Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 5.6.2014 3 K 413/12
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) erwarb am 5.9.2006 durch notariell beurkundeten
Vertrag nach § 3 Abs. 5 des Ausgleichsleistungsgesetzes -
AusglLeistG - (BGBl I 2004, 1665) mehrere
Grundstücksflächen (Grundstücke 1) zu einem
Kaufpreis von 271.600 EUR. Der Kaufpreis wurde vollständig
entrichtet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -
FA - ) setzte für diesen Erwerb ausgehend von einer
Bemessungsgrundlage von 271.600 EUR bestandskräftig
Grunderwerbsteuer fest.
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Nachdem durch eine gesetzliche Neuregelung
(vgl. § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG in der ab
dem 31.3.2011 geltenden Fassung - AusglLeistG n.F. -,
eingefügt durch das Zweite
Flächenerwerbsänderungsgesetz vom 21.3.2011, BGBl I 2011,
450) die Möglichkeit eröffnet worden war, den
Verkehrswert der Grundstücke 1 nach den Verhältnissen im
Jahr 2004 zu ermitteln und nach Maßgabe der Wertdifferenz zum
gezahlten Kaufpreis weitere Flächen zu erwerben, erwarb der
Kläger mit notariell beurkundeter Nachtragsvereinbarung vom
13.3.2012 zusätzliche Grundstücksflächen
(Grundstücke 2). Hierfür war ein Kaufpreisaufschlag
(§ 3 Abs. 7a Satz 3 AusglLeistG n.F.) in Höhe von
10.008,54 EUR zu zahlen. In der Nachtragsvereinbarung wurde der
Kaufpreis von 271.600 EUR in Höhe von 58.290,75 EUR den
Grundstücken 2 zugeordnet.
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Das FA setzte für den Erwerb der
Grundstücke 2 mit Bescheid vom 1.6.2012 Grunderwerbsteuer in
Höhe von 2.390 EUR gegen den Kläger fest. Als
Bemessungsgrundlage legte es den auf die Grundstücke 2
anteilig entfallenden Kaufpreis von 58.290,75 EUR sowie den
Kaufpreisaufschlag von 10.008,54 EUR zugrunde.
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Die Klage, mit der sich der Kläger
nach erfolglosem Vorverfahren gegen die Einbeziehung des anteiligen
Kaufpreises von 58.290,75 EUR in die Bemessungsgrundlage wandte,
hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur
Begründung im Wesentlichen aus, für den Erwerb der
Grundstücke 1 und der Grundstücke 2 sei ein
Gesamtkaufpreis vereinbart worden. Diesen habe der Kläger nach
Abschluss des Kaufvertrags vom 5.9.2006 vollständig
entrichtet. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer für den
Erwerb der Grundstücke 2 sei nur der
Kaufpreisaufschlag.
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Mit der Revision rügt das FA eine
Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9
Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sowie des
§ 38 der Abgabenordnung (AO).
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat für den Erwerb der
Grundstücke 2 zu Recht den anteilig zugeordneten Kaufpreis
nicht als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer
herangezogen.
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1. Der Grunderwerbsteuer unterliegt
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ein Kaufvertrag oder
ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf
Übereignung begründet, soweit sich diese
Rechtsvorgänge auf inländische Grundstücke
beziehen.
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a) Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG als Erwerbsvorgang knüpft allein an das
schuldrechtliche Rechtsgeschäft an (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.4.2013 II R 53/10, BFHE 241, 63,
BStBl II 2013, 755 = SIS 13 18 01, Rz 13). Maßgeblich
für die Verwirklichung des grunderwerbsteuerrechtlichen
Tatbestands ist damit die Entstehung eines schuldrechtlichen
Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks (§ 433
Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) in der Person des
Steuerpflichtigen.
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b) Der Kläger erlangte durch die
schuldrechtliche Vereinbarung vom 13.3.2012 den Anspruch auf
Übereignung der Grundstücke 2. Damit hat der Kläger
zu diesem Zeitpunkt den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG erfüllt. Mit der Verwirklichung des Tatbestands ist
Grunderwerbsteuer entstanden (§ 38 AO).
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2. Der in der Nachtragsvereinbarung den
Grundstücken 2 anteilig zugeordnete Kaufpreis in Höhe von
58.290,75 EUR ist nicht in die Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer einzubeziehen.
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a) Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer
ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei
einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom
Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach
gehören alle Leistungen des Erwerbers zur
grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die dieser als Entgelt
für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der
Veräußerer als Entgelt für die
Veräußerung des Grundstücks empfängt
(BFH-Urteil vom 18.6.2014 II R 12/13, BFHE 246, 211, BStBl II 2014,
857 = SIS 14 25 68, Rz 9, m.w.N.).
