Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 10.04.2018 - 7 K 1385/17
aufgehoben.
Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Kelterei und stellte im Zeitraum vom
01.01.2011 bis zum 15.09.2016 ein Biermischgetränk aus
Vollbier und Kirschsaftkonzentrat her. In diesem Zeitraum bezog sie
von Dritten 8.210,40 hl voll versteuertes Bier. Ein Steuerlager
hatte die Klägerin nicht angemeldet.
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Das Biermischgetränk wurde in einem
mehrstufigen Prozess gewonnen, bei dem es zu einem Verlust an
eingesetzter Flüssigkeit von etwa 18,82 % kam. Zunächst
wurde das eingesetzte Bier mit dem Kirschsaftkonzentrat im
Mischungsverhältnis von 1:1 in einem Tank vermischt, wobei
eine Eiweiß-Gerbstoffreaktion mit der Folge einer starken
Ausflockung stattfand. Deshalb wurde die Mischung zur Klärung
vom Tank durch Leitungen über eine Zentrifuge geleitet, in der
der Flockentrub abgeschieden und entsorgt wurde. Anschließend
wurde die nun klare Mischung in einen anderen Tank weitergeleitet,
von dort aus in Flaschen à 0,33 l abgefüllt und danach
in den Flaschen pasteurisiert. Auch hier kam es zu weiteren
Verlusten aufgrund von Abfüllverlusten oder geplatzten
Flaschen. Außerdem musste eine gewisse Biermenge zum Zweck
der Reinigung durch die Anlage laufen.
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Mit Bescheid vom 08.12.2016 setzte der
Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA - )
Biersteuer in Höhe von 142.039,92 EUR für eine steuerbare
Menge von 16.420,80 hl fest. Das Einspruchsverfahren blieb
erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) urteilte, der
Steuerbescheid sei rechtswidrig. Die Abfüllung des fertigen
Produkts in Flaschen sei Teil des Herstellungsprozesses. Der
Produktionsverlust werde nicht als Bier verwendet, sondern sei wie
der festgestellte Schwund bei der Herstellung von Bier in einem
Bierlager bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen
unberücksichtigt zu lassen. Die Verbrauchsteuerpflichtigkeit
eines Erzeugnisses trete erst mit der Vollendung der Herstellung
ein. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb der
Herstellungsbegriff unterschiedlich ausgelegt werden sollte, je
nachdem, ob das Produkt außerhalb oder im Rahmen eines
bewilligten Steuerlagers produziert werde. Da der
Produktionsverlust demnach bereits kein Teil der steuerbaren Menge
sei, komme es auf § 14 Abs. 3 des Biersteuergesetzes in der in
den Streitjahren maßgeblichen Fassung (BierStG) i.V.m. §
10 Abs. 1 der Biersteuerverordnung (BierStV) betreffend die
vollständige Zerstörung, den unwiederbringlichen Verlust
und die Vernichtung nicht an. § 2 Satz 2 BierStV, wonach die
steuerbare Menge des Bieres unter bestimmten Voraussetzungen nicht
nach dem Raumgehalt der Umschließung ermittelt werde, sei im
Streitfall nicht anwendbar, weil nur Steuerlagerinhabern genehmigt
werden könne, die steuerbare Menge abweichend zu ermitteln.
Die Klägerin sei jedoch in der streitgegenständlichen
Zeit nicht Inhaberin eines Steuerlagers gewesen. Ferner sei weder
ersichtlich, dass das HZA sein Ermessen ausgeübt habe, noch,
dass eine tatsächliche Zulassungsentscheidung getroffen oder
bekannt gegeben worden sei. Somit bestimme sich im Streitfall die
steuerbare Menge nach der Füllmenge der
Fertigpackungen.
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Das HZA begründet seine Revision mit
der unrichtigen Anwendung von § 14 BierStG und § 2
BierStV. Ein Mischgetränk, das aus Bier der Pos. 2203 der
Kombinierten Nomenklatur (KN) und einem nichtalkoholischen
Getränk bestehe und der Pos. 2206 KN zuzuordnen sei, sei Bier
i.S. des BierStG und unterliege mit seinem gesamten Volumen der
Biersteuer. Die Steuer entstehe mit der Überführung des
Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr, die im Streitfall in
der Herstellung ohne Erlaubnis liege. Die Herstellung bzw.
