Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 06.07.2017 - 10 K
10033/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) hatte bei der B-AG
(Anbieter) einen nach dem
Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierten
Altersvorsorgevertrag abgeschlossen. In sämtlichen
Zulageanträgen hatte der Anbieter maschinell
verschlüsselt angegeben, die Klägerin sei unmittelbar
zulageberechtigt. Dementsprechend zahlte die Beklagte und
Revisionsbeklagte (Deutsche Rentenversicherung Bund, Zentrale
Zulagenstelle für Altersvermögen - ZfA - ) u.a. für
die Beitragsjahre 2008 bis 2010 (Streitzeitraum) Zulagebeträge
in Höhe von jeweils 154 EUR an den Anbieter aus, der sie dem
Vertragskonto der Klägerin gutschrieb. Der
Altersvorsorgevertrag der Klägerin endete zum 1.5.2010. Sie
erhielt eine Einmalzahlung zur Abfindung einer
Kleinbetragsrente.
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Im Zuge der Überprüfung nach
§ 91 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stellte die ZfA im
Jahr 2011 fest, dass die Klägerin in keinem der in Rede
stehenden Beitragsjahre die Voraussetzungen für eine
Zulageberechtigung erfüllt habe. Mit Bescheid vom 14.11.2013
forderte die ZfA daher die gewährten Altersvorsorgezulagen
für 2008 bis 2010 in Höhe von insgesamt 462 EUR von der
Klägerin zurück.
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Ihren hiergegen eingelegten Einspruch
begründete die Klägerin damit, die Altersvorsorgezulage
für die genannten Jahre sei jeweils vom Anbieter unzutreffend
beantragt worden. Als Kunde habe sie sich mit den Details nicht
ausgekannt und sei der Meinung gewesen, dass alles seine
Richtigkeit habe. Der zweite Fehler liege bei der Behörde. Die
ZfA habe dem Antrag jeweils entsprochen und die Auszahlung
vorgenommen; eine Prüfung der Richtigkeit habe sie
versäumt. Ein solches behördliches Verhalten über
Jahre hinweg sei als grob fahrlässig anzusehen. Bei ihr, der
Klägerin, liege der Fehler jedenfalls nicht.
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Nach erfolglos durchgeführtem
Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit dem
in EFG 2018, 647 veröffentlichtem Urteil ab. Die
Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Klägerin auf
Rückzahlung der für die Beitragsjahre 2008, 2009 und 2010
erhaltenen Altersvorsorgezulage gemäß § 37 Abs. 2
der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 96 Abs. 1 EStG lägen
vor, da die Zulage der Klägerin - mangels Berechtigung - ohne
rechtlichen Grund gezahlt worden sei. Eine Rückforderung vom
Anbieter mittels Datensatzes gemäß § 90 Abs. 3 EStG
scheitere im Streitfall daran, dass der Altersvorsorgevertrag
bereits zum 1.5.2010 beendet gewesen sei. Gründe, die einer
Rückforderung entgegenstehen könnten, seien nicht
ersichtlich.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin
geltend, dem Anbieter sei bekannt gewesen, dass die
Zulagenberechtigung ab dem Jahr 2008 nicht mehr bestanden habe. Er
hätte daher die Zulage nicht mehr beantragen dürfen. Den
Wertungen des FG könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin
habe der ihr obliegenden Pflicht nach § 89 Abs. 1 Satz 5 EStG
genügt, den Anbieter über Änderungen der
Verhältnisse, die sich auf die Zulagenberechtigung auswirkten,
in Kenntnis zu setzen. Die (fehlerhafte) Beantragung für die
Beitragsjahre sei ohne ihre Mitwirkung erfolgt.
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Die Klägerin beantragt
(sinngemäß), das angefochtene Urteil, die
Einspruchsentscheidung vom 15.1.2014 und den Bescheid vom
14.11.2013 aufzuheben.
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Die ZfA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Behauptung, die fehlende
Zulageberechtigung der Klägerin sei dem Anbieter bekannt
gewesen, werde erstmals im Revisionsverfahren aufgestellt und sei
nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mehr
zu berücksichtigen. Im Übrigen ergebe sich aus dem
Schreiben des Anbieters vom 4.6.2014, dass die fehlerhafte Angabe
im Zulageantrag auf der Nichterfüllung der Mitwirkungs- bzw.
