Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts München vom 11.04.2018 - 4 K 103/18
= SIS 18 11 51wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag
vom 07.08.2007 erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) Grundvermögen zum Kaufpreis von 49.547.500
EUR. Der Kaufpreis war am 31.08.2007 in voller Höhe zur
Zahlung fällig. Außerdem verpflichtete sich die
Klägerin, die aufgrund des vom Grundstücksverkäufer
mit einem Dritten abgeschlossenen Vorerwerbvertrages anfallende
Grunderwerbsteuer in Höhe von 1.452.500 EUR zu bezahlen, sowie
die dem Verkäufer im Zusammenhang mit der Erstellung von
Due-Diligence-Berichten entstehenden Kosten anteilig zu
erstatten.
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Der ursprünglich unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung erlassene Grunderwerbsteuerbescheid vom
11.09.2007 wurde durch Bescheid vom 15.11.2007 geändert. Mit
diesem setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -
FA - ) die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin ausgehend von
einer Gegenleistung von 51.084.795 EUR (Kaufpreis in Höhe von
49.547.500 EUR, übernommene Grunderwerbsteuer aus dem
Vorerwerb in Höhe von 1.452.500 EUR und dem Verkäufer
erstattete Kosten einer Due-Diligence in Höhe von 84.795 EUR)
auf 1.787.967 EUR herauf. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde
aufgehoben.
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Am 24.02.2009 wurde ein notariell
beurkundeter Vergleich zwischen der Klägerin und dem
Verkäufer geschlossen, aufgrund dessen 2.113.499,72 EUR des
Kaufpreises am 25. und 26.02.2009 an die Klägerin
zurückgezahlt wurden. Mit Schreiben vom 13.09.2012 beantragte
die Klägerin eine Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids
vom 15.11.2007 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der
Abgabenordnung (AO), da der Grundstückskaufpreis
nachträglich gemindert worden sei.
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Das FA lehnte am 11.10.2012 den Antrag
mangels Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses i.S. des
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ab. Einen Antrag auf
Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids gemäß
§ 16 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) habe die
Klägerin zu spät gestellt.
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Der Einspruch (Einspruchsentscheidung vom
16.04.2013) und die Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht
(FG) führte in seiner Begründung im Wesentlichen aus,
dass der Abschluss des Vergleichs im Streitfall kein Ereignis mit
steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit darstelle, da auch
die Ausübung des Gestaltungsrechts der Minderung kein Ereignis
sei, das auf den Zeitpunkt des Grundstückserwerbs
zurückwirke. Eine Berücksichtigung dieser Vereinbarung
mit Wirkung für die Zukunft hätte nach § 16 Abs. 3
Nr. 1 GrEStG erfolgen können. Jedoch habe die Klägerin
versäumt, den erforderlichen Antrag auf Herabsetzung der
Grunderwerbsteuer innerhalb der Festsetzungsfrist zu stellen. Das
Urteil ist in EFG 2018, 1461 = SIS 18 11 51
veröffentlicht.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO).
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Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung und den Ablehnungsbescheid vom 11.10.2012 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.04.2013 aufzuheben und
den Bescheid vom 15.11.2007 dahingehend zu ändern, dass die
Grunderwerbsteuer auf 1.713.995 EUR herabgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass die Klägerin keinen Anspruch auf Änderung des
bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheids vom 15.11.2007
hat. Ein solcher ergibt sich weder aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 AO noch aus § 16 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG.
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1. Ein Steuerbescheid ist zu ändern,
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die
Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis; § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO).
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a) Zu den rückwirkenden Ereignissen
zählen alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge, aber auch
tatsächliche Lebensvorgänge, die steuerrechtlich -
ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen - in der Weise
Rückwirkung entfalten, dass nunmehr der veränderte
anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung
zugrunde zu legen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
12.05.2016 - II R 39/14, BFHE 255, 286, BStBl II 2017, 63 = SIS 16 21 26, Rz 18, m.w.N.). Ein nachträgliches Ereignis mit
steuerrechtlicher Rückwirkung muss demgemäß zu
einer Änderung des Sachverhalts führen, den die
Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat,
und nicht nur zu einer veränderten (rechtlichen) Beurteilung
des nämlichen Sachverhalts (vgl. BFH-Urteile vom 17.05.2017 -
II R 60/15, BFH/NV 2017, 1299 = SIS 17 15 58, Rz 17, und vom
12.03.2019 - IX R 2/18, BFH/NV 2019, 1073 = SIS 19 11 92, Rz 22,
jeweils m.w.N.).
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Eine Änderung des nach dem
Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts kann insbesondere
dann zu einer rückwirkenden Änderung steuerrechtlicher
Rechtsfolgen führen, wenn Steuertatbestände an einen
einmaligen Vorgang anknüpfen (Beschluss des Großen
Senats des BFH vom 19.07.1993 - GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II
1993, 897 = SIS 93 23 33, unter C.II.1.d; BFH-Urteil vom 11.07.2019
- II R 36/16, BFHE 265, 430, BStBl II 2020, 391 = SIS 19 18 29, Rz
24).
