gemäß § 302 Nr. 1 der Insolvenzordnung
(InsO) die Restschuldbefreiung ausgeschlossen sei (Attribut). Der
Kläger legte nach einem Hinweis des Insolvenzgerichts auf die
Widerspruchsmöglichkeit gemäß § 175 Abs. 2
InsO Widerspruch gegen die Anmeldung des Attributs ein. Im
Prüfungstermin im schriftlichen Verfahren wurde sein
Widerspruch in die Tabelle eingetragen.
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Nachdem ein entsprechender Tabellenauszug
beim FA eingegangen war, erließ dieses am 10.01.2019 den
streitgegenständlichen Feststellungsbescheid nach § 251
Abs. 3 AO. Darin heißt es u.a., der Kläger habe gegen
den Rechtsgrund im Einzelnen aufgeführter Abgabenforderungen
im Prüfungstermin Widerspruch erhoben, und gemäß
§ 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 InsO würden
hiermit die Forderungen in der im Einzelnen spezifizierten
Höhe „als von der Restschuldbefreiung ausgenommene
Insolvenzforderungen festgestellt“. In den
Gründen führte das FA aus, der Kläger sei mit
rechtskräftigem Strafbefehl vom 06.04.2016 wegen Hinterziehung
der Einkommensteuer 2007 und 2009 bis 2011 und der Umsatzsteuer
2009 bis 2011 verurteilt worden.
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Im Juni 2019 fand der Schlusstermin im
schriftlichen Verfahren statt; im Juli 2019 wurde das
Insolvenzverfahren gemäß § 200 InsO
aufgehoben.
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Der Einspruch gegen den
Feststellungsbescheid blieb erfolglos.
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Im anschließenden Klageverfahren
änderte das FA am 27.06.2019 den Feststellungsbescheid und
formulierte nunmehr: „Gemäß § 251 Abs. 3 AO
in Verbindung mit § 179 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) werden
hiermit die Forderungen aus einem Steuerschuldverhältnis,
wegen dem Sie gem. § 370 AO wegen einer Steuerstraftat
rechtskräftig verurteilt worden sind, in nachstehender
Höhe als Insolvenzforderungen festgestellt:
...“. Der Höhe nach ergaben sich keine
Änderungen.
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Die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) sah den Finanzrechtsweg als gegeben an (§
33 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und sah von einer
Vorabfeststellung durch Beschluss (§ 17a Abs. 3 des
Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - ) ab. Die rechtskräftige
Verurteilung wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370,
373 oder § 374 AO müsse noch nicht zum Zeitpunkt der
ursprünglichen Forderungsanmeldung vorgelegen haben, und bei
der Anmeldung der Forderung zur Tabelle müssten keine
Umstände angegeben werden, aus denen sich die Steuerstraftat
ergebe. Das Attribut erfasse auch steuerliche Nebenleistungen
(insbesondere Zinsen und Säumniszuschläge), auf die sich
die strafrechtliche Verurteilung nicht erstrecke. Der nach
Widerspruch des Klägers gegen das Attribut ergangene
streitgegenständliche Feststellungsbescheid sei trotz
Mehrdeutigkeit nicht wegen Unbestimmtheit nichtig (§ 125 Abs.
1 AO), weil sein Regelungsinhalt durch Auslegung (§§ 133,
157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) eindeutig zu ermitteln sei.
Das Urteil ist in EFG 2021, 1871 = SIS 21 14 71 abgedruckt.
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Hiergegen richtet sich die Revision des
Klägers, mit welcher er sowohl mangelnde Sachaufklärung
durch das FG als auch die Verletzung materiellen Bundesrechts
rügt.
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Zur Begründung trägt er vor, weil
er zum Zeitpunkt der erstmaligen Forderungsanmeldung noch nicht
rechtskräftig verurteilt gewesen sei, sperre § 302 Nr. 1
letzter Halbsatz i.V.m. § 174 Abs. 2 InsO die
Möglichkeit, die rechtskräftige strafrechtliche
Verurteilung durch eine bloße Berichtigung bzw. Bemerkung
nachtragen zu lassen. Das FA hätte die Forderungen deshalb
vollständig neu anmelden müssen.
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Zudem fehle dem FA das nach § 251 Abs.
3 AO erforderliche Feststellungsinteresse, weil die den
Steuerforderungen zugrunde liegenden Bescheide bereits
bestandskräftig gewesen seien. Das FG habe seine
Sachaufklärungspflicht verletzt, weil es nicht ermittelt habe,
ob die Steuerbescheide bestandskräftig gewesen seien.