Mitteilungspflichten durch die Klägerin beruht habe.
Unabhängig davon erweise sich das Urteil des FG auf Grundlage
der erstinstanzlichen Feststellungen jedenfalls im Ergebnis als
zutreffend.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
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Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Voraussetzungen für die Rückforderung der für die
Beitragsjahre 2008 bis 2010 gewährten Zulagen von der
Klägerin nach dem - über § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG -
entsprechend anzuwendenden § 37 Abs. 2 AO vorliegen (unten
1.). Auf ein etwaiges schuldhaftes Verhalten der Klägerin oder
ihres Anbieters kommt es nicht an (unten 2.). Die
Rückforderung der Zulagen ist nicht nach Treu und Glauben
ausgeschlossen (unten 3.).
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1. Zutreffend hat das FG erkannt, dass
über § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG die Vorschrift des § 37
Abs. 2 AO entsprechend anzuwenden ist (unten a). Dessen
tatbestandliche Voraussetzungen für die Rückforderung der
für die Beitragsjahre 2008 bis 2010 gewährten Zulagen von
der Klägerin liegen vor (unten b).
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a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG sind auf
die Zulagen und die Rückzahlungsbeträge die für
Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend
anzuwenden.
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Da die AO gemäß § 1 Abs. 1
Satz 1 AO auch für Steuervergütungen gilt, finden im
Grundsatz sämtliche Vorschriften der AO entsprechende
Anwendung, soweit nicht Sonderregelungen vorgehen (vgl.
Senatsurteil vom 27.1.2016 - X R 23/14, BFH/NV 2016, 1018 = SIS 16 11 38, Rz 16; Bode in Bordewin/Brandt, EStG, § 96 Rz 2). Von
der Anwendung ist lediglich die Billigkeitsregelung in § 163
AO ausgenommen (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 EStG).
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Zu den danach entsprechend anzuwendenden
Vorschriften zählt § 37 Abs. 2 AO. Diese Vorschrift ist
im Fall der Rückforderung anwendbar, soweit die §§
93 bis 95 EStG keine speziellere Regelung enthalten (vgl. Bode,
a.a.O., § 96 Rz 2; Fischer in Kirchhof, EStG, 18. Aufl.,
§ 96 Rz 1; Blümich/Lindberg, § 96 EStG Rz 2).
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Vorliegend ist die Anwendung des § 37
Abs. 2 AO nicht durch die Altersvorsorgezulage betreffende
Sondervorschriften ausgeschlossen.
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aa) Die §§ 93 bis 95 EStG betreffen
Fälle schädlicher Verwendung und gleichgestellte
Sonderfälle der Rückzahlung. Ein solcher Sachverhalt ist
hier nicht gegeben, da die Einmalzahlung an die Klägerin zur
Abfindung einer Kleinbetragsrente gemäß § 93 Abs. 3
Satz 1 EStG nicht als schädliche Verwendung gilt.
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bb) Das FG hat zutreffend angenommen, dass
§ 90 Abs. 3 EStG vorliegend ebenfalls nicht eingreift. Zwar
berechtigt auch diese Vorschrift zur Rückforderung der Zulage,
wenn die ZfA nachträglich erkennt, dass der Zulagenanspruch
ganz oder teilweise nicht besteht. Die Rückforderung über
den Anbieter, der nach Mitteilung der ZfA mittels Datensatzes das
Konto des Zulageberechtigten zu belasten hat, setzt allerdings ein
bestehendes Vertragsverhältnis (vgl. § 90 Abs. 3 Satz 2
EStG) voraus. Im Streitfall war der Altersvorsorgevertrag bereits
zum 1.5.2010 beendet worden. Infolgedessen kam zum Zeitpunkt des
Erlasses des Rückforderungsbescheides eine Kontobelastung
nicht mehr in Betracht.
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Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass
§ 90 Abs. 3 EStG eine abschließende Sonderregelung zur
Rückforderung zu Unrecht gezahlter Zulagen darstellte.
