Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Köln vom 21.02.2019 - 10 K 2174/17 = SIS 19 10 60 insoweit aufgehoben, als es die Gewerbesteuermessbescheide
2010, 2012 und 2014 sowie die Bescheide über die gesonderte
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.2011 bis zum 31.12.2014 betrifft.
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen, die Kosten des finanzgerichtlichen
Verfahrens haben die Klägerin zu 21 % und das Finanzamt zu 79
% zu tragen.
1
|
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine GmbH, die sich mit der Herstellung von
Verpackungsmitteln aus Kunststoffen befasst. An ihr sind die
Geschwister A und B beteiligt. Diese sind auch Gesellschafter einer
GbR, welche an die Klägerin im Rahmen einer
Betriebsaufspaltung Wirtschaftsgüter vermietet. Bei einer
Außenprüfung, die bei der Klägerin
durchgeführt wurde, waren u.a. Hinzurechnungen nach § 8
Nr. 1 Buchst. e des Gewerbesteuergesetzes in der für die
Streitjahre 2010 bis 2014 geltenden Fassung (GewStG) streitig. Die
Klägerin hatte in den Streitjahren von der GbR ein
Betriebsgebäude gemietet. Im Mietvertrag war u.a. vereinbart,
dass die Klägerin als Mieterin die Grundsteuer tragen sollte,
die sich auf Beträge von ... EUR (2010), ... EUR (2011), ...
EUR (2012) sowie ... EUR (2013 und 2014) belief. Der Beklagte und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) rechnete die Grundsteuer
zusammen mit den laufend zu zahlenden Miet- und Pachtzinsen nach
§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG dem Gewinn hinzu. In den
Wirtschaftsjahren 2011 und 2013 erzielte die Klägerin
Verluste, die sich in Bescheiden über die gesonderte
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.2011 bis zum 31.12.2014 niederschlugen. Darüber hinaus
griff das FA einen Sachverhalt auf, der nach seiner Ansicht zu
einer im Jahr 2010 anzusetzenden verdeckten Gewinnausschüttung
(vGA) führte. Die Feststellungen der Außenprüfung
hatten Änderungsbescheide zur Folge. Gegen die
gewerbesteuerliche Hinzurechnung der umgelegten Grundsteuer sowie
gegen die Berücksichtigung einer vGA bei der
Körperschaftsteuerveranlagung 2010 wandte sich die
Klägerin mit Einsprüchen, die ohne Erfolg blieben
(Einspruchsentscheidung vom 18.07.2016).
|
|
|
2
|
Die anschließend erhobene Klage hatte
sowohl hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen als
auch der vGA Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die
Hinzurechnung der auf die Klägerin umgelegten Grundsteuer sei
rechtswidrig. Eine Hinzurechnung sei nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung bei Instandhaltungsaufwendungen gerechtfertigt, die
vertragsgemäß vom Mieter zu zahlen seien. Bei der
Grundsteuer handele es sich um eine mehr oder weniger konstante
Position, die vom Grundstückseigentümer ertragsmindernd
geltend gemacht werden könne. Die nicht begründete
Aussage im Verwaltungserlass des Bundesministeriums der Finanzen
(BMF) vom 02.07.2012 (BStBl I 2012, 654 = SIS 12 18 68, Rz 29)
genüge nicht, um die vom FA vorgenommene Hinzurechnung zu
rechtfertigen. Das FG änderte die Gewerbesteuermessbescheide
2010, 2012 und 2014 sowie die Bescheide über die gesonderte
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.2011 bis 31.12.2014 dahingehend, dass die Hinzurechnung der
Grundsteuer unterblieb. Die Berechnung der Messbeträge bzw.
der vortragsfähigen Gewerbeverluste übertrug es dem FA.