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Schließlich sei der Inhalt des
Bescheids von der Feststellungsbefugnis nach § 251 Abs. 3 AO
nicht gedeckt, denn die Norm enthalte keine Rechtsgrundlage
für die isolierte Feststellung des Attributs nach § 302
Nr. 1 InsO. § 251 Abs. 3 AO eröffne dem FA nach Sinn und
Zweck der Vorschrift allein die Möglichkeit, solche
Steuerforderungen als Insolvenzforderungen festzustellen, die zum
Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entweder
gerade noch nicht bestandskräftig festgesetzt gewesen oder im
Verlauf des Insolvenzverfahrens dem Grunde und/oder der Höhe
nach bestritten worden seien. Das Attribut sei insolvenzrechtlicher
und damit zivilrechtlicher Natur, deshalb hätte das FA den
Zivilrechtsweg beschreiten müssen.
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Der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung der Vorentscheidung den
Feststellungsbescheid vom 10.01.2019 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 28.02.2019, weiter geändert mit
Bescheid vom 27.06.2019, aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Das FA führt aus, seinem
Feststellungsinteresse nach § 251 Abs. 3 AO stehe nicht
entgegen, dass die Steuerbescheide bereits bestandskräftig
gewesen seien, weil das Attribut „Zusammenhang mit einer
Steuerstraftat“ gemäß § 302
Nr. 1 InsO nachträglich habe festgestellt werden dürfen.
Das Erfordernis dieser Feststellung ergebe sich bereits aus der
Möglichkeit eines isolierten Widerspruchs (§ 184 InsO)
gegen das Attribut. Der Ausschluss von der Restschuldbefreiung
verbessere die Werthaltigkeit der Ansprüche wesentlich. Das
Attribut sei gemäß § 177 Abs. 1 InsO
nachträglich zur Tabelle angemeldet worden, was ein Weniger
zur nachträglichen Anmeldung einer Forderung darstelle und
daher ebenfalls von der Möglichkeit zur nachträglichen
Anmeldung umfasst sei. Verneine man die Möglichkeit einer
nachträglichen Anmeldung des Attributs, so hänge die
Feststellung von der Geschwindigkeit und Arbeitsbelastung der
Strafgerichte ab.
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II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
FGO). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der
streitgegenständliche Feststellungsbescheid in der Fassung des
Änderungsbescheids vom 27.06.2019 (§ 68 Satz 1 FGO)
rechtmäßig ist.
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Das FA war berechtigt, auf den
gemäß § 184 Abs. 1 InsO isoliert erhobenen
Widerspruch des Klägers gegen die Anmeldung der Einkommen- und
Umsatzsteuerforderungen (einschließlich Nebenleistungen) zur
Insolvenztabelle hin nach § 251 Abs. 3 AO festzustellen, dass
es sich dabei um Forderungen i.S. des § 174 Abs. 2, § 302
Nr. 1 Alternative 3 InsO handelt.
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1. Der Senat hat nicht zu prüfen, ob der
beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5
GVG).
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2. Die Finanzbehörde stellt nach §
251 Abs. 3 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis,
die sie im Insolvenzverfahren als Insolvenzforderung geltend macht,
erforderlichenfalls durch schriftlichen Verwaltungsakt fest.
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a) Ansprüche aus dem
Steuerverhältnis sind nach § 37 Abs. 1 AO der
Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der
Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung
(§ 3 Abs. 4 AO), der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2
AO sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten
Steuererstattungsansprüche.
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b) Ob eine Insolvenzforderung vorliegt,
richtet sich danach, wann der Rechtsgrund für den streitigen
Anspruch gelegt worden ist (vgl. Senatsurteil vom 19.01.2021 - VII
R 38/19, BFH/NV 2021, 1057 = SIS 21 09 83, Rz 26). Der Rechtsgrund für Steueransprüche
ist gelegt, wenn der gesetzliche (Besteuerungs-)Tatbestand
verwirklicht wird (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
16.05.2013 - IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759 =
SIS 13 20 28, Rz 19).
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c) Das FA macht eine Insolvenzforderung
geltend, indem es diese nach § 174 Abs. 1 InsO zur Tabelle
anmeldet. Bei der Anmeldung sind nach § 174 Abs. 2 InsO der
Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen,
aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt,
dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung, eine
vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen
Unterhaltspflicht oder eine Steuerstraftat des Schuldners nach den
§§ 370, 373 oder § 374 AO zugrunde liegt.