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b) Ob einer nachträglichen Änderung
eines Sachverhalts rückwirkende steuerrechtliche Bedeutung
zukommt, ob mithin eine solche Änderung dazu führt, dass
bereits eingetretene steuerrechtliche Rechtsfolgen mit Wirkung
für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig
entfallen, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen
materiellen Recht. Nach diesem ist zu beurteilen, ob zum einen eine
Änderung des ursprünglich gegebenen Sachverhalts den
Steuertatbestand überhaupt betrifft und ob darüber hinaus
der nach § 38 AO bereits entstandene materielle Steueranspruch
mit steuerrechtlicher Rückwirkung noch geändert werden
oder entfallen kann (BFH-Urteile in BFHE 255, 286, BStBl II 2017,
63 = SIS 16 21 26, Rz 18; in BFH/NV 2017, 1299 = SIS 17 15 58, Rz
20; in BFH/NV 2019, 1073 = SIS 19 11 92, Rz 22, und in BFHE 265,
430, BStBl II 2020, 391 = SIS 19 18 29, Rz 24, jeweils m.w.N.).
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Der Umstand, dass einem Ereignis
ertragssteuerrechtlich Rückwirkung zukommt, ist somit für
Zwecke der Grunderwerbsteuer nicht ausschlaggebend (vgl.
BFH-Beschluss vom 04.11.2019 - II B 48/19, BFH/NV 2020, 182 = SIS 20 00 49, Rz 13).
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c) Die Herabsetzung der Gegenleistung i.S. des
§ 16 Abs. 3 GrEStG ermöglicht nach der insoweit
zwingenden gesetzlichen Systematik keine Änderung nach §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Das folgt aus § 16 Abs. 4 GrEStG
und § 175 Abs. 1 Satz 2 AO und entspricht dem Grundsatz, dass
die steuerrechtliche Wirkung für die Vergangenheit autonom
für das jeweilige materielle Steuergesetz zu beurteilen ist
(vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2020, 182 = SIS 20 00 49, Rz 16).
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aa) § 16 Abs. 3 GrEStG lässt als
spezialgesetzliche Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG unter den
dort näher aufgeführten Voraussetzungen auf Antrag die
Änderung einer Steuerfestsetzung zu, wenn die Gegenleistung
nach Entstehung der Steuer herabgesetzt wird. Eine
nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung erlaubt aber nur
dann eine Änderung der Steuerfestsetzung, wenn die
Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der
Steuer stattfindet (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) oder wenn die
Herabsetzung (Minderung) aufgrund des § 437 des
Bürgerlichen Gesetzbuches vollzogen wird (§ 16 Abs. 3 Nr.
2 GrEStG). Tritt ein Ereignis ein, das nach § 16 Abs. 3 GrEStG
die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung
begründet, endet die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis
171 AO) insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt
des Ereignisses (§ 16 Abs. 4 GrEStG).
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bb) Wäre ein Ereignis, das nach § 16
Abs. 1 bis 3 GrEStG die Aufhebung oder Änderung einer
Steuerfestsetzung begründet, namentlich die Herabsetzung der
Gegenleistung, ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, liefe § 16 Abs. 4 GrEStG ausnahmslos
leer. Denn mit dem Ende des Kalenderjahres einer
Kaufpreisherabsetzung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG würde
dann die vierjährige Festsetzungsverjährung nach §
169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO erneut beginnen. Damit bedürfte es
des § 16 Abs. 4 GrEStG nicht, wonach die Festsetzungsfrist
(§§ 169 bis 171 AO) lediglich nicht vor Ablauf eines
Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses endet. Eine Auslegung, mit
der eine gesetzliche Vorschrift jeglichen Anwendungsbereich
verlöre, widerspräche der gesetzlichen Systematik, kann
von Gesetzes wegen nicht gewollt sein und wäre offenkundig
unzutreffend (BFH-Beschluss in BFH/NV 2020, 182 = SIS 20 00 49, Rz
19).
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d) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat
das FG zu Recht ausgeführt, dass im Streitfall eine
Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 15.11.2007 nach
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht möglich war, da die
Herabsetzung des Kaufpreises durch notariell beurkundeten Vergleich
vom 24.02.2009 kein rückwirkendes Ereignis i.S. dieser
Vorschrift darstellt.
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e) Die Änderung des Bescheids kann auch
nicht auf § 16 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG gestützt
werden.
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Unstreitig hat die Klägerin den für
§ 16 Abs. 3 GrEStG notwendigen Antrag nicht innerhalb der
Festsetzungsfrist gestellt. Da der steuerpflichtige Erwerb im
August 2007 erfolgte und dem FA angezeigt wurde, begann die
vierjährige Festsetzungsfrist (vgl. § 169 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 AO) nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des
Jahres 2007 zu laufen und endete mit Ablauf des 31.12.2011. Ein
späterer Ablauf der Festsetzungsfrist ergibt sich auch nicht
aus § 16 Abs. 4 GrEStG, da die Herabsetzung des Kaufpreises
durch den notariell beurkundeten Vergleich am 24.02.2009 sowie die
Rückzahlung des anteiligen Kaufpreises am 25. und 26.02.2009
erfolgten und die Jahresfrist noch innerhalb der regulären
Festsetzungsfrist ablief. Der von der Klägerin am 13.09.2012
gestellte Antrag war - zwischen den Beteiligten unstreitig -
verspätet.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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