Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 7.12.2018 - 13 K
289/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
1
|
I. Streitig ist, ob der Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) im Veranlagungszeitraum 2014
(Streitjahr) einen steuerbaren Gewinn aus einem privaten
Veräußerungsgeschäft (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
des Einkommensteuergesetzes - EStG - ) erzielt hat.
|
|
|
2
|
Der Kläger erwarb 2006 eine
Eigentumswohnung, die er bis einschließlich April 2014
durchgehend zu eigenen Wohnzwecken nutzte und mit notariell
beurkundetem Kaufvertrag vom 17.12.2014 wieder
veräußerte. Im Zeitraum von Mai 2014 - seinem Auszug -
bis zur Veräußerung im Dezember 2014 hatte der
Kläger die Wohnung an Dritte vermietet.
|
|
|
3
|
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) ermittelte hieraus einen steuerpflichtigen
Veräußerungsgewinn i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 EStG und erfasste diesen im Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr vom 20.5.2016. Der hiergegen gerichtete Einspruch des
Klägers hatte keinen Erfolg.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es vertrat in seiner in EFG 2019, 710 veröffentlichten
Entscheidung die Auffassung, der Kläger habe den Tatbestand
des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht erfüllt, da er
das maßgebliche Wirtschaftsgut - die Eigentumswohnung - im
Jahr der Veräußerung bis einschließlich des Monats
April und in den beiden vorangegangenen Jahren vollständig zu
eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Die Vermietung in den Monaten Mai
bis Dezember 2014 sei unschädlich. Die im Streitfall
einschlägige Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3
2. Alternative EStG verlange nicht, dass die Nutzung zu eigenen
Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung während des
gesamten Kalenderjahres vorgelegen haben müsse.
|
|
|
5
|
Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision. Das FA vertritt die Auffassung, dass die Ausnahmeregelung
des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG im
Streitfall nicht greifen könne, da unmittelbar vor der
Veräußerung der Eigentumswohnung weder eine Eigennutzung
durch den Kläger stattgefunden noch ein
Eigennutzungsäquivalent (Leerstand) vorgelegen habe. Die
Auffassung des FG, wonach eine Zwischennutzung durch Vermietung im
Jahr der Veräußerung unschädlich sei, widerspreche
dem Leitmotiv der gesetzlich geregelten und einheitlich zu
betrachtenden Ausnahmetatbestände in § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 Satz 3 EStG. Lediglich ein Leerstand - als Verlängerung
der Eigennutzung - könne insoweit als unschädlich
angesehen werden, nicht jedoch eine Nutzung zu
Vermietungszwecken.
|
|
|
6
|
Das FA beantragt, das Urteil des FG vom
7.12.2018 - 13 K 289/17 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
|
|
|
7
|
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass
der Kläger aufgrund der Veräußerung seiner
Eigentumswohnung den Tatbestand eines privaten
Veräußerungsgeschäfts (§§ 22 Nr. 2, 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) nicht erfüllt hat.
|
|
|
9
|
1. Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige
Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß §
23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a.
Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei
denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung
nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen sind
gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder
Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu
eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der
Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu
eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
|
|
|
10
|
a) Der Ausdruck „Nutzung zu eigenen
Wohnzwecken“ setzt in beiden Alternativen lediglich
voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom
Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Eine Nutzung zu
„eigenen Wohnzwecken“ liegt nicht vor, wenn der
Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an
einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu
bewohnen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27.06.2017 - IX R
37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192 = SIS 17 18 43,
m.w.N.).
|
|
|
11
|
b) Die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG setzt voraus, dass die
Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden
vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Dabei
muss die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der
Veräußerung und im zweiten Jahr vor der
Veräußerung nicht während des gesamten
Kalenderjahrs vorgelegen haben; vielmehr genügt ein
zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken,
der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie - mit
Ausnahme des ersten Jahres vor der Veräußerung
(„mittleres Kalenderjahr“) - voll
auszufüllen (BFH-Urteil in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192
= SIS 17 18 43, m.w.N.; Trossen, Neue Wirtschaftsbriefe 2017, 3256
[3257]). Das bedeutet: Ausreichend für die Anwendung der
Ausnahmevorschrift ist eine zusammenhängende Nutzung von einem
Jahr und zwei Tagen - wobei sich die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
auf das gesamte mittlere Kalenderjahr erstrecken muss, während
die eigene Wohnnutzung im zweiten Jahr vor der
Veräußerung und im Veräußerungsjahr nur
jeweils einen Tag zu umfassen braucht.
|
|
|
12
|
2. Das angefochtene Urteil des FG entspricht
diesen Maßstäben. Zutreffend ist das FG von dem
Grundsatz ausgegangen, dass eine
„Zwischenvermietung“ vor der
Veräußerung eines nämlichen Wirtschaftsguts i.S.
des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für die Anwendung der
Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2.
Alternative EStG unschädlich ist, wenn der Steuerpflichtige
das Wirtschaftsgut - zusammenhängend - im
Veräußerungsjahr zumindest an einem Tag, im Vorjahr
durchgehend und im zweiten Jahr vor der Veräußerung
zumindest einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
|
|
|
13
|
3. Die Sache ist spruchreif. Der Kläger
hat seine Eigentumswohnung zwar innerhalb der in § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Veräußerungsfrist
angeschafft und wieder veräußert. Das
Veräußerungsgeschäft ist jedoch nicht steuerbar, da
die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2.
Alternative EStG im Streitfall greift: Unstreitig hat der
Kläger seine im Dezember 2014 veräußerte Wohnung in
den Jahren 2012 und 2013 sowie im Zeitraum von Januar bis
einschließlich April 2014 durchgehend zu eigenen Wohnzwecken
genutzt; die Nutzung erstreckt sich, wie von der genannten
Ausnahmevorschrift verlangt, demnach über drei Kalenderjahre.
Die „Zwischenvermietung“ der Wohnung im Zeitraum
von Mai 2014 bis Dezember 2014 ist für die Anwendung der
Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2.
Alternative EStG unschädlich.
|
|
|
14
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|