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aa) Nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 2
InsO ist nicht die Tatsache der rechtskräftigen Verurteilung
wegen einer Steuerstraftat anzumelden, sondern jene Tatsachen, aus
denen sich ergibt, dass der Forderung nach Einschätzung des
Gläubigers eine Steuerstraftat zugrunde liegt. Insoweit
unterscheiden sich die Regelungen in § 174 Abs. 2 und §
302 Nr. 1 Alternative 3 InsO, der Verbindlichkeiten aus einem
Steuerschuldverhältnis von der Restschuldbefreiung ausnimmt,
sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer
Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO
rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach der Begründung
des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens
und zur Stärkung der Gläubigerrechte (BT-Drucks.
17/11268, S. 32) soll nämlich bei der Anmeldung zur Tabelle
unbeachtlich sein, wann die Verurteilung tatsächlich
erfolgt.
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bb) Forderungen können nach § 177
Abs. 1 InsO auch nachträglich, d.h. nach Ablauf der
Anmeldefrist, angemeldet werden. Die gemäß § 28
Abs. 1 InsO im Eröffnungsbeschluss zu bestimmende Anmeldefrist
stellt keine Ausschlussfrist dar. Deshalb sind
Forderungsanmeldungen (§ 177 Abs. 1 Satz 1 InsO) und
Änderungsmeldungen (§ 177 Abs. 1 Satz 3 InsO) bis zum
Schlusstermin möglich (Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH -
vom 19.01.2012 - IX ZR 4/11, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
- ZIP - 2012, 537 = SIS 13 06 49,
Rz 10, und vom 19.12.2019 - IX ZR 53/18, ZIP 2020, 327).
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cc) Aus § 177 Abs. 1 InsO ergibt sich,
dass auch eine nachträgliche Anmeldung des Attributs i.S. des
§ 174 Abs. 2 InsO möglich ist. Dabei handelt es sich um
eine nachträgliche Änderung i.S. des § 177 Abs. 1
Satz 3 InsO.
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(1) Durch die Rechtsprechung des BGH ist
bereits geklärt, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist,
auch für eine bereits zur Tabelle festgestellte Forderung
nachträglich angemeldete Tatsachen, aus denen sich nach
Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass der Forderung
eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners
zugrunde liegt, in die Tabelle einzutragen (BGH-Urteile vom
17.01.2008 - IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566, unter II.2.a [Rz 13]; vom
12.06.2008 - IX ZR 100/07, NJW 2008, 3285, unter I.2.a [Rz 7]; vgl.
auch Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, InsO, § 174 Rz
17).
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(2) Es sind keine Gründe ersichtlich,
weshalb das für Forderungen aus Steuerstraftaten
gemäß § 302 Nr. 1 Alternative 3 InsO nicht gelten
sollte.
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Auch in diesem Fall kann sich
nachträglich herausstellen, dass der Forderung eine
Steuerstraftat zugrunde liegt. Eine Nachmeldung muss auch nach dem
Sinn und Zweck der Regelung möglich sein. Denn wenn diese
Feststellung in der Tabelle fehlt, kann sich der Gläubiger auf
einen Ausschluss seiner Forderung von der Restschuldbefreiung nicht
mehr berufen (BT-Drucks. 14/5680, S. 28; Uhlenbruck/Sinz,
Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 184 Rz 20; vgl. auch BGH-Urteil
vom 18.05.2006 - IX ZR 187/04, NJW 2006, 2922).
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d) Schließlich muss die Feststellung
nach § 251 Abs. 3 AO erforderlich
(„erforderlichenfalls“) sein.
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aa) Der Widerspruch des Schuldners
gemäß § 184 Abs. 1 InsO kann sich auf das
angemeldete Attribut beschränken (vgl. BGH-Urteil vom
01.10.2020 - IX ZR 199/19, HFR 2021, 99 = SIS 21 00 15, Rz 11).
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(1) Der Senat hat bereits entschieden, dass
das FA bei einem isolierten Widerspruch des Schuldners gegen das
Attribut i.S. von § 174 Abs. 2, § 302 Nr. 1 Alternative 3
InsO berechtigt ist, einen Feststellungsbescheid nach § 251
Abs. 3 AO zu erlassen (Senatsurteil vom 07.08.2018 - VII R 24,
25/17, BFHE 262, 208, BStBl II 2019, 19 = SIS 18 16 77, Rz 15 f.).