Darüber hinaus verminderte das FG im Urteilstenor hinsichtlich
der Festsetzung der Körperschaftsteuer 2010 die Höhe der
vGA von ... EUR auf den von der Klägerin eingeräumten
Betrag von ... EUR. Bei der Gewerbesteuer nahm es keine
entsprechende Reduzierung vor.
|
|
|
3
|
Gegen das Urteil wendet sich das FA
insoweit mit der Revision, als es die Gewerbesteuer und die
gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen betrifft. Zur Begründung
trägt es vor, es sei kein Gleichheitsverstoß darin zu
sehen, dass von der Hinzurechnung auch die auf den Mieter umgelegte
Grundsteuer erfasst werde, während der Eigentümer die
Grundsteuer abziehen könne. Auch müssten die
Hinzurechnungsvorschriften nicht in der Weise
„folgerichtig“ ausgestaltet sein, dass vergleichbare
Betriebe in allen Sachverhaltskonstellationen in gleicher Weise mit
Gewerbesteuer belastet würden. Der Begriff der Miet- und
Pachtzinsen erfasse nicht nur die laufenden Miet- und
Pachtzahlungen, sondern auch solche Kosten, die nach dem
gesetzestypischen Lastenverteilungssystem eigentlich vom Vermieter
zu tragen seien, die aber aufgrund der vertraglichen Abmachungen
vom Mieter getragen würden.
|
|
|
4
|
Das FA hat am 04.11.2021 einen
geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2010 erlassen, durch den
der im FG-Urteil ausgesprochenen Verminderung der vGA auch in
gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht Rechnung getragen wird.
|
|
|
5
|
Das FA beantragt,
|
|
das angefochtene Urteil hinsichtlich der
Gewerbesteuermessbeträge 2010, 2012 und 2014 sowie der
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.2011 bis 31.12.2014 aufzuheben und die Klage insoweit
abzuweisen.
|
|
|
6
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
7
|
Sie ist der Ansicht, die unterschiedliche
Behandlung von Unternehmen mit eigenem Grundbesitz und solchen, die
Grundbesitz angemietet hätten, verstoße gegen das
Prinzip der gerechten und gleichmäßigen Besteuerung
gleicher wirtschaftlicher Sachverhalte. Mit der Klage solle nicht
belegt werden, dass § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG
verfassungswidrig sei, vielmehr gehe es um die Frage, ob die
Vorschrift es erlaube, die Grundsteuer beim Mieter dem
Gewerbeertrag hinzuzurechnen. In § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG
würden Miet- und Pachtzinsen genannt. Dies seien
wirtschaftlich die Mieten und Pachten, die der Eigentümer
für die Überlassung seines Eigentums erhalte. Durch
Einbeziehung der Nebenkosten würden Hinzurechnungen
„produziert“. Die in der Betriebskostenverordnung
aufgeführten umlagefähigen Nebenkosten seien nicht unter
§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG zu subsumieren.
|
|
|
8
|
II. Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich
des für das Jahr 2010 festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags
bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil der
nach Ergehen des FG-Urteils erlassene Änderungsbescheid vom
04.11.2021 an die Stelle des früheren Bescheids getreten ist.
Dem FG-Urteil liegt insoweit ein nicht mehr existierender Bescheid
zugrunde. Das FA hat im Revisionsverfahren durch Erlass eines nach
§ 35b Abs. 1 GewStG geänderten Bescheids die Konsequenz
daraus gezogen, dass die vom FA ursprünglich für das Jahr
2010 angenommene vGA auf ... EUR zu reduzieren war. Da die vom FG
festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch
die Änderung des angefochtenen Bescheids unberührt
geblieben sind, bedarf es jedoch keiner Zurückverweisung der
Sache gemäß § 127 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
(z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.05.2021 - I R
4/17, BFHE 273, 440, BFH/NV 2021, 1595 = SIS 21 16 94). Die vom FG
getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind aufgrund der
Aufhebung des FG-Urteils nicht weggefallen.