Bearbeitung sei bereits mit dem Vermischen des bezogenen Bieres mit
dem Kirschfruchtsaftkonzentrat im Tank vollendet, da in diesem
Zeitpunkt ein Erzeugnis der Pos. 2206 KN vorliege. Das
Bier-Fruchtsaft-Gemisch sei als Steuergegenstand zu bewerten, auch
wenn es nach der Verkehrsauffassung möglicherweise noch als
unfertig anzusehen wäre. Der vom FG zitierte Beschluss des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31.08.1955 - V z 171/53 U (BFHE 61, 297
= SIS 55 01 86) sei unter dem Regime des BierStG 1952 ergangen, dem
die Herstellung im steuerrechtlich freien Verkehr sowie
Biermischgetränke fremd gewesen seien. Entgegen der Richtlinie
2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 (RL 2008/118) über das
allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie
92/12/ EWG (Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU - Nr. L 9
vom 14.01.2009, S. 12 bis 30), nach der nur bei einem Verlust im
Verfahren der Steueraussetzung keine Steuer entstehe, setze der
Wortlaut von § 14 Abs. 3 BierStG das Vorhandensein von Bier
und damit die vorherige Vollendung des entsprechenden
Herstellungsprozesses voraus. Da die Biermischung als neuer
Steuergegenstand bei der Herstellung ohne Erlaubnis bereits im
Zeitpunkt der Steuerentstehung in den steuerrechtlich freien
Verkehr überführt werde, gehe die in § 10 Abs. 1
Satz 1 BierStV normierte Anzeige- und Nachweispflicht des
Herstellers ohne Erlaubnis ins Leere, denn die bereits entstandene
Steuer könne bezüglich der im weiteren Produktionsverlauf
aufgetretenen Verluste grundsätzlich nicht mehr
rückwirkend entfallen. Der Anwendungsbereich von § 2 Satz
1 zweiter Halbsatz BierStV sei teleologisch auf Bier zu reduzieren,
das aus dem Verfahren der Steueraussetzung in den steuerrechtlich
freien Verkehr überführt werde. Im früheren
Biersteuerrecht habe es das Rechtsinstitut des Herstellens ohne
Erlaubnis nicht gegeben, so dass seinerzeit die Biersteuer mit der
Entfernung aus oder dem Verbrauch in der Brauerei entstanden sei.
Dabei sei jede Form der Bierherstellung als Brauerei angesehen
worden. Bei der Einführung des Steueraussetzungsverfahrens und
der Herstellung im Steuerlager sei es versäumt worden, die
Anwendung von § 2 Satz 1 BierStV auf Bier zu beschränken,
das aus dem Steueraussetzungsverfahren in den steuerrechtlich
freien Verkehr überführt werde. Es existiere aktuell
keine Norm, die die Ermittlung der steuerpflichtigen Menge bei der
Herstellung von Bier ohne Erlaubnis zutreffend regle. Der
Ermittlung der steuerpflichtigen Menge sei daher zugunsten der
Klägerin nicht der (volle) Raumgehalt des Mischungstanks,
sondern die tatsächlich erzeugten Mengen des
Biermischgetränks zugrunde gelegt worden.
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Das HZA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Zur Auslegung des Zolltarifs habe der BFH
gefordert, dass für das Getränk Bier auf den
Verwendungszweck des Erzeugnisses abzustellen sei. Gemäß
der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
(EuGH) zur Auslegung der Pos. 2202 KN sei bei Getränken
zusätzlich das Erfordernis zu beachten, dass diese zum
menschlichen Genuss geeignet und bestimmt sein müssten. Daher
sei nicht nur die generelle Genießbarkeit, sondern auch die
Bestimmung, als trinkfertiges Erzeugnis dem Verbraucher angeboten
zu werden, zu fordern. Das mit Flockentrub versetzte
Biermischgetränk sei weder zum menschlichen Genuss geeignet
noch dazu bestimmt und könne somit nicht als Getränk i.S.
des Kap. 22 KN angesehen werden. Daher handele es sich zu diesem
Zeitpunkt nicht um einen tauglichen Steuergegenstand i.S. des
BierStG. Auch bei alkoholfreiem Bier werde auf das fertige
Endprodukt abgestellt, obwohl im Laufe des Herstellungsprozesses
als potentieller Steuergegenstand Bier existiere. Für ein
Redaktionsversehen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit § 2
BierStV bestünden keine Anhaltspunkte. § 14 BierStG sei
schon deshalb nicht anwendbar, weil der produktionsbedingte Schwund
kein Teil der steuerbaren Menge sei. Eine unterschiedliche
Bewertung des Steuerentstehungszeitpunktes im Rahmen des
Herstellungsprozesses mit der Folge, dass produktionsbedingte
Verluste nur bei der Herstellung innerhalb eines Steuerlagers
relevant seien, habe sanktionierenden Charakter.