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Das FA muss keine Klage vor den Zivilgerichten
erheben. Der Senat hat dies insbesondere damit begründet, dass
es im Rahmen von § 302 Nr. 1 Alternative 3 InsO nicht um die
Feststellung einer Steuerstraftat geht, sondern um die Feststellung
einer rechtskräftigen Verurteilung wegen dieser
Steuerstraftat. Der Gesetzgeber hat ausweislich der
Gesetzesbegründung auf eine rechtskräftige Verurteilung
abgestellt, um dem Gericht zu ersparen, selbst die objektiven und
subjektiven Voraussetzungen der Straftat feststellen zu müssen
(BT-Drucks. 17/11268, S. 32).
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(2) Mit seinem Argument, der Umstand, dass
eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt, könne nicht
Gegenstand eines Verwaltungsakts nach § 118 AO sein, dringt
der Kläger nicht durch. Nach § 118 Satz 1 AO ist ein
Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere
hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung
eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen
gerichtet ist. Will das FA den lediglich gegen das Attribut
gerichteten Widerspruch eines Schuldners beseitigen, so
enthält der entsprechende Feststellungsbescheid nicht nur eine
Aussage über die rechtskräftige Verurteilung wegen einer
Steuerstraftat, sondern zugleich - als Annex - die vom Bestand der
Steuerforderung als Insolvenzforderung untrennbare Feststellung,
dass der Steuerforderung gerade diese Steuerstraftat zugrunde
liegt. Weil damit der Widerspruch des Schuldners beseitigt wird,
liegt auch eine Regelung im Einzelfall vor.
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bb) Das Feststellungsinteresse des FA
entfällt nicht wegen § 184 Abs. 2 InsO in den
Fällen, in denen die Steuerforderungen bestandskräftig
festgesetzt sind und sich der Widerspruch des Schuldners isoliert
gegen das Attribut richtet.
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Will sich der Schuldner gegen einen
bestandskräftigen Steuerbescheid wenden, muss er eine negative
Feststellungsklage erheben. Denn in diesem Fall liegt für die
bestrittene Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel vor, dessen
Beseitigung gemäß § 184 Abs. 2 InsO dem Schuldner
obliegt, der binnen einer Frist von einem Monat seinen Widerspruch
zu verfolgen hat (§ 184 Abs. 2 Satz 1 InsO).
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§ 184 Abs. 2 InsO ist entsprechend
anwendbar auf die Verfolgung eines isolierten Widerspruchs gegen
den behaupteten Anspruchsgrund der vorsätzlichen unerlaubten
Handlung oder vorsätzlichen pflichtwidrigen
Nichtgewährung von Unterhalt (§§ 174 Abs. 2, 175
Abs. 2, 302 Nr. 1 InsO), wenn sowohl die Forderung als auch der
Deliktsgrund durch Feststellungsurteil, Vergleich, notarielles
Schuldanerkenntnis oder vollstreckbaren Auszug aus der
Insolvenztabelle eines früheren Insolvenzverfahrens tituliert
sind (MüKoInsO/ Schumacher, 4. Aufl., § 184 Rz 8c). Das
muss entsprechend für die Alternative 3 in § 302 Nr. 1
InsO gelten, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer
Steuerstraftat vorliegt.
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Dadurch entfällt jedoch nicht das
Interesse des FA an einer Feststellung nach § 251 Abs. 3 AO.
Für die Klage eines Gläubigers, der über einen
vollstreckbaren Schuldtitel verfügt, auf Feststellung des
Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung hat der BGH bereits
ausdrücklich entschieden, dass dieser nach dem auf den
Rechtsgrund beschränkten Widerspruch des Schuldners das
rechtlich geschützte Interesse nicht fehlt; denn die
Rechtskraft eines Leistungsurteils erstrecke sich nicht auf die
Feststellung, dass der Anspruch aus einer vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung stamme (vgl. BGH-Urteil vom
02.12.2010 - IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39). Das gilt ebenso bei einem
bestandskräftigen Steuerbescheid, in dem kein Hinweis auf eine
rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat
enthalten ist. Zudem bleibt auch bei einem Strafurteil bzw.
Strafbefehl, aus dem sich der Umfang der Steuerstraftat ergibt,
noch zu klären, ob die als Insolvenzforderungen geltend
gemachten Steuerforderungen vollumfänglich von dem Strafurteil
bzw. Strafbefehl umfasst sind.
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3. a) Inhaltlich hat sich der
Feststellungsbescheid an den Erfordernissen eines
Feststellungsurteils zu orientieren (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.1989
- I R 139/85, BFH/NV 1991, 497, unter II.1.a [Rz 16]; Jatzke in
Hübschmann/ Hepp/Spitaler - HHSp -, § 251 AO Rz 463).