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Die Vorschrift enthält keine
ausdrückliche Regelung für den Fall, dass das
Vertragsverhältnis zwischen Anbieter und Anleger nicht mehr
besteht. Die gesetzlichen Regelungen weisen dem Anbieter allerdings
keine uneingeschränkte (alleinige) Verantwortlichkeit für
die Rückforderung von Zulagen zu. Die in diese Richtung
weisende Auffassung, dass der Anbieter im Falle eines nicht mehr
bestehenden Vertragskontos gemäß § 90 Abs. 3 Satz 3
EStG verpflichtet sein sollte, ihm mitgeteilte
Rückforderungsbeträge bei der ZfA anzumelden und
gegebenenfalls auf eigene Kosten - vorbehaltlich einer den
Zulageempfänger treffenden Erstattungsregelung im
Altersvorsorgevertrag - abzuführen (so wohl
Blümich/Lindberg, a.a.O., § 90 Rz 4a), ohne dass der
Anleger diese Beträge dem Anleger noch über ein
(Vertrags-)Konto weiterbelasten könnte, überzeugt nicht
(ebenso Bode, a.a.O., § 90 Rz 13), zumal sie unter dem
Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bedenklich
wäre. Aus § 90 Abs. 3 EStG ergibt sich keine generelle
Haftung des Anbieters für Rückforderungsbeträge im
Fall nicht mehr bestehender Vertragsverhältnisse. Vielmehr
haftet der Anbieter als Gesamtschuldner neben dem
Zulageempfänger gemäß § 96 Abs. 2 EStG der ZfA
gegenüber nur für diejenigen Zulagen, die wegen einer
vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung zu
Unrecht gezahlt oder nicht zurückgezahlt worden sind.
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Vor diesem Hintergrund steht § 90 Abs. 3
EStG einer Auslegung, dass nach Beendigung bzw. Abwicklung des
Altersvorsorgevertrags unberechtigt gezahlte Zulagen vom
Zulageempfänger nach der - über § 96 Abs. 1 Satz 1
EStG - entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO
zurückzufordern sind, nicht entgegen (vgl. Bode, a.a.O.,
§ 90 Rz 13; Braun in Herrmann/Heuer/Raupach, § 90 EStG Rz
7; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 21.12.2017 -
IV C 3-S 2015/17/10001:005, BStBl I 2018, 93 = SIS 17 24 34, Rz
291).
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cc) Die weitere Frage, ob der Gesetzgeber
(nunmehr) ggf. mit § 90 Abs. 3a EStG bewusst und
abschließend geregelt hat, wann eine Rückforderung beim
Zulageempfänger möglich sein soll, so dass ein
Rückgriff auf die allgemeinere Vorschrift des § 37 Abs. 2
AO nicht mehr zulässig wäre (so Geisenberger in BeckOK
EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 90 Rz 70), bedarf im
Streitfall keiner Entscheidung. § 90 Abs. 3a EStG ist nach
Art. 17 Abs. 5 und 1 i.V.m. Art. 9 Nr. 11 Buchst. b des Gesetzes
zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur
Änderung anderer Gesetze - Betriebsrentenstärkungsgesetz
- vom 17.8.2017 (BGBl I 2017, 3214) erst mit Wirkung zum 1.1.2018
in Kraft getreten und somit im Streitfall nicht zu
berücksichtigen.
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des
§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO für die Rückforderung der
für die Beitragsjahre 2008 bis 2010 gewährten Zulagen von
der Klägerin sind erfüllt.
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aa) Nach dieser Vorschrift hat derjenige, auf
dessen Rechnung die Zahlung u.a. einer Steuervergütung bewirkt
worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf
Erstattung des gezahlten Betrages, wenn ohne Rechtsgrund gezahlt
worden ist.
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bb) Leistungsempfänger i.S. des § 37
Abs. 2 AO ist derjenige, dem gegenüber die Finanzbehörde
ihre - vermeintlich oder tatsächlich bestehende -
abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will (vgl.
Senatsurteil vom 12.12.2017 - X R 25/16, BFH/NV 2018, 723 = SIS 18 05 18, Rz 26; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.3.2016 -
III R 29/15, BFH/NV 2016, 1278 = SIS 16 16 61, Rz 18, m.w.N.).
Demnach ist ein Dritter als tatsächlicher Empfänger einer
Zahlung dann nicht Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs.
