1
|
I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
31.3.2008 erwarb die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) von T in der Stadt A im Bereich eines
Bebauungsplans vom 22.6.2001 belegene Grundstücke zu einem
Kaufpreis von 6.400.000 EUR. Die Klägerin trat ferner
bezüglich der Kaufgrundstücke in alle Rechte und
Pflichten aus einem von den Rechtsvorgängern der T u.a. mit
der A geschlossenen städtebaulichen Vertrag vom 30.4.2001 ein
und übernahm anstelle des Verkäufers den gemäß
Teil 5 des städtebaulichen Vertrags vom
„Begünstigten einer Baurechtsbegründung“
geschuldeten Folgekostenbeitrag in Höhe von 60 DM (30,68 EUR)
je Quadratmeter Wohnfläche. Der Folgelastenbeitrag war Zug um
Zug gegen die Erteilung von Baugenehmigungen bzw. mit Eintritt der
Rechtswirkungen von Genehmigungsfreistellungen nach der Bayerischen
Bauordnung (BayBO) fällig. Er sollte die Aufwendungen der A
für den zusätzlichen Bedarf an Kindergarten- und
Hortplätzen decken, der durch die im Bebauungsplan geschaffene
Bebauungsmöglichkeit ausgelöst wurde.
|
|
|
2
|
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) setzte gegen die Klägerin durch Bescheid
vom 26.5.2008 Grunderwerbsteuer in Höhe von 224.000 EUR fest.
Der Bescheid erging gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 der
Abgabenordnung (AO) vorläufig, da die Höhe des als
Gegenleistung anzusetzenden Folgekostenbeitrags noch ungewiss war.
Der Einspruch blieb erfolglos.
|
|
|
3
|
Nach Klageerhebung setzte das FA durch
gemäß § 165 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO
geänderten und für endgültig erklärten Bescheid
die Grunderwerbsteuer auf 235.999 EUR herauf. Bemessungsgrundlage
waren nunmehr neben dem Kaufpreis die der Klägerin von A
gemäß dem städtebaulichen Vertrag berechneten
Folgekosten von 342.849 EUR. Grundlage der Berechnung des
Folgekostenbeitrags war die Wohnfläche, die sich aus den der
Klägerin im Jahre 2009 erteilten Baugenehmigungen
ergab.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht gab der Klage, die auf
Nichteinbeziehung der Folgekosten in die Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer gerichtet war, statt. Die Klägerin habe mit
der Übernahme der Verpflichtungen der T aus der
Folgekostenvereinbarung keine konkrete geldwerte Verpflichtung der
T übernommen. Die aufgrund der Folgekostenvereinbarung zu
zahlenden Kosten seien erst in der Person der Klägerin
aufgrund der von ihr vorgenommenen Grundstücksbebauung
entstanden und hätten nicht zu einer Bereicherung der T
geführt. Das Urteil ist in EFG 2013, 960 = SIS 13 15 16
veröffentlicht.
|
|
|
5
|
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung des § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
|
|
|
6
|
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
7
|
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Eine vom Grundstückserwerber
übernommene und noch nicht entstandene Zahlungsverpflichtung
des Grundstücksverkäufers, die dieser in einem
städtebaulichen Vertrag gegenüber einer Gemeinde
eingegangen ist, ist keine Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG und damit nicht Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1
GrEStG) der Grunderwerbsteuer.
|
|
|
9
|
1. Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
grunderwerbsteuerbaren Grundstückskaufvertrag bemisst sich die
Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG
regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung.
Maßgebend für den Umfang der Gegenleistung ist das
tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft, bei § 1 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG regelmäßig die kaufvertraglich
begründete Übereignungsverpflichtung (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30.3.2009 II R 62/06, BFHE 225, 503,
BStBl II 2009, 854 = SIS 09 26 32, m.w.N.). Als Gegenleistung gilt
nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis
einschließlich der vom Käufer übernommenen
sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des
Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung
(Bemessungsgrundlage), die dieser als Entgelt für den Erwerb
des Grundstücks gewährt oder die der
Veräußerer als Entgelt für die
Veräußerung des Grundstücks empfängt
(BFH-Urteile vom 11.2.2004 II R 31/02, BFHE 204, 489, BStBl II
2004, 521 = SIS 04 21 07; vom 30.7.2008 II R 40/06, BFH/NV 2008,
2060 = SIS 08 41 65, und vom 30.3.2009 II R 1/08, BFH/NV 2009, 1666
= SIS 09 29 73). Der Erwerb des Grundstücks und die
Gegenleistung müssen kausal verknüpft sein (BFH-Urteile
vom 2.6.2005 II R 6/04, BFHE 210, 60, BStBl II 2005, 651 = SIS 05 36 34, und vom 13.12.2006 II R 22/05, BFH/NV 2007, 1183 = SIS 07 16 28).
|
|
|
10
|
2. Im Streitfall ist der von der Klägerin
an A gezahlte Folgekostenbeitrag nicht Kaufpreis i.S. des § 9
Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Die Übereignungsverpflichtung der T
umfasste gemäß Tz. V.1 Buchst. ee des
Grundstückskaufvertrags auch in Ansehung des Bebauungsplans
vom 22.6.2001 nicht eine in bestimmter Weise bzw. in bestimmtem
Umfang gegebene Bebaubarkeit bzw. bauliche Nutzung der
Grundstücke.