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Nach Einlegung der Revision hat das HZA mit
Bescheid vom 19.08.2019 die Steuerfestsetzung von 142.039,92 EUR
auf 64.533,74 EUR reduziert, weil der EuGH mit Urteil Kompania
Piwowarska C-30/17 (EU:C:2018:325, ZfZ 2018, 242) entschieden hat,
dass zur Bestimmung der Grad Plato eines aromatisierten Bieres nur
der Trockenextrakt der Stammwürze berücksichtigt werden
dürfe, während Aromen und Zucker, die nach der
Gärung zugegeben würden, bei der Bestimmung der Grad
Plato nicht zu berücksichtigen seien.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend
auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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II. Die Revision des HZA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die
Vorentscheidung verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1
FGO).
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1. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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2. Die Vorentscheidung ist bereits aus
verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.
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Das HZA hat den streitgegenständlichen
Biersteuerbescheid während des Revisionsverfahrens mit
Bescheid vom 19.08.2019 geändert. Damit liegt dem FG-Urteil
ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde mit der
Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen Bestand mehr haben
kann; der Senat kann jedoch auf der Grundlage der gleichwohl
fortgeltenden finanzgerichtlichen Feststellungen entscheiden (vgl.
z.B. BFH-Urteile vom 12.09.2007 - VIII R 38/04, BFH/NV 2008, 37 =
SIS 08 04 60, m.w.N., und vom 11.07.2012 - XI R 17/09, BFH/NV 2013,
266 = SIS 13 01 92). Der Bescheid vom 19.08.2019 wurde nach §
68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des
Revisionsverfahrens. Das angefochtene Urteil ist daher
gegenstandslos und aufzuheben. Einer Zurückverweisung der
Sache an das FG gemäß § 127 FGO bedürfte es
allein aus diesem Grund jedoch nicht, weil sich aufgrund des
Änderungsbescheids an dem zwischen den Beteiligten streitigen
Punkt nichts geändert und die Klägerin keinen
weitergehenden Antrag gestellt hat. Die vom FG getroffenen
tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage
für die Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung
des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das
finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet
(vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2018 - II R 34/15, BFHE 263, 273 = SIS 19 02 12).
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3. Verluste, die nach der Herstellung eines
verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisses eintreten, sind nicht
steuermindernd zu berücksichtigen. Die Bestimmung des
Steuergegenstands bei der Biersteuer richtet sich nach den Vorgaben
der KN.
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Gemäß § 14 Abs. 1 BierStG
entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung des
Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr, es sei denn, es
schließt sich eine Steuerbefreiung an. Nach § 14 Abs. 2
Nr. 2 BierStG wird Bier in den steuerrechtlich freien Verkehr
überführt durch die Herstellung ohne Erlaubnis nach
§ 5 BierStG. Für die Entstehung der Steuer nach dieser
Vorschrift kommt es demnach auf den Zeitpunkt an, in dem der
Steuergegenstand Bier erstmals vorliegt.
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Bier im Sinne des Gesetzes sind
gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BierStG Erzeugnisse der Pos.
2203 KN und gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BierStG
Mischungen von Bier im Sinne der Nr. 1 mit nichtalkoholischen
Getränken, die der Pos. 2206 KN zuzuordnen sind. Die KN im
Sinne des Gesetzes ist gemäß § 1 Abs. 3 BierStG die
Warennomenklatur nach Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des
Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische
Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften Nr. L 256 vom 07.09.1987, S. 1;
Nr. L 341 vom 03.12.1987, S. 38; Nr. L 378 vom 31.12.1987, S. 120;
Nr. L 130 vom 26.05.1988, S. 42) in der am 19.10.1992 geltenden
Fassung und der bis zu diesem Zeitpunkt zur Durchführung der
Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 erlassenen Rechtsvorschriften.
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a) Das entscheidende Kriterium für die
zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren
objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im
Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den
Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind, und
nach den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der
Kombinierten Nomenklatur - AV - (Senatsurteil vom 26.09.2017 - VII
R 17/16, ZfZ 2018, 139 = SIS 17 22 75; EuGH-Urteil GROFA u.a.