Gegenstand der Feststellung ist die Geltendmachung einer
Steuerforderung als Insolvenzforderung mit dem Ziel ihrer
Berücksichtigung bei der Verteilung der Insolvenzmasse (Jatzke
in HHSp, § 251 AO Rz 463; vgl. Senatsurteil vom 23.02.2010 -
VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562 = SIS 10 09 21, Rz 15). Deshalb muss die
Insolvenzforderung nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und
Höhe des jeweiligen Abgabenbetrags genau bezeichnet werden.
Das ergibt sich auch aus § 119 Abs. 1 AO, nach dem ein
schriftlicher Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein
muss. Fehlt eine wesentliche Angabe, ist der Bescheid nach §
125 Abs. 1 AO nichtig.
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b) Ergeht der Feststellungsbescheid i.S. von
§ 251 Abs. 3 AO nach einem isolierten Widerspruch des
Schuldners gegen das Attribut gemäß § 302 Nr. 1
Alternative 3 InsO, so muss sich aus dem Bescheid ergeben, dass der
Schuldner im Zusammenhang mit der Forderung wegen einer
Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder § 374 AO
rechtskräftig verurteilt worden ist.
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4. Nach diesen Maßstäben ist der
streitgegenständliche Feststellungsbescheid in der Fassung des
Änderungsbescheids vom 27.06.2019 rechtmäßig.
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a) Der Bescheid betrifft Steueransprüche
(Einkommensteuer 2007 und 2009 bis 2011 und Umsatzsteuer 2009 bis
2011 und Nebenleistungen), bei denen es sich unstreitig um
Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) handelt.
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44
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b) Das FA hat diese Steueransprüche
gemäß §§ 174 Abs. 2, 177 Abs. 1 Satz 3 InsO
auch wirksam geltend gemacht. Das FA musste die Forderungen nicht
erneut vollständig anmelden, wie der Kläger meint. Zudem
war der Kläger im Zeitpunkt der zulässigen Nachmeldung
des Attributs rechtskräftig wegen einer Steuerstraftat
verurteilt; der Strafbefehl, gegen den der Kläger keinen
Einspruch eingelegt hat, steht einem Urteil gleich (vgl. auch
Senatsurteil in BFHE 262, 208, BStBl II 2019, 19 = SIS 18 16 77, Rz 20).
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c) Der Feststellungsbescheid war ferner
erforderlich.
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Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob
die den Forderungen zugrunde liegenden Steuerbescheide bereits vor
Insolvenzeröffnung bestandskräftig waren, wozu
Feststellungen des FG fehlen. Auch bei Bestandskraft der Bescheide
hätte das FA einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs.
3 AO erlassen können, wenn es nur die Feststellung des
Attributs der Steuerstraftat zur Tabelle erreichen will und der
Steuerpflichtige dem isoliert widersprochen hat (Senatsurteil in
BFHE 262, 208, BStBl II 2019, 19 = SIS 18 16 77, Rz 13). Denn der isolierte Widerspruch des Schuldners
musste vom FA beseitigt werden, damit die angemeldeten Forderungen
nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden.
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d) Der streitgegenständliche
Feststellungsbescheid enthält auch keine Feststellungen, die
von der Ermächtigung in § 251 Abs. 3 AO nicht gedeckt
sind (s.o.). Das FA hat zutreffend festgestellt, dass die im
Einzelnen aufgeführten Steuerforderungen Insolvenzforderungen
sind und dass der Kläger wegen dieser Forderungen
gemäß § 370 AO wegen einer Steuerstraftat
rechtskräftig verurteilt worden ist.
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Dass die angemeldete Forderung höher ist
als der im Strafbefehl ausgewiesene Betrag, macht den
Feststellungsbescheid nicht rechtswidrig. Denn auch steuerliche
Nebenleistungen nach § 3 Abs. 4 AO, die nicht im Strafbefehl
bzw. im Urteil enthalten sind, werden von § 302 Nr. 1 InsO
erfasst (vgl. Senatsurteil in BFHE 262, 208, BStBl II 2019, 19 =
SIS 18 16 77, Rz 28; BGH-Urteil in
HFR 2021, 99 = SIS 21 00 15, Rz
33; anderer Ansicht Pape, Zeitschrift für das gesamte
Insolvenz- und Sanierungsrecht - ZInsO - 2021, 221, 230;
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 14.12.2018 - 7 U 58/17, ZInsO
2019, 797).
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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