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b) Der den Grundstücken 2 anteilig
zugeordnete Kaufpreis von 58.290,75 EUR ist keine Gegenleistung
i.S. des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
für den Erwerb dieser Grundstücke.
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aa) Maßgebend für den Umfang der
Gegenleistung ist das tatbestandserfüllende
Rechtsgeschäft, bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
regelmäßig die kaufvertraglich begründete
Übereignungsverpflichtung (vgl. BFH-Urteil vom 30.3.2009 II R
62/06, BFHE 225, 503, BStBl II 2009, 854 = SIS 09 26 32,
m.w.N.).
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bb) Nach der Auslegung des FG bildete die
Nachtragsvereinbarung mit dem Kaufvertrag eine Einheit. Für
den Erwerb der Grundstücke 1 und der Grundstücke 2 ist
ein Gesamtkaufpreis gebildet worden. Der Kläger musste
aufgrund der Nachtragsvereinbarung keinen zusätzlichen
Kaufpreis für den Erwerb der Grundstücke 2 zahlen. Zu
entrichten war nur der vereinbarte Kaufpreisaufschlag nach § 3
Abs. 7a Satz 3 AusglLeistG n.F.
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Diese Vertragsauslegung bindet den Senat nach
§ 118 Abs. 2 FGO. Sie ist möglich und verstößt
nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder die
Grundsätze der Vertragsauslegung (vgl. BFH-Urteil vom
10.8.2016 XI R 41/14, BFHE 255, 300 = SIS 16 25 42, Rz 40).
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cc) Beim Erwerb weiterer Flächen aufgrund
eines gesetzlichen Anspruchs nach § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m.
Abs. 7a AusglLeistG gegen Zahlung eines Kaufpreisaufschlags
führt die nur wertmäßige Zuordnung eines Teils des
bereits für andere Flächen entrichteten Kaufpreises zu
den neuen Flächen nicht zur Erhöhung der
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.
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§ 3 Abs. 7b Satz 2 AusglLeistG billigt
einem Berechtigten, der - wie der Kläger - sein Erwerbsrecht
bereits ausgeübt hat, ausdrücklich einen Anspruch auf den
Erwerb weiterer Flächen zu, soweit die Kaufpreisbestimmung
nach § 3 Abs. 7a AusglLeistG n.F. zu einem höheren
Erwerbsumfang führt. Nach § 3 Abs. 7a Satz 1 AusglLeistG
n.F. gilt bei Verkäufen an Berechtigte der Wert als
Verkehrswert i.S. des § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG, wie er
sich aus den im Bundesanzeiger vom 21.7.2004 veröffentlichten
Werten der „Bekanntmachung der Regionalen Wertansätze
2004 für Ackerland und Grünland nach der
Flächenerwerbsverordnung“ ergibt. Liegen keine
regionalen Wertansätze vor, ist der Verkehrswert
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der
Flächenerwerbsverordnung zum Wertermittlungsstichtag 1.1.2004
zu ermitteln (§ 3 Abs. 7a Satz 2 AusglLeistG n.F.).
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Im Streitfall hatte der Kläger nach
§ 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG n.F. einen
Anspruch auf einen weiteren Erwerb von Flächen. Der
zusätzliche Erwerb der Grundstücke 2 laut
Nachtragsvereinbarung vom 13.3.2012 beruht damit auf einem
gesetzlichen Anspruch. Aufgrund der niedrigeren, auf die
Verhältnisse im Jahr 2004 abgestellten Wertermittlung für
die Grundstücke reichte der im Vertrag vom 5.9.2006
vereinbarte Kaufpreis für den Erwerb weiterer
Grundstücksflächen aus. Die in der Nachtragsvereinbarung
vom 13.3.2012 vorgenommene Zuordnung eines anteiligen Kaufpreises
zum Erwerb der Grundstücke 2 ist nicht als Vereinbarung eines
Kaufpreises zu verstehen. Durch die Zuordnung wird vielmehr nur
dokumentiert, dass mit der Übereignung der Grundstücke 2
der Anspruch des Klägers auf den Hinzuerwerb erfüllt ist.
Dass sich der Anspruch des Klägers gerade auf einen solchen
Hinzuerwerb bezogen hat, wird durch den Umstand bestätigt,
dass eine Abfindung des Erwerbsanspruchs in Geld gesetzlich nicht
vorgesehen ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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