2 AO, wenn die Behörde u.a. auf Grund einer Zahlungsanweisung
des Erstattungs- bzw. Vergütungsberechtigten einem Dritten
zahlt. Denn auch in einem derartigen Fall erbringt die
Finanzbehörde ihre Leistung mit dem Willen, eine Forderung
gegenüber dem tatsächlichen Rechtsinhaber zu
erfüllen. Da der durch die Anweisung begünstigte
Zahlungsempfänger den Zahlungsanspruch nicht aus eigenem Recht
geltend machen kann und die Leistung mit dem Willlen erbracht wird,
eine Forderung gegenüber dem tatsächlichen Rechtsinhaber
mit befreiender Wirkung zu erfüllen, ist nicht der
Empfänger der Zahlung, sondern der nach materiellem Recht
Erstattungs- bzw. Vergütungsberechtigte als
Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO anzusehen
(vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 1278 = SIS 16 16 61, Rz 18).
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cc) Bei der Frage, ob eine Steuer oder eine
Steuervergütung i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ohne
rechtlichen Grund gezahlt worden ist, kommt es nach der sog.
formellen Rechtsgrundtheorie grundsätzlich nur auf die
Bescheidlage an (vgl. BFH-Urteil vom 14.3.2012 - XI R 6/10, BFHE
237, 296, BStBl II 2014, 607 = SIS 12 22 07, Rz 19 ). Nach der sog.
materiellen Rechtsgrundtheorie fehlt der rechtliche Grund, wenn
nach materiellem Recht kein entsprechender Anspruch auf die
Leistung besteht (vgl. BFH-Urteil vom 6.2.1996 - VII R 50/95, BFHE
179, 556, BStBl II 1997, 112 = SIS 96 14 55, unter 2.; Drüen
in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 37 AO
Rz 27).
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Im Streitfall ist die Klägerin als
Leistungsempfängerin i.S. des § 37 Abs. 2 AO anzusehen.
Zwar wurden ihr die Zulagen nicht unmittelbar ausgezahlt, sondern
dem Vertragskonto bei ihrem Anbieter gutgeschrieben. Entscheidend
ist aber, dass die ZfA die Zulagen für die Beitragsjahre zur
Erfüllung eines (vermeintlichen) Anspruchs der Klägerin
geleistet hatte. Die Zulagen wurden für die Beitragsjahre 2008
bis 2010 ohne rechtlichen Grund gezahlt, da keine Zulagebescheide
für das Behaltendürfen vorhanden sind bzw. - unstreitig -
die Klägerin weder unmittelbar noch mittelbar zulageberechtigt
ist.
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2. Auf ein schuldhaftes Verhalten der
Klägerin oder ihres Anbieters kommt es nicht an.
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a) § 37 Abs. 2 AO setzt kein Verschulden
auf Seiten des Leistungsempfängers voraus. Der
Rückzahlungsanspruch besteht vielmehr auch dann, wenn den
Leistungsempfänger an der Fehlleistung kein Verschulden trifft
bzw. wenn er diese nicht einmal erkannt hat (vgl. BFH-Urteil in
BFH/NV 2016, 1278 = SIS 16 16 61, Rz 24). Der
Rückforderungsanspruch ist Ausdruck eines übergeordneten
und allgemein herrschenden Prinzips, dass derjenige, der vom Staat
auf Kosten der Allgemeinheit etwas erhalten hat, grundsätzlich
verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen (vgl.
BFH-Urteil vom 6.12.1988 - VII R 206/83, BFHE 155, 40, BStBl II
1989, 223 = SIS 89 04 55, unter II.1.).
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b) Nach dem Vorstehenden kommt es auf die
Frage, ob die Klägerin im Hinblick auf eine Verletzung ihrer
Mitteilungspflicht gegenüber ihrem Anbieter ein (eigenes)
Verschulden an der rechtsgrundlosen Zulagezahlung trifft oder ob
ihr - wie erstmals im Revisionsverfahren behauptet - ein
Verschulden ihres Anbieters, dem die fehlende Zulageberechtigung
bei Beantragung bekannt gewesen sei, zuzurechnen wäre, nicht
an. Im Übrigen wäre der Senat - was den neuen Vortrag
anbelangt - gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die
tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden, da
diesbezüglich keine Verfahrensrügen erhoben worden
sind.