|
|
|
9
|
III. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit
dieses die Gewerbesteuermessbeträge 2010, 2012 und 2014 sowie
die Bescheide über die gesonderte Feststellung des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 bis zum
31.12.2014 betrifft (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Klage
ist insoweit abzuweisen. Das FG war zu Unrecht der Ansicht, die
vertraglich auf die Klägerin umgelegte Grundsteuer sei nicht
gewerbesteuerrechtlich hinzuzurechnen.
|
|
|
10
|
1. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG wird
zur Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein
Viertel der Summe aus der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen
(einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der
unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die
im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet, soweit die
Aufwendungen bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden
sind.
|
|
|
11
|
a) Der Begriff der Miet- und Pachtzinsen ist
nach der zu § 8 Nr. 7 GewStG a.F. ergangenen Rechtsprechung
wirtschaftlich zu verstehen. Er erfasst nicht nur die laufenden
Zahlungen des Mieters oder Pächters an den Vermieter oder
Verpächter. Vielmehr gehören auch die vom
Mieter/Pächter getragenen Aufwendungen zu den Miet- oder
Pachtzinsen, wenn und soweit sie aufgrund der für den
jeweiligen Vertragstyp gültigen zivilrechtlichen Vorschriften
nicht ohnehin vom Mieter/Pächter zu tragen wären. Es
handelt sich um solche Kosten, die nach dem gesetzestypischen
Lastenverteilungssystem eigentlich vom Vermieter/Verpächter zu
tragen wären, die aber nach dem im konkreten Fall
abgeschlossenen Vertrag vom Mieter/Pächter übernommen
worden sind (BFH-Urteil vom 27.11.1975 - IV R 192/71, BFHE 117,
474, BStBl II 1976, 220 = SIS 76 01 20; BFH-Beschlüsse vom
23.09.1998 - I B 34/98, BFH/NV 1999, 515 = SIS 98 55 75, und vom
23.01.2008 - I B 136/07, BFH/NV 2008, 1197 = SIS 08 25 21; s.a.
BFH-Urteil vom 21.06.2012 - IV R 54/09, BFHE 238, 194, BStBl II
2012, 692 = SIS 12 19 53). Die Rechtsprechung beruht auf der
Vorstellung, dass sich eine vom gesetzestypischen Normalfall
abweichende Kostenübernahme durch den Mieter/Pächter
mindernd auf die Miet-/Pachthöhe auswirkt (BFH-Urteil vom
18.08.2015 - I R 43/14, BFH/NV 2016, 232 = SIS 16 00 60, Rz 19;
Brandis/Heuermann/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 210).
|
|
|
12
|
b) Diese Grundsätze gelten auch für
die Neuregelung der Hinzurechnungsvorschriften bei unbeweglichen
Wirtschaftsgütern nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG durch
das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007,
1912). Auf der Grundlage der Rechtsprechung zu § 8 Nr. 7
GewStG a.F. hat der Senat entschieden, dass die Rechtsfrage, ob
Instandhaltungsaufwendungen, die der Mieter oder Pächter eines
Grundstücks aufgrund von vertraglichen Abmachungen und
entgegen der gesetzlichen Lastenverteilung zu tragen hat, als Miet-
und Pachtzinsen i.S. von § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG zu
beurteilen sind, zu bejahen ist (Senatsbeschluss vom 25.09.2018 -
III B 160/17, BFH/NV 2019, 40 = SIS 18 17 80). Bereits im Urteil in
BFH/NV 2016, 232 = SIS 16 00 60 hatte der BFH ausgeführt, dass
„nichts dagegen“ spreche, die einschlägige,
zu § 8 Nr. 7 GewStG a.F. ergangene Rechtsprechung auf die ab
Erhebungszeitraum 2008 geltende Rechtslage und somit auf § 8
Nr. 1 Buchst. e GewStG zu übertragen.