C-435/15 und C-666/15, EU:C:2017:232, ZfZ 2017, 163). Nach AV 1
sind für die Einreihung in erster Linie der Wortlaut der
Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln
maßgebend. Nur wenn nach diesen Kriterien kein eindeutiges
Einreihungsergebnis erzielt werden kann, darf auf die AV 2 bis 5
zurückgegriffen werden.
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Daneben gibt es Erläuterungen und
Einreihungsavise, die ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches
Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen
Tarifpositionen sind (vgl. Senatsurteil in ZfZ 2018, 139;
EuGH-Urteil GROFA u.a., EU:C:2017:232, ZfZ 2017, 163). Auf den
Verwendungszweck einer Ware darf abgestellt werden, wenn im
Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen auf dieses
Kriterium Bezug genommen wird (Senatsurteil vom 08.11.2016 - VII R
9/15, BFHE 256, 286, ZfZ 2017, 103 = SIS 17 03 82). Entscheidend
ist dabei, ob sich der Verwendungszweck in den objektiven
Eigenschaften und Merkmalen der Ware niedergeschlagen hat (vgl.
Senatsurteile in ZfZ 2018, 139, und vom 15.01.2019 - VII R 16/17,
BFH/NV 2019, 600 = SIS 19 05 35, m.w.N.).
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b) Die im Streitfall allein in Betracht
kommende Pos. 2206 KN (in der nach § 1 Abs. 3 BierStG
maßgeblichen Fassung) erfasst „andere gegorene
Getränke (z.B. Apfelwein, Birnenwein und Met); Mischungen
gegorener Getränke und Mischungen gegorener Getränke und
nichtalkoholischer Getränke, anderweit weder genannt noch
inbegriffen“. Ob die Mischung eines gegorenen
Getränks mit einem nichtalkoholischen Getränk bereits
trinkfertig oder genusstauglich sein oder zum Trinken bestimmt sein
muss, ist Pos. 2206 KN nicht eindeutig zu entnehmen. Während
der Begriff „Getränk“ für sich
betrachtet dafür spricht, dass die Ware zum Trinken geeignet
und bestimmt sein muss, ist diese Zweckbestimmung im Falle einer
Mischung zweier Getränke nicht offensichtlich. Vielmehr kommt
es bei einem wörtlichen Verständnis des
Positionswortlauts nur darauf an, dass zwei (näher bestimmte)
Getränke vermischt werden, was auch im Fall von
Qualitätsverlusten z.B. durch Ausflockung gegeben wäre.
Näher liegt jedoch die Annahme, dass der Verordnungsgeber
davon ausgegangen ist, dass durch die Mischung zweier Getränke
wiederum ein Getränk entsteht, weil mögliche
Qualitätsverluste infolge des Mischens in Pos. 2206 KN nicht
angesprochen werden, oder dass eine Getränkemischung
jedenfalls so weit aufbereitet sein muss, dass sie ein Endprodukt
darstellt, das dem Verbraucher als Getränk angeboten werden
kann.
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Die einschlägigen Erläuterungen
sprechen ebenfalls dafür, dass die in Pos. 2206 KN
angesprochenen Mischungen dazu bestimmt sein müssen, als
Getränk genossen bzw. dem Verbraucher als Getränk
angeboten zu werden. So wird in den Erläuterungen zum
Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 2206 mehrfach der Begriff
„Getränk“ verwendet. In ErlHS zu Pos. 2206
13.0 wird außerdem ausgeführt, dass zugesetzte Vitamine
oder Eisenverbindungen enthalten sein können. Diese
Erzeugnisse, die manchmal als Nahrungsergänzungsmittel
bezeichnet werden, sind allgemein zur Erhaltung der Gesundheit oder
des Wohlbefindens bestimmt.
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Dass sich das Erzeugnis in bestimmten Gebinden
befinden oder gar in Flaschen abgefüllt sein muss, um in die
Pos. 2206 KN eingereiht werden zu können, ergibt sich dagegen
weder aus den Vorgaben der KN noch aus den genannten
Erläuterungen.
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c) Unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung des EuGH zu den Getränken i.S. des Kap. 22 KN
ist jedoch davon auszugehen, dass ein Steuergegenstand i.S. des
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BierStG dann vorliegt, wenn die Mischung
eines gegorenen Getränks mit einem nichtalkoholischen
Getränk i.S. der Pos. 2206 KN, nach ihren objektiven Merkmalen
und Eigenschaften zum menschlichen Genuss bestimmt und geeignet
ist, dem Verbraucher als Getränk angeboten zu werden.