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3. Der auch im Steuerrecht zu beachtende
Grundsatz von Treu und Glauben steht der Rückforderung der
Zulagen nicht entgegen.
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a) Vorliegend käme als Ausprägung
dieses Grundsatzes allein eine Verwirkung des
Rückforderungsanspruchs der ZfA in Betracht.
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Eine Verwirkung setzt voraus, dass sich der -
hier zur Rückerstattung gemäß § 37 Abs. 2 AO -
Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des
Erstattungsberechtigten darauf verlassen durfte und verlassen hat,
dass dieser das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde. Der
Zeitablauf allein (Zeitmoment) reicht für die Annahme der
Verwirkung eines Rückforderungsanspruchs grundsätzlich
nicht aus. Hinzu kommen muss ein Verhalten des Berechtigten, aus
dem der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen
darf, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden soll
(Umstandsmoment oder Vertrauenstatbestand). Schließlich muss
der Verpflichtete auch tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung
des Anspruchs vertraut und sich entsprechend eingerichtet haben
(vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2003 - VIII R 56/01, BFHE 203, 472,
BStBl II 2004, 123 = SIS 03 52 11, unter II.3.b aa).
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b) Nach diesen Maßstäben ist im
Streitfall keine Verwirkung eingetreten.
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Es fehlt an einem Verhalten der ZfA, aus dem
die Klägerin bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen
durfte, die zu Unrecht ausgezahlten Zulagen würden ihr
belassen.
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Allein aus dem Umstand, dass die Behörde
- über mehrere Jahre hinweg - ohne Prüfung der
Berechtigung eine Auszahlung der Zulagen zugunsten der
Klägerin vornahm, konnte die Klägerin - bei objektiver
Beurteilung - nicht herleiten, die ZfA werde zukünftig in
jedem Fall auf eine solche Prüfung und die Rückforderung
unberechtigt erhaltener Zulagen verzichten. Denn der hier gegebene
Verfahrensablauf entspricht - worauf das FG zutreffend hingewiesen
hat - in typischer Weise der gesetzlichen Ausgestaltung des
Zulageverfahrens, so dass daraus kein besonderer
Vertrauenstatbestand abgeleitet werden kann.
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aa) Nach den gesetzlichen Regelungen über
den dreistufigen Verfahrensablauf ermittelt die ZfA auf der ersten
Stufe auf Grund der von ihr erhobenen oder der ihr
übermittelten Daten - ohne Prüfung der Richtigkeit dieser
Daten -, ob und in welcher Höhe ein Zulageanspruch besteht
(§ 90 Abs. 1 Satz 1 EStG) und veranlasst beim Bestehen eines
solchen Anspruchs die Auszahlung an den Anbieter zugunsten des
Zulageberechtigten, ohne dass in diesen Fällen ein gesonderter
Zulagenbescheid erginge (vgl. § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2
EStG). Als zweite Stufe sieht § 91 EStG ausdrücklich ein
Verfahren der „Überprüfung der Zulage“
vor. Hierzu übermitteln bestimmte öffentliche Stellen der
ZfA weitere Daten. Die ZfA nimmt einen automatisierten
Datenabgleich vor (§ 91 Abs. 1 Satz 2 EStG). Das Ergebnis
dieses Datenabgleichs kann eine Rückforderung der bereits
ausgezahlten Zulage vom Anbieter gemäß § 90 Abs. 3
EStG zur Folge haben (vgl. Senatsurteil vom 22.10.2014 - X R 18/14,
BFHE 247, 312, BStBl II 2015, 371 = SIS 14 33 06, Rz 38 ff.) oder -
wie vorliegend - - eine Rückforderung nach § 96 Abs. 1
Satz 1 EStG i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO.
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bb) Hiernach war im Streitfall die - auf Grund
der Angaben des Anbieters im jeweiligen Antrag veranlasste -
Zulagenauszahlung ohne Berechtigungsprüfung nicht
verfahrensfehlerhaft. Insbesondere musste die Klägerin
nachfolgend noch mit einer Überprüfung der Richtigkeit
der Zulagengewährung und einer etwaigen Rückforderung
rechnen. Daher war sie in ihrem Vertrauen auf ein
Behaltendürfen der Zulagen nicht schutzwürdig.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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