|
|
|
13
|
2. Zu den grundstücksbezogenen
Aufwendungen, die nach dem gesetzestypischen
Lastenverteilungssystem vom Vermieter/Verpächter zu tragen
sind und der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG
unterliegen, gehört auch die auf den Mieter/Pächter
überwälzte Grundsteuer.
|
|
|
14
|
a) In zivilrechtlicher Hinsicht hat der
Vermieter nach § 535 Abs. 1 Satz 3 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) die auf der Mietsache ruhenden Lasten, zu denen
auch die Grundsteuer gehört, zu tragen. Schuldner der
Grundsteuer ist nach § 10 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes
(GrStG) derjenige, dem das Grundstück bei der Feststellung des
Einheitswerts zugerechnet ist. Dies ist in der Regel der
Grundstückseigentümer (§ 39 Abs. 1 der
Abgabenordnung), d.h. der Vermieter/Verpächter. Allerdings
kann die Grundsteuer - wie im Streitfall geschehen - durch
vertragliche Vereinbarung überwälzt werden. In diesem
Fall gehört auch die wirtschaftlich vom Mieter/Pächter
getragene Grundsteuer zu der von ihm nach § 535 Abs. 2 BGB zu
entrichtenden Miete. Sie fließt damit in die nach § 8
Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnenden Miet- und Pachtzinsen ein
(ebenso FG Rheinland-Pfalz vom 09.08.2013 - 1 K 2461/11, DStRE
2017, 41 = SIS 15 21 67; Güroff in Glanegger/Güroff,
GewStG, 10. Aufl., § 8 Nr. 1 Buchst. d Rz 20;
Brandis/Heuermann/Hofmeister, a.a.O., Rz 211; Schreib, DB 2020,
519; BMF in BStBl I 2012, 654 = SIS 12 18 68, Rz 29).
|
|
|
15
|
b) Die Rechtsansicht des FG, wonach eine
Hinzurechnung der umgelegten Grundsteuer nicht gerechtfertigt sei,
weil die Klägerin dann höher besteuert würde als ein
vergleichbarer Gewerbetreibender, der mit eigenem Sachkapital
wirtschafte und die Grundsteuer ertragsmindernd geltend machen
könne, führt zu keiner anderen Beurteilung. Bereits im
Urteil vom 14.06.2018 - III R 35/15 (BFHE 261, 558, BStBl II 2018,
662 = SIS 18 12 17, Rz 22) hat der Senat darauf hingewiesen, dass
der Mieter oder Pächter von Grundbesitz einer höheren
Gewerbesteuerbelastung unterliegen kann als ein vergleichbarer
Gewerbetreibender, der mit eigenem Grundbesitz wirtschaftet, und
dass dies nicht als Gleichheitsverstoß (Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes) anzusehen ist (ebenso Senatsbeschluss vom 18.12.2019
- III R 33/17, BFH/NV 2020, 781 = SIS 20 07 31). Die
unterschiedliche Belastung ist im sog. Objektsteuercharakter der
Gewerbesteuer begründet, die in ihrer Grundstruktur und
herkömmlichen Ausgestaltung verfassungsrechtlich
gerechtfertigt ist (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts
vom 15.01.2008 - 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, Rz 76
ff., und vom 15.02.2016 - 1 BvL 8/12,
BStBl II 2016, 557 = SIS 16 12 06, Rz
27). Entgegen der Rechtsansicht des FG gilt die Überlegung,
dass die vertragliche Überwälzung von Nebenkosten vom
Vermieter/Verpächter auf den Mieter/Pächter sich
typischerweise in einer Verminderung des
„reinen“ Miet- oder Pachtzinses auswirkt,
für die Umlegung von Grundsteuer ebenso wie für
Instandhaltungsaufwendungen, bei denen der Senat die Hinzurechnung
bejaht hat (Senatsbeschluss in BFH/NV 2019, 40 = SIS 18 17 80).
|
|
|
16
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO und § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
|