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Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH
kann der Geschmack ein objektives Merkmal und eine objektive
Eigenschaft des Erzeugnisses sein (EuGH-Urteil Siebrand, C-150/08,
EU:C:2009:294, Rz 36, ZfZ 2009, 218 zu Pos. 2208 KN). Weiterhin hat
der EuGH im Zusammenhang mit der Tarifierung der sogenannte malt
beer base klargestellt, dass die Einstufung einer Ware als
„Getränk“ im Sinne der KN von seiner
flüssigen Beschaffenheit und seiner Bestimmung zum
menschlichen Genuss abhängt. Davon ausgehend hielt der EuGH in
seiner weiteren Begründung u.a. das Aussehen und den Geschmack
der Ware für maßgeblich (EuGH-Urteil Paderborner
Brauerei Haus Cramer, C-196/10, EU:C:2011:487, Rz 33 und Rz 37, ZfZ
2011, 242). Auch in seinem Urteil Toorank Productions, C-532/14 und
C-533/14 (EU:C:2016:337, Rz 59, ABlEU 2016 Nr. C 243/11) hat er zur
Abgrenzung der Pos. 2206 und 2208 KN auf die organoleptischen
Merkmale und Eigenschaften der Ware abgestellt. In seinem Urteil
B.S., C-195/18 (EU:C:2019:197, Rz 39, ZfZ 2019, 309) hat er im
Zusammenhang mit der Einreihung einer Ware als Bier in die Pos.
2203 KN ebenfalls die organoleptischen Merkmale des Erzeugnisses
für maßgeblich gehalten. Schließlich hat der EuGH
auch in seinem Urteil Kompania Piwowarska (EU:C:2018:325, ZfZ 2018,
242) auf das Ziel, den konsumierten Alkohol zu besteuern,
hingewiesen (vgl. Rz 39; vgl. auch Schlussanträge Rz 27
ff.).
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4. Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen
und der vom FG festgestellten starken Ausflockung liegt im
Streitfall spätestens nach der Absonderung des Flockentrubs
ein Steuergegenstand i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 2 BierStG vor,
weil sich danach keine wesentlichen Bearbeitungsschritte mehr
angeschlossen haben und die Herstellung des Biermischgetränks
daher spätestens in diesem Zeitpunkt als abgeschlossen
betrachtet werden kann. Dieses wurde in dem Zustand an die Kunden
verkauft, in dem es sich nach der Entfernung des Flockentrubs
befand, weshalb spätestens in diesem Zeitpunkt von seiner
Trinkfertigkeit und seiner Bestimmung zur Abgabe an den Verbraucher
auszugehen ist. Dass es zu diesem Zeitpunkt noch nicht in für
den Einzelverkauf bestimmte Behältnisse abgefüllt ist,
ist unbeachtlich, weil weder die Flaschenabfüllung noch die
Pasteurisierung zur Herstellung des Steuergegenstands
gehören.
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Ob die Biersteuer im Streitfall bereits vor
oder erst nach der Absonderung des Flockentrubs entstanden ist,
kann der Senat jedoch nicht abschließend beurteilen, weil das
FG ausgehend von seiner abweichenden Rechtsauffassung
diesbezüglich keine ausreichenden Feststellungen getroffen
hat.
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a) Die Verluste bei der Abfüllung der
Bier-Kirschsaftkonzentrat-Mischung in Flaschen durch
Überschäumen von Flaschen und Flaschenbruch sind nicht
von der steuerbaren Menge abzuziehen, weil das Abfüllen des
Bieres in Flaschen nicht mehr zum Herstellungsvorgang gehört
und die Verluste daher erst nach der Herstellung von Bier i.S. von
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BierStG und nach der Entstehung der
Biersteuer gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1
BierStG eingetreten sind. Die Klägerin verfügte im
streitigen Zeitraum nicht über ein Steuerlager, in dem sie
nach § 4 Satz 1 BierStG Bier unter Steueraussetzung hätte
herstellen sowie be- und verarbeiten dürfen.