|
|
|
11
|
3. Der von der Klägerin gezahlte
Folgelastenbeitrag ist auch keine von ihr übernommene sonstige
Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
|
|
|
12
|
a) Eine sonstige Leistung liegt vor, wenn sich
der Käufer kaufvertraglich verpflichtet, eine bereits im
Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in der
Person des Verkäufers entstandene Verbindlichkeit
(Zahlungsverpflichtung) zu tragen (BFH-Urteil in BFHE 225, 503,
BStBl II 2009, 854 = SIS 09 26 32). Dies setzt voraus, dass die
Verbindlichkeit ohne die getroffene Vereinbarung allein vom
Veräußerer erfüllt werden müsste (BFH-Urteile
vom 27.8.2003 II R 27/01, BFH/NV 2004, 226 = SIS 04 05 16; vom
8.6.2005 II R 26/03, BFHE 210, 372, BStBl II 2005, 613 = SIS 05 31 24).
|
|
|
13
|
b) Im Streitfall war für T bei Abschluss
des Grundstückskaufvertrags noch keine Zahlungsverpflichtung
aus der im städtebaulichen Vertrag vereinbarten
Folgelastenvereinbarung entstanden.
|
|
|
14
|
aa) Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des
Baugesetzbuchs (BauGB) kann Gegenstand eines städtebaulichen
Vertrags die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen
sein, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen
entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des
geplanten Vorhabens sind. Für den aufgrund dieser Vorschrift
zulässigen Folgekostenvertrag fehlt es, im Gegensatz zu der
für den Erschließungsbeitrag in § 133 Abs. 2 BauGB
getroffenen Regelung, an einer gesetzlichen Bestimmung über
die Entstehung eines vom Baubewerber zu zahlenden
Folgekostenbeitrags.
|
|
|
15
|
bb) Grundsätzlich kann zwar die
Zahlungsverpflichtung aus einem städtebaulichen Vertrag
unabhängig davon entstehen, zu welchem Zeitpunkt die durch den
Folgekostenbeitrag zu finanzierenden kommunalen Einrichtungen
fertig gestellt werden. Entgegen der Auffassung der
Finanzverwaltung (z.B. Erlass des Bayerischen Staatsministeriums
der Finanzen vom 28.6.2000 36 –S 4521-33/17-28 502)
gehören aber bei der Verknüpfung eines
Folgelastenvertrags mit dem Erwerb eines Grundstücks die vom
Erwerber übernommenen Folgekosten nicht in jedem Fall zur
Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG. Maßgebend ist vielmehr, in welchem Zustand das
Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde
(für die Einbeziehung von Erschließungskosten in die
Bemessungsgrundlage vgl. z.B. BFH-Urteile vom 15.3.2001 II R 51/00,
BFH/NV 2001, 1297 = SIS 01 75 74, und vom 23.9.2009 II R 21/08,
BFH/NV 2010, 679 = SIS 10 08 96). Dies bestimmt sich nach den im
Folgekostenvertrag getroffenen Regelungen.
|
|
|
16
|
cc) Im Streitfall ist Gegenstand der im
städtebaulichen Vertrag vom 30.4.2001 getroffenen
Folgekostenvereinbarung die „Beteiligung der
Begünstigten einer Baurechtsbegründung“ an dem
durch die künftige Bebauung ausgelösten zusätzlichen
Bedarf an Kindergarten- und Hortplätzen. Insoweit waren, den
Zulässigkeitsanforderungen an einen städtebaulichen
Vertrag i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB entsprechend,
die der Gemeinde entstehenden Kosten mit dem begünstigten
Bauvorhaben kausal verknüpft (dazu Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 24.3.2011 4 C 11.10, BVerwGE 139,
262). Dabei sollte nach der hier im städtebaulichen Vertrag
getroffenen Vereinbarung der Folgelastenbeitrag nicht bereits im
Zeitpunkt der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans, sondern
erst im Zeitpunkt des für den Erwerber individuell
begründeten konkreten Baurechts entstehen. Dies ergibt sich
aus der in Teil 5 - § 3 des städtebaulichen Vertrags
getroffenen Vereinbarung, wonach der Folgelastenbeitrag erst Zug um
Zug gegen die Erteilung der Baugenehmigungen bzw. mit Eintritt der
Rechtswirkungen von Genehmigungsfreistellungen nach der BayBO
fällig war.
|
|
|
17
|
dd) Aufgrund dieser Vertragslage war im
Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags am
31.3.2008 noch keine Zahlungsverpflichtung der T aus dem
Folgelastenvertrag entstanden. T war zu diesem Zeitpunkt weder eine
Baugenehmigung erteilt worden noch lag eine
Genehmigungsfreistellung nach der BayBO vor. Der Folgekostenbeitrag
entstand vielmehr erst im Jahre 2009 in dem Zeitpunkt, in dem der
Klägerin die von ihr beantragten Baugenehmigungen für das
Bauvorhaben erteilt wurden. Grunderwerbsteuerrechtlich handelt es
sich damit bei dem von der Klägerin gezahlten
Folgelastenbeitrag um eine allein auf ihr Bauvorhaben bezogene
eigennützige Leistung; eine solche ist keine Gegenleistung
für den Erwerb des Grundstücks (vgl. z.B. BFH-Urteile in
BFHE 225, 503, BStBl II 2009, 854 = SIS 09 26 32, und vom 8.9.2010
II R 28/09, BFHE 231, 244, BStBl II 2011, 227 = SIS 10 33 57).
|