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Soweit der BFH mit Beschluss in BFHE 61, 297 =
SIS 55 01 86 entschieden hat, dass das Abfüllen des Bieres auf
die Versandgefäße noch zum Herstellen gerechnet werden
kann, weil erst mit diesem Abfüllen das Bier
„fertig“ i.S. von § 12 Abs. 4 des
Biersteuergesetzes in der im Jahr 1953 gültigen Fassung und
§ 51 der Durchführungsbestimmungen zum Biersteuergesetz
in der Neufassung vom 14.03.1952 (BierStDB) ist, kann dies nicht
auf den Streitfall übertragen werden. Diese Entscheidung ist
zum Biersteuerrecht vor der Harmonisierung der besonderen
Verbrauchsteuern und damit vor einem anderen rechtlichen
Hintergrund ergangen. Während das BierStG nach der
Harmonisierung durch die RL 2008/118 die Herstellung von Bier ohne
eine Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers gleichermaßen
wie die Entnahme von Bier aus dem Steuerlager als
Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr und
damit als Steuerentstehungstatbestand ansieht (§ 14 Abs. 2 Nr.
1 und 2 i.V.m. Abs. 1 BierStG), kannte das (noch rein nationale)
BierStG, das der genannten BFH-Entscheidung zugrunde lag, als
Steuerentstehungstatbestand im Wesentlichen die Entfernung von Bier
aus der Brauerei gemäß § 2 Abs. 1 BierStG a.F. Die
Herstellung von Bier außerhalb der Brauerei war dagegen im
BierStG i.d.F. vom 14.03.1952 (BGBl I, 149) nicht geregelt. Die
Brauerei nach altem Recht war vielmehr mit dem heutigen Steuerlager
vergleichbar und als Standardfall vorgesehen (vgl. §§ 1,
51 BierStDB). Der Zusatz von Wasser zum Bier nach Feststellung des
Extraktgehalts der Stammwürze und das Vermischen der
verschiedenen Biergattungen sowie der Zusatz von Zucker nach der
Entstehung der Steuerschuld waren gemäß § 9 Abs. 7
und Abs. 8 BierstG a.F. sogar untersagt. Ein Rückgriff auf das
BierSt a.F. kommt auch deshalb im Streitfall nicht in Betracht,
weil dieses lediglich Bier im Sinne eines aus Malz, Hopfen, Hefe
und Wasser durch Vergärung hergestellten Getränks kannte
(Grote/Bernhard, Kommentar zum Biersteuergesetz, 1953, S. 70),
während im Streitfall eine Mischung aus Bier und einem
nichtalkoholischen Getränk vorliegt.
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29
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Der von der Klägerin angeführte
§ 84 Abs. 1 Satz 1 BierStDB kann ebenfalls nicht auf den
Streitfall übertragen werden, weil sich diese Vorschrift auf
die Ermittlung des Schwunds von reinem Bier bezieht. Demnach ist
der Schwund der Gesamtverlust an Würze und Bier, der bei der
Bierbereitung vom Ausschlagen der Würze aus der Braupfanne bis
zum Abfüllen des Biers auf die Versandgefäße
entsteht (vgl. auch Anlage E zu § 84 BierStDB). Darüber
hinaus regelt diese Vorschrift den Schwund in der Brauerei und
damit im Steuerlager, über das die Klägerin gerade nicht
verfügte.
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30
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b) Die Verluste bei der Abfüllung des
Gemisches aus Bier und Kirschsaftkonzentrat in Flaschen sind auch
nicht gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 BierStG
steuermindernd zu berücksichtigen.
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Nach dieser Vorschrift entsteht die Steuer
nicht, wenn das Bier aufgrund seiner Beschaffenheit oder in Folge
unvorhersehbarer Ereignisse oder höherer Gewalt
vollständig zerstört oder unwiederbringlich verloren
gegangen ist. Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 BierStG gilt
Bier dann als vollständig zerstört oder unwiederbringlich
verloren gegangen, wenn es als solches nicht mehr genutzt werden
kann. Diese Ausnahme von der Steuerentstehung differenziert zwar
nicht ausdrücklich nach der Art der Steuerentstehung.
Allerdings setzt sie voraus, dass der Steuergegenstand Bier bereits
vorliegt, aber die Steuer dafür noch nicht entstanden ist.
§ 14 Abs. 3 Satz 1 BierStG betrifft daher nur die Fälle,
in denen sich das Bier noch in einem Verfahren der Steueraussetzung
befindet. Die Ausnahmeregelung bezieht sich systematisch nur auf
die Steuerentstehung gemäß § 14 Abs. 1 i.V.m. Abs.
2 Nr. 1, 3 und 4 BierStG. Für die Herstellung ohne Erlaubnis
nach § 5 BierStG (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 BierStG) gilt sie
dagegen nicht, weil mit dem Abschluss der Herstellung des
Steuergegenstands Bier zugleich die Steuer entsteht. Abgesehen
davon enthält § 14 Abs. 3 BierStG keinen
Erlöschenstatbestand für eine bereits entstandene
Steuer.
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In dieser Auslegung steht § 14 Abs. 3
Satz 1 BierStG im Einklang mit Art. 7 Abs. 4 RL 2008/118, wonach
die vollständige Zerstörung oder der unwiederbringliche
Verlust nur dann nicht als Überführung in den
steuerrechtlich freien Verkehr gilt, wenn die
verbrauchsteuerpflichtigen Waren einem Steueraussetzungsverfahren
unterstellt sind. Eine entsprechende Regelung für Schwund nach
Entstehung der Steuer außerhalb eines Steuerlagers
enthält die RL 2008/118 nicht, weshalb einer Anwendung des
§ 14 Abs. 3 BierStG auf die Fälle des § 14 Abs. 2
Nr. 2 BierStG das Unionsrecht entgegenstünde.
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5. Im zweiten Rechtsgang wird das FG zu
prüfen haben, ob im Streitfall nach den objektiven Merkmalen
und Eigenschaften der Ware ein Steuergegenstand i.S. von § 1
Abs. 2 Nr. 2 BierStG i.V.m. Pos. 2206 KN und § 1 Abs. 3
BierStG bereits vor oder erst nach der Absonderung des starken
Flockentrubs vorlag und ob die Verluste infolge der Ausflockung und
Filtrierung des Gemisches aus Bier und Kirschsaftkonzentrat vor
oder nach der Steuerentstehung eingetreten sind. Außerdem
wird es die genaue zu versteuernde Menge Bier erneut zu ermitteln
haben.
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a) Das FG ist zwar im ersten Rechtsgang davon
ausgegangen, dass es bei der Mischung des Biers und des
Kirschsaftkonzentrats zu einer Eiweiß-Gerbstoffreaktion mit
der Folge einer starken Ausflockung kam und der Flockentrub
über eine Zentrifuge abgeschieden und entsorgt wurde und nicht
als Bier verwendet werden konnte. Aber auch wenn dies darauf
hindeutet, dass die Mischung vor der Absonderung des Flockentrubs
(noch) nicht dazu bestimmt ist, dem Verbraucher als trinkfertiges
Erzeugnis angeboten zu werden, sind die Feststellungen des FG
insoweit nicht ausreichend. Vielmehr hatte es aufgrund seiner
Rechtsmeinung keinen Anlass, genauer zu dieser Frage Stellung zu
nehmen, weil es davon ausging, dass die Abfüllung des fertigen
Produktes Teil des Herstellungsprozesses sei und der
Produktionsverlust daher insgesamt nicht zur steuerbaren Menge
gehöre. Abgesehen davon ist es nicht ausgeschlossen, dass auch
ein Biermischgetränk, das bis zu einem gewissen Grad
Ausflockungen aufweist, zum Verbrauch bestimmt sein kann.
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Sofern das FG zu dem Ergebnis kommt, dass erst
nach der Absonderung des Flockentrubs ein Steuergegenstand i.S. von
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BierStG vorliegt, wird es weiterhin ermitteln
müssen, wie hoch genau der bis dahin eingetretene
Produktionsverlust im Zusammenhang mit der Abscheidung des
Flockentrubs ist, um die steuerbare Menge Bier errechnen zu
können. Denn die bisherigen Feststellungen des FG benennen den
Produktionsverlust nur insgesamt (bestehend aus Verlust durch
Flockentrub und Verlust bei der Abfüllung).
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b) Das FG kann der Errechnung der steuerbaren
Biermenge die tatsächliche Menge zugrunde legen, da auch das
HZA zugunsten der Klägerin von der tatsächlichen Menge
ausgegangen ist.
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Die Vorschrift des § 2 Satz 1 BierStV zur
Bestimmung der steuerbaren Menge bei Bier in Fertigpackungen ist
nicht anwendbar, weil sich das Bier vor beziehungsweise nach der
Absonderung des Flockentrubs noch in Tanks und nicht in
Fertigpackungen befand.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 2 